WSO-Walküre: Direktor meuchelt Künstler

  • Einen Teilaspekt der Walküren-Premiere würde ich gerne gesondert hervorheben und behandeln: Direktor Holenders kleine Ansprache vor dem dritten Akt.
    Mit einer kaum je gesehenen Virtuosität wurde hier vordergründig ein Künstler verteidigt, diesem (und anderen gleich mit) jedoch gleichzeitig das "Hackl in's Kreuz g'haut" (er wird schlecht gemacht - für Nicht-Wiener).


    Der Subtext war in etwa folgender:


    - Ich habe dem Uusitalo bei den Proben gesagt, er soll gefälligst markieren, aber der Dummkopf wollte den ernsthaften Künstler hervorstreichen und zwei Proben auf Premierenniveau durchsingen anstatt ans Geschäft zu denken.


    - Glücklicherweise konnte ich(!) einen Ersatz-Wotan finden. Allerdings versteift sich der Regisseur darauf, dass der nur von außen singen und nicht direkt spielen darf. Als wenn das ein Problem wäre, wenn der Ersatz ständig auf den Dirigenten schauen muss (weil er die Rolle halt auch nicht ständig singt) und zudem keinen blassen Schimmer von der Inszenierung hat. Sie haben also völlig recht, wenn sie sich ärgern - das lassen Sie dann aber bitte den Bechtolf selbst spüren.


    - Fazit: Ich(!!) habe diese Premiere gerettet - für alles was ihnen nicht gefällt oder misslungen ist, bin ich jedenfalls nicht einmal ansatzweise verantwortlich.



    Nun sollte man sich vielleicht folgende Fragen stellen:


    - Wollen wir bei Premieren wirklich die Situation, dass alle Künstler bis zur Premiere (also inkl. Generalprobe) nicht voll singen und die Premiere damit zur eigentlichen Generalprobe verkommt?


    - Warum schafft es ein Riesenhaus wie die WSO nicht bei der Premiere einer Oper mit sehr anspruchsvollen Partien (und zu einer nicht unbedingt risikolosen Jahreszeit) nicht, Einspringer (auf Abruf) bereit zu halten, die zumindest auch mal die szenischen Proben besucht haben. Immerhin ist der Ring ein Prestige-Projekt und es handelt sich um den Premieren-Block.


    - Kann sich ein Direktor freundlicherweise mal ernsthaft vor die von ihm ganz bewusst engagierten Künstler stellen (auch wenn das bedeutet, Position beziehen und damit auch Kritik einstecken zu müssen)?



    Ich hoffe, hier keine Themenverfehlung begangen zu haben - aber derartige künstlerfeindliche Ego-Pflege eines Staatsoperndirektors sollte einfach aufgezeigt und gerne auch diskutiert werden.

  • Hallo Martello!


    Ich habe die Premiere Teilweise im Radio mitgehört und die von Dir kritisierte so mitbekommen. Im Rahmen der Kulturleiste habe ich gestern im ORF eine Bericht der Premiere gesehen.


    Meine Wahrnehmung war eine andere.


    1. Aus meiner Sicht gehört es sich, dass der Direktor erklärt, wieso die Premiere auf die gewählte Art weitergeführt wird. Die Reaktion des Publikums war aus meiner Sicht, bei allem Verständnis für die Entäuschung, doch etwas heftig. Holender hat das Publikum, zu recht oder zu unrecht sie dahingestellt, auf unaufgeregte Weise zurechtgewiesen und das auf, wiederum meine Wahrnehmung, sehr elegante, unkämpferische Weise(vgl. die Generalversammlung des Vereins Bayern München).


    2. An dieser Sichtweise mag was dran sein, aber es zeigt, wer welche Vorstellungen zur Weiterführung hat. Da Publikum kann dann entscheiden, wem das Missfallen der Lösung zu zeigen sei. Wieso soll sich Holender für etwas ausbuhen lassen, das er selbst nicht so gewollt hat?


    Holender ist nun einmal der Direktor der WSO und hat somit die Letztverantwortung. Wenn er nichts tut, wird nichts geschehen.



    Nun zu den Fragen:


    Die Frage ist berechtig und mit etwas Verstand auch zu beantworten. Da der Mensch keine Maschine ist, die immer und überall gleichmäßige Leistung zu bringen vermag, muss sich der Künstler überlegen, wie er/sie mit seinen Kräften haushaltet. Nach Berichten Berichten war der Künstler beim Arzt, der diesem den Auftritt erlaubte. Wenn der Künstler also nicht top fit war, scheint es mir vernünftiger die Proben auf kleiner Flamme zu machen, um am Abend gerüstet zu sein. Wenn der Künstler gesund ist, soll er die Generalprobe wie einen Aufführung singen.


    Wie hätte das im gegenständlichen Fall klingen sollen? Klar sollte sich der Direktor vor die Künstler stellen.


    Soweit ich das sehe, ist Holender einfach eine Person polarisiert. Wenn Holender nicht Holender wäre, hätte er die WSO nicht doch einingermaßen erfolgreich geführt.


    In Interviews kommt er eher entspannt und auch mit einer gewissen Ironie seiner selbst gegenüber rüber. Wie er im direkten Kontakt zu Künstlern und Mitarbeitern seines Hauses ist, weiß ich nicht.


    lg,
    Franz

    Sagt nicht:"Ich habe die Wahrheit gefunden", sondern:"Ich habe eine Wahrheit gefunden." (Khalil Gibran; Der Prophet, dtv, 2002)

  • Zitat

    Original von Franz Laier
    Soweit ich das sehe, ist Holender einfach eine Person polarisiert. Wenn Holender nicht Holender wäre, hätte er die WSO nicht doch einingermaßen erfolgreich geführt.


    In Interviews kommt er eher entspannt und auch mit einer gewissen Ironie seiner selbst gegenüber rüber. Wie er im direkten Kontakt zu Künstlern und Mitarbeitern seines Hauses ist, weiß ich nicht.


    Meine Lieben,


    Mein persönlicher Kontakt zum Direktor der WSO beschränkte sich auf ein- oder zweimal Händeschütteln. Aber was man so hörte (und durch Beobachtungen wurde es zumindest nicht heftig konterkariert), war, daß der Grundsatz galt: Ich bin der Direktor, dein Herr; du sollst nicht andere Götter haben neben mir. Wer das akzeptierte, oder von ihm akzeptiert war, konnte wahrscheinlich ganz gut damit existieren. Wer dagegen aufmuckte, litt. Dabei haben aber auch solche Leute, die seine schlechten Eigenschaften gar nicht mochten, immer zugegeben, daß seine Talente (etwa für das Aufspüren von Stimmen) bedeutend waren. Und einen Wunderwuzi, der alles perfekt beherrscht, gibt es sowieso nicht. Aber sicher gab es früher auch leichtere und vielleicht nicht ganz so selbstverliebte Direktoren (wobei gegen ein gewisses Maß an Eitelkeit im allgemeinen gar nichts einzuwenden wäre).


    LG


    Waldi

  • Ioan Holender hat dadurch, dass er die Staatsoper sehr fest und vielleicht sogar auch autoritär führt, dafür gesorgt, daß das früher in Wien sehr beliebte Künstler- und Direktorenabschießen aufgehört hat. Allein deshalb ist Holender schon Hochachtung und auch Dank zu zollen.


    Die Ansprache zu Uusitalos Abgang: Meiner Meinung nach hat Holender sehr geschickt ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert, die Zuschauer damit zu "Mitwissern" gemacht - und gerade dadurch hat er es geschafft, den Zorn von dem unglücklichen Uusitalo abzulenken auf die Umstände. Quasi: "Es ist halt passiert".


    Die Sache mit der Zweitbesetzung: Das geht halt extrem ins Geld. Und es ist eine Frage der Kosten-Nutzen-Rechnung.


    Außerdem: Wo endet die Cover-Pflicht?
    Covert man nur Premieren?
    Covert man alle Folgeaufführungen?
    Und wenn man die Premiere (und deren Folgeauführungen) covert - müßte man nicht auch jedes Repertoire covern; oder sind Repertoire-Gäste weniger wert als Premieren-Gäste?


    Meiner Meinung nach hat einfach das Pech zugeschlagen - und wir haben etwas erlebt, was eben immer geschehen kann, wenn man es mit Menschen zu tun hat, die nun einmal krank oder nervös werden können.


    Insgesamt ist diese ganze Sache meiner Meinung nach wert registriert zu werden. Aber die ganze Hektik um das Thema scheint mir arg überzogen.


    :hello:

    ...

  • Ich finde auch das dieses Thema zu hoch gespielt wird.
    Nur bei einem solchen Premierenabend sollte doch eine Zweitbesetzung da sein.
    Vor allem seit bekannt wurde das Usitalo nicht ganz gesund war.


    Rita

  • Ja, Rita, schon klar. Aber: Am Freitag singt er makellos. Am Samstag kein Problem. Am Sonntag, dem Tag der um 17 Uhr beginnenden Premiere, fühlt er sich unwohl.
    Zu diesem Zeitpunkt kann man eine Zweitbesetzung unmöglich in eine Regie einweisen (auch wenn es sich bei dieser um ein müdes Herumstehen handelt). Der Arzt bestätigt Uusitalo gute Gesundheit.
    Was dann passiert ist, wissen wir.
    Meiner Meinung nach kann man in einer solchen Situation nur gewinnen, wenn man riskiert: Entweder der Sänger hält durch - und alles ist bestens. Oder er geht ein - und ein schnell herbeigeholter Ersatzmann wird als Held des Abends gefeiert. Beides würde ich an Stelle des Direktors einem ungenügend eingewiesenen Ersatzmann bei weitem vorziehen.
    :hello:

    ...

  • Eine Coverbesetzung für den Wotan ist auch eine besonders heikle Sache. Selbst Häuser, die sich noch ein Hausensemble leisten, haben nicht unbedingt einen Wotan im Schrank (und sei es auch nur in dem Sinne, dass er durch die Partie durchkommt). Das ist eben (hinsichtlich der Stamina) schon etwas anderes, als beispielsweise als Amfortas, oder gar als Padre Germont einzuspringen. Und so ein Abend hinterlässt auch Spuren. Sprich, mal eben einen Walküre-Wotan zwischen zwei reguläre Engagements zu zwängen, ist auch eine riskante Entscheidung, die vielleicht auch den einen oder anderen in Frage kommenden Sänger dazu veranlasst, die Möglichkeit eines Covers abzulehnen.
    Und vielleicht ist es ja auch wirklich so: Ein Skandal mit einem indisponierten Sänger ist letztendlich vom künstlerischen Image her leichter zu schultern, als eine unterdurchschnittliche Anfangsbesetzung. Selbst, wenn viel verloren wurde, war es vielleicht das beste, was man machen konnte.


    Abschließend noch eine nette Anekdote aus dem Opernpleistozän:
    Der holländische Heldentenor Jaques Urlus debütierte 1913 an der Met als Tristan. Zeitungsberichten zufolge eines der größten Desaster in der Geschichte des Hauses, der Sänger ging vollständig ein. Im Dritten Akt hatte er gar keine Stimme mehr, es war aber kein (!) Ersatz gefunden, der das hätte kompensieren können. Also spielte er vollkommen stumm. Schon im zweiten Akt mußte er einzelne Passagen vollständig weglassen. Angeblich soll er sogar auf der Bühne mit dem Rücken zum Publikum geweint haben. ;(
    Aber offenbar war das Met-Publikum nicht nachtragend. Urlus entwickelte sich zu einem der besten Heldentenöre in der Met-geschichte und stieg in der Publikumsgunst beständig. Für Uusitalo ist also noch nicht alles verloren ;)


    :hello:
    Sascha

  • Ich zähle bei Gott nicht zu den kritiklosen Holender-Anbetern, aber dass dem Mann bei jeder seiner Äußerungen böse Absichten bzw. eine Verar.......des Publikums angedichtet wird, nervt mich allmählich. (Vorreiter in dieser causa ist ja das unsägliche M*-Forum..... :wacky: ) Ich erinnere mich noch an die wilden Beschimpfungen anlässlich der Villazon-Absage, das hatte schon beinahe pathologischen Charakter, was da alles aufs Tapet gebracht wurde.
    An Holenders Ansprache vor dem Vorhang fand ich nichts auszusetzen, er hat das Beste aus der Situation gemacht und immerhin hat er sich diesmal selbst den Unmut des Publikums abgeholt und nicht einen armen Inspizienten im Regen stehen lassen wie im Jänner. DAS habe ich ihm allerdings übel genommen, weil es Sache des Direktors ist den Kopf hinzuhalten, wenn eine Katastrophe eingetreten ist.
    Was die GP betrifft, war ich ehrlich gesagt auch sehr erstaunt, dass alle ausgesungen haben, weil das nicht üblich ist. Normalerweise tritt ein netter Herr vor den Vorhang, begrüßt das Publikum und bittet um Verständnis, wenn die Sänger nur markieren, aber blablabla.... Diesmal aber war die GP eine "normale" Vorstellung und scheint auf jeden Fall besser gewesen zu sein als die PR, denn Uusitalo trumpfte groß auf (Auch in der Pause hörte ich nur begeisterte Kommentare) und die von der Kritik so zerzauste Eva Johansson gefiel mir sehr, und ich bin ziemlich allergisch gegen schrille Spitzentöne. (Die Stuttgarter Brünnhilde zog mir z.B. den letzten Nerv.... :( )
    lg Severina :hello:

  • meiner meinung nach muss ein sänger sich der verantwortung dem publikums gg-über schon bewusst sein.
    hr. uusitalo dürfte sich wohl ein bissl überschätzt haben u. gutgemeinte ratschläge des hrn. holänder nicht angenommen haben.
    hier "dreschen" einige auf den falschen ein.ich sehe nicht,was hr. holänder falsch gemacht haben soll.


    wenn bei allen aufführungen ein cover zur verfügung stehen soll,würden die jetzt schon enormen kosten,noch mehr in die höhe schiessen.


    dann würden wahrscheinl. genau die gl. leute wg. der explodierenden kosten schimpfen.


    mfg yago

  • Vielleicht beginne ich ja paranoid zu werden, was diesen Direktor betrifft - aber die Erfahrung der letzten Jahre lässt ihn mir als ziemlich rücksichtslosen Egomanen erscheinen (und da meine ich bitte ausschließlich öffentliches und nachprüfbares Verhalten und nicht diverse Gerüchte, Stichwort "Besetzungscouch").


    Dennoch:


    - Warum lobt er Uusitalo nicht dafür, dass der sich für diese Neuproduktion offenbar total eingesetzt hat? Ich kenne einige bewundernde Anekdoten über SängerInnen, die Proben auf Aufführungsniveau bestritten haben. Zumal es für den "Stimmbruch" ja ganz schlüssige Erklärungen gibt.


    Im Übrigen ist das - buhende - Wiener Publikum erbärmlich: als "Holländer" haben sie ihn noch bejubelt - jetzt ausgebuht, wo eindeutig hörbar war, dass ein gesundheitliches Problem vorlag.


    - Wieso: "Der Regisseur besteht darauf, dass Uusitalo den Wotan weiter auf der Bühne darstellt. Mir gefällt diese Lösung auch nicht."
    Welche gefiele ihm besser?!
    - Absagen?
    - Oder den Einspringer mit Klavierauszug auf die Bühne stellen, wo er das gesamte szenische Konzept zerstört (woher sollte er es kennen) und zudem auch noch ständig auf den Dirigenten fixiert sein muss (was er selbst ausdrücklich bestätigte - "W-M hat mir sehr geholfen und jeden einsatz genau angezeigt").


    Meiner Ansicht nach ist bei einer Neuproduktion, in der man den Ersatz nicht vorher in das Regiekonzept einweisen kann, die von Bechtolf gewünschte Variante vielmehr die mit Abstand beste (mal abgesehen vom MET-System mit echter Zweitbesetzung).


    Welche Lösung hättet ihr gewählt, könntet ihr entscheiden?

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  • Zitat

    Original von martello
    Vielleicht beginne ich ja paranoid zu werden, was diesen Direktor betrifft ...


    Sieht ganz danach aus! ;)



    Zitat

    Warum lobt er Uusitalo nicht dafür, dass der sich für diese Neuproduktion offenbar total eingesetzt hat?


    Ich versuche mir das einmal bildlich vorzustellen. Herr Holender tritt also vor den Vorhang und sagt sinngemäß: "Meine Damen und Herren! Herr Uusitalo hat mir zwar leider meine Premiere ruiniert, aber ich lobe ihn dennoch für seinen vorbildlichen Einsatz während der Probenzeit!"
    Die Liste derer, die sich da ziemlich veräppelt vorkommen müssen, ist schier nicht mehr endenwollend...

    :hahahaha:


    Zitat

    Im Übrigen ist das - buhende - Wiener Publikum erbärmlich: als "Holländer" haben sie ihn noch bejubelt - jetzt ausgebuht, wo eindeutig hörbar war, dass ein gesundheitliches Problem vorlag.


    Das runde Dutzend aufgebrachter ist ja wohl nicht das "Wiener Publikum". Freilich, schön war es nicht.



    Zitat

    - Wieso: "Der Regisseur besteht darauf, dass Uusitalo den Wotan weiter auf der Bühne darstellt. Mir gefällt diese Lösung auch nicht."
    Welche gefiele ihm besser?!


    Es erhebt sich die Frage, wie die Aussage gemeint war. Ich glaube auch, dass dies für die Vorstellung und das Publikum letztlich die beste Lösung war. Aber hast du dir das einmal von der Sicht Herrn Uusitalos aus betrachtet? Er muss über eine Stunde lang auf der Bühne agieren und dabei zuhören, wie ein anderer seinen Part singt und selbst dabei im Saft seines eigenen Versagens schmoren. Wenn du mich fragst, war das das schlimmste Erlebnis seiner Karriere, geradezu eine moderne Folter. Diese "Erfahrung" wünsche ich wirklich Niemandem!


    Ich habe selbst einen ähnlichen Fall erlebt, wo dann ein zufällig die Vorstellung besuchender Sänger des Hauses im Orchestergraben die Partie vom Blatt gesungen hat. In diesem Fall hat damals ein Regieassistent, der mit der Inszenierung vertraut war, die Bühnenrolle übernommen, was tadellos funktioniert hat.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus
    Er muss über eine Stunde lang auf der Bühne agieren und dabei zuhören, wie ein anderer seinen Part singt und er selbst dabei im Saft seines Versagens schmort...


    Mal eine Frage zum Verständnis: Muss ich mir das so vorstellen, dass da jemand gestikuliert und den Mund auf und zu macht, während der eigentliche Ton von links rechts oder unten herkommt, also Playback?


    Und: Im Saft des eigenen Versagens schmoren... Wahrlich kein schöner Gedanke, aber eine herrliche Beschreibung :D

  • Zitat

    Original von Blackadder
    Mal eine Frage zum Verständnis: Muss ich mir das so vorstellen, dass da jemand gestikuliert und den Mund auf und zu macht, während der eigentliche Ton von links rechts oder unten herkommt, also Playback?


    Im Prinzip ja. Inwieweit er aber den Karpfen gespielt hat, kann ich natürlich nicht sagen...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • 16.10.1983
    Premiere "Tannhäuser"
    Beginn der Direktion LORIN MAAZEL
    Dirigent Lorin Maazel.
    Rainer Goldberg als Tannhäuser im ersten Akt:
    "Ich kann nich mehr" (Orginalzitat)
    schmiss die Harfe auf den Boden und ging ab.
    Der Vorhang fiel.
    In der Prozeniumsloge Loge saß
    SPAS WENKHOFF
    Cover Tenor sprang auf lief auf die Bühne
    und die Premiere ging erfolgreich mit ihm
    zu Ende.
    Pikant am Rande der Theateragent
    Ioan Holender hatte den Tenor Nr.2
    als Cover der Direktion "verkauft".


    :yes::yes::yes:

    mucaxel

  • Zitat

    Original von Theophilus
    Ich glaube auch, dass dies für die Vorstellung und das Publikum letztlich wahrscheinlich die beste Lösung war. Aber hast du dir das einmal von der Sicht Herrn Uusitalos aus betrachtet? Er muss über eine Stunde lang auf der Bühne agieren und dabei zuhören, wie ein anderer seinen Part singt und er selbst dabei im Saft seines Versagens schmort. Wenn du mich fragst, war das das schlimmste Erlebnis seiner Karriere, geradezu eine moderne Folter. Dieses "Erlebnis" wünsche ich wirklich Niemandem!



    Bei einer mit viel Aufmerksamkeit bedachten Premiere dürfte das dem Sänger in der Tat aufs Gemüt schlagen. So selten kommt das aber nicht vor. Ich habe ähnliches schon bei einigen Vorstellungen miterlebt - ein Sänger (bzw. eine Sängerin), der kurz vor oder während der Vorstellung die Stimme verloren hat, schauspielert auf der Bühne und wird von einem bereitstehenden oder eilig herbeitelefonierten Ersatz aus dem Graben oder von der Seite stimmlich gecovert. Immer war das Publikum dankbar, dass es überhaupt los- bzw. weitergeht.




    Zitat

    Ich habe selbst einen ähnlichen Fall erlebt, wo dann ein zufällig die Vorstellung besuchender Sänger des Hauses im Orchestergraben die Partie vom Blatt gesungen hat. In diesem Fall hat damals ein Regieassistent, der mit der Inszenierung vertraut war, die Bühnenrolle übernommen, was tadellos funktioniert hat.


    In Einzelfällen übernimmt ja der Regisseur selbst die Rolle. Ich meine mich zu erinnern, dass im Bayreuther Jahrhundertring Patrice Chéreau in einer Vorstellung den Siegfried gemimt hat. Und in Brüssel hat Ruth Berghaus in ihrer Inszenierung der Berg-Oper einmal für die erkrankte Sängerin die Lulu gespielt.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    ...
    In Einzelfällen übernimmt ja der Regisseur selbst die Rolle.
    ...


    Was natürlich nur dann geht, wenn er da ist. Das ist aber in der Regel nur bei Premieren und Festspielaufführungen der Fall. Im Normalfall ist nur ein verantwortlicher Regieassistent greifbar...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus


    Was natürlich nur dann geht, wenn er da ist. Das ist aber in der Regel nur bei Premieren und Festspielaufführungen der Fall. Im Normalfall ist nur ein verantwortlicher Regieassistent greifbar...



    Ja, klar. Ich dachte jetzt speziell an den aktuellen Wiener Fall und Herrn Bechtolf, der sich wohl nicht getraut hat - obwohl er doch hauptberuflich Schauspieler ist...



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    ...
    Ja, klar. Ich dachte jetzt speziell an den aktuellen Wiener Fall und Herrn Bechtolf, der sich wohl nicht getraut hat - obwohl er doch hauptberuflich Schauspieler ist...
    ...


    Ja, eigentlich eine zutreffende Überlegung. Aber da Herr Uusitalo offenbar mitgespielt hat...


    (Trotzdem, es muss für ihn furchtbar gewesen sein!)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!



  • In der Tat: René Kollo hatte sich das Bein gebrochen und sang aus den Kulissen, während Chereau den Siegfried spielte. Und ein anderes Mal spielte Kollo stimmlos, während ein Kollege (war es Jean Cox?) ihn aus den Kulissen coverte...

  • An der BSO war dem Orphée (Vesselina Kasarova) während der Vorstellung die Stimme abhanden gekommen und aus dem Graben sang dann eine, gerade erst im Ensemble aufgenommene und bis dahin mir noch völlig unbekannte junge Frau und inzwischen fantastische Brangäne: Daniela Sindram. Für sie ein ganz toller Einstieg und Frau Kasarova spielte die Rolle auf der Bühne weiter. Behielt diesen Abend, als ganz besonderen, in sehr guter Erinnerung.


    :hello: Ingrid

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Zitate Martello
    Vielleicht beginne ich ja paranoid zu werden, was diesen Direktor betrifft - aber die Erfahrung der letzten Jahre lässt ihn mir als ziemlich rücksichtslosen Egomanen erscheinen (und da meine ich bitte ausschließlich öffentliches und nachprüfbares Verhalten und nicht diverse Gerüchte, Stichwort "Besetzungscouch").


    Als da wäre konkret...?


    Zitat

    Warum lobt er Uusitalo nicht dafür, dass der sich für diese Neuproduktion offenbar total eingesetzt hat? Ich kenne einige bewundernde Anekdoten über SängerInnen, die Proben auf Aufführungsniveau bestritten haben. Zumal es für den "Stimmbruch" ja ganz schlüssige Erklärungen gibt.


    Aber genau das hat Holender doch getan: Er hat gesagt, Uusitalo habe auf der Probe - entgegen Holenders Rat - voll ausgesungen. Er hat ihn als international erfolgreichen Wotan gelobt.
    Was hätte Holender tun sollen?
    "Sehr geehrtes Publikum, Juha Uusitalo ist der beste Wotan der Gegenwart. Er hat sich für diese ,Walküre' sehr eingesetzt. Aber da ich leider ein übler Egozentriker bin, hat er eben die Stimme verloren. In meiner Unfähigkeit habe ich es geschafft, einen Ersatz aufzutreiben. Ich bitte Sie, mir mein Versagen nachzusehen."
    Ist doch Quatsch...!


    --------------------------


    Wenn so etwas passiert, gibt es drei Möglichkeiten:
    1) Das Playback-Verfahren, das in Wien zum Einsatz kam.
    2) Der Einspringer wird schnell in die Regie eingewiesen und improvisiert.
    3) Der Einspringer singt, der Regisseur spielt.


    Alle drei Möglichkeiten habe ich mehrfach erlebt, alle haben Vor- und Nachteile.
    Ob 3) jetzt in Wien wirklich die beste Möglichkeit gewesen wäre, weiß ich nicht. Auf jeden Fall hätte Bechtolf die Buhs schon früher eingeheimst, die ganze Sache wäre eventuell in Richtung Skandal geschlittert. Obendrein halte ich es für einen Vorteil, wenn der Interpret zumindest körperlich präsent bleibt.
    Obendrein verschaffte es Uusitalo die Möglichkeit, mit erhobenem Kopf aus der Vorstellung zu gehen - krank ja, aber er hat sich nicht verdrückt (= gedrückt).
    2) erscheint mir gerade bei einer Premiere nicht wirklich so ideal, ist aber die für mich insgesamt akzeptabelste Lösung. Wenn der Einspringer die Regie (am Ende eine moderne) freilich gar nicht kennt, kann es extrem heiter werden. Also nicht für jede Aufführung und jeden Einspringer anwendbar...


    :hello:

    ...

  • Ich erlebte das im Vorjahr beim Hoffmann in Klosterneuburg: Tenor 1 erkrankte kurzfristig und wurde durch Tenor 2 ersetzt, der sich am nächsten Tag das Bein brach (kein Witz) - großer Katastrophenalarm! Was ich zu sehen bekam: Tenor 1 agierte auf der Bühne, ein eilends aus Brünn herbeigekarrter Tenor 3 lieh ihm vom Orchestergraben aus die Stimme, und zwar eine so grauenhafte Stimme, dass Tenor 1 zunehmende Zeichen der Verzweiflung erkennen ließ und Teile des Orchesters sich schlicht und einfach abhauten (was ich sehr unprofessionell und fies fand), was Tenor 3 noch mehr aus dem Ruder laufen ließ..... Ich ergriff in der Pause Hals über Kopf die Flucht X( X(


    Zu Martello:
    Dass sich ein Sänger "für eine Neuproduktion total einsetzt", sollte eigentlich selbstverständlich sein, wieso ihn der Direktor dafür loben soll, dass er seinen Job tut, will mir nicht ganz einleuchten. Lobt dich dein Vorgesetzter, weil du täglich an deinem Arbeitsplatz erscheinst und deine Arbeit machst? Also, ich würde mir da leicht veräppelt vorkommen.........
    Irgendwie scheinst du tatsächlich eine Holender-Allergie zu haben ;)
    Die Buh-Rufe gegen Uusitalo finde ich absolut inakzeptabel, da sind wir uns einig, interessant wäre zu wissen, wieviele es tatsächlich waren. Gerade diese Dinge erscheinen bei Rundfunkübertragungen oft sehr verfälscht. (Man hört z.B. den Jubel immer viel schwächer als er tatsächlich ist, das konnte ich schon oft feststellen.)
    lg SEverina :hello:

  • .....Diogenes Randes als Don Giovanni hatte sich in der Hauptprobe einen Sehnenriss zugezogen, sang bei der Premiere am Bühnenrand von einem Hocker, während der Regisseur Stefan Herheim den Don beziehungsweise San Giovanni phantomimisch brillant gab.....(http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/587506/)


    oder vor jahren in münster.:


    le grand macabre(ligetti):
    der sänger des nekrotzar war heiser und so wurde ein sänger(f. teures geld)eingeflogen und dieser sang vom rand,während der eigentl. sänger spielte.


    es gibt bestimmt einige beispiele mehr...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    ... Wenn der Einspringer die Regie (am Ende eine moderne) freilich gar nicht kennt, kann es extrem heiter werden. Also nicht für jede Aufführung und jeden Einspringer anwendbar...


    Ein extrem heiterer dritter Akt der Walküre wäre immerhin eine völlig neue Erfahrung! ;)


    Nein, nein, ich glaube weiterhin, das das Beste aus der Situation gemacht wurde.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Theophilus,

    Zitat

    Ein extrem heiterer dritter Akt der Walküre wäre immerhin eine völlig neue Erfahrung!


    Ich hab mich mal köstlich amüsiert - gerade über den dritten Akt. Der Einspringer, der erst im dritten Akt notwendig wurde, stolperte ahnungslos über die Bühne und war froh, nicht auf die Nase zu fallen. Köstlich!


    Weshalb auch ich der Meinung bin, dass die Staatsoper die noch beste Lösung gewählt hat.
    :hello:

    ...