Hallo Rideamus
ZitatOriginal von Rideamus
...Nur hat sich jetzt der Kern der Argumentation verlagert, denn eigentlich ging es um die Bevorzugung traditioneller Übersetzungstexte, und seien sie noch so ungenügend, und allgemein den Wunsch nach Aufführungen auf deutsch. Mir schien, dass Du ursprünglich ebenfalls dafür plädiertest. Habe ich Dich da auch missverstanden bzw. -interpretiert?
Grundsätzlich bin ich natürlich auch der Meinung, dass das Original durch nichts zu übertreffen ist. Doch grau ist alle Theorie und es erhebt sich die Frage, ob sich durch eine Übersetzung der Weg des Werkes zum Publikum irgendwie begrünen lässt. Und meine Antwort darauf ist frei nach Radio Eriwan: IM PRINZIP JA. Ich kenne zu viele Beispiele alter Aufnahmen fremdsprachiger Opern(-Ausschnitte), wo auf höchst überzeugende Weise Deutsch gesungen wurde. Und dummerweise gibt es dabei sogar Beispiele, wo der deutsche Text recht großzügig mit dem Original umgeht. Vor allem Komödien gewinnen dadurch, dass der Witz sofort verständlich ist. Es liegen Welten zwischen dem unmittelbaren Lacher und der kleinen Verzögerung, wenn erst die Über- oder Untertitel mental verarbeitet wurden. Kein Vergleich! Das heißt, dass Werke wie Figaro, Barbier, Liebestrank, Don Pasquale, Verkaufte Braut etc. durchaus gewinnbringend in Landessprache aufgeführt werden können (tatsächlich will ich mir eine Verkaufte Braut gar nicht anders vorstellen!). Die aktuelle Flut an Wiederveröffentlichungen alter Rundfunkaufnahmen beweist dies eindrücklich, ja mehr sogar, es finden sich darunter auch überzeugende Beispiele ernster eingedeutschter Opern.
Womit ich mich bislang noch nicht näher beschäftigt habe, ist die Tatsache, dass es zumindest von einigen gängigen Werken nicht nur eine sondern mehrere Übersetzungen gibt, und man im Fall des Falles vor der zusätzlichen Entscheidung steht, wenn Deutsch, dann welche Fassung? Ich würde für die beste plädieren, wohl wissend, wie schwammig diese Formulierung in diesem Fall ist. Die Geschichte zeigt also, dass Oper in Landessprache ihre Berechtigung hatte, die Gegenwart zeigt, dass sie diese in hohem Maße verloren hat.
Vor einem guten Jahrzehnt fuhren wir nach Wien an die Volksoper, um Fausts Gounod anzuschauen, nein Gounods Faust natürlich! Die Volksoper war die letzte große Bastion der Oper in Landessprache und diese Inszenierung war ihre erste in Originalsprache! (Seither wird bei jeder Neuinszenierung entschieden, ob sie besser im Original oder in brauchbarer Übersetzung gegeben werden soll.)
In der Pause habe ich in Ruhe die Besetzungsliste studiert und mir dabei überlegt, wie das Ganze wohl auf Deutsch geklungen hätte. Es fanden sich in zwei kleinen Nebenrollen typisch Wiener Namen (d.h. vermutlich böhmisch klingend ), praktisch die ganze Truppe kam aus allen vier Himmelsrichtungen, teilweise von weit her angereist. Ich bin überzeugt, dass die in Deutsch um keinen Deut verständlicher geklungen hätten als in Französisch, wenn nicht überhaupt schlechter! Es gibt heutzutage praktisch keine Ensembles mehr, wo deutschsprachige Künstler die Mehrheit bilden, und damit reduziert sich der sinnvolle Einsatz von Oper in Landessprache ganz dramatisch.
Zusammenfassend würde ich also sagen, Oper in Landessprache dann, wenn ich eine dafür geeignete Besetzung habe und das Werk in Landessprache für die Mehrheit der Besucher einen deutlichen Verständnisgewinn bringt. Ansonsten besser das Original mit Über- oder Untertitel. Ich habe aber zum Unterschied zu einigen anderen in unserem Bunde kein Problem mit gut gesungener Oper in ungewohnter deutscher Sprache. Schon gar nicht geselle ich mich zu jenen mir bekannten Fällen, wo ein Don Pasquale oder eine Verkaufte Braut problemlos auf Deutsch akzeptiert werden, aber ein Deutsch gesungener Verdi vehement und kategorisch abgelehnt werden. Da bin ich offenbar toleranter eingestellt.