Mozarts Große Messe in c-moll - ein gewaltiger Torso

  • Solange Kyrie und Gloria vorhanden sind, kann man es doch als vollständige Messe ansehen, oder? Liturgisch gesehen jedenfalls. Es gibt doch einige Messen, die nur aus Kyrie und Gloria bestehen. (der Rest wird dann halt gregorianisch gesungen oder mit einer anderen Messe oder mit Einzelstücken ergänzt)

  • Salut,


    eine "vollständige" Messe hatte im 18. Jahrundert aus Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, zumeist separiertes Benedictus und Agnus zu bestehen, vgl. auch hier: Ordinarium missae oder hier: Das Ordinarium Missae und seine Vertonungen durch die Jahrhunderte, könnte mal reaktiviert werden.


    Zwar wurden [insbesondere bei den kurzen Messen] Textteile weggekürzt oder parallel gesungen [um Zeit zu sparen], aber die Liturgie war stets fest vorgegeben, alles andere kann grob gesagt als Fragment gelten. Als Ausnahme mag [vielleicht?] ein alleinstehendes Gloria gelten.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Philhellene meint -glaube ich- die "protestantische" Messe?


    J. S. Bach hat doch -neben der für den kath. königlich-sächsischen Hof in Dresden komponierten h-moll-Messe- noch mindestens 3 weitere lateinische Messen komponiert. Alle sind wesentlich knapper gefasst und bestehen "nur" aus Kyrie und Gloria (oder irre ich mich da jetzt?), weil das meines Wissens die beiden Textteile des althergebrachten "Ordinarium missae" sind, die damals auch im protestantischen Gottesdienst (ab und an?) auf lateinisch Verwendung fanden.


    So gesehen -zumindest aus protestantischer Sicht- wäre die c-moll-Messe also vollständig und ohne erforderliche Ergänzungen im Gottesdienst verwendbar gewesen, aber im 99,9% katholischen Erzherzogtum Österreich nutzte diese Tatsache damals wahrscheinlich wenig... ;)


    Bei der Salzburger Uraufführung kann ich mir hngegen eine "Ergänzung" der Messe durch Teile aus einer anderen Mozart-Messe gut vorstellen. Die "Krönungsmesse" (KV 317) und die "Missa solemnis" (KV 337) waren zu diesem Zeitpunkt mit vier, bzw. drei Jahren noch relativ "frisch" und stilistisch -wenn auch wesentlich knapper in der Gesamtkonzeption- kein so großer Bruch, als dass man sie nicht mit den existierenden Teilen der c-moll-Messe hätte kombinieren können.
    Außerdem stehen beide Messen in C-Dur (wie ja die meisten Mozart-Messen) und eignen sich somit ideal für einen optimistischen Abschluss des so düster und dramatisch beginnenden Werks. Im Agnus Dei der Krönungsmesse hätte die Sopransolistin, die ja bereits im "Christe eleison", im Gloria und im "Et incarnatus est" der c-moll-Messteile glänzen durfte, überdies ein weiteres, würdiges Abschluss-Solo...

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Von Mozarts Uraufführung haben sich die originalen Posaunen-Stimmen erhalten, die nur Kyrie, Gloria und Sanctus enthalten. Mehr wurde offenbar nicht musiziert. (Es gibt vom Credo nur den Introitus und das Benedictus, jeweils mit kompletten Vokalstimmen und Baß und einigen angedeuteten Instrumentalstimmen.)


    Hinzu kam, daß St. Peter ein Benediktinerstift war, daß nicht Colloredo unterstand und offenbar der einzige Ort war, wo Mozart das Werk überhaupt noch aufführen konnte, trotz unzureichender Verhältnisse beim Personal. In St. Peter waren die Gottesdienste aber üblicherweise kaum länger als eine Dreiviertelstunde, wie erhaltene Dokumente nahelegen. Schon die drei fertigen Sätze haben mithin den dort üblichen Rahmen gesprengt. Die These, Mozart habe die übrigen Teile komponiert; sie seien aber verlorengegangen, wird meines Wissens in der Mozart-Forschung nicht einmal mehr diskutiert und wurde längst ad acta gelegt.


    Es gibt auch nicht "jede Menge Skizzenmaterial", sondern nur einige wenige Vorarbeiten zu den bekannten teilen, darüber hinaus fast ausschliellich untextierte Entwürfe aus den Jahren 1782 und 1783, die MÖGLICHERWEISE für die Messe gedacht waren, da sie in c stehen und im vierstimmigen Vokalsatz mit entsprechenden Schlüsseln notiert sind - insgesamt drei Fugen-Expositionen. Robert Levin hat sie übrigens keineswegs in irgendwelchen Bibliotheken entdeckt; sie finden sich allesamt in dem Band "Entwürfe und Sizzen" der NMA, vorgelegt 1998 von Ulrich Konrad. (habe die genaue Referenz hier gerade nicht zur Hand). Textiert ist nur die berühmte Dona-Skizze, bei der Mozart aber in der Oberstimme die Worte "Dona nobis pacem" selbst wieder ausgestrichen sind. Der Band der Messe in der NMA berücksichtigt nur die Entwürfe, die sich eindeutig zuordnen ließen, die untextierten wenigen Fragmente aber nicht.


    Ich vermute, daß zumindest die c-moll-Arie "Fra l'oscure" für das Credo gedacht gewesen sein könnte, undzwar für das Crucifixus und Resurrexit, was vom Affekt her wunderbar paßt und sich 1:1 entsprechend parodieren läßt.


    Schließlich: "DAS Autograph" gibt es gar nicht. Es gibt Haupt- und Teilpartituren verschiedener Teile; verlorengegangen ist nur Autograph-Material vom Sanctus, das anhand einer unvollständigen Abschrift zweiter Hand (vom Augsburger Chordirektor Fischer) und den originalen Posaunenstimmen rekonstruiert und teilweise ergänzt werden mußte.

  • Hallo zusammen,


    derzeit studiere ich die c-moll-Messe für ein Konzert im Herbst ein.Dabei wird die Alois-Schmitt-Bearbeitung mit Vervollständigung Mozartscher Kirchenstücke benutzt.Veröffentlicht bei Breitkopf und Härtel (Nr.1867)


    KYRIE - Originalpartitur KV 427
    GLORIA - Orig.partitur KV 427


    CREDO


    Nr.9 Credo als 5stimmiger Chor nach Partiturentwurf KV 427
    Nr.10 Et incarnatus est (Sopransolo)um 14 Takte gekürzter Partiturentwurf KV 427
    Nr.11 Crucifixus (4stimmiger Chor) nach Vorlage Lacrimosa,Chorskizze zu einem Requiem KV Anh.21
    Nr.12 Et resurrexit (4stimmiger Chor) nach Vorlage Messe c-moll KV 139 und Kyrie C-Dur KV 323
    Nr.13 Et in Spiritum sanctum (Tenorsolo und 4stimmiger Chor) nach Vorlage Messe C-Dur KV 262
    Nr.14 Credo in unam sanctam (4stimmiger Chor) nach Vorlage Kyrie Es-DurKV 322 und Missa solemnis C-Dur KV 337
    Nr.15 Et vitam venturi (4stimmiger Chor) nach Vorlage Messe C-Dur KV 262


    SANCTUS


    Nr.16 Sanctus und Osanna (8stimmiger Doppelchor) und
    Nr.17 Benedictus (Soloquartett) nach Originalpartitur KV 427


    AGNUS DEI


    Nr.18 Agnus Dei (4stimmiger Chor und Sopransolo) nach der Vorlage KYRIE (Nr.1) aus der Messe c-moll KV 427


    Die Besetzung : Sopran-, Alt-, Tenor- und Baß-Solo
    gemischter Chor
    Orchester : Je 2 Flöten,Oboen,Klarinetten,Fagotte,Hörner,Trompeten,
    4 Posaunen
    Pauken
    Streicher
    Orgel


    Aufführungsdauer etwa 80 Minuten

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo Siegfried,


    das klingt interessant - eine Zusammenstellung, die sich aus frühen und "reiferen" Mozart-Vorlagen "speist".


    Zitat

    Siegfried schrieb:
    Nr.11 Crucifixus (4stimmiger Chor) nach Vorlage Lacrimosa,Chorskizze zu einem Requiem KV Anh.21


    Ich wusste gar nicht, dass es von Mozart Skizzen zu einem (weiteren?) Requiem gibt?


    Zumindest von der Praxis, das Agnus Dei nach der Vorlage des Kyrie eleison (= Nr. 1) derselben Messe zu gestalten (und damit der gängigen Praxis beim Requiem zu folgen), habe ich schon mal gehört.
    Immerhin gibt das der Messe einen würdigen Schluss - in dem Sinne, dass sich dann musikalisch der Kreis zum Beginn wieder schließt. Das ist -bei allen letztlich vergeblichen Komplettierungsversuchen durch Andere- meiner Meinung nach sicher nicht die verkehrteste Lösung.

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Erstaunlich, daß sich nochmal jemand an Schmitts Partitur wagt, ungeachtet der zahlreichen Fragezeichen - insbesondere der stilistischen Disparität der von Schmitt zusammengestellten Teile, die z. T. nicht mal von Mozart sind ...

  • Salut,


    Zitat

    Philhellene meint -glaube ich- die "protestantische" Messe?


    Da Mozart katholisch war, scheidet diese Variante wohl eher aus...


    KV Anh. 21 [alt] ist KV Anh. A2 [neu] und eine 16 Takte lange Abschrift [vermutlich] Leopold Mozarts eines Lacrimosa von Ernst Eberlin für 4 Sgst., Baß und Orgel. Mozart hat niemals vor der Komposition des Requiem an einem weiteren [früheren] gearbeitet.


    Mit DAS Autograph meine ich selbstverständlich jenes der originären c-moll-Messe. DAS Autograph bestand aus 73 Blatt bzw. wenn man die Davidde-Kadenz sowie die separat notierten Bläserstimmen hinzurechnet aus 77 Blatt.


    Vollendet waren gem. DIESEM Autograph die Teile Kyrie, Gloria, Laudamus te, Gratias, Domine Deus, Qui tollis, Quoniam, Jesu Christe, Cum Sancto, Sanctus, Osanna, Benedictus. Als Fragmente WAREN lt. Einstein das Credo, Et incarnatus und ein Benedicimus te gesichtet worden. Unter KV 417B sind JEDE MENGE - nämlich insgesamt SIEBEN - Fragmente der c-moll-Messe unmittelbar zugeordnet: eine 13taktige C-Dur-Fuge [Chor], eine 5taktige c-moll-Fuge [Chor], eine 12taktige a-moll-Fuge, ein 6-1/2taktiger Chorsatz c-moll, eine weitere 10taktige C-Dur-Fuge [Chor] sowie eine 13taktige 3stimmige e-moll-Fuge. Es existiert ein weiteres Blatt, beginnend in B-Dur, zu dem Text "Quoniam..." [Baß-Solo?].


    Wenn die Mozartforschung etwas ad acta legt, tue ich es noch lange nicht. Die aufgefundenen Aufführungsmaterialien beweisen m. E. auch gar nichts, denn auch hier könnten Teile abhanden gekommen sein, was nicht selten der Fall ist bzw. war. Ich zweifle ja nicht an, dass Mozartforscher logisch denken können, die Schlußfolgerungen sind mithin ganz richtig - auf Basis des vorliegenden Materials. ICh schließe es aber nicht aus, dass möglicher Weise - beweisen kann auch ich es nicht - andere Teile verloren gegangen sind und sich vielleicht [hoffentlich!] irgendwann einmal irgendwo wieder finden... Erst dann ist ein Beweis vorhanden. Im Übrigen habe ich w.o. auch die "übliche" Meinung zitiert.


    Aber nochmals: Rekonstruieren kann man nur etwas, das schon einmal da war und wovon ausreichend übrig geblieben ist, um dem Gewesenen zu mindestens 95% nahe zu kommen. Findet man also Einzelstimmen einer Partitur, bei der die Paukenstimme fehlt, so kann das Werk rekonstruiert werden. Nicht aber anhand einiger Skizzen, bei denen man noch die Wahl hat, ob sie im Alt- oder Tenorschlüssel notiert wurden.


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ulli "Mulder" ...???...
    "I WANT to believe!" ...???...


    Bezüglich der Zusammenhänge und Disparitäten von Uninformiertheit, Wunschdenken, Leichtgläubigkeit und streng wissenschaftlicher Methode empfehle ich DRINGEND die Lektüre des Buches "Der Drache in meiner Garage" von Carl Sagan!

  • Lieber Ben,


    Wunschdenken?
    Leichtgläubigkeit?
    Uninformiertheit?


    Ich glaube, wir haben einen Drachen im Forum... in meiner Garage steht nur ein eisblauer CLK 320... und ein gemauerter Flammkuchenofen - keine Spur von einem Drachen [der wohnt weiter oben :stumm: ].


    Wunschdenken - gibt es bei mir nicht. Leichtgläubig? Ich denke, ich bin genau das Gegenteil... Ich glaube gar nichts, was ich nicht selbst gesehen habe oder was für mich nachvollziehbar eindeutig bewiesen ist. Aber es gibt wenige Ausnahmen, in denen ich vertraue.


    Um es kurz zu machen: Mozarts c-moll-Messe ist unantastbar... wer sie berührt, wird sich die Finger verbrennen!


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Naja - ich würde lieber am Hungertod sterben, als mich am Mozart zu vergehen. Schließlich trifft man sich irgendwann...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Liebe Taminos und Paminas,


    wie ist die Meinung zu dieser Einspielung?



    Aufnahme mit Gabrieli Consort & Players; S: Camilla Tilling, Sarah Connolly; T: Davies, Timothy Robinson; Dirigent: Paul McCreesh.


    Vielen Dank für hilfreiche Beiträge! Andrew

    „Nichts auf Erden ist kräftiger, die Traurigen fröhlich, die Ausgelassenen nachdenklich, die Verzagten herzhaft, die Verwegenen bedachtsam zu machen, die Hochmütigen zur Demut zu reizen, und Neid und Hass zu mindern, als die Musik.“

  • Sagitt meint:


    N./Gens,V./Langree.l./+ Dessay . Der Dirigent zwischen den Solistinnen der c-moll Messe, neu auf dem Markt, mit DVD zum making of.
    Ist es ein Vorteil, die Damen herumalbern zu sehen ?
    Ist es interessant, ihre körpersprachliche Konkurrenz wahrzunehmen?
    Zwischen diesen Polen ist die fast einstündige Dokumentation angesiedelt. Die beiden Herren tauchen erst gar nicht auf.


    Und die Musik ?


    Die Konkurrenz bei KV 427 ist ja äusserst hart. Eine Auger, eine te Kanawa, eine Maria Stader, das ist nicht leicht zu toppen und Dessay,Gens gelingt es auch nicht.
    Orchestral ist diese Aufnahme ausserordentlich gelungen und der Chor singt auch grossartig, nicht so perfekt wie die Monteverdis, aber das ist kein Schade. Gerade die dramatischen Stellen sind sehr gut gelungen.
    Also die CD ist sehr hörenswert, die DVD weniger sehenswert.



  • Sagitt:


    Zitat

    Die Konkurrenz bei KV 427 ist ja äusserst hart. Eine Auger, eine te Kanawa, eine Maria Stader


    Die Wichtigste, die genau Gardiners Einspielung, (neben der Chorleistung)
    zum Ereignis macht, fehlt leider in dieser Auflistung: Sylvia McNair

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Lieber BBB,


    ich fange nicht umsonst meine postings mit diesem Eingang ein, es ist meine Meinung,mehr nicht. McNair ist nicht das Ereignis, sondern es ist Deine Meinung, und das ist vollkommen in Ordnung.
    Deswegen ist es gut, wenn Du meine Auflistung um Deine Favoritin ergänzt.
    Schöne Grüsse


    Sagitt

  • Salve,


    das schlimmste, was mir in Sachen c-moll-Messe bis dato über die Ohren gelaufen ist:



    Oelze, Larmore, Weir, Kooy
    Orchestre des Champs Elysées
    Philippe Herreweghe


    Was für ein schauderhaft vibratöser Sopran... :rolleyes:


    Nein, soetwas brauche ich wirklich nicht. :no:


    Und die enthaltene "Maurerische Trauermusik" ist ja auch nur eine Bearbeitung für Chor, die auf einem größeren Irrtum fußt. :wacky:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Ulli


    Um was für eine Bearbeitung der Trauermusik handelt es sich denn (ich kenne die aufnahme nicht) ?
    So etwas war mir bisher noch gar nicht bekannt.

    "Phantasie ist unser guter Genius oder unser Dämon."
    - Immanuel Kant (1724-1804)

  • Ohne es jetzt nachgelesen zu haben: verschiedene Wissenschaftler gingen davon aus, daß es zu der "Maurerischen Trauermusilk" ursprünglich von Mozart eine Männerchorfassung gab [vermutlich wegen des eingebauten Chorals]. Und diese "rekonstruierte" Fassung wird hier dargeboten - es klingt eigentlcih nicht übel, entspricht aber nicht der Wirklichkeit. Details kann ich ggfs. nach dem Wochenende posten.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Wolfgang Amadé Mozart [1756-1791]
    Messe c-moll KV 417a
    Maurerische Trauermusik KV 477


    Natalie Dessay, Veronique Gens,
    Topi Lehtipuu, Luci Pisaroni
    Concert d'Astrée Chœur & Orchestre


    Louis Langree


    Morgen,


    prinzipiell mag ich Sagitts Ausführung vollständig zustimmen, möchte aber noch einiges ergänzen:


    Was mich bei allen bisher gehörten Missæ in c [und den Davide] überaus nervt, ist das Vibrato zu Beginn eines jeden ersten Sopransolos [T. 34 ff]. Bisher hat mich diesbezüglich keine Interpretation zufrieden gestellt, aber was solls... es scheint unwichtig zu sein.


    Die Interpreten dieser Einspielung sind durchweg allesamt sehr gut, inklusive des Chors und besonders des Orchesters. Langree packt die Messe sehr hart und gnadenlos an, straffe Tempi in den schnellen Sätzen, Mozarts sorgsam gesetzte comodos [Hosanna, Benedictus] und das moderato [Domine Deus] werden ignoriert. Umso mehr sind aber die Tempi in Relation durchaus schlüssig und knackig. Beim Interview auf der beiliegenden Proben-DVD wird auch klar, daß die Tempi den Mitwirkenden weniger kommod sind. Harte Arbeit also, die sich aber m. E. durchaus lohnt. Der Chor klingt für mich an immer den selben Stellen in allen mir bekannten Interpretationen stets leiernd-schrill - langsam glaube ich, es muß an der Komposition liegen. Abgesehen davon besticht der Chor durch ausgefeilte und perfekte Dynamik!


    Das c-moll des Kyrie erklingt hier denn auch feierlich - und nicht so trübselig, wie in anderen Einspielungen, die ich für mißinterpretiert halte. Schließlich komponierte Mozart diese Messe als Dank für seine Ehe mit Constanze - wobei hier die Wahl von c-moll auch wiederum Sache der Auslegung wäre... :stumm:


    Ein Rätsel wird mir immer das verzerrte, bizarr-disharmonische Gratias bleiben, das zu meinen Lieblingsparts dieser Messe gehört und hier sehr intensiv interpretiert ist.


    Weniger gefällt mir manchenorts die Singweise von Natalie Dessay, die m. E. besonders im Incarnatus [T. 66 und 68] wesentlich zu laut das c³ und b³ nimmt. Sie beweist nämlich an zahlreichen anderen Stellen, daß sie durch aus piano oder pianissimo singen kann - aber diese Stelle ist mir einfach zu schrill und das ist in vielen Interpretationen der Fall. Wie himmlisch könnte das Incarnatus doch erklingen - für mich ist dieser Part der Messe eigentlich zudem ein Teil der Entführung: Hier singt Constanze und zwar in doppelter Weise [einmal als Darstellerin des Singspiels und einmal als Mozarts Frau].


    Langree hält sich prinzipiell an die autographen Teile und ergänzt die unausgefüllten Notenlinien sehr genau - m. E. etwas zu vorsichtig. Manches erklingt doch etwas leer. Doch er gibt nach Nennung der infragekommenden Ergänzungen zu:


    [...] Da mich keine dieser Bearbeitungen wirklich befriedigt, habe ich mich auf das gewagte (und, das muß ich gestehen, auch einschüchternde) Unternehmen eingelassen, meine eigene Fassung zu schaffen.


    Mir ist dieses Wagnis trotz einiger Kritikpunkte durchaus sympathisch.


    Als Agnus-Dei-Ersatz dient in dieser Einspielung die sehr wohl ausgewählte Maurerische Trauermusik c-moll KV 477 als nachdenklicher Abschluß der Performance.


    Die Quintessenz der DVD-Beigabe für mich: Frau Dessay wohnt derselbe Laserblick inne, den meine Nachbarin Solange besitzt - ich fühle mich jedesmal ertappt [wobei? :D ]. Zudem klingt deutlich hindurch, daß die beteiligten Sopranistinnen Dessay und Gens Mozart für trés dure [sehr schwer] halten, was aber in der Interpretation gottseidank nicht merkbar ist, und daß die Sopransoli sehr sexy dargeboten werden... Was das pantomimische Gehabe der beiden Solistinnen soll, bin ich etwas ratlos. ?( Wenn es aber der musikalischen Exzellenz dient, meinetwegen. Es scheint sich um eine neumodische oder HIPpe Erscheinung zu handeln...


    Was die Novität der Einspielung betrifft: Aufgezeichnet wurde vom 31.10. [das Booklet nennt 31.01.] bis 04.11.2006 in Paris, Eglise de Notre-Dame du Liban.


    Roundabout eine gelungene Einspielung, die ich mir sicher noch einige Male zu Ohren führen werde.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo!


    Meine Lieblingsaufnahme ist derzeit:



    Ich kenne da allerdings kaum Alternativen, u.a. weil mich der Davidde Penitente mehr interessiert.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Lieber Ulli, um Deine Frage aus dem Thread "Was hört ihr gerade" hier zu benatworten:mein Live-Erlebnis der c-moll Messe ist einige Jahre her und daher erinnere ich leider keine Einzelheiten, wohl aber das Gesamtergebnis.
    Ich habe damals nur serh mühsam eine Karte bekommen und war schon deshalb voller Erwartung und Vorfreude, zumal ich diese Messe selbst schon im Chor gesungen habe, mit meiner Lehrerin als Sopran 1 Solistin und jede Note kenne.
    Musikalisch hat mich dieHerangehensweise hier total überzeugt. Ich fand das nicht leer sondern transparent und ganz klar interpretiert. Gerade bei solch "abgenudelten" Stücken ermöglcht mir HIP und ein Ensemble wie das Concert d'Astrée auch immer einen neuen Blick auf die Musik.
    Da die beiden Herren Solisten kaum etwas zu singen haben, habe ich mich natürlich auf die Damen, insbesondere meine Angebetete ;) konzentriert.
    Sie war an besagtem Abend nicht in Bestform und hatte ein etwas unausgeglichenes Register,(sie hatte gerade wieder einmal eine Op hinter sich glaube ich) hat aber das gezeigt, wofür ich sie eben anbete, ein mozartseligesnämlich dieses wunderbare Stimmtimbre, so untypisch warm und schön für einen Koloratursopran und diese Musiklairtät, die ihresgleichen sucht. Gerade ihre Beherrschung der Pianokultur in der Hôhe, macht sie zu etwas ganz Besonderem. Da wo Andere das c3 nur mit Mühe aus dem Mezzoforte stabiliseiren können, setzt sie es eben ganz klein im pianissimo an und lässt dann aufblühen, aber nciht über ein Mezzopiano hinaus. Genial und angelique !!!!! :jubel: :angel: An diesem Abend war gerade das wieder einmal vorbildlich.
    Da ich die Cd noch nicht habe und die DVD auch nicht; kann ich natürlich nicht bewerten, was sie da daraus machte.
    Von Gestik und Pantomimenspiel gab es hier im Konzert NICHTS. Gottseidank.
    Da Dessay aber ein echter Schelm ist, konnte sie sich einige Spässchen nach der Auführung nciht verkneifen( beim Applaus), aber während des Konzertes hätte mich das auch erheblich gestört.
    Veronique Gens hat hier leider nicht mitgesungen, die "Vertretung" war aber gut, nur habe ich leider den Namen vergessen :untertauch:
    Vielleciht finde ich irgendwo das Programm noch..... :wacky:
    mozartseliges Salut
    F.Q.

  • Ich habe hier noch eine Frage zu Constanze: nach meinen bisher gelesenen Quellen hat sie eine Solopartie in dieser Messe gesungen. Ob das nun der Sopran 1 mit dem Incarnatus oder der Sopran 2 mit dem Laudamus te war,wird aber nirgends gesagt. Weiss das vielleciht jemand hier?
    In jedem der beiden Fälle muss sie eine hervorragende Sängerin gewesen sein , denn das sind Beides serh anspruchsvolle Partien . Manchmal( z.B. bei finanzielle Problemen) wird Beides auch mit einer Person besetzt und nur für das Duett eine Choristin dazugenommen. Könnte das auch der Fall gewesen sein?


    Umso ungerechter finde ich manche Urteile über Constanze Mozart in der (alten) Literatur, wo sie musikalisch stets im Schatten ihrer Schwestern steht und ihre Bedeutung als (auch musikalische) "Muse" für Mozart schlicht geleugnet oder übergangen wird.


    Fall Padre hier noch mitliest, schicke ich ein paar mozartliche Sonntags-Grûsse rüber! :hello:


    F.Q.

  • Hallo,


    die Quellen belegen nicht eindeutig, daß die Messe überhaupt aufgeführt wurde. Wohl aber exisiteren Stimmenabschriften in Salzburg, welche die Annahme rechtfertigen, daß eine Aufführung zumindest geplant war.


    Mozarts Schwester hält in ihrem wetvollen Tagebuch fst, daß sie am 23ten [Oktober] in capelHaus bey der prob von der mess meines bruders war, bey welcher meine schwägerin die Solo singt. Die Probe diente einer Messaufführung für den folgenden Sonntag, 26. Oktober 1783. Ob das nun tatsächlich diese besagte c-moll-Messe in irgendeiner ergänzten Form war, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen.


    Auch schreibt Mozarts Schwester von den Soli im Plural, sofern es sich nicht um eine grammatische Besonderheit handelt. Dann nämlich, so Holl/Köhler [NMA], sang sie die erste Sopranpartie. Die zweite wurde dann aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem der beiden Hofsopranisten Francesco Ceccarelli oder Michelangelo Bologna besetzt.


    Ich nehme eher an, daß [wenn es denn so war] Constanze die Soli in den Chorstücken sang, die Arien dann von den beiden Hofsopranisten im Wechsel bzw. gemeinsam übernommen wurden, wobei mir aufgefallen ist, daß das Incarnatus durchaus ein Stück ist, daß charakteristisch zur Constanze der Entführung passt...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Lieber Ulli, danke. :hello:
    Warum nimmst du eher an, dass Constanze "nur" die Chorsoli sang?
    Weil die Arien zu schwieirig waren?


    Selbst wenn: immerhin war sie in der Lage, bei den Proben einzuspringen und ich denke, dass sie Mozart auch musikalisch eine Inspiration, Hilfe und "Muse" gewesen ist. Da in der Familie Weber offensichtlich Jeder singen konnte und eine gute Ausbildung hatte, ist es m.E. schade und ungerecht , dass neben der Starsängerin Aloysia Mozarts Lebensgefährtin Constanze in der öffentlichen Meinung immer leer ausging oder sogar herabgesetzt wurde.


    Die Parallele zwischen dem Incarnatus und den Constanze-Arien finde ich sehr interessant. Ist das bei Dir eher ein Hör/Stimmunseindruck oder auch direkter Nortenvergleich? Da ich die Noten von allen drei Stücken habe, würde ich das gerne nachschlagen.


    Fairy Queen

  • Hallo Fairy,


    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Warum nimmst du eher an, dass Constanze "nur" die Chorsoli sang?
    Weil die Arien zu schwieirig waren?


    Ja, das denke ich. Ich lese derzeit eine Biografie über CM und werde mich dann in 8 Monaten nochmals dazu äußern...


    Zitat

    Die Parallele zwischen dem Incarnatus und den Constanze-Arien finde ich sehr interessant. Ist das bei Dir eher ein Hör/Stimmunseindruck oder auch direkter Nortenvergleich? Da ich die Noten von allen drei Stücken habe, würde ich das gerne nachschlagen.


    Ich höre da eine Parallele zur Arie "Traurigkeit ward mir zum Lose" - diese Parallele betrifft insbesondere die Instrumentierung und den Charakter bzw. die Stimmung des Stücks.


    Von "innen heraus" könnte ich also dafür sein, daß Mozart diese Arie für seine Constanze komponierte [womit ich mir natürlich widerspreche].


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • lieber Ulli!


    Wie sollte es aber anders sein, es stammt ja aus "derselben" Feder.


    Wenn ich mir so überlege ist aber das "Et incarnatus est", schon schwieriger zu singen als dir "Traurigkeitsarie".


    Bei der Messe braucht die Sängerin eine "geläufige Gurgel", während bei der "Traurigkeitsarie" "nur" eine gute Mittellage wichtig ist.


    Was natürlich nicht auf die anderen Constanze Arien zustimmt, da ist auch die geläufige Gurgel wichtig,


    aber warum soll Constanze Mozart (Weber), das nicht gesungen haben, sie war nicht so bekannt wie ihre Schwester Aloysia, aber sie war bestimmt Grundmusikalisch.



    Liebe Grüße aus dem, bis zuletzt, sonnigen Wien sendet Dir Peter

  • Hallo,


    meine Aussage bezog sich eher auf die Instrumentation und die Stimmung. Was die Geläufigkeit der Gurgel betrifft, so hat Constanze ja in der Marternarie auch ausreichend zu tun.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Guten Abend Ulli!


    Was die "Marternarie" und "Ach ich liebte" angeht da braucht die Constanze eine "geläufige Gurgel, die Koloraturen sind ja ziemlich anstrengend,


    aber ich meinte in der "Traurigkeitsarie" singt sie keine Koloraturen, da ist die Mittellage wichtig.


    Liebe Grüße aus dem abendlichen Wien.

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