Widerstand gegen das Regietheater wächst unaufhörlich - ist das Ende nah?

  • Zitat

    Auf welchem Wege kommt denn dann das Geld in die Kassen? Ich schätze mal, daß die Subventionen nicht hochgeschraubt werden, wenn immer mehr Plätze im Saal frei bleiben.


    Jahrelang war dies sicher der Fall.
    Es war völlig gleichgültig ob die Auslastung gut oder schlecht war.
    Publikumsgeschmack galt beinahe als Schimpfwort.
    Man sah im Publikum nicht den Kondenkreis, dessen Wünsche berücksichtigt werden mussten, nein (dafür gibt es zahlreiche Belege)
    man verachtete es regelrecht. Man sah im Publikum Menschenmaterial, das (politisch ?) "erzogen" werden musste.
    Und wenn keines kam, wars nicht schlimm, viele kamen um zu schimpfen.
    Dann gibt es noch das Instrument der Freikarten.
    Aber ob die Häuser leer oder voll waren, das spielte für einige Liebkinder der Politik keine wesentlich Rolle, notabene, da man sich einig war,. daß "Bildung" wohl subventioniert werden müsse - egal ob das Angebot angenommen werde oder nicht. Es lässt sich in Sachen des Regietheaters in etwa das Prinzip "des Kaisers neue Kleider" verfolgen, wo jedermasnn sehen kann, daß der Kaiser eigentlich nackt ist - aber es sich niemand zu sagen getraut.
    Nun trauen sich einige WIEDER - nur im Gegensatz zu früher wird ihre Stimme gehört.
    Die Subventionen werden in Zukunft bei jeglicher Konstellation (Regie- Konzept- oder Autorentheater) allmählich versiegen.
    Der Unterschied wird nur sein, daß das Autorentheater bessere Chancen hat von privaten Mäzenen gesponsert zu werden als das von vielen gehasste Regietheater, dessen Gegner allmählich immer selbstsicherer und offensiver auftreten.


    Private Mäzene mit Einfluss treten vorzugsweise bei populären Projekten als Sponsor auf.



    Das Regietheater kostet vermutlich nicht mehr oder weniger , als herkömmliches Theater, aber das Ergebnis ist ein anderes, ebenso wie die Anforderungen. Gewisse Leute werden dann - um im Theatherjagon zu bleiben - in der Versenkung verschwinden....


    :]


    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Zitat

    In einem Forum wie diesem könnte dieses Vorgehen den Sinn machen, dass jeder Leser sofort erkennt, wann ein Admin/Moderator als Privatperson auftritt und wann er als Admin/Moderator auftritt.


    Lieber Wolfram


    Diese Trennung gibt es bei Tamino schon seit Jahren. Leider liest kaum jemand im administrativen Teil, weil das scheinbar niemanden interessiert.


    Text 1: wurde vom USER Alfred-Schmidt geschrieben


    Text2: wurde vom MODERATOR Alfred Schmidt geschrieben


    Text 3: wurde vom ADMINISTRATOR Alfred Schmidt geschrieben


    Üblicherweise werden "amtliche" Texte" von mir noch mit MOD 001 oder ADMINISTRATOR gekennzeichnet.



    Beste Grüße
    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Lieber Alfred,


    danke für die Klarstellung! Die Intransparenz für den "normalen" Taminoianer kommt aber vielleicht daher, dass sowohl der Admin wie der Moderator wie der normale User "Alfred Schmidt" heißen.


    Viele Grüße
    Wolfram

  • ...und welcher der drei Alfreds hat den Vergleich des Regietheaters mit einer alles erwürgenden Krake gezogen? ;)


    In München hatte just die New Yorker Met-"Tosca" von Luc Bondy Premiere. Das MET-Publikum hat sich sehr ablehnend verhalten und trauert der Zefferelli-Inszenierung hinterher. Die Münchener Reaktionen kenne ich noch nicht. Auf mich wirkten die Szenenfotos wie eine Inszeneirung aus den 50ern: Spartansisches Bühnenbild, historisch korrekte Kostüme - letzteres ist in meinen Augen ein Vorteil.


    War jemand vor Ort und kann berichten?

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    ...und welcher der drei Alfreds hat den Vergleich des Regietheaters mit einer alles erwürgenden Krake gezogen? ;)


    In München hatte just die New Yorker Met-"Tosca" von Luc Bondy Premiere. Das MET-Publikum hat sich sehr ablehnend verhalten und trauert der Zefferelli-Inszenierung hinterher. Die Münchener Reaktionen kenne ich noch nicht. Auf mich wirkten die Szenenfotos wie eine Inszeneirung aus den 50ern: Spartansisches Bühnenbild, historisch korrekte Kostüme - letzteres ist in meinen Augen ein Vorteil.


    War jemand vor Ort und kann berichten?


    Ich war nicht in München, habe aber die Tosca aus der Met im Kino gesehen. Ich denke nicht, dass es da große Veränderungen gibt, glaube aber, dass die Kostüme nicht wirklich historisch korrekt sind. Modern sind sie allerdings auch nicht. Generell ist die Inszenierung nicht wirklich modern aber auch nicht traditionell, gerät somit in eine Mittellage, wo im Prinzio jeder aus beiden Lagern darauf schimpfen kann, oder sie zumindest ansehnlich findet. Ich persönlich trauere dem Zeffirelli zwar nicht nach, seine bombastischen Bilder haben zumindest Stil - der Vergleich mit dem sehr plumpen Te Deum von Bondy ist fatal. Andere Momente geraten da durchaus pakender als bei Zeffirelli.

  • Danke für die Info, wotan. Stimmt es denn, dass sich die MET genötigt sieht, die alte Zefferelli-Inszenierung wieder mit ins Repertoire zu nehmen?

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Danke für die Info, wotan. Stimmt es denn, dass sich die MET genötigt sieht, die alte Zefferelli-Inszenierung wieder mit ins Repertoire zu nehmen?


    Gehört habe ich davon noch nichts, aber es würde mich doch wundern, wenn Peter gelb sofort klein bei gibt. Manchmal müssen sich neue Inszenierungen auch erst durchsetzen und den Geist des Publikums erobern.
    In der Gesamtnote würde bei mir aber der Zefirelli ganz kanpp vor Bondy gewinnen.

  • Zitat

    Original von Titan
    Die Schwerpunktsetzung von Taminoeanern wie Knusperhexe und Joseph II,
    entspricht in wesentlichen Punkten einem wichtigen und folglich sehr legitimen wichtigen persönlichen Bedürfnis, welches zu einer Idealisierung von Werten der Vergangenheit führt.
    Diesem (unterschiedlich bewußten) Phaenomen liegt im Normalfall jedoch ein Projektionsmechanismus zu Grunde, ("Wunsch-Ideologie" hat es Adler genannt) dessen Ursprung und "nostalgische" Tendenz bezüglich der subjektiven, individuellen Grundausstattung der betreffenden Person, an einem Musik-Forum eigentlich keine Basis zur Vertiefung haben kann....
    .....denn hier geht es um Musikthemen und der Vielseitigkeit und Vielschichtigkeit, in der WIR sie erleben.


    Hilf mir doch mal auf die Sprünge - wo haben Knusperhexe und Joseph II "Werte der Vergangenheit idealisiert"?


    Oder liegt eventuell Deiner Analyse ein Projektionsmechanismus zu Grunde?

  • Die "PRESSE" (Wilhelm Sinkovicz) aus Wien schreibt am 27. Dezember 2009


    Zitat

    An der Met haben Publikumsproteste erreicht, dass neben der ungeliebten neuen „Tosca“ auch die alte Zeffirelli-Inszenierung im Repertoire bleibt.


    Angeblich haben die Sponsoren darauf bestanden. Inwieweit die Sache heute nioch aktuell ist entzieht sich meiner Kenntnis.


    ein sehr hübscher Satz sei an dieser Stelle zitiert:


    Zitat

    Es gibt einen Umstand, den Intendanten allenthalben nicht akzeptieren mögen: Ein Opernhaus ist ein Museum. Ein Museum, das unter anderen Voraussetzungen zu führen ist als ein Sprechtheater


    Hier der Link zum ganzen Artikel -solange er noch online ist:


    http://diepresse.com/home/kultur/klassik/529949/index.do



    mgf aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt


    Och, ich hätte auch nichts gegen historische Inszenierungen im Sprechtheater! Mal wieder "Romeoe und Julia" mit Renaissance-Kostümen anstelle von Jeans und Gammellook oder ein Gretchen vor spitzbogiger Fachwerkkulisse...was spricht objektiv dagegen????

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  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Och, ich hätte auch nichts gegen historische Inszenierungen im Sprechtheater! Mal wieder "Romeoe und Julia" mit Renaissance-Kostümen anstelle von Jeans und Gammellook oder ein Gretchen vor spitzbogiger Fachwerkkulisse...was spricht objektiv dagegen????


    Nichts. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Knusperhexe


    Och, ich hätte auch nichts gegen historische Inszenierungen im Sprechtheater! Mal wieder "Romeoe und Julia" mit Renaissance-Kostümen anstelle von Jeans und Gammellook oder ein Gretchen vor spitzbogiger Fachwerkkulisse...was spricht objektiv dagegen????


    Dagegen spricht objektiv nichts, natürlich wäre es mal wieder schön, wenn sich ein Regie-Team wieder so etwas zutrauen würde und das auch dann adäquat umsetzen könnte.
    Aber objektiv spricht auch nichts dagegen, dass Stück in eine andere Zeit anzusiedeln. Mir persönlich ist nur wichtig, dass es dann stimmig ist und nicht nur gemacht wird um irgendwelche Ferkeleien auf die Bühne zu bringen.
    Komischerweise sind Sex-Szenen nur in modernen Inszenierungen vorhanden, warum eigentlich nicht in traditionellen?

  • Bei meinen diversen historisch angelegten Rigoletti hüpfte auch schon mal die ein oder andere Barbusige über die Bühne. Dasselbe war beim Tannhäuser oder bei der Walpurgisnacht von Goethes Faust zu beobachten. Austausch von Körpersäften habe ich allerdings auch nur im Regietheater erlebt.

  • Der Intendant der Sarasota Opera in Florida spricht sich vehement gegen das Regietheater aus und wird auch weiterhin und gerade in "this cynical age" nur werktreue Inszenierungen an seinem Haus zulassen:


    http://www.sarasotaopera.org/


    Alfred, hier findest Du sogar noch eine Zauberflöte-Inszenierung mit ägyptischem Dekor.

  • Man spricht mir hier aus der Seele. Diese modernen Inszenierungen haben mich aus den Opernhäusern vertrieben! Ich brauche keine Norma, die auf einem Autodach "Casta Diva" singt. Oder einen "Hoffmanns Erzählungen", der einem Pornofilm entsprungen sein könnte. Ich gehe in die Oper um mich zu erfreuen und nicht um mich aufzuregen! Mit meinem Eintrittsgeld möchte ich keine gehirnkranken Regisseure unterstützen!


    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Hilf mir doch mal auf die Sprünge - wo haben Knusperhexe und Joseph II "Werte der Vergangenheit idealisiert"?


    Oder liegt eventuell Deiner Analyse ein Projektionsmechanismus zu Grunde?


    Titan hat andernorts auf diese (von mir bereits vergessene) Balgerei reagiert.


    Welche "Werte der Vergangenheit" werden wo von Knusperhexe und Joseph II "idealisiert"? Was wird wohin projiziert?


    Als "Wert der Vergangenheit" fällt mir erst einmal nur die Ehre ein, Gegenstand zahlreicher Bühnenwerke. Mag sein, dass jemand, der eine "authentische" Inszenierung sehen will, mit dem historischen Ehre-Konzept tendenziell mehr anfangen kann, als der Regietheaterfreund und insofern Werte der Vergangenheit vertritt - aber "idealisieren" ist hier unverständlich. Und das passt jetzt mit dem "Projektionsverdacht" nicht zusammen, da das historische Wertekonzept nicht in das Stück hineinprojiziert werden kann, da es offenbar schon drinnen ist. Das Bild der Projektion
    :D
    passt schon besser zu dem, was der Regietheaterregisseur macht.


    Also, bitte erkläre Deine dunklen Zeilen.
    mit freundlichen Grüßen
    oder so.

  • Herzliche Bitte: Wie wäre es, wenn wir jedem Forumsteilnehmer seinen Standpunkt und seine subjektive Meinung lassen und diese Haltungen respektieren würden?
    Jeder von uns hat Erlebnisse, Erfahrungen und seine spezifische Lerngeschichte, die in der Summe den Hintergrund seiner Meninungsäußerungen prägen.
    Natürlich sollen und müssen wir im Sinne einer lebendigen Diskussion über Thesen und Gegenthesen auch kontrovers diskutieren. Bitte dann aber ganz konkret auf der Sachebene zu besitmmten Aussagen. Wenn wir ein positives, konstruktives Klima unter uns wollen sollten wir es vermeiden, den Diskussionspartner persönlich zu bewerten und in eine Schublade zu stecken, so unter dem Motto: "Du bist ein.........."
    In der Sache kann uns vielleicht ein Zitat von Gustav Mahler Anregungen liefern, der da sagte:
    "Tradition ist nicht Anbetung der Asche, sondern Bewahrung des Feuers" .
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Danke, in der Tat interessant.


    Die viel postulierte "Freiheit der Kunst" ist doch zur Beliebigkeit verkommen, wie auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft. Daß diese mehr und mehr degeneriert, merkt man – wie der Text richtig anmahnt – gut daran, daß Spott über das Christentum absolut legitim und normal erscheint, während man dem unserem Lande an und für sich fremden Islam (der eben keineswegs Teil unserer Kultur ist, allenfalls [widernatürlich] geworden ist – ein Unterschied!) huldigt und ihn als "heilige Kuh" behandelt. Die eigene Tradition, die eben christlich-abendländisch ist, wird mit Füßen getreten. Ich als Katholik möchte auch keine derartigen Inszenierungen mehr sehen, das verletzt meine religiösen Gefühle auch. Doch wird mein Protest etwas auslösen? Beschwert sich heute ein Muslim oder meinetwegen ein Jude – an die trauen sie sich ja gleich gar nicht ran –, wird sofort etwas unternommen. Uns Christen lacht man dagegen gleichsam aus und unterstellt uns höchstens noch unverblümt, wir sollten uns nicht so anstellen, schließlich wären Staat und Kirche seit der Säkularisation Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts getrennt. Wieso macht man aber dann doch wieder Ausnahmen, frage ich mich? Gleichheit für alle, wird doch immer so gern gefordert. Also entweder wir verhöhnen gar keine Religion auf der Bühne oder wir erlauben es für jede, ohne Ausnahme.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Kunst ja gar nicht mehr frei. Sonst würde es ja mehr traditionelle Inszenierungen geben. Wenn ein Produktionsteam eine werktreue Inszenierung machen möchte, dann müsste das ja auch unter "Freiheit der kunst" fallen. Das Gegenteil ist der Fall: Diese Produktionen werden zum Abschuss und Verriss freigegeben.

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  • Ich als Katholik möchte auch keine derartigen Inszenierungen mehr sehen, das verletzt meine religiösen Gefühle auch

    Don Giovanni als Vergewaltiger empört London


    Die English National Opera zeigt in Mozarts Don Giovanni Vergewaltiger in Jesus-T-Shirts.


    Die aktuelle Inszenierung von Mozarts «Don Giovanni» in der English National Opera schockiert vor allem wegen zweier Vergewaltigungs-Szenen. Eine davon zeigt eine Gruppenvergewaltigung mit Tätern, die T-Shirts mit Jesus-Porträts tragen.


    Die Londoner Kritiker sind gespalten. Laut «The Independent» sehen die einen darin Effekthascherei und Provokation um der Provokation Willen um ein junges Publikum anzuziehen.


    BBC-Music-Redaktor Oliver Condy verteidigt die Szenen. Wie Don Giovanni in der Oper die Frauen behandle, sei schockierend, und es geben keinen Grund, diese Tatsache zu verwedeln.

  • Zitat

    von 9079Wolfgang:
    Man spricht mir hier aus der Seele. Diese modernen Inszenierungen haben mich aus den Opernhäusern vertrieben! Ich brauche keine Norma, die auf einem Autodach "Casta Diva" singt. Oder einen "Hoffmanns Erzählungen", der einem Pornofilm entsprungen sein könnte. Ich gehe in die Oper um mich zu erfreuen und nicht um mich aufzuregen! Mit meinem Eintrittsgeld möchte ich keine gehirnkranken Regisseure unterstützen!


    Da kann ich nur sagen: Herzlich willkommen im Club!


    Zitat

    von Joseph II:
    Die viel postulierte "Freiheit der Kunst" ist doch zur Beliebigkeit verkommen, wie auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft. Daß diese mehr und mehr degeneriert, merkt man - wie der Text richtig anmahnt - gut daran, daß Spott über das Christentum absolut legitim und normal erscheint, während man dem unserem Lande an und für sich fremden Islam (der eben keineswegs Teil unserer Kultur ist, allenfalls [widernatürlich] geworden ist - ein Unterschied!) huldigt und ihn als "heilige Kuh" behandelt. Die eigene Tradition, die eben christlich-abendländisch ist, wird mit Füßen getreten. Ich als Katholik möchte auch keine derartigen Inszenierungen mehr sehen, das verletzt meine religiösen Gefühle auch. Doch wird mein Protest etwas auslösen? Beschwert sich heute ein Muslim oder meinetwegen ein Jude - an die trauen sie sich ja gleich gar nicht ran -, wird sofort etwas unternommen. Uns Christen lacht man dagegen gleichsam aus und unterstellt uns höchstens noch unverblümt, wir sollten uns nicht so anstellen, schließlich wären Staat und Kirche seit der Säkularisation Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts getrennt. Wieso macht man aber dann doch wieder Ausnahmen, frage ich mich? Gleichheit für alle, wird doch immer so gern gefordert. Also entweder wir verhöhnen gar keine Religion auf der Bühne oder wir erlauben es für jede, ohne Ausnahme.


    Auch hier kann ich jedes Wort seiner Majestät Joseph II. unterschreiben! Nur sein Fazit akzeptiere ich nicht. Keine Religion sollte verhöhnt werden! Die sogenannte „Freiheit der Kunst“ ist auch ein tolles Schlagwort, mit dem sich Blasphemiker aller Coleur herausreden können. Dabei ist die Sache in Deutschland nach § 166 StGB eigentlich klar geregelt; aber die Justiz ist auf diesem Auge aus Zeitgeist blind. Und die Mehrheit der Bevölkerung hat an diesem Thema ja auch kein Interesse. Soviel zu der christlich-abendländischen Kultur.


    Bezogen auf das moderne Regietheater könnte - überspitzt ausgedrückt - möglicherweise nur noch ein Mittel helfen: Geldhahn zu und aus!

    .


    MUSIKWANDERER

  • Hallo musikwanderer,


    danke für die Zustimmung!


    Ich persönlich bin absolut dafür, keine Religion zu verhöhnen. Nur wäre die logische Schlußfolgerung, erlaubten wir die Verhöhnung für die christliche Religion, so müßte man es für alle anderen auch erlauben. Ich bin keineswegs dafür, auch wenn es de facto genauso gehandhabt wird, und das nicht erst seit gestern.


    Liebe weihnachtliche Grüße
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wieviel Deutsche machen eigentlich mindestens einen Stammtisch? :hello:


    In der Tat haben wir in Deutschland und in vielen anderen europäischen Staaten Presse- und Meinungsfreiheit sowie das Recht freier Religionsausübung. Daß man sich, gerade als Gläubiger XY, über die anders Gläubigen zu überheben oder gar lustig zu machen pflegt, ist ein derart alter Diskurs-Hut, daß ich bloß an die Katholiken-Protestanten-Kämpfe zu Bismarcks oder Adenauers Zeiten (siehe Fontane oder Böll) erinnern möchte.


    Zum anderen ist die partielle Bloßstellung der Institution Kirche und ihrer Funktionäre noch keine Desavouierung der zugehörigen Konfession (und die Katholische Kirche geht hier mit gutem Beispiel voran :thumbsup: und desavouiert sich selbst im Segment Erziehung).


    Zum Dritten ist die Deutsche Rücksichtnahme auf staatstragende Empfindlichkeiten aus Jerusalem oder Istanbul ja nicht gleichbedeutend mit einer apologetischen Haltung den jeweiligen religiösen Inhalten gegenüber, die man für verehrungswürdiger hielte als die christlichen Dogmen. Es handelt sich um schlicht ein Gebot der Diplomatie. - Gerade die Juden können so wunderbar über sich selber lachen (während mir nicht bekannt ist, daß man in Israel Christen lächerlich findet).


    Der sog. Mohammed-Karikaturen-Streit hat sicherlich diese Querstände zutage gefördert und Diskussionen angeregt. Die Schlußfolgerung einiger Forumsmitglieder, nun mal aggressiv andere Religionen zu eskamotieren, spricht für sich selbt.


    :jubel:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Die Schlußfolgerung einiger Forumsmitglieder, nun mal aggressiv andere Religionen zu eskamotieren, spricht für sich selbt.


    :jubel:

    Das hat keiner gemacht. Joseph II. hat das vielleicht provokant formuliert, aber Du kannst ihm so etwas doch nicht unterstellen.


    Zum anderen ist die partielle Bloßstellung der Institution Kirche und ihrer Funktionäre noch keine Desavouierung der zugehörigen Konfession (und die Katholische Kirche geht hier mit gutem Beispiel voran und desavouiert sich selbst im Segment Erziehung).

    Na ja, Bloßstellung ist was anderes als religiöse Gefühle zu verletzen, s. z.B. Hilsdorf, der beim Essener Troubadour Hostien ins Publikum werfen ließ.

  • Ich gebe Dir gleich mal völlig recht, liebe Knusperhexe, schon um nicht selbst an bewußtem Stammtisch zu landen. :wacko:


    Es widerstrebt mir sehr, das von Dir gewählte Regie-Beispiel zu diskutieren, und zwar einfach deswegen, weil es auf mich, so vom Durchlesen her, ebenso fragwürdig wirkt wie auf Dich.


    Allenfalls auf die Verschiebung der entsprechenden Geschmacks-Grenzlinie könnte man hinweisen - etwa seit der Uraufführung des Parsifal, den man ja auch mal als zweischneidige und fragwürdige Religions-Klitterung mit frommen Theater-Anleihen beim Gottesdienst empfunden hat. - Oder auf die Tosca mit ihrem ersten Te-Deum-Finale, das ja an schriller Gotteslästerlichkeit kaum zu überbieten sein dürfte, und das ganz werkgetreu und immanent. - Oder auf die Kirche (das Kloster) als mediatisierten Opernschauplatz höchst unchristlicher Vorgänge (Meistersinger I,1; Suor Angelica; Don Carlos; Macht des Schicksals usw.)


    Unter Umgehung namentlicher Mitglieder-Zuordnung weise ich bloß abschließend auf mein Lektüre-Unbehagen bei Beiträgen hin, die den Islam (vom Judentum zu schweigen) zur heiligen Kuh der Medienöffentlichkeit erheben. - Diesbezügliche Schiefheiten und Mißverständlichkeiten wollte ich ausräumen.


    8)

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Zitat

    von farinelli:
    Zum anderen ist die partielle Bloßstellung der Institution Kirche und ihrer Funktionäre noch keine Desavouierung der zugehörigen Konfession (und die Katholische Kirche geht hier mit gutem Beispiel voran :thumbsup: und desavouiert sich selbst im Segment Erziehung).


    Es ging und geht nicht um die Bloßstellung einer Institution namens Kirche, sei sie Katholisch oder Evangelisch, auch nicht um die Karikierung der "Funktionäre" dieser Institutionen, sondern um die Verächtlichmachung religiöser Inhalte. So habe ich jedenfalls Joseph II. verstanden, so findet er auch meinen Beifall.


    MfG

    .


    MUSIKWANDERER

  • Eine Vorstellung des Regietheaters, in der versucht wird, die christlichen Religionen oder Kirchen oder auch andere (Mosleme, Juden) zu verhöhnen, würde ich stillschweigend verlassen. Dieses Theater würde mich zeitlebens nicht wieder sehen. Im Fernsehen würde ich bei einer solchen Übertragung den "berühmten" Knopf drücken. Ich bin absolut nicht der Meinung, dass die Kunst über allem steht und das ihr deshalb alles erlaubt ist.


    LG, Bernward
    :hello:


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • ...und noch was:


    http://www.zeit.de/2010/46/DOS-Nabucco?page=all


    Besonders interessant:


    "In Flensburg sind selbst die treuesten Freunde ihrer Oper zuletzt untreu geworden, im Besucherbuch wurde der Ton rau. »Schrecklich«, stand dort, »Schrottreif«, und: »Was haben Bühne und Kostüme mit der Handlung zu tun? Ihr nehmt einem alle Illusionen!« Ende Februar dieses Jahres griff Grisebachs Vorgänger durch. Puccinis Schwester Angelika, inszeniert von einem Gastregisseur, der aus dem Schauplatz Kloster ein Bordell gemacht hatte, wurde gestrichen und durch eine Serie von Operngalas ersetzt. Das Ensemble sang das Trinklied aus der Traviata, das Publikum schunkelte. Im Besucherbuch stand: »Bravo! Warum ist euch das nicht früher eingefallen?« "


    "Die meisten Kritiker fanden den Eutiner Freischütz auch schön, das Hamburger Abendblatt schrieb: »Bestes Regiemusiktheater«, und zeigte das Foto einer Nackten mit aufgesetztem Rehkopf, dahinter eine Gruppe von Jägern, die, wie das Abendblatt erklärte, »singend ihre Flinten wichsen«."

  • Hehe und unten steht dann (zur Oper):
    "Sie braucht [...] zeitgenössische Stoffe"
    während im ersten Absatz zu lesen ist: "Mit solchen Inszenierungen hat der Vorgänger des Generalintendanten viele Opernfreunde vergrault." (bezugnehmend auf modernisierende Inszenierungen).


    Hm.

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