Musik der Moderne ist intellektuelle Musik - eine gewagte These

  • Liebe Forianer,


    die Aussage, moderne Musik sei "intellektuelle" Musik kam in einem Anderen Thread dieses Unterforums "Moderne" auf (welches sich ja wider Erwarten allmählich entwickelt)
    Und irgendwie kam - natürlich unterschwellig auf - zumindest konnte der Eindruck entstehen - moderne Musik sei (als Beispiel) Schuberts Musik (intellektuell ?) überlegen.
    Ich hätte meine Einwände und Bedenken natürlich gleich an Ort und Stelle vorbringen können, aber der Thread ist dort grade so schön am Laufen - zudem in eine andere Richtiung - daß ich ihn nicht zurch "Zwischenbemerkungen" vom Kurs abbringen wollte, und statt dessen das Seitenthema als Neuen Thread gestartet habe.


    Ich empfinde persönlich das immer wieder gehörte Argument, "moderne Musik" sei "intellektuell", "intellektuell geprägt"
    bzw nur Intellektuellen zugängig (über letzteres ließe sich immerhin diskutieren) als Schutzbehauptung, die die einfache Tatsache verschleiern soll, daß diese Musik nur selten das erfüllt, was von Musik gemeinhin erwartet wird.


    Ansatzweise habe ich das Thema hinterhältigerweise bereits
    Sinn und Zweck der Musik der "Moderne" (ab ca 1930)
    aufgemacht - allerdings habe ich - IMO zu Recht - die Antwort bekommen - Musik müsse an sich überhaupt keinen "Sinn" - im Sinne der Fragestellung erfüllen.


    Aber zu irgendeinem Zweck sollte sie letztlich doch gut sein ?
    Allenfalls sollte sie Emotionen wecken - vorzugsweise positive ?
    Es hat sich aber herausgestellt, daß "moderne Musik - oder wäre hier besser formuliert - "zeitgenössische" gerade DIESEN Anspruch nicht zu erfüllen vermag. ich schränke ein - zumindest dem Anschen nach.


    Meine Sichtweise ist, daß Musik, welche ständiger -durchaus gehaltvoller und von Intellekt geprägeter Erklärung bedarf, Musik ist die den ureigensten Anspruch von Musik nicht erfüllt - nämlich den Menschen zu erfreuen (Es gab auch in der Geschichte schon Beispiele älterer Musikarten, die mit voller Absicht diesen Urwunsch in Sachen Musik ignorierten - aber da waren zumeist religiöse und gesellschaftspolitische Erwägungen dahinter.


    kommen wir wieder zum Kernthema:
    Ich vermute, daß das von ihren Schöpfern und Sympathisanten verwendete Etikett "Intellektuelle Musik", dieselbe unangreifbar machen soll. Es wird hier implizit behauptet - und gelegentlich auch explizit - "Neue Musik" bedürfe einer gewissen Intellektualität von Seiten des Hörers um überhaupt in ihrem Wert erfasst zu werden.
    Das ist natürlich eint trefflicher Schutzschild. Ähnlich wie bei des "Kasers neuen Kleidern" wird sich kaum jemand getrauen zu behaupten, daß hinter dieser Musik eigenltlich NICHTS "wertvolles steckt.
    Und die Mehrheit - so sie darauf Wert liegt zur "geistigen Elite" zu gehören - wird schweigen - notabene all jener, deren Zugehörigkeit zu selbiger lediglich darin besteht, daß sie "zeitgenössische Musik " hören......


    Ich hoffe, daß sich über dieses Thema eingermaßen sachlich diskutieren lässt - aber wenn das der Fall ist - dann könnte es interessant werden.
    Die Funken dürfen fliegen - nur brennen sollte es nach Möglichkeit nicht...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Aber zu irgendeinem Zweck sollte sie letztlich doch gut sein ?
    Allenfalls sollte sie Emotionen wecken - vorzugsweise positive ?
    Es hat sich aber herausgestellt, daß "moderne Musik - oder wäre hier besser formuliert - "zeitgenössische" gerade DIESEN Anspruch nicht zu erfüllen vermag. ich schränke ein - zumindest dem Anschein nach.


    Tja, der Schein trügt ...



    Zitat

    Meine Sichtweise ist, daß Musik, welche ständiger -durchaus gehaltvoller und von Intellekt geprägeter Erklärung bedarf, Musik ist die den ureigensten Anspruch von Musik nicht erfüllt - nämlich den Menschen zu erfreuen


    Nun, mE bedarf Stockhausen nicht mehr Erklärung als Haydn.
    Will man Haydn erklären, wird es mindestens so kompliziert, als wollte man Stockhausen erklären.
    Menschen mit "naivem" Zugang gibt es zu beiden (deshalb trügt ja der Anschein, als könne moderne Musik keine "positiven Emotionen" wecken).



    Zitat

    Ich vermute, daß das von ihren Schöpfern und Sympathisanten verwendete Etikett "Intellektuelle Musik", dieselbe unangreifbar machen soll. Es wird hier implizit behauptet - und gelegentlich auch explizit - "Neue Musik" bedürfe einer gewissen Intellektualität von Seiten des Hörers um überhaupt in ihrem Wert erfasst zu werden.


    Ich habe diese These mit der Intellektualität allerdings hier nur von den Kritikern zu lesen bekommen.
    Um alles, was in der Musik steckt, in seinem Wert erfassen zu können, bedarf es auch eines "intellektuellen" Zugangs auch bei Haydn - in einem Ausmaß, wie es bei 90% der Tamino-Forums-Benutzer (geschätzt) mangels musiktheoretischer Bildung nicht möglich ist.
    Aber ich bin der letzte, der einfordert, man müsse alles, was an einem Kunstwerk erfassbar ist, kennen lernen, ich bin selber zu faul, die notwendige wissenschaftliche Sekundärliteratur zu konsumieren.



    Zitat

    Das ist natürlich eint trefflicher Schutzschild. Ähnlich wie bei des "Kasers neuen Kleidern" wird sich kaum jemand getrauen zu behaupten, daß hinter dieser Musik eigenltlich NICHTS "wertvolles steckt.


    Das ist kein Schutzschild, da jeder kritisieren kann, wie er will. Wenn jemand Haydn fad, ätzend und unoriginell findet, kann er das auch sagen und wird ebenso vom informierteren Hörer zu hören bekommen, dass er halt keine Ahnung von Haydn hat, und sich - wenn er denn Lust hat, zu erfahren, dass Haydn doch toll ist - informieren und bilden möge, oder durch wiederholtes Anhören was daran finden möge. Bei Stockhausen ist es haargenau ebenso.

  • Es mag sein, daß es mitunter als "Schutzschild" verwendet wird. Ich gebe einige Dinge zu bedenken.


    - Es herrscht weitgehend dieselbe Situation bei der Konfrontation klassischer Musik - Populärmusik. Sowohl verteidigen Klassikhörer ihre Präferenz mit dem Hinweis auf den höheren (intellektuellen) Anspruch, als auch beklagen Populärhörer die mangelnde unmittelbare Wirkung, die angebliche intellektuelle Abgehobenheit der Klassik (und ihrer Hörer).


    - "intellektuell" ist schon ziemlich lange auch als Schimpfwort gebräuchlich, daher ist es ein fragwürdiges "Schutzschild". Wenn man nicht an Begriffen klebt, findet man ähnliche Vorwürfe schon lange in der Musikgeschichte: z.B. die Polemik der Vertreter des "Empfindsamen" in Spätbarock und Frühklassik gegen trockene und langweilige (und altmodische) Kontrapunktik. Eine Rezension, die ich im Forum schon mehrfach zitiert habe, warf den Violinsonaten op.12 (!) von Beethoven "Gelehrt, gelehrt, immerfort gelehrt, keine Empfindung, kein Gesang" vor. So wenig nachvollziehbar es uns scheint, wurde auch ein gut Teil von Mozarts Musik als zu schwierig, überladen, allzu gesucht empfunden.
    Ein anderer Kritiker bezeichnete Berlioz' Musik (weiß nicht, welches Stück) als "sterile Algebra". Über einen Satz aus einer Brahms-Sifonie (evt. 4,i) schrieb jemand, er habe das Gefühl gehabt, von zwei schrecklich gescheiten Leuten durchgeprügelt worden zu sein.
    Der Vorwurf der mangelnden unmittelbaren Wirkung oder Empfindung ist also gar nichts Neues und wird sicher nicht nur (wenngleich häufig) aus Ressentiment, sondern aufgrund anderer ästhetischer Vorstellungen erhoben.
    Interessant ist auch, daß Komponisten wie Beethoven mitunter zwei scheinbar widersprüchliche Vorwürfe gemacht wurden. Einerseits: zu abstrakt, zu schwierig, unmelodisch, nicht nachvollziehbar. Andererseits: unmäßig im Ausdruck, Regeln des guten Geschmacks verletzend, formlos, usw. (Also exakt dasselbe, was mitunter gegen "die Moderne" vorgebracht wird)


    - Ebenso scheint mir die Vielfalt der Musik des 20. Jhd. das Etikett nicht zu rechtfertigen: Carmina Burana intellektuell? (höchstens wegen des Latein ;)) Ravels oder Debussys Klaviermusik? Prokofieffs Konzerte Schostakowitschs Sinfonien? Feuervogel und Le Sacre? Ligetis Atmospheres? Scheint mir nicht recht zu passen.


    - Was KSM schreibt, ist sicher alles richtig. Dennoch bleibt die Frage, warum so wenige Hörer bei Bach, Haydn oder Brahms sehr selten (von ein paar herausgehobenen Werken wie Bachs Kunst der Fuge u.ä. oder spätem Beethoven und vielleicht Wagner abgesehen) den "intellektuellen" Aspekt hervorheben. Es wird nicht nur kein Vorwurf gemacht, sondern der Aspekt in gewisser Weise ignoriert.
    Andererseits wird aber auch von Wohlmeinenden befürchtet, bei Berg Wesentliches zu verpassen, wenn man keine 12-Tontechnik versteht, nicht aber etwas bei Haydn oder Mozart zu verpassen, wenn man ebensowenig vom klassischen Kontrapunkt oder der Harmonielehre versteht. Liegt das eher an der Musik oder vielleicht ebenso an den Hörern? An den Erwartungen der Komponisten kann es eigentlich nicht liegen. Berg schrieb explizit, daß der Hörer von den strengen Formen in "Wozzeck" nichts merken solle, dagegen kann man wohl davon ausgehen, daß gewisse harmonische u.a. Überraschungen bei Haydn sehr wohl auffallen sollten und Bachs WTK usw. diente ohnehin als eine Art Lehrbuch für Komposition.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • ...manche meiner Lieblinge a.d. vergangenen Jahrhundert (Bartoks 4.Streichquartett, Lutoslawskis "Streichquartett 1964",
    B.A.Zimmermanns "Photoptosis") empfinde ich als geradezu a n t i - i n t e l l e k t u e l l ...
    u n d
    was z.B. an diesen Musiken "nicht freudvoll (genug)" sein soll, erschliesst sich mir nicht...
    u n d
    (obwohl hier im Thread nur unterschwellig Thema)
    als "hässliche (klassische) Musik" gelten für mich in allerster Linie schludrige Interpretationen
    - egal, ob`s sich nun um DiLasso, Haydn oder Isang Yun handelt


    it`s just me :)


    :hello:

  • Da ich das mit der Intellektualität ja aufgebracht habe, folgende Anmerkungen:


    Für mich geht es nicht um den intellektuellen Wert eines Werks. Der ist ohnehin nicht meßbar.
    Mein Ansatz besteht in der Intellektualisierung des Kunstschaffenden. Musiker ist kein Ausbildungsberuf mehr, sondern ein Hochschulstudium. Damit verbindet sich zwangsläufig ein Übergang hin zu mehr Theorie und mehr geistiger Auseinandersetzung mit dem Thema.
    Die Chirurgen früherer Jahre waren ja mit den Friseuren zusammen in der Bader-Zunft. Es würde heutzutage wohl kaum jemand auf die Idee kommen , dem Chirurgen die Hochschulqualifikation als Arzt abzusprechen (außer im Kunstfehlerprozess), obwohl seine Haupttätigkeit doch eigentlich vorwiegend handwerklich ist.


    Wir müssen also trennen zwischen Produzent und Rezipient.


    Ich teile die oft verbreitete These, moderne Musik sei per se scheußlich, keineswegs. Im Gegenteil, sie ist vielschichtiger als das in unendlicher Wiederholung dargebotene barocke "Gedudel", wo wesentliche Unterschiede mit der Lupe zu suchen sind. Auch in früheren Epochen setzte sich die Qualität letztendlich durch. Warum ist den der Kreis der wirklich populären "Klassiker" so klein?


    Aber moderne Musik kann eben auch hörtechnisch sehr anstrengend sein. Bartoks Streichquartette, Martinus Violinkonzert sind schwere Kost. Dabei bei Weitem nicht "unhörbar". Schostakowitsch und Sibelius hingegen gehen bei vielen deutlich leichter durch.
    Es ist aber natürlich zu hinterfragen, was das Publikum an der Aneinanderreihung von Klängen, Melodiefetzen und Zitaten findet.
    Besteht da vielleicht die Vorstellung, sich damit einer besonderen Form von Avantgarde anzuschließen und nachher klug daher zu reden? Gilt übrigens auch für anderes Publikum. Wer erinnert sich an die herrliche Szene im Monaco Franze, wo nach der Oper ganz schlau gefachsimpelt wird und er dann auch was sagt und ihm keiner zuhören mag, er aber vorher den Kritiker der Abendzeitung getroffen hat und genau dessen Meinung wiedergibt und als man dann im Restaurant die Zeitung kauft und die Kritik liest, ist er ein gefeierter Mann?


    Dieses Forum ist doch auch der Beweis dafür, dass eine gewisse elitäre Herangehensweise an klassische Musik besteht. Das gilt doch aber nicht für die Masse des Publikums. Und eine ganze Reihe von Besuchern zeitgenössischer Aufführungen geht doch nur hin, um dagewesen zu sein. Gekauft wird nicht so viel zeitgenössische Musik.


    Ich verweise auch auf eine Traditionsbildung. Bach, Beethoven, Mozart gehört zu einem allgemeinen Bildungskanon. Damit wird man groß. Da hört man schon was von in der Schule. Nicht konkret, aber immerhin. Das gilt für zeitgenössische Musik nicht so sehr.


    Die Vorstellung bei den Mneschen ist, dass Bach zu Hause saß und ihm alles zu fiel. Ein "Moderner" sitzt und denkt sich schiefe Töne aus und hat dafür noch studiert.


    Ich empfinde Intellektualität als wertfrei im Hinblick auf den Künstler. Ich sehe es aber so, dass der intellektuelle Künstler eben von einer theoretischen Seite der Musik nähert. Die Komponisten früher hingegen erlernten ihre Profession eben mehr handwerklich. Das macht das eine aber nicht schlechter als das andere.


    Im Übrigen: Erst der Kritiker macht das Werk gut oder schlecht. Siehe Bruckner oder Mahler. Und von den Kritikern sagt man ja, sie seien für das, was sie kritisieren, einfach nicht gut genug gewesen.

  • In meinen Augen ist "klassische" Musik generell eine intellektuelle Angelegenheit.
    Ob ich nun "Die Fledermaus" von Johann Strauß höre oder "Lulu" von Alban Berg - egal: mein Zugang funktioniert immer auf die gleiche Weise.
    Ich begegne dem Werk möglichst unvoreingenommen aber erwartungsvoll. Und dann sehe ich, wie das Werk auf mich wirkt:


    spricht es mich an?
    stößt es mich ab?
    fesselt es mich?
    finde ich etwas für mich darin?
    läßt es mich kalt?
    kann ich eine Verbindung zu meiner Innen- bzw. Erfahrungswelt herstellen?
    eröffnet es mir neue Sichtweisen bzw. Horizonte?
    wirft es für mich existentielle Fragen auf?
    erinnert es mich an etwas?
    macht es mich nervös?
    nervt es mich?
    trifft es meine momentane Stimmung?
    habe ich das Bedürfnis, mich tiefergehend damit zu beschäftigen?
    bereichert es mich?
    macht es mein Leben lebenswerter?
    wird die Aufführung dem Werk gerecht?
    lohnt es sich, das Werk auf CD zu besitzen?
    möchte ich von dem Komponisten mehr hören?


    Diese Fragen beschäftigen mich in erster Linie, und ich finde, dass dies ein durchaus intellektueller Zugang ist.
    Ob Alte oder Neueste Musik - dies ist für mich nicht entscheidend. Ich kann in allen Jahrhunderten für mich wichtige und unverzichtbare Musik finden und eben genauso unwichtige und verzichtbare.


    Außerdem: Jeder Komponist ist ja irgendwie ein Intellektueller. Er setzt sich hin, denkt nach, überlegt, zweifelt, verwirft, schreibt - das Komponieren ist ein intellektueller Prozeß. Und insofern ist eine Komposition immer auch ein intellektuelles Produkt, auch wenn es sich nicht "intellektuell" anhört (was auch immer das sein soll).



    Agon

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Dennoch bleibt die Frage, warum so wenige Hörer bei Bach, Haydn oder Brahms sehr selten (von ein paar herausgehobenen Werken wie Bachs Kunst der Fuge u.ä. oder spätem Beethoven und vielleicht Wagner abgesehen) den "intellektuellen" Aspekt hervorheben. Es wird nicht nur kein Vorwurf gemacht, sondern der Aspekt in gewisser Weise ignoriert.


    Ich glaube, die Ursache ist einfach ein Mißverständnis. Gegenüber mancher Spielart der Neuen Musik natürlich.


    Dieses Mißverständnis basiert auf Mißfallen und mangelnder Bereitschaft, sich darauf einzulassen.


    Es besteht darin, KONZEPTUALITÄT mit INTELLEKTUALITÄT zu verwechseln.


    Die Konzepte sind nämlich oft keineswegs besonders kompliziert. Dass sie manchmal leicht verständlich sind (also keinen besonderen Anspruch an den Intellekt stellen) bedeutet aber keineswegs, dass der konservative Klassikhörer (dem oft das Gefühl zu wissen, dass "seine" Musik ja die "bessere" sei, die Offenheit verbaut) das auch toll findet.


    Aber den Vorwurf des "Intellektuellen" an der Neuen Musik habe ich zumindest bewußt noch nicht so oft gehört - nur in letzter Zeit hier von einem Mitglied ziemlich hartnäckig vertreten gemerkt. Aber das mag daran liegen, dass ich das nicht ernst genommen habe.


    Es wäre sinnvoll, das anhand von Beispielen zu besprechen. Dafür wäre aber natürlich die Bereitschaft vonnöten, sich überhaupt damit zu beschäftigen, die ich keinem aufzwingen will.


    Aber wir können ja in gewohnter Manier fröhlich aneinander vorbeiposten - in letzter Zeit gelingt das ja sogar ganz konfliktfrei.
    :D

  • Zitat

    Es besteht darin, KONZEPTUALITÄT mit INTELLEKTUALITÄT zu verwechseln.


    Das gefällt mir gut.


    Zitat

    Aber der Vorwurf des "Intellektuellen" an der Neuen Musik habe ich zumindest bewußt noch nicht so oft gehört - nur in letzter Zeit hier von einem Mitglied ziemlich hartnäckig vertreten gemerkt. Aber das mag daran liegen, dass ich das nicht ernst genommen habe.


    Das nicht so. Ich verstehe es ja nicht als Vorurteil.
    Ich habe mal ganz unschuldig nur die Veränderung der Musik als Schaffensform darzustellen versucht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ein umfassender theoretischer Unterbau besteht. Die Gründe dafür sind doch offensichtlich. Je mehr Vorbilder vorhanden sind und je mehr ich über sie weiß, desto mehr kann ich dieses Wissen für mich nutzen. Wenn dieses Wissen schriftlich niedergelegt und mir schulisch/universitär vermittelt wird, dann wirkt sich das auf meinen Stil aus. Die KONZEPTE reifen anders heran und die Mittel zu deren Umsetzung schöpfe ich aus einem voller Fass.


    Wo war denn der Austausch Haydns mit anderen Künstlern? Nicht, dass es ihn nicht gab. Aber bei einer so hohen Beanspruchung durch seinen Arbeitgeber, einem ohnehin langsameren und unkomfortableren Transport- und Postwesen und viel weniger Publikationen war er doch zwangsläufig auf sich und sein Können beschränkt.


    Wir hingegen hocken vor unseren PCs und wenn wir irgend etwas Ausgefallenes wissen wollen, googlen wir das in ein paar Minuten.


    Ich sage nicht, dass Neue Musik=intellektuell=verkopft=ungenießbar ist. Mein Ansatz - und dafür danke ich - begründet sich in einer anderen Anlage der Konzeption.

  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Je mehr Vorbilder vorhanden sind und je mehr ich über sie weiß, desto mehr kann ich dieses Wissen für mich nutzen. Wenn dieses Wissen schriftlich niedergelegt und mir schulisch/universitär vermittelt wird, dann wirkt sich das auf meinen Stil aus.


    Ich glaube, wir kommen noch zusammen.
    ;)
    Interessant ist der musikgeschichtliche Abriss, den Leopold Mozart seiner Violinschule voranstellt (ich kenne nur ganz wenige historische Theorietexte, das Beispiel schöpfe ich also nicht aus einem vollen Fass).


    Für ihn besteht die Historie aus lauter Theoretikern, also aus Kontrapunktregeln, nicht aus Musik, nicht aus Werken/Stilen/Konzepten.


    Andererseits war die alte Musik nicht ganz vergessen, Händel klaute einfach bei Carissimi - oder sorgte dafür, dass dessen Genie noch akustisch lebendig war und nicht in der Bibliothek vergammelte.


    Die Wiederbelebung der alten Musik wurde in der Romantik und bis zum heutigen Tage immer vehementer vorangetrieben (wiederbelebte Kleinmeister in großer Menge und HIP sind die gegenwärtigen Höhepunkte dieser Tendenz).


    Der bewußte Umgang mit der Tradition als etwas Vergangenem, auf das man eine moderne Reaktion hervorbringt, ist wohl auch etwas, das immer stärker stattfand. Womit die Aufwertung der konzeptionellen Komponente auch problemlos auf das 19. Jahrhundert zurückgeführt werden kann.


    Allerdings verbreitete sich die Kenntnis neuer Stile schon in der Gotik sehr rasch über Europa - ob man sie akzeptierte und sich anverwandte, ist schon eine andere Frage - Dein Hinweis auf die mangelnde Kenntnis und das heutige Informationsparadies scheint mir nicht ganz so stichhaltig zu sein.
    :hello:

  • Zitat

    Ich glaube, wir kommen noch zusammen.


    Geht doch. :hello:


    Zitat

    Allerdings verbreitete sich die Kenntnis neuer Stile schon in der Gotik sehr rasch über Europa - ob man sie akzeptierte und sich anverwandte, ist schon eine andere Frage - Dein Hinweis auf die mangelnde Kenntnis und das heutige Informationsparadies scheint mir nicht ganz so stichhaltig zu sein.


    Das hat aber auch was mit Mode zu tun. Wenn Fürst X tolle neue Mucke hatte, wollte das König Sowieso auch.


    Was ich meine, ist die vergleichende und umfassende Sammlung und Weitergabe von Musik (Stil, Konzept, Kompositionsstruktur, etc.)


    Bsp: Ohne Mendelssohn evtl. kein Bach.


    Komponisten kamen und gingen und mit ihnen ihr Wissen und Können. Erst mit einer breit angelegten Kumulierung und wissenschaftlichen Auseinandersetzung entstand jedoch das heutige Wissen und die Bandbreite des Werkekatalogs.

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  • Lieber KSM,


    Ich erinnere mich mal gelesen zu haben, daß Kindern in dem Balkangebiete keine Mühe hatten mit einem komplexen Metrum. Aber auch nicht mit einem Metrum, wie in der Musik des Westens gebräuchlicher ist. Sie sind daran gewöhnt.


    So ist es m.E. auch mit Musik. Ich bin aufgewachsen mit vor allem Musik der Wiener Klassiker/früh-Romantiker. Nebst Französischen, Deutschen und Englisch-Amerikanischen Unterhaltungsmusik des 20. Jhdts (bis etwa 1960).


    Die "moderne Musik" hat doch m.E. kaum etwas gemein mit "meiner Musik".
    Ich hab es versucht, kann sie aber nicht nur nicht begreifen, sondern die Musik erreicht bei mir sogar das Gegenteil von dem, was bezweckt wurde. Ich werde irritiert. Sie ärgert mich.
    Es ist also nicht "nicht toll finden", sondern etwas anders, schlimmeres.


    LG, Paul


  • Ich habe mich heute auf Stockhausen eingelassen und "Stimmung" gehört.Von Intellekt keine Spur,ganz im Gegenteil,hier wurde das Gefühl angesprochen.Ich näherte mich dem Werk,indem ich es auf mich wirken ließ.Intellektuelle Gedanken zur Frage,ob mich der Komponist zum Narren halten wollte,verdrängte ich nach wenigen Minuten,weil ich nicht voreingenommen sein wollte.
    Nachdem 78 Minuten ohne Unterbrechung vergangen waren,kam ich zu dem Ergebnis,daß diese Musik anders ist als die,die ich bisher gehört habe.Anders,aber nicht schlechter.Was war passiert? Das Werk hat mich in eine "Stimmung" versetzt.Ich habe meditiert und entspannt.
    Ich dachte darüber nach,ob mich eine Bruckner Sinfonie in einen ähnlichen Zustand gebracht hätte.Wahrscheinlich nicht.



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    MOD 001 Alfred

    mfG
    Michael

  • Der Gedanke, dass zeitgenössische Musik „intellektuell“ wirkt, stimmt -- und stimmt nicht. Denn Musik ist immer auch eine intellektuelle Wirkungsquelle, egal, ob Bach, Mozart oder Stockhausen. Was in der zeitgenössischen Musik – und in allen Arten der Kunst: in der Literatur, im Theater, in den bildenden Künsten, im Film usw. – aber doch anders ist, das ist einerseits die Komplexität und andererseits die Erwartung gegenüber der Interpretation.


    Komplexität heißt, dass wir (= Menschen unseres Zeitalters, darunter auch die meist auch theoretisch gefeilten Künstler) viel zu viel „kennen“, an Methoden und Möglichkeiten, an Erdachtem und Erlebtem, und all das strömt in die Werke hinein, ob postmoderner Roman, oder Regietheater, Videoinstallation oder zeitgenössische Musik. Man (der Künstler, der denkende Mensch, der Empfänger der Werke) kann diese enorme Vielheit manchmal kaum zusammenhalten. Was wir „erkannt“ haben (im Sinne „Erkenntnis“), kann jedoch nicht mehr rückgängig gemacht werden. Kein Wunder, dass die Nostalgie nach dem „Natürlichen“ immer wieder so stark und prägnant erscheint. Der große internationale Erfolg der Klavierminiatüren eines György Kurtág hängt vielleicht auch mit unserem Wunsch zusammen, das Unübersichtbare irgendwie komprimiert doch überblicken zu können/wollen. Viele Werke können uns das nicht anbieten, im Gegenteil.


    Hier erscheint die Erwartung gegenüber der Interpretation/dem Interpreten. Natürlich war ein jedes Kunstwerk immer die gemeinsame Leistung von Schöpfer und Empfänger. Shakespeare oder Lully, Rembrandt oder Bach wurden von den Zeitgenossen auf eine für uns nicht nachvollziehbare Art aufgenommen, verstanden, interpretiert. Aber die alten Meister haben mehr davon auf sich genommen und selber ausgelegt, was sie in ihren Werken mitteilen wollten. Die modernen Meister verlassen sich immer mehr auf den Empfänger. Sie sind immer rätselhafter. Form und Inhalt hängen auf einer immer abstrakteren Ebene zusammen. Einen postmodernen Roman kann bald nur einer „richtig“ (was ist das??) verstehen, der sich in den Anspielungen auskennt. Ein modernes Kunstwerk ist oft eine Herausforderung an alle Sinne und verlangt nach einer bejahenden oder ablehnenden Antwort auf eine Reihe von Warum - Fragen. Genau so ist es auch mit der zeitgenössischen Musik.


    Fazit (nichts Neues...): Alle Arten der zeitgenössischen Kunst erreichen eine immer schmälere Schicht von Empfängern, die mithalten wollen und können. Demgegenüber entwickeln sich die verschiedensten Formen von populärer Kunst, die immer mehr Leute erreichen können. Die große Frage ist nach wie vor: Wie hängen all diese Formen doch zusammen, sie entstehen ja in der gleichen Zeit. Und wie kann man (kann man? sollte man?) versuchen, die Kluft zwischen hoher (und schwer verdaulicher) Kunst und populärer Kunst mindestens hie und da zu überbrücken. Aber das gehört nicht mehr zum Thema dieses Konversationsfadens...


    Ein letzter, zaghafter Gedanke: Es ist doch symptomatisch, welche Werke in der Geschichte und in unseren Tagen als besonders „schwere Kost“ galten bzw. gelten. Meistens wurden Streichquartette, von Beethoven bis Bartók, genannt u. ä. m. Da muss man sich vorsichtig fragen, ob das nicht mit unserem genetisch mitbekommenen Erbmaterial zusammenhängt? Ob es nicht Klangbilder und Tonhöhen usw. gibt, an die man sich aus anthropologischen Gründen nicht so ohne weiteres gewöhnen kann? Wenn das stimmt, mag es dann in einigen Fällen tatsächlich nicht nur darum gehen, dass zeitgenössische Musik deshalb wirkungslos bleibt, weil sie nicht genug gehört wird (was in vielen Fällen stimmt)? Ich weiß es nicht…. Aber wenn dem so ist, dann ist die Verantwortung der modernen Meister besonders groß.


    :hello: KP

  • Zitat

    Original von kopiroska
    Ein letzter, zaghafter Gedanke: Es ist doch symptomatisch, welche Werke in der Geschichte und in unseren Tagen als besonders „schwere Kost“ galten bzw. gelten. Meistens wurden Streichquartette ... genannt u. ä. m.


    Liebe Piroska,


    Ich bin schuldig, denn kann wirklich nichts darin entdecken. Sogar nicht bei meinem Lieblingskomponisten Mozart.
    Ich höre die Musik, langweile mich nicht, aber schön finden... Nein.


    LG, Paul

  • Hallo lieber Paul,


    nein, meine Bemerkung bezieht sich nicht auf die Unterschiede im Geschmack, die halte ich für normal und gerecht. Ich wollte auf etwas „tiefer” Liegendes hinaus, worauf solche Sätze aufmerksam machen können, die Johannes Roehl oder Luis.Keuco in diesem Thread geschrieben hat


    Johannes schreibt:


    „Eine Rezension, die ich im Forum schon mehrfach zitiert habe, warf den Violinsonaten op.12 (!) von Beethoven "Gelehrt, gelehrt, immerfort gelehrt, keine Empfindung, kein Gesang" vor.“


    Und Luis.Keuco schreibt:


    „Aber moderne Musik kann eben auch hörtechnisch sehr anstrengend sein. Bartoks Streichquartette, Martinus Violinkonzert sind schwere Kost. Dabei bei Weitem nicht "unhörbar". Schostakowitsch und Sibelius hingegen gehen bei vielen deutlich leichter durch.“


    Da fragt man sich, warum eben diese Werke in dem Kontext erwähnt werden? Warum sind Streichquartette leichter ein Problem als sagen wir Klavierkonzerte? Warum kann eine Sopranistin leichter missfallen als eine Bariton-Stimme? (Wenn das überhaupt stimmt … Das sind nur meine Beobachtungen in meinem kleinen Kreis … Richtige Statistiken fehlen…)


    Das „Hörtechnische“ scheint mir auf jeden Fall ein gefährlicher Begriff zu sein, weil nicht ganz klar ist, was darunter zu verstehen ist. Wenn da wirklich eine Rolle spielen würde, was für uns Menschen anthropologisch natürlich ist, dann muss ich auch unausweichlich an die Verantwortung der modernen Meister denken. Natürlich müssen sie ihre künstlerische Freiheit haben – aber der Verantwortung, dass sie durch ihre Werke die Menschen anzusprechen haben, werden sie nicht entkommen können. Und in dieser Hinsicht hat es die Musik doch anders als die anderen Künste, die den Intellekt ganz anders, greifbarer und konkreter ansprechen und die Gefühle nicht direkt anregen.


    Habt einen schönen Tag!
    :hello: KP

  • Jetzt geht es schon eine Weile um die Hörerfahrung bzw das Hörgefühl bei verschiedenen Werken.


    Zitat

    Da fragt man sich, warum eben diese Werke in dem Kontext erwähnt werden? Warum sind Streichquartette leichter ein Problem als sagen wir Klavierkonzerte? Warum kann eine Sopranistin leichter missfallen als eine Bariton-Stimme? (Wenn das überhaupt stimmt … Das sind nur meine Beobachtungen in meinem kleinen Kreis … Richtige Statistiken fehlen…)


    Ich hatte mir ja auch schon mal dazu Gedanken gemacht, inwiefern eine biologische, evolutorische Grundausrichtung möglicherweise dazu führen könnte, dass man ein Werk als angenehmer empfindet als ein anderes. Dann verlief die Diskussion aber sehr interessant und beim weiteren Nachenken kam ich darauf, dass eine kulturelle Prägung doch einen sehr großen Anteil hat. Betrachtet man andere Kulturen, so zeigen sich ganz andere musikalische Elemente und Rhythmen und den Menschen gefällt die jeweilige Musik. Als einfaches Bsp. sei die türkische Popmusik genannt, die man in einer Großstadt (sicher auch in Kleinstädten oder Dörfern) regelmäßig beim Flanieren so hört. Das klingt für den Mitteleuropäer fremd, dabei nicht unbedingt schlecht.
    Noch auffälliger wird es bei traditionellen ostasiatischen Musiken. Die haben durchaus jahrhundertealte Traditionen.


    Und dann ist es auch durchaus interessant zu sehen, wie sich auch in der westlichen Welt die Konzertprogramme unterscheiden können. Gerade im Hinblick auf modernere Stücke.


    Das liegt durchaus in einer kulturellen und weniger in einer biologischen Vorprägung begründet.


    Die Ausbildung des Musikhörens betrifft auch die Instrumentenwahl. Das gilt auch für die menschliche Stimme.
    Der Mensch wird quasi auf mittlere Tonlagen geeicht. Das Vorsingen durch die Mutter, seltener den Vater, erfolgt dabei selten mit einem Sopran, sondern eher in mittleren Stimmlagen. Würden alle Menschen Helium vor dem Singen und Sprechen einatmen, wäre das vielleicht anders.
    Das Klavier ist vom Klangbild eher einer menschlichen Stimme verwandt, übrigens auch wegen seiner klanglichen Unreinheit, was bautechnisch bedingt ist. Das heißt jetzt natürlich nicht, der Mensch singe unrein, aber reine Töne, insbesondere reine Akkorde müssen nicht schön klingen. Das kennt jeder, der ein Streichinstrument spielt und sich mit Quarten herum quält.
    Streichinstrumente und ihr Zusammenspiel sind sehr komplex und durch die Tonreinheit wirkt das eine oder andere hart. Die Ausdrucksmöglichkeiten der Streichinstrumente erlauben darüber hinaus auch eher als unangenehm empfundene Klänge oder Melodien.
    Solche Elemente, aber auch Klangnuancen, werden vom Ohr wahrgenommen, aber nicht unbedingt bewusst registriert. Das ist ein klein wenig so wie das Unwohlsein, dass man mit sehr tiefen Tönen erzeugen kann, die quasi nur noch als Vibration wahrgenommen werden.


    Das Streichquartett ist deshalb ein so zentraler Bestandteil klassischer Musik, weil es eine Standardbesetzung der Kammermusik darstellt, was insbesondere früher, als man im Familien- und Freundeskreis ja durchaus häufiger miteinander musizierte, regelmäßig praktiziert wurde.
    Nur ist gleichzeitig das Zusammenspiel der drei Instrumente (Violine x2) klangtechnisch eben sehr komplex und kann enorme Abgründe gestalten. Nicht umsonst haben gerade Künstler wie Schostakowitsch und Berg diese Gattung als Ausdrucksform ihres bewegten Lebens verwendet.


    Mit hörtechnisch meine ich: Man sitzt und hört und beschäftigt sich mehr oder weniger mit der Musik. Schweifen die Gedanken dabei ab, wird Musik zum Beigedudel oder wird man gefesselt, fast körperlich hineingezogen ("er-griffen") von der Musik? Bei Bartoks Streichquartetten kann man die Dichte der Musik fast mit Händen greifen, sie löst Reaktionen aus, ob Begeisterung oder Ablehnung, lassen wir mal beiseite. Sibelius, hingegen, Zeitgenosse Bartoks, hat durchaus Musik geschrieben, die diese Dichte weniger erzeugt. Auch bei den Streichquartetten Sibelius' wird man andere Reaktionen vom Publikum haben. Da ist zwar wunderschöne Melodik, aber es bleibt zuletzt wenig an Stimmung beim Nachhauseweg hängen.
    Ein anderes Beispiel: Dvoraks Streichquartette. Bei aller wunderbaren Musikalität fehlt schließlich eine gewisse Einzigartigkeit.


    Das gilt interessanterweise auch bei Haydn im Vgl. mit Beethoven.
    Beethovens Streichquartette, die möglichweise den Gipfel dieser Kunstgattung darstellen, sind grandios, fordernd, mitreissend. Bei Haydn gibt es welche, die beeindruckende und beethovengleiche Wirkung erzielen, dann aber auch welche, die wenig bieten außer einem fröhlichen Dahinplätschern.
    Jetzt wird sich Johannes Roehl gleich melden und laut aufheulen. Ich meine trotzdem, dass Beethovens Alles-oder-nichts-Anspruch andere Wergebnisse zeitigte als Haydns Angestelltenverhältnis mit seiner Notwendigkeit zum Kompromiss. Er hat ja sogar mit seiner Musik quasi Interessenvertretung der Angestellten (seine Abschiedssymphonie) betrieben.


    Zurück zur "Hörtechnik": Ich meine damit schlicht die Hörsituation und was sie beim Hörer auslöst. Wieviel Aufmerksamkeit wird abverlangt oder "erzwungen"? Welche Reaktion löst die Musik bei mir aus? Wie sehr fordert sie mich auch nach ihrem Ende noch heraus?


    Noch ein letztes Wort zu Schneewittchen:
    Konzeptualität (KSM und ich haben ja nun eine Präzisierung des ambivalenten Begriffs der Intellektualität vorgenommen; vielen Dank nochmal nach Wien) bedeutet ja nicht, dass jeder moderne Künstler nur noch schiefe Klangtupfen setzen muss. Wenn ich ein Musikstück entsprechend anlege, kann es durchaus wohlklingend und "hörbar" sein. Aber das bedeutet nicht, dass kein theoretischer Unterbau vorhanden ist. Wenn ich mir ein modernes Kunstwerk im Museum anschaue, kann das durchaus ohne "Augenkrebs", sondern im Gegenteil eine wahre Freude für das Auge sein. Trotzdem kann der Künstler ein komplexes Konzept verfolgen. Yves Klein mit seinem berühmt gewordenen Blau zB. Das Blau sollte den Menschen quasi ins Bild hineinziehen, eine Tiefenwirkung erzeugen, quasi die Zweidimensionalität der Leinwand aufheben. Oder Gerhard Richter mit seiner immer weiter entwickelten Abstraktion. Die Kirchenfenster im Kölner Dom sollen ja auf den Betrachter eine Lichtwirkung erzeugen. Dabei ist die Verwendung der verschiedenfarbigen Quadrate in der Wirkung auf das Licht in der Kirche durchaus dem Licht der ursprünglichen gotischen Fenster mit den bunten Darstellungen zu vergleichen. Trotzdem ist dahinter ein theoretisches Konzept.

  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Noch auffälliger wird es bei traditionellen ostasiatischen Musiken. Die haben durchaus jahrhundertealte Traditionen.


    Und für meine westlichen Ohre war es Katzenjammer. Mehrere Jahre habe ich in meiner Jugend (7-12) fast tagtäglich solche Musik gezwungenermaßen von Morgens früh bis Abends spät via Lautsprecher "genießen dürfen".
    Offensichtlich war ich konditioniert durch die Musik, die ich als kleines Kind schon hörte. Denn ich fand diese ostasiatische Musik einfach schrecklich.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Jetzt geht es schon eine Weile um die Hörerfahrung bzw das Hörgefühl bei verschiedenen Werken.



    Die Ausbildung des Musikhörens betrifft auch die Instrumentenwahl. Das gilt auch für die menschliche Stimme.
    Der Mensch wird quasi auf mittlere Tonlagen geeicht. Das Vorsingen durch die Mutter, seltener den Vater, erfolgt dabei selten mit einem Sopran, sondern eher in mittleren Stimmlagen.


    Hier besteht aber doch die Situation, daß, obwohl alle Menschen durch Wiegenlieder ähnlich geprägt sein dürften, in der Oper die Sopranistinnen die gefeierten Stars sind, nicht die in eher "natürlichen" Lagen singenden Altistinnen oder Baritöne. Die allermeisten Klassikfans scheinen sich an den (angeblich für manchen schmerzhaften) hohen Tönen von Sopran oder Violine solo nicht zu stören, im Gegenteil. Warum sollte ein Klang, der bei la Traviata oder im Mendelssohn-Konzert Jubel hervorruft, auf einmal in einem anderen Kontext (sagen wir Schönbergs 2. Quartett) abstoßend wirken...


    Zitat


    Das Streichquartett ist deshalb ein so zentraler Bestandteil klassischer Musik, weil es eine Standardbesetzung der Kammermusik darstellt, was insbesondere früher, als man im Familien- und Freundeskreis ja durchaus häufiger miteinander musizierte, regelmäßig praktiziert wurde.


    Die Frage stellt sich allerdings, warum es überhaupt zu einer Standardbesetzung geworden ist. Übliche Antwort: u.a. weil es einen homogenen, aber auch flexiblen Klang bei grundsätzlich gleichberechtigten Stimmen ermöglicht


    Zitat


    Das gilt interessanterweise auch bei Haydn im Vgl. mit Beethoven.
    Beethovens Streichquartette, die möglichweise den Gipfel dieser Kunstgattung darstellen, sind grandios, fordernd, mitreissend. Bei Haydn gibt es welche, die beeindruckende und beethovengleiche Wirkung erzielen, dann aber auch welche, die wenig bieten außer einem fröhlichen Dahinplätschern.


    Nun sind aber Beethovens Quartette, selbst die angeblich so unverständlichen späten, inzwischen populärer als die allermeisten von Haydn, selbst als ein "Beethovennahes" wie das "Quintenquartett". Anscheinend ist die Popularität nicht so einfach mit dem (intellektuellen) Anspruch (negativ) korreliert, sonst müßte Haydns Divertimenti op.2 viel beliebter sein als op.132...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Konnte ich mich bei Haydn doch auf eine Antwort von Johannes Roehl verlassen. :hello:


    Zitat

    Hier besteht aber doch die Situation, daß, obwohl alle Menschen durch Wiegenlieder ähnlich geprägt sein dürften


    Sind sie im Großen und Ganzen auch.


    Zitat

    in der Oper die Sopranistinnen die gefeierten Stars sind, nicht die in eher "natürlichen" Lagen singenden Altistinnen oder Baritöne. Die allermeisten Klassikfans scheinen sich an den (angeblich für manchen schmerzhaften) hohen Tönen von Sopran oder Violine solo nicht zu stören, im Gegenteil. Warum sollte ein Klang, der bei la Traviata oder im Mendelssohn-Konzert Jubel hervorruft, auf einmal in einem anderen Kontext (sagen wir Schönbergs 2. Quartett) abstoßend wirken...


    Plakativ gesagt: Michael Jackson und ET (welch Duo...) sind auch Stars. Stünden sie aber vor einem, wäre das für viele eher gruselig (auch in der Zeit vor MJs Ableben).
    Die Sopranistin ist ja meist der Star der Handlung. Dazu haben wir ein operntechnisch vorgeprägtes Publikum. Aber es kommt durchaus in Diskussionen nach einer Aufführung vor, dass man das "hohe Geqieke" der Sopranistin nicht so gut fand. Aber iman kann aus der Violetta eben keinen Fafner machen, ohne eine gewisse Modifikation der Handlung vorzunehmen.
    Aber selbst beim Sopran ist es doch so, dass es auf die Verteilung der Höhen und Tiefen ankommt. Die Arie der Königin der Nacht ist wegen der Koloraturen in sich noch stimmig, würde der Sopran aber die hohe Stimmlage beibehalten (mal abgesehen von den Schädigungen für die Stimme), wäre das für den Hörer ein weniger großes Vergnügen, sondern mehr eine Assoziation mit einer Feueralarmsirene.
    Auch bei den Violinkonzerten bitte ich um Beachtung: Eine Violine hat eine mehrere Oktaven fassende Bandbreite. Ich kann das jetzt nur fürs Cello mit Sicherheit sagen, aber wenn ich Daumenlage spiele, dann klingt das schnell mal sehr kreischend und das Cello liegt ja noch ein paar Oktaven unter der Geige.
    Eine Violine wird bei etwas intensiverem Spiel (. zB Kremer, Menuhin) doch mal schrill. Wenn ein Werk aber mit solchen Noten gespickt ist, ist es weniger Hörgenuss iSv fließendem Klang.


    "Abstoßend" ist vermutlich ein zu hartes Wort. Es ist die Abruptheit eines Bruchs und die Häufigkeit weniger angenehmer Tonlagen, die selektiv wirken mögen. Man kann ja einen ganzen Satz im Flageolett spielen, das ist auch noch nicht schlimm. Nur bei einem krassen Wechsel vom C auf ein Flageolett-a oder so, reisst es einen halt mal.


    Beim Streichquartett ist die Flexibilität tatsächlich enorm und man deckt außerdem eine riesige Bandbreite an Oktaven ab. Und natürlcih die Homogenität des Klangbildes, aber darauf meine ich schon hingewiesen zu haben. Sind nun mal alles Streichinstrumente aus Holz.


    Ein letztes Wort zu Haydn: Immerhin wurde mir ja nicht vollends in meiner Wahrnehmung von Beethovens Streichqu. widersprochen.
    Die Wahrnehmung von Haydns Musik ist (leider) immer noch zu oberflächlich. Wer hat bei der Umfrage neulich im Forum die meisten Stimmen als Lieblingskomponist bekommen? Beethoven. Der ist anscheinend für viele das Maß der Dinge.
    Bei Haydn ist die Werkmenge nahezu unüberschaubar und damit für viele unübersichtlich. Bei Beethoven gibt es 9 Sinfonien, von denen 4 die Ultraklassiker sind (3, 5, 6, 9). Bei Haydn gibt es 107! Da verliert man schnell den Überblick. Und man hat schnell das Vorurteil von der Fließbandarbeit und einer seichten höfischen Auftragsmusik bei der Hand. Bei Bach mit seinen zig Kantaten interessanterweise nicht. Dafür bei Händels Opern.
    Mein erstes Streichqu. waren die 7 letzten Worte mit dem Rosamunde-Quartett. Nach wie vor halte ich das für eine meiner besten CDs. Trotzdem greift Beethoven in der Gesamtschau eben noch etwas mehr als Haydn in puncto Streichqu.


    Was das alles mit der fraglichen Intellektualität der Musik der Moderne zu tun hat? ?(


    Ist trotzdem eine gute Diskussion.

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  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    Auch bei den Violinkonzerten bitte ich um Beachtung: Eine Violine hat eine mehrere Oktaven fassende Bandbreite. Ich kann das jetzt nur fürs Cello mit Sicherheit sagen, aber wenn ich Daumenlage spiele, dann klingt das schnell mal sehr kreischend und das Cello liegt ja noch ein paar Oktaven unter der Geige.
    Eine Violine wird bei etwas intensiverem Spiel (. zB Kremer, Menuhin) doch mal schrill. Wenn ein Werk aber mit solchen Noten gespickt ist, ist es weniger Hörgenuss iSv fließendem Klang.


    Darum höre ich am liebsten Konzerte, wobei die Bratsche das Soloinstrument ist. Ein leider unterbewertetes Instrument.


    LG, Paul

  • Auch ich denke über diese Frage (meist unwillkürlich) oft nach, und meine Antwort darauf ist dank neuer Einschätzungen je mehr Musik man hören lernt durchweg einem steten leichten Wandel unterworfen.


    Momentan, und das scheint mir bislang die schlüssigste These zu sein, würde ich darauf wie folgt antworten (mit Bedacht nicht in zu komplizierte Worte gefasst):


    "Gute" Musik, muss fraglos auch "gut" komponiert worden sein. Dabei kann "gute" Musik entweder SCHÖN sein, oder INTERESSANT (oder beides, oder natürlich auch keins von beiden - aber in letzterem Fall ist es dann kein "gute" Musik mehr).


    Beide Stile brauchen gleichmaßen befähigten Geist um zu entstehen (also Intellekt) und sind somit beide auch als intellektuelle Musik anzusehen.


    Bei INTERESSANTER Musik (das ist in erster Linie moderne Musik), steht weniger die pure Schönheit eines Werkes im Vordergrund, als dass man darüber nachdenken muss um sie zu verstehen. Insofern ist es bei interessanter Musik leicht offensichtlich, sie als intellektuell anzusehen.


    SCHÖNE Musik hingegen spricht weniger die Gedanken, als das Gefühl des Hörers an (man nenne hier Mozart an erster Stelle). Sie rührt einen - so wie interessante Musik einen zum Nachdenken auffordert. Leider neigen aber nun viele dazu solche SCHÖNE Musik, als nicht intellektuell anzusehen, weil sie ja "bloß" schön sei, aber nicht mehr (=gedanklicher Anspruch) dahinter stehe. Aber der Intellekt ist bei SCHÖNER Musik quasi bloß "versteckt", weil es eben nicht um ihn geht, sondern um dass, was er bewirkt (=das Schöne).


    Hier liegt eben der Irrtum. Der geniale Intellekt, der INTERESSATE Musik schafft, legt sie so an, dass er seine Hörer zum Nachdenken auffordert, sie also geistig (=intellektuell) anspricht. Der geniale Intellekt der SCHÖNE Musik schafft, möchte seine Hörer rühren, sie also emotional ansprechen. Beide Komponisten haben somit in ihrem Stil eine mehr oder minder bewusste Absicht, die aber beide gleichermaßen Genialität und Intellekt erforderern um sie zu kreiren, bzw. zu verwirklichen.


    Ob man nun sagt, dass alle Musik intellektuell seie, oder nur die "moderne", dass hängt davon, von welchem Blickwinkel man das ganze betrachtet:


    Schaut man aus Sicht der Komponisten ist (wie oben erklärt), alles als intellektuelle Musik anzusehen.


    Hört man jedoch aus Sicht der Zuhörer, so mag man vielleicht nur die moderne Musik intellektuell nennen, weil es bei ihr um den Intellekt an sich geht (eben weil man darüber nachdenken muss), während man bei SCHÖNER Musik den Intellekt "nur" als Mittel zum Zweck (nämlich das Schöne in der Musik) ansieht.


    Bevor man sich über dieses Thema also in zwei Lager spaltet, sollte man vielleicht erst darüber nachdenken, ob man nicht bloß (wie hier aufgezeigt) aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf die selbe Sache schaut.


    Freundliche GrüSEE,


    Peter

  • Also früher war in dem Forum mehr los, was moderne Musik angeht :P

    Nun, mE bedarf Stockhausen nicht mehr Erklärung als Haydn.
    Will man Haydn erklären, wird es mindestens so kompliziert, als wollte man Stockhausen erklären.

    Das wäre auch mein Beispiel. Haydn ist einer der intellektuellsten Komponisten, die mir über den Weg gelaufen sind. Alles ist in der Form gebannt, fast unglaublich .... und trotzdem, muss man dafür studieren? Nein, man muss bloß mit offenen Ohren hören.


    Bach wäre auch ein Komponist, der in der Reihe der intellektuellen auftauchen würde ..... aber muss man dafür ....? s.o.


    Aber wie immer bei solcher Musik, der Gewinn kommt mit dem häufigeren Hören. Das gilt dann auch für die Moderne :)

  • Wie man "zeitgenössische " Musik als "intellektuell" bezeichnen kann, das ist schon eine interessante Frage.

    Mit Sicherheit nicht von der Mehrheit derjenigen, die sie ablehnen. Denn wenn jemand sagt: "Das ist intellektuell - das verstehe ich nicht" - Dann bezeichnet er sich selbst als dumm oder nicht "intellektuell"

    Allerdings ist es im Laufe der Zeit den Vertreten der Avantgarde und späterer Richtungen, den Leuten genau das einzuimpfen.

    Die Leute sagen: "Ich habe keinen Zugang zu dieser intellektuellen Musik - das ver stehe ich nicht - ich arbeite daran." statt offen zu sagen:

    "Solch eine abscheulichen Dreck habe ich noch nie gehört - Bleibt mir fern mit diesem Mist"

    Es gibt sogar Orchestermusiker die so denken, es aber nicht laut sagen können - wegen des Jobs.

    Der Begriff "intellektuel" für diese "musikalischen Mißgeburten" wurde vor allem von den Komponisten ungeliebter Werke geschaffen, die nicht zugeben wollten, daß das was sie geschaffen haben einfach (fast) niemand hören will. Und so begannen sie (siehe: Des Kaisers neue Kleider) schlicht und einfach zu behaupten, ihre Musik sei "intellektuell" und könne nur von einem elitären Kreis verstanden werden. Und natürlich finden sich dann immer wieder Leute, die auch diesen Trick reinfallen, bzw meinen: "Das ist eine gute Idee" - mit dieser Behauptung lassen sich vielleicht auch meine selbst gemalten Bilder verkaufen, die irgendwo in einem Keller dahinschimmeln"


    Bach, Haydn. Mozart - etc - natürlich ist deren Musik intellektuell konstruiert- jeder Effekt wurde genau geplant. Und das ist dann auch wirkungsvoll und (meist) eingängig.

    HEUTE wird vor allem darauf geachten, anders als andere zu sein, neue "Kunstrichtungen" zu erschliessen, "originell" zu sein

    "Das hat noch niemand zuvor so komponiert - Niemand hat sich das noch getraut" !!

    Natürlich nicht - der "gute Geschmack" stand dem im Wege. Heute gibt es ihn fast nirgendwo mehr. Die heutige Musik, sei sie "klassisch" oder "populär" ist ein trefflicher Spiegel der heutigen "Gesellschaft" von Proleten, Stümpern, Scharlatanen,und Mittelmäßigen, der Tätowierten und Analphabeten, der Habe- und Taugenichts, des Abschaums.

    Besser kann man die zeitgenössische Musik nicht umschreiben.

    "Intellektuell" ist sie indes nicht" :P


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Mit Sicherheit nicht von der Mehrheit derjenigen, die sie ablehnen. Denn wenn jemand sagt: "Das ist intellektuell - das verstehe ich nicht" - Dann bezeichnet er sich selbst als dumm oder nicht "intellektuell"

    Ich habe schon gehört, dass es abstoßend sei, wenn etwas intellektuell ist. Die Zeiten ändern sich.



    Bach, Haydn. Mozart - etc - natürlich ist deren Musik intellektuell konstruiert- jeder Effekt wurde genau geplant. Und das ist dann auch wirkungsvoll und (meist) eingängig.

    HEUTE wird vor allem darauf geachten, anders als andere zu sein, neue "Kunstrichtungen" zu erschliessen, "originell" zu sein

    Haydn war intellektuell, Mozart sehe ich eher nicht in dieser Ecke. Und natürlich war er auch originell. Es hat im Endeffekt musikalische Formen geschaffen, die mehr oder weniger weit über hundert Jahre Gültigkeit hatten.



    Der Begriff "intellektuel" für diese "musikalischen Mißgeburten" wurde vor allem von den Komponisten ungeliebter Werke geschaffen, die nicht zugeben wollten, daß das was sie geschaffen haben einfach (fast) niemand hören will.

    Ich weiß ehrlich gesagt nicht, von welcher Musik du da sprichst. Ich kenne nur Äußerungen, die in die Richtung gehen, dass die Musik für sich spricht. Mir wäre es neu, dass ein Komponist sagt, man müsse Literatur oder etwas anderes studieren, um seine Musik zu hören oder zu verstehen. Es entspricht auch überhaupt nicht meiner Erfahrung Ich habe mit 12 Bartok gehört und mit 14 Webern und mit absoluter Sicherheit nichts dazu studiert und war einfach gefesselt von den Werken.


    Haydns Musik ist zweihundert Jahre alt, Hier ist es doch viel schwerer zuzuhören und zu verstehen. Hier bin ich allerdings der Meinung, dass die meisten einfach sagen, dass die Musik gut sei, ohne sie wirklich zu hören. Die ist halt Lernstoff und wer will schon blöd dastehen :) (Mit dem Blick auf den ersten Absatz ändert sich das vielleicht, weil es irgendwann egal ist;))


    Für einen Musiker sieht die Welt natürlich anders aus. Er lernt schon viel früher solche Musik zu verstehen. Und die meisten Leute lernen Musik aus Filmen und prägen damit ihren Geschmack. Deswegen sehen die Programme mit "Klassik für alle" genauso aus, wie sie eben aussehen. :hello:

  • Auweia lieber Alfred,


    da hast du ja an einem lauem Sonnabendfrühnachmittag aus heiterem Himmel mal pauschal ganz schön Dampf abgelassen und dich regelrecht in Rage geschrieben.smilie_frech_148.gif


    Das war ja ein regelrechter Rundumschlag. smilie_frech_049.gif


    Aber danke dafür, ich hatte meinen Spaß. smilie_frech_146.gif


    LG...MDM :jubel:

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Was ich an dem Argument von der verkopften Neuen Musik für ein Minderheiten-Publikum nicht verstehe:


    Wenn es darum geht, sich gegenüber den Verehrern von Helene Fischer oder Florian Silbereisen abzugrenzen, sind Klassik-Hörer immer schnell dabei, auf die höhere Qualität der klassischen Musik und deren Anspruch zu verweisen. Motto: Das erschließt sich halt nicht sofort, dafür benötigt man entsprechende Bildung. Dass klassische Musik de facto eine von einer Minderheit geschätzte Musik ist, spielt dabei keine konträtre Rolle. Das Dazugehören zu dieser Minderheit wird als Zeichen von Distinktion und Kultiviertheit gedeutet.


    Wenn es jetzt an die Neue Musik geht, sind derartige Überlegungen zu Bildung und Anspruch auf einmal wie von Zauberhand verschwunden. Diese wird dann als abgefahrene Musik von Spezialisten für Spezialisten gesehen. Dass man vielleicht etwas Vorbildung benötigt, um mit dieser Musik klarzukommen, gilt auf einmal nicht mehr als Aspekt der Disktinktion, sondern als Argument für die Degeneriertheit dieser Musik. Dass es eine von Minderheiten geschätzte Musik ist, spielt auf einmal eine große Rolle, allerdings gilt auch dies nunmehr als Indiz dafür, dass die Komponisten der Neuen Musik in irgendeinem weltfernen Elfenbeimturm angesiedelt sind und die Bedürfnisse des "normalen" Hörers ignorieren. Das Dazugehören zu der Minderheit ist auf einmal kein Zeichen von Distinktion und Kultiviertheit mehr, sondern Anzeichen dafür, dass man Teil einer Art Sekte ist, die sich diese schräge Musik schönredet.


    Beide Haltungen werden gerne parallel gepflegt, passen aber logisch nicht zusammen - und hier kommen wir zu dem Punkt, den ich nicht verstehe. Wieso fällt dieser Widerspruch kaum jemandem auf?


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Okay, aber hast Du auch eine Meinung?

    Ja, naja.smilie_verl_064.gif


    Die Schönheit der Avantgarde erschließt sich auch mir bislang ganz überwiegend nicht, dafür bin ich bedauerlicherweise einfach nicht intellektuell genug. smilie_verl_049.gif


    Eine seltene Ausnahme bildet das Glanzstück "Hurz" von einem leider wenig bekannten Großmeister namens Hans-Peter Wilhelm Kerkeling. Das ist noch wahre, große und echte Kunst! smilie_verl_019.gif


    Und -wenn ich`s mir so recht überlege- vielleicht noch 4′33″ von John Cage.smilie_happy_328.gif


    Nichts für ungut und schöne Grüße...MDM smilie_winke_054.gif





    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Beide Haltungen werden gerne parallel gepflegt, passen aber logisch nicht zusammen - und hier kommen wir zu dem Punkt, den ich nicht verstehe. Wieso fällt dieser Widerspruch kaum jemandem auf?

    Der Widerspruch fällt auf. Zumal ich die Argumente nicht nachvollziehen kann. Jede Auseinandersetzung mit ernsthafter Kunst erfordert Anstrengung. Klar, wer gerne Ohrwürmchen hört, braucht das alles nicht, aber darum soll es ja nicht gehen.


    Ich halte das auch eher für ein psychologisches oder auch soziologisches als ein logisches Problem. Man verbindet die Gegenwart mit dem Untergang aller Kultur und vergisst, dass man Bestandteil genau dieser Gesellschaft ist, die man verteufelt. Die Gegenwart trägt eben ihre Wurzeln in der Vergangenheit und gerade die älteren Semester sollten sehen, dass das Heute nicht zuletzt das Produkt ihrer eigenen Tätigkeit ist :)

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