Hallo allerseits,
hier im Forum fiel gelegentlich der Name Ivan Moravec – und wie immer, wenn ich einen Pianisten noch gar nicht kenne, breitet sich bei mir Neugier aus. Ich recherchierte etwas im Internet, und sehr schnell stand für mich fest: Diesen Pianisten muss ich hören.
Gesagt, getan – aber zur Einführung ein paar Daten aus seinem Leben:
Geboren 1930 in Prag, studierte er Klavier am Prager Konservatorium und der Prager Akademie. 1957 hörte Michelangeli ihn in Prag spielen und lud ihn in seine Meisterklasse nach Italien ein. Als Michelangeli später einmal gefragt wurde, welche seiner Schüler heute vor ihm Gnade fänden, soll er geantwortet haben: "Martha und Ivan."
1964 debütierte Ivan Moravec mit dem Cleveland Orchestra unter George Szell in der Severance Hall in Amerika; kurz darauf folgte ein erster Auftritt mit dem gleichen Orchester in der Carnegie Hall. Und eben an diesen Ort gab er im Oktober 2005 im Alter von immerhin 75 Jahren ein umjubeltes Recital.
Als Perfektionist und Klangtüftler, der er ist (und hier scheint er Michelangeli ähnlich zu sein), hat Moravec ein relativ kleines Repertoire eingespielt: Mozart, Beethoven, Chopin, Schumann, Brahms, Franck, Debussy, Ravel.
Sein Klavierspiel würde ich grob gesagt – und nach den wenigen Aufnahmen, die ich kenne – als ästhetisch und fein nuanciert beschreiben, aber auch ausdruckstark und sensibel. Verglichen wird er gelegentlich mit Gieseking und Richter.
Das alles sagt nicht viel aus, man muss ihn einfach hören – und hier empfehle ich:
Die Chopin-Nocturnes wurden bereits im entsprechenden Thread gewürdigt.
Dann hörte ich:
Live-Mitschnitt Prager Frühlings-Recital 2000 mit Werken von Haydn, Janácek und Chopin, als Zugabe u.a. die „Ondine“ von Debussy.
Und weil ich selber durch eine Rezension im Rondo-Archiv (M. Kornemann) auf diese CD aufmerksam wurde, möchte ich ein paar Sätze daraus zitieren:
Man wird das ganze Wunder dieses kostbaren Klavierspiels erst nach und nach fassen können. Vielleicht sollten Sie (ausnahmsweise!) einmal zur ersten der drei Zugaben springen, zur "Ondine", nicht zur ravelschen, sondern zu Debussys spröderer Nixen-Schwester aus Préludes II. So gesättigt mit Farbe und doch transparent konnte auch Michelangeli, Moravecs Mentor, die "Ondine" nicht spielen. Noch den geringsten pp-Anschlag eines Arpeggios reiht er, wie eine ebenmäßige opalisierende Perle, auf die Schnur. Das eigentlich Unbeschreibliche aber ist diese fast greifbare Spannung - fast eine Art Muskeltonus - die die Klanggesten dieses schwierigen Préludes in eine lebendige Bewegungsfolge bringt. […]
Allmählich (wieder) hineingeführt ins Reich der Nuancen wird man erst würdigen können, wie Moravec im Finale von Haydns D-Dur-Sonate jede Themenwiederholung ein klein wenig verändert - haben wir nicht fast verlernt, solche Unterschiede zu bemerken? -, wie er die Akkorde im Largo abschattiert. Und vieles mehr.
Und als Schlusssatz, den ich unterschreiben würde: „Ivan Moravec spielt unfasslich schön Klavier.“
Das war es von meiner Seite, nun zu Euren Eindrücken, Erfahrungen und Empfehlungen…
Gruß, Cosima