Das Regietheater, eine etablierte Kunstform - wie geht es weiter?

  • Glaube ich nicht, mit "Barockoper" funktioniert das ja auch und Neuschwanstein ist Tourismusmagnet und die Touristen gehen nicht hin um sich totzulachen.

    Ist ein interessanter Gesichtspunkt. Eben alles eine Sache, wie man den Kontext herstellt. Wenn sich jemand findet, der den Ring so inszeniert wie den Herrn derselben ... Das wäre wirklich spannend. :)

    Inwiefern sind Gandalf und Sauron weniger lächerlich als Wotan und Alberich?

    Da hast Du recht!

  • [...] und Neuschwanstein ist Tourismusmagnet und die Touristen gehen nicht hin um sich totzulachen.

    Ja, aber ich glaube, der Vergleich funktioniert nicht gut: Die Erwartungshaltung bei einem Besuch von Neuschwanstein oder auch einer Gemäldegalerie der Alten Meister ist .m.E. eine vollkommen andere, als diejenige bei einem Opernbesuch. Natürlich könnte ich auch bei einem Opernbesuch "Walküren mit Hörnern" erwarten, allerdings sollte ich schon soviel Realitätssinn haben zu Wissen, dass die Erfüllung meiner Erwartung extrem unwahrscheinlich ist.

    Inwiefern sind Gandalf und Sauron weniger lächerlich als Wotan und Alberich?

    Weil Gandalf und Sauron nicht singen - klingt doof, ist aber durchaus ein nicht unwesentlicher Aspekt: Oper ist per se zumindest eine absurde, wenn nicht sogar lächerliche Kunstform. Handlung und Darstellung der Handlung (egal, ob klassisch, modernisiert oder Regietheater) sind grundsätzlich inkohärent schon alleine aus dem Grund, dass gesungen und nicht gesprochen wird. Die Überwindung dieser Inkohärenz ist und war schon immer ein Problem, welches sich auch nicht durch eingeschobene Dialoge, Rezitative u.ä. beheben läßt.

  • Ich nehme an, dass man das durch entsprechendes Werbematerial schon klar machen würde, sodass niemand von den Walküren mit Flügelhelmen überrascht wäre ...

    Na ja, die "Überraschung" oder vielleicht eher der Frust entsteht ja bei manchen eher im umgekehrten Fall, also wenn die Walküren keine Flügelhelme tragen und Tosca sich nicht von der Engelsburg, sondern meinethalben vom Baugerüst stürzt ... :hello:

  • Da es sich hier um ein Märchen handelt, ist eine gewisse Freiheit erlaubt, insbeondere, wenn die Darstellung dem jeweiligen Zeitgeist entspricht, bzw, "weil man es nicht besser weiß" oder weil man etwas künstlich "verbessern möchte.


    So sind die Darstellungen aus der Bibel, von Rembrandt-Zeitgenossen auch oft ein wenig peinlich, oder die Krippendarsrtellungen im tiefen Schnee, etc, weil das alles weit weg von der Realität ist - aber sie entstanden im guten Glauben, ebenso wie die "altdeutschen" Möbel.

    Man hat auch manches historischer eindrucksvoller gemacht als es gewesen ist. Im Fliegenden Holländer" sah man oft ein eindrucksvolles Steuerrad

    Das war aber zu Zeiten wo dieses Stück Spielt noch gar nicht erfunden. Die damals übliche Ruderpinne macht aber optisch nicht viel her....


    Zu Wagner kann ich generell nur wenig beitragen, da ich weder seine Musik noch die "deutschen Heldensagen" mag, aber ein gutes Beispiel, wie sich Inszenierungen auch ohne Regietheater verändern können, wäre, daß heute nicht vollbusige übergewichtige "Schönheiten" und ebnsolche dicken und mit Vollbärten ausgerüsteten "Helden" a la Rasputin die Bühnen bevölkerten, sondern "sexy" Protagonisten, denen man die Liebesaffairen auch glaubt und sie darum beneidet. Der Kinofilm mag hier als Beispiel dienen, der seit Jahren/Jahrzehnten stets "behübscht" und auf diese Weise unsere Realwelt verfremdet.

    Als irgendwann 1962 Disney einen Film über die Evakuierung der "Lippizaner" im 2. Weltkrieg drehte ("Miracle Of The White Stallions",- dtsch "Die Flucht der weissen Hengste"wo auch Szenen von Vorführungen in der Spanischen Reitschule vorkamen, da entschied die Produktion, daß die braunen Fräcke nicht geeignet seien - und ersetzte sie durch signalrote. Die dabei entstandenen Standfotos wurden sogleichfür Postkarten verwendet - was den amerikanischen Touristen stets ein "lovely" entlockte.

    Sie waren indes enttäuscht, wenn sie einer realen Vorführung beiwohnte, wo nach wie vor (bis heute) die historischen Braun-weissen Bereiter-Unformen in Verwendung waren/sind.....


    mfg aus Wien

    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • Bilder und Mythen haben ihre Zeit. Wagners Vorstellungen von Walküren sind 19. Jhd.-Fantasien - der "Herr der Ringe" sind Fantasien unserer Zeit. Deshalb wirken auch die gehörnten "Germanen" auf uns heute klischeehaft und kitschig - solche Kostüme sind heute auf der Bühne unverwendbar, weil das nur lächerlich sein würde. ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ganz ehrlich, ich verstehe mitnichten, wieso Flügelhelme in der "Walküre" lächerlicher und deplacierter wirken sollen als das, was derzeit tatsächlich auf den Bühnen geboten wird, bis hin zu den blutrünstigen Exzessen des verblichenen "Aktionskünstlers" Hermann Nitsch, dem man mit der Verpflichtung nach Bayreuth noch den Ritterschlag verpasst hat. Klischeehaft und kitschig ist doch gerade das "moderne Regietheater", seit Jahrzehnten in sich völlig erstarrt und sich selbst beweihräuchernd, die Hure Babylon der Opernwelt. nemorino hat es weiter oben doch treffend geschildert. Schon in den 1980er Jahren wurde dieses Schindluder getrieben, so dass er sein Abonnement aufgab.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Naja, "Bilder und Mythen haben ihre Zeit", komisch nur, dass Wagners Mythen immer noch gesungen werden können ...

    Wagners Mythos ist ein Kunstprodukt mit vielen Facetten - es gibt an diesem Mythos viel Aktuelles, aber auch Seiten, die das 19. Jhd. besonders interessiert haben, die heute keinen Menschen mehr interessieren. Die Kapitalismus-Kritik ist immer noch sehr aktuell - was ja die Grundlage von Chereaus Deutung war. Das Germanentum als Vehikel nationaler Identitätsfindung mit all dem Pseudo-Arischen und den entsprechenden Kostüm-Klamotten dagegen ist nur noch peinlich - auch durch das, was im Nationalsozialismus daraus gemacht wurde - dass es in den Mülleimer der Opern-Aufführungsgeschichte gehört. ^^ :hello:

  • Die Schlammschlacht nimmt kein Ende. Hier das Update aus dem Kurier (online):


    https://kurier.at/kultur/kein-…egnet-anwuerfen/402169533


    „Dirigent Philippe Jordan hat am Dienstag in einer Aussendung seinen Standpunkt bekräftigt, den er am Sonntag im KURIER geäußert und mit dem er international für Aufsehen gesorgt hat: Denn er sehe sich veranlasst, "einigen Anwürfen und Behauptungen entgegenzutreten, die seit Erscheinen gegen mich erhoben wurden." Diese scheinen insbesondere sein Verhältnis zum Staatsoperndirektor Bogdan Roščić zu betreffen.

    "Hier gibt es nicht den geringsten Angriff gegen die Wiener Staatsoper – ganz im Gegenteil! Hier gibt es keinen Angriff gegen den künstlerischen Leiter des Hauses", sagte Jordan. "Nichts aus dem ganzen Gespräch, kann jemand auch nur im Ansatz als einen Angriff auf das Haus oder seinen Direktor ansehen." Nun aber habe Roščić "in seiner von vielen doch als befremdlich wahrgenommenen Reaktion", geschrieben, "er wolle die Sache nicht weiter kommentieren. Tatsächlich aber hat er mit dem Kommentieren bis heute gar nicht aufgehört."

    "Nachdem er mir zunächst über seinen Personalchef nahelegen ließ, ebenso wie er ein ORF Interview abzulehnen, ist er dann alleine in der ZIB 1 erschienen um seine Darstellung persönlich vorzutragen", sagt Jordan. "Am nächsten Tag das gleiche im Mittagsjournal von Ö1 und dann folgte auch noch ORF III, diesmal durfte ein ihm nahestehender Journalist Abwertendes über mich verbreiten." Und "durchaus erstaunlich ist dann ein Kommentar in der von der Bundestheater Holding mitbestimmten Zeitschrift, wo der Ehemann der Pressesekretärin der Wiener Staatsoper in Sätzen die Wort für Wort von Herrn Dr. Roščić stammen könnten, in doch sehr bedenklichem Niveau auf mich losflegelt."


    Anruf aus dem Orchester

    Zuletzt wurde mehrfach spekuliert, dass die laut Roščić vor dem Interview beschlossene Nichtverlängerung Jordans auf Betreiben des Staatsopernorchesters stattgefunden habe. "Die erste Reaktion, die mich von Mitarbeitern des Hauses erreichte, war ein Anruf des Betriebsrates des Orchesters der Wiener Staatsoper, der sich über die Vorgänge höchst verwundert und gar nicht erfreut zeigte, die Entwicklung ausdrücklich bedauerte und auch so manches als ,aufklärenswert' empfand", schreibt nun Jordan. Er "hörte durchaus noch von Mitarbeitern, die zunächst durchwegs meinen Abgang 2025 bedauerten und mir auch inhaltlich zu meinen Ausführungen zustimmten."

    Spekulation über ein vorzeitige Trennung von der Staatsoper entgegnete Jordan: "Ich werde am 17. Oktober, genau wie es vorgesehen ist, die Proben zu den Meistersingern in Wien aufnehmen und alle vertraglichen Verpflichtungen bis zum Juni 2025 erfüllen und zwar mit derselben Begeisterung und Energie, wie ich es von Anfang an getan habe." Jordan habe sich "um den Posten des Musikdirektors der Wiener Staatsoper nicht beworben. Als Bogdan Roščić ihn mir offerierte, hatte ich durchaus Bedenken – wie sich heute zeigt vielleicht nicht ganz zu Unrecht." Aber "ich habe mich dazu entschlossen, ich stehe zu diesem Vertrag und es gibt auch keinen Grund, daran etwas zu ändern."“

    „Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini.“

  • Die Schlammschlacht nimmt kein Ende. Hier das Update aus dem Kurier (online):


    https://kurier.at/kultur/kein-…egnet-anwuerfen/402169533

    Lieber Stolzing , es ist nur ein Vorschlag, aber wäre dieser Beitrag nicht besser im Pressespiegel platziert?


    Ich denke, dass Die Diskussion über das Weggehen von Jordan von der Wiener Staatsoper und die "tieferen Geheimnisse", die hinter diesem Weggang stecken, nicht viel zum eigentlichen Thema des Threads beitragen.

  • Lieber Stolzing , es ist nur ein Vorschlag, aber wäre dieser Beitrag nicht besser im Pressespiegel platziert?


    Ich denke, dass Die Diskussion über das Weggehen von Jordan von der Wiener Staatsoper und die "tieferen Geheimnisse", die hinter diesem Weggang stecken, nicht viel zum eigentlichen Thema des Threads beitragen.

    Roščics Reaktion wurde auch hier geteilt, sodass Jordans Antwort in meinen Augen der Vollständigkeit halber nicht fehlen sollte. Aber das ist freilich nur mein Zugang.

    „Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini.“

  • Es verlässt mit Philippe Jordan leider der Falsche die Wiener Staatsoper. Der überforderte Direktor Roščić sollte den Hut nehmen. Aber dieser hat zu viel Protektion aus der Politik.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Roščics Reaktion wurde auch hier geteilt, sodass Jordans Antwort in meinen Augen der Vollständigkeit halber nicht fehlen sollte. Aber das ist freilich nur mein Zugang.


    Da magst Du aus Gründen der Gerechtigkeit recht haben. Leider habe ich hier zu häufig erlebt, dass dieserart geführte Diskussionen über irgendwelche Hintergründe zu irgendwelchen aktuellen Ereignissen in Schlammschlachten auch im Forum enden. Mir tut das für den eigentlichen Thread und sein Thema immer leid.


    Es verlässt mit Philippe Jordan leider der Falsche die Wiener Staatsoper. Der überforderte Direktor Roščić sollte den Hut nehmen. Aber dieser hat zu viel Protektion aus der Politik.

    Es geht schon weiter. Was hat das mit Regietheater als Kunstform auch nur entfernt zu tun?


    Ich habe hier die Bitte, diese Diskussionen bitte im Pressespiegel weiterzuführen, wo sie ja auch offensichtlich hingehören.

  • Es geht schon weiter. Was hat das mit Regietheater als Kunstform auch nur entfernt zu tun?

    Jordan hat in seinem Interview genau diese kritisiert - dafür kassiert er jetzt Schelte. Das Imperium schlägt quasi zurück.

    „Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini.“

  • Jordan hat in seinem Interview genau diese kritisiert - dafür kassiert er jetzt Schelte. Das Imperium schlägt quasi zurück.

    Das ist doch keine Diskussion zum Regietheater, sondern eine politische Diskussion über die Hintergründe eines Weggangs aufgrund einer durch die Presse angeheizten nicht verifizierbaren Datenlage.


    Es sei denn, Du willst Argumente von Jordan in die Diskussion einbringen. Dass die Regisseure das Stück studieren und verstehen sollten, sehe ich auch so und findet meine volle Unterstützung. Damit ist aber der gedankliche Faden, soweit ich ihn gefunden habe aber auch schon zuende gesponnen, oder?

  • Ich finde es gut, daß Jordan seine Meinung kundtut. Endlich gibt es wieder Künstler, die sich trauen, ihre Meinung zu sagen. Und nicht erst, wenn sie ihre Karriere beendet haben. Und das gehört in einen Thread zum Thema Regietheater, wohin denn sonst.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Ich finde es gut, daß Jordan seine Meinung kundtut. Endlich gibt es wieder Künstler, die sich trauen, ihre Meinung zu sagen. Und nicht erst, wenn sie ihre Karriere beendet haben. Und das gehört in einen Thread zum Thema Regietheater, wohin denn sonst.

    Die Meinung als solche gehört hier rein.


    Ob er sich nun traut, weil er rausgeschmissen wurde, ob er überhaupt rausgeschmissen wurde, ob er sich rächen will, ob der andere sich rächen will. Ob das Thema Regietheater nicht einfach nur Theater ist, weil der Kollege damit eine öffentliche Diskussion entfachen kann (Wie hier ja offensichtlich auch) kann hier aufgrund der bisher gezeigten Datenlage keiner entscheiden.


    Ich finde es erstaunlich, dass offensichtlich keiner der Disputanten unterscheiden kann zwischen einer Diskussion über ein Thema und dem Applaudieren zu ober "Abkotzen" über irgendwelche vermeintliichen Geschichten zum Thema.


    Ich werde jetzt nichts mehr dazu sagen und hoffen, dass der Politmüll sich aus dem Thread wieder verflüchtige ....

  • Naja, "Bilder und Mythen haben ihre Zeit", komisch nur, dass Wagners Mythen immer noch gesungen werden können ...

    Das hat mich immer schon gewundert. Denn mit einiger Berechtigung könne man die als "Kitsch pur" bezeichnen.

    Daß das niemand macht grenzt an ein Wunder

    Diese scheinen insbesondere sein Verhältnis zum Staatsoperndirektor Bogdan Roščić zu betreffen.

    Die Wiener Staatsoper - bzw deren Publikum - hat schon zahlreiche unbeliebte Staatsoperndirektoren erledigt - Da wirds auf einen mehr oder weniger nicht ankommen

    und hoffen, dass der Politmüll sich aus dem Thread wieder verflüchtige ....

    Na ja - im Prinzip ist das ja "Gesellschaftpolitik"


    Der durchwegs beliebte Direkor Dominique Meyer, der versucht hat, das Wiener Publikum nicht zu vergrämen, bekam seinen Vertrag nicht verlängert um für jemanden Platz zu machen der ..........ach ich werd das jetzt nicht schreiben


    Aber letztlich ist seinerzeit auch Gustav Mahler wie ein begossener Pudel abgezogen.......


    mfg aus Wien

    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • Der durchwegs beliebte Direkor Dominique Meyer, der versucht hat, das Wiener Publikum nicht zu vergrämen, bekam seinen Vertrag nicht verlängert um für jemanden Platz zu machen der ..........ach ich werd das jetzt nicht schreiben

    Politik ist IMO ein durchgehend ekliges Geschäft. Meistens trifft es die, die nicht so hart zuschlagen können oder wollen. Das sind nicht selten diejenigen, denen Kunst noch eher etwas bedeutet, Menschen mit Zweifeln.


    BTW Ich bin für eine strikte Trennung zwischen tagesaktueller Politikdiskussion und einem Thema der Kunst. Ich habe hier schon häufig Threads bis zu der Stelle gelesen, wo dann die Diskussion zu irgendeinem Thema begann, was man schon gar nicht mehr kennt, die dann auch zum Gähnen langweilig wird und dann das Lesen abgebrochen. Häufig wurde dann auch der Ton inakzeptabel. Wer interessiert sich in fünf Jahren noch für das, was wir hier für Zusammenhänge vermuten über den Abgang von Jordan.

  • Politik ist IMO ein durchgehend ekliges Geschäft. Meistens trifft es die, die nicht so hart zuschlagen können oder wollen. Das sind nicht selten diejenigen, denen Kunst noch eher etwas bedeutet, Menschen mit Zweifeln.


    Das sehe ich auch so und ich empfinde nichts als Ablehnung und Ekel gegenüber Berufspolitikern. Darum werde ich hierzu auch nichts mehr schreiben.

    „Puccini ist der Verdi des kleinen Mannes, und Lehár ist dem kleinen Mann sein Puccini.“

  • Ich verstehe, muss ich gestehen, die Aufregung nicht ganz. Es steht ja nicht die unmittelbare Entlassung von Philippe Jordan bevor, sondern es geht um eine Vertragsverlängerung nach 2025 - d.h. Jordan und die Wiener müssen noch drei lange Jahre gut miteinander auskommen. ;) Das wissen doch alle Beteiligten! Wie lange läuft denn dieser Vertrag? 5 Jahre - 6 Jahre? In der Branche ist es durchaus eher die Ausnahme als die Regel, dass er nach so einer Verpflichtung verlängert wird, wenn ich das richtig überblicke. Wie lange war denn Jordans Vorgänger im Amt?


    Und der eigentliche Kritikpunkt von Jordan ist der Dilettantismus und die mangelnde Professionalität von Seiten der Regie, wenn ich ihn richtig verstehe. Das ist sein gutes Recht, das zu kritisieren! Von ihm als musikalischem Leiter erwartet man Professionalität - dann sollte da die andere Seite mithalten können. Es ist kein Geheimnis, das sich heute so mancher Regisseur mit der Oper versucht, der eigentlich vom Sprechtheater her kommt und vom eigentlichen "Musik"-Theater wenig Ahnung hat. Das kann man nun allerdings nicht generalisieren in Bezug auf das Regietheater. Ein Altmeister wie Peter Konwitschny nämlich ist bestimmt nicht von Jordan gemeint. Der - Sohn eines berühmten Dirigenten, Franz Konwitschny - ist handwerklich hoch professionell und versteht von einer Wagner-Oper gerade auch was die Musik angeht sicher mehr als so mancher (unerfahrene) Dirigent.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich denke Herr Jordan wollte nur rechtzeitig auf sich aufmerksam damit jeder mitbekommt, das er in drei Jahren freischaffend tätig ist. Und wie im Fall Nebtreko wo am Anfang die Empörung groß war, ist bis dahin eh alles wieder vergessen

  • ..... Ich habe Traviatas gesehen, wo die Ärmste im Krankenhaus starb .....

    Schon lange vor der Erfindung des Regietheaters ließ Lucchino Visconti 1955 in seiner berühmten Inszenierung an der Scala Maria Callas nicht im Bett sterben. Sie starb noch nicht mal in einem Sessel, sondern auf einem Stuhl.

    War das etwa ein Vorbote des Regietheaters?

    Ob Krankenhaus oder Schlafzimmer, Stuhl oder Bett, Violetta stirbt auf jeden Fall an Tuberkulose.

    traviata.jpg

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Hallo zusammen,


    zu Wagner möchte ich anmerken, dass ich noch niemanden getroffen habe, der widersprochen hätte, wenn jemand die Texte als kitsch pur, wenn nicht gar albern bezeichnet hätte. Ich erwidere dann zumeist, auch die italienischen Texte seien nicht viel besser, nur wie man sie als der italienische nicht mächtige Hörer nicht versteht. Auch als erklärter Wagner-sehr-gerne-Hörer müsste ich jedoch lügen, wollte ich sagen ich hätte beim erstmaligen Lesen der Texte, das bei mir immer dem erstmaligen Hören vorausgeht, nicht mehrfach mit den Augen gerollt und/oder aufgelacht. Aber in Kombination mit der Musik ist es einfach richtig ich habe leider kein besseres Wort dafür. Es passt ineinander überwältigt den Verstand und man (sprich: meine Wenigkeit) verliert sich in dieser wunderschönen, Mitreißenden und umfassenden Musik.


    Warum kann man also keinen „klassisch mythologischen“ Ring inszenieren, wenn High Fantasy sich so unfassbar gut verkauft? Die Antwort ist recht ernüchternd: Weil man mit der Leinwand nicht mithalten könnte. Es ist zwar nicht unbedingt einfach oder billig Den Herrn der Nazgul vor einem Greenscreen über ein Schlachtfeld fliegen zu lassen und aber so einen Effekt auf einer Bühne glaubwürdig hinzubekommen ist sehr Schwierig. Auch ist es eine Sache einen packenden Schwertkampf, zumal mit Stuntdoubles mit einer beweglichen Kamera aus mehreren Perspektiven so zusammenzuschneiden dass sich die hektische Energie auf den Zuschauenden überträgt, aber eine völlig andere dies mit einer nahezu unkontrollierten Zuschauerperspektive und Darstellern zu tun, die dabei auch noch gut singen sollten. Zumindest im Ring tun die Helden dem Regisseur ja nicht den Gefallen während der Action, bzw. lang genug, um vernünftig welche zu inszenieren, einfach die Klappe zu halten (Siehe Siegmunds Tod, den Drachenkampf, Der Walkürenritt) und schließlich, weil wegen dieses Problems vieles einfach erzählt wird. (Siegmunds Monolog, Gralserzählung des Lohengrin, Gurnemanz Monolog.) Es gibt eine wichtige Regel beim Filmedrehen „Show, don’t tell“. Wenn wir also sagen wollen „Geld spielt keine Rolle, wie inszenieren das jetzt wie einen High Fantasy Film mit Helmen, Rüstung, Drachen und allem was dazu gehört.“ Hätten wir eine mittelprächtige Erfahrung, die Doch hinter den „Herr der Ringe“ Filmen zurückbleiben müsste.


    Davon einmal abgesehen, sollte es trotzdem noch einmal zu einer Ring-Inszenierung kommen, die wirklich dieses Heldenepos entsprechend Wagners (unerfüllbaren) Regieanweisungen auf die Bühne bringt. (Wie um Himmelswillen hat er sich das herumschwimmen der Rheintöchter in der Luft der Bühne vorgestellt?!?) würde ich es mir gerne ansehen, aber dringend hoffen, dass verdammt noch mal niemandem ein Geier auf den Helm genagelt wird. Ich muss dabei jedes Mal an Asterix denken. Es gibt so viele Möglichkeiten einen Helm spannend und mystisch zu gestalten, lasst doch bitte die Armen Vögel aus dem Spiel. Macht wenigstens Metallschwingen draus. Bitte.


    Beste Grüße,


    Niklas

  • Mir geht es in erster Linie um eine gute Personen Führung. Die Inszenierung kamm noch so werkgetreu sein, wird dann aber auch schnell langweilig, wenn Sänger und Chor nur rumstehen. Ich würde den ersten Teil im Rheingold in einem Schwimmbad spielen lassen und die armen Rheintöchter und Alberich mūßten dann im Wasser achwimnen und singen.:)

  • Warum kann man also keinen „klassisch mythologischen“ Ring inszenieren, wenn High Fantasy sich so unfassbar gut verkauft? Die Antwort ist recht ernüchternd: Weil man mit der Leinwand nicht mithalten könnte. Es ist zwar nicht unbedingt einfach oder billig Den Herrn der Nazgul vor einem Greenscreen über ein Schlachtfeld fliegen zu lassen und aber so einen Effekt auf einer Bühne glaubwürdig hinzubekommen ist sehr Schwierig. Auch ist es eine Sache einen packenden Schwertkampf, zumal mit Stuntdoubles mit einer beweglichen Kamera aus mehreren Perspektiven so zusammenzuschneiden dass sich die hektische Energie auf den Zuschauenden überträgt, aber eine völlig andere dies mit einer nahezu unkontrollierten Zuschauerperspektive und Darstellern zu tun, die dabei auch noch gut singen sollten. [...}

    Wobei zu Bedenken ist, dass genau dies in den großen Musical-Produktionen - insbesondere, wenn sie auf einer filmischen Vorlage basieren - ja durchaus mit mal mehr und mal weniger Erfolg gemacht wird. Allerdings funktioniert bzw. rechnet sich dieser Aufwand wohl auch nur, wenn man ein und dasselbe Stück über einen längeren Zeitraum, also mindestens mehrere Monate teilweise zweimal am Tag programmieren kann. Wichtig für den Markennamen bzw. das Branding dabei auch, dass alle Aufführungen möglichst identisch ablaufen, egal zu welcher Uhrzeit und welcher Cast gerade am Start ist. - Möchte man das für die Oper?

    Ich habe einige solcher sicher beeindruckenden Bühnenspektakel gesehen, aber einmal reicht mir dann auch, wohingegen ich einen Ring oder auch fast jede andere Oper in einer mindestens passablen Inszenierung immer wieder anschauen kann. Die Lebendigkeit resultiert aus den Live-Erlebnis, den unterschiedlichen Besetzungen oder den kleinen und großen Abweichungen, wenn ein Stück auch nach mehreren Jahren wieder aufgenommen wird.


    Weiter gibt es auch Beispiele für entsprechend aufwendige Produktionen auf der Opernbühne, wie etwa The Machine-Ring an der MET oder die La Fura dels Baus-Inszenierung. Abweichungen vom Konzept hier aber eher problematisch, sonst kommt Klein-Brünnhilde eventuell versehentlich unter die Räder ... Aufgrund des Aufwandes werden solche Sachen dann aber auch eher selten (wieder-)gezeigt und verstauben ansonsten im Magazin. Legendär etwa Marellis Don Giovanni an der Hamburger Staatsoper Ende der 80er Jahre: für den Bühnenaufbau musste das Haus jedesmal einen oder zwei Tage geschlossen werden mit dem Resultat, dass es soweit ich erinnere lediglich eine Handvoll Aufführungen gegeben hat ...


    Insgesamt verspricht man sich hier m.E. vom geforderten Einsatz moderner technischer Mittel - gerne auch zugunsten konventioneller Darstellungen - etwas zuviel und wird dann durch die Bühnenrealität doch eher enttäuscht. An der Stelle ist Oper eben doch mehr Theater und weniger Film!

  • Hallo Cunctator,

    Zitat von Cunctator

    Ich erwidere dann zumeist, auch die italienischen Texte seien nicht viel besser, nur wie man sie als der italienische nicht mächtige Hörer nicht versteht

    Das kann man aber so, schon lange nicht mehr sagen, HEUTE gibt doch Original getreue Übersetungen.

    Viel schlimmer finde ich die deutsch gesungenen Librettos, die sind doch mehr als grausam!


    Heutzutage, gibt es viel zu lesen über Wagners Libretti, und wenn man sich da mal hineingefunden hat, ist das garnicht mehr kitschig, nur unsere Sprache hat sich halt sehr verändert an der wir dann diesen s.g. Kitsch messen!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Das kann man aber so, schon lange nicht mehr sagen, HEUTE gibt doch Original getreue Übersetungen.

    Viel schlimmer finde ich die deutsch gesungenen Librettos, die sind doch mehr als grausam!

    Erstens Oh mein Gott ja. Wenn ich um eines froh bin, dann darum dass die meisten Opern heutzutage in Originalsprache gesungen werden. Um das auszuschöpfen müsste man die Übersetzungen eben auch lesen und da ist in meinem Freundes und Bekanntenkreis eben der Haken. Da werde ich für mein Bemühen mich etwas intensiver mit dem Werk zu beschäftigen eher belächelt. Man geht eben in die Oper und hört sich die schöne Musik an und sieht was sie einem in dem Moment sagt, man will es eben nicht "zerdenken". Und da ist der Umstand, dass man Wagner in der Regel versteht eben sehr lästig, wiel man dann die Eigenleistung erbringen müsste sich ernsthaft in das Werk zu versenken.

  • Wichtig für den Markennamen bzw. das Branding dabei auch, dass alle Aufführungen möglichst identisch ablaufen, egal zu welcher Uhrzeit und welcher Cast gerade am Start ist. - Möchte man das für die Oper?

    Du Sprichst mir aus der Seele und erklärst mein Problem mit der Kunstgattung Musical weit eloquenter als ich es könnte. vielen Dank dafür.