Lieber Figaroo,
Dieese erfreuliche Tatsache habe ich schon in einem anderen Thread gepostet! Bald kommt nun hier der durch das Paar Homoki/Hintze verballhornte Fidelio....
Sehen wir, ob ich prophetische Fähigkeiten habe: Ich habe Homoki 3-4 Jahre maximal angedündigt! Lasst uns sehen (und hoffen), dass (ob) ich recht habe!

Striche in der Oper
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Lieber Figaroo,
Dieese erfreuliche Tatsache habe ich schon in einem anderen Thread gepostet! Bald kommt nun hier der durch das Paar Homoki/Hintze verballhornte Fidelio....
Sehen wir, ob ich prophetische Fähigkeiten habe: Ich habe Homoki 3-4 Jahre maximal angedündigt! Lasst uns sehen (und hoffen), dass (ob) ich recht habe!Das wünsche ich nicht nur Dir als Züricher, das wünsche ich der gesamten europäischen Opernszene
Und was den Fidelio betrifft, in dem auch online verfügbaren MAG-Heft, kann man sich einen ersten Eindruck holen, und es wirkt schon fast niedlich, wie sich Homoki da alles ,was seinem "Regiekonzept"
zuwiderläuft, zurechtbiegt und besserwischerisch rechtfertigt... -
Jeder Film ist zuletzt ein Resultat des Schnitts, und die Herausgabe der eliminierten Szenen ist nicht immer von Vorteil. Nur wer davon, oder von der Leistung eines gesunden Lektorats auch gar keine Ahnung hat, formuliert so einen werkromantischen Kitsch.
Es gibt ja wohl einen Unterschied, zwischen Szenen (sei es in Buch oder Film), die auf dem Weg zum Endprodukt (im Einvernehmen mit dem Künstler oder gar von diesem selbst) entfernt werden und jenen, die nachträglich vom Endprodukt entfernt werden, um eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen. Insofern gebe ich Alfred vollkommen recht in Bezug auf seinen Jugendbuch-Vergleich. -
Theoretisch ja. Wenn es das denn gäbe...Und bitte erwähne jetzt nicht die homöopatisch dosierten Reste verbliebener früherer Nicht-RT- Produktionen, die ja auch mit subventioniert werden. Sonst wird es langsam unfreiwillig komisch.
Aber selbst, wenn es kein sogenanntes Regietheater gäbe, müsste der Opernbetrieb subventioniert werden (es sei denn, wir "Ottonormalverdiener" verzichten einfach und überlassen das Feld denjenigen, die es sich dann noch leisten können); insofern ist mir weiterhin nicht klar, worin der zwingende Zusammenhang zwischen Kultursubvention und Regietheater denn bestehen soll? -
Insofern gebe ich Alfred vollkommen recht in Bezug auf seinen Jugendbuch-Vergleich.
Lieber Lynkeus,
damit erkennst du keinen fundamentalen Unterschied zwischen dem von mir erwähnten (den Spannungsbogen pointierenden) Strich im Don Carlo (der, wiewohl gängige Bühnenpraxis und aufführungstechnisches Erfordernis, noch keineswegs evident aus der Partitur zu erschließen ist, sondern einen willkürlichen Eingriff vorstellt) und einer freien Bearbeitung ad usum delphini.
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Solange in diesem Thread nur theoretisiert und nicht über gängige Striche diskutiert bzw. auf nicht geläufige hingewiesen wird, sind die Ergüsse der geschätzten Diskutanten für mich nicht von Interesse und werde mich so wie in manchen anderen Threads der Diskussion enthalten. Was zwar Schade ist, weil es dazu einiges zu sagen gäbe, aber meine Nerven schont.
Erich
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Hallo,
mein Vergleich wird hier sicher als störend empfunden.
1. Eine Oper ist meist von der Handlung her – und in der Musik also folgend - ein äußerst weitschweifiges Werk.
2. Nicht absolute Musik, die sich auf einen kleinen Handlungsspielraum beschränkt (Kunstlieder, Chorsätze, sinfonische Dichtungen, nicht gerade von Strauss oder Berlioz etc., Kammermusik mit außermusikalischem inhaltlichen Bezug u. ä.) kann diesen aber aufgrund der Beschränktheit des Darzustellenden sehr deutlich, vertieft, überhöhend vertonen.
Im 1. Fall dürften Veränderungen – ganz allgemein – leichter zu bewerkstelligen sein ohne dem Werk Schaden zuzufügen, als im 2. Fall (wer kann sich eine Änderung an Schuberts Erlkönig vorstellen?).
Den Text „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ gibt es in sehr unterschiedlichen Kompositionen, Bearbeitungen, Arrangements und Verballhornungen – jede Art findet ihre Gernhörer.
Wer mag, gehe auf den Thread „Weihnacht und Advent – welche Musik ist euch wichtig“ und höre sich dort im Beitrag Nr. 5 das Werk von Sandström an – eine Neukomposition? (der Prätorius-Satz ist das Rückgrat des Werks), eine Bearbeitung? (der Satz von Prätorius bleibt unverändert), eine Verballhornung? (wenn das eine Verballhornung ist, dann wünschte ich mir von vielen Werken eine solche).
Und wegen meines letzten Absatzes (mich interessiert nur die Musik) finde ich meinen Vergleich nun doch nicht als besonders störend.
Viele Grüße
zweiterbass -
Zitat
Zitat von Milletre: Die Diskriminierung, wenn Menschen als "Staubis" bezeichnet werden, möchte ich mir entschieden verbeten haben, auch wenn diese Formulierung eine Sache beschreibt, in Wahrheit aber deren Anhänger gemeint sind.
Lieber Fritz,
das ist doch die Masche, die wir vor längere Zeit schon einmal von einem Mitglied gehört haben, das aber nicht mehr dabei ist. Wenn diejenigen wüssten, wie viele junge Leute - auch hier im Forum gibt es eine ganze Reihe recht junger Leute, die sich gegen die verunstalteten Inszenierungen wehren, vielleicht sogar noch mehr, als wir schon etwas betagteren - sie damit als sogenannte "Staubis" bezeichnen. Im übrigen ist mir die ganze Vergleich der Befürworter des sogenannten "Regietheaters" von Verunstaltungen und normalen Strichen, die das Werk nicht verändern und deren Begriff von Werktreue zu albern, um mich damit auseinander zu setzen. Ich habe einiges davon gelesen, gelacht, und meine Zeit einfach zu schade dazu gefunden, dazu überhaupt etwas zu sagen. Und ich schalte mich hiermit auch wieder - wie auch Erich Ruthner es sehr vernünftig gesagt hat - aus dieser dämlichen Diskussion, die zu nichts führt, aus.
Liebe Grüße
Gerhard -
Und wegen meines letzten Absatzes (mich interessiert nur die Musik) finde ich meinen Vergleich nun doch nicht als besonders störend.
Ich finde das ganz und gar nicht störend, lieber Horst - das sind schöne Anregungen zum Nachdenken!
Im übrigen ist mir die ganze Vergleich der Befürworter des sogenannten "Regietheaters" von Verunstaltungen und normalen Strichen, die das Werk nicht verändern und deren Begriff von Werktreue zu albern, um mich damit auseinander zu setzen. Ich habe einiges davon gelesen, gelacht, und meine Zeit einfach zu schade dazu gefunden, dazu überhaupt etwas zu sagen. Und ich schalte mich hiermit auch wieder - wie auch Erich Ruthner es sehr vernünftig gesagt hat - aus dieser dämlichen Diskussion, die zu nichts führt, aus.
Als derjenige, der diesen Thread eröffnet hat, erlaube ich mir die Bemerkung: Absolut dämlich ist allein dieser völlig überflüssige Beitrag. Die bisherige Diskussion hier zeichnet sich wohltuend durch das Bemühen um Ernsthaftigkeit aus und einen anständigen Umgangsstil. Insofern empfinde ich dieses Posting als eine empfindliche Störung der Atmosphäre - Ernsthaftigkeit nicht anerkennen zu wollen und ins Lächerliche zu ziehen mit herablassendem Ton, ist im Grunde eine Beleidigung. Mein Rat und Wunsch: Wer in diesem respektlosen Stil weiter machen möchte, soll das anderswo tun, nur nicht hier.
Schöne Grüße
Holger -
Mein Rat und Wunsch: Wer in diesem respektlosen Stil weiter machen möchte, soll das anderswo tun, nur nicht hier.
Diese Forderung ist eine Frechheit! Was erlauben Kaletha???? Ich habe fertig.
La Roche
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Wer nicht beim Thema bleiben kann oder schon wieder zu persönlichen Attacken greifen muss, der möge dem thread bitte fernbleiben!
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Es gibt ja wohl einen Unterschied, zwischen Szenen (sei es in Buch oder Film), die auf dem Weg zum Endprodukt (im Einvernehmen mit dem Künstler oder gar von diesem selbst) entfernt werden und jenen, die nachträglich vom Endprodukt entfernt werden, um eine bestimmte Zielgruppe anzusprechen. Insofern gebe ich Alfred vollkommen recht in Bezug auf seinen Jugendbuch-Vergleich.Filmvergleiche könnten kaum weiter in die Irre führen. Ein Film ist in den hier relevanten Aspekten das Gegenteil zum Theater. Ein Film, einmal geschnitten, ist "fertig" (wie ein Roman), man kann nur noch die Rolle (oder Datei) abspulen, nichts mehr interpretieren. Ein Theaterstück entsteht dagegen in der Aufführung.
Ich versuche noch einmal, meine Position zusammenzufassen.
1. Theater (egal ob Sprech-, Musik, Pantomime, Tanz...) ist, was auf einer Bühne (o.ä.) sich ereignet.
2. Schriftliche Aufzeichnungen als Basis (oder auch nachträgliche Fixierung) eines Theaterstücks sind oft möglich, aber nicht notwendig. Insbesondere sind sie normalerweise unvollständig.
3. Die verbreitete Praxis der Oper von 1600 bis mindestens ca. 1830 war ungefähr folgendermaßen: Zwar gab es ein Libretto und eine Partitur (zumindest im Prinzip, in der Praxis oft bloß die Stimmen und der Leiter hatte ein Rumpfpartitur vorliegen), die als Basis für Aufführungen dienten. Abgesehen von einer Unzahl Entscheidungen, die immer von Ausführenden getroffen werden müssen, war es obendrein lange und verbreitet üblich, dass, wenn eine Oper erneut oder an einem anderen Ort produziert wurde, neue Arien eingefügt, alte gestrichen wurden usw. Das konnte vom ursprünglichen Komponisten vorgenommen werden oder von einem anderen Musiker. Oft geschah das, um Sänger besonders herauszustellen, Zugnummern wieder zu verwenden oder aus allen möglichen anderen Gründen. Prominente Beispiele wurden oben genannt bzw. verlinkt.
Entscheidend ist jedenfalls, dass es nicht in erster Linie um die Umsetzung einer Vorlage ging, sondern um die Produktion einer Oper hier und jetzt (bzw. damals und dort). Diese Praxis belegt somit die in 1 und 2 dargestellte "Theorie".Andererseits kann man wohl mit Recht argumentieren, dass, wie in der Instrumentalmusik, es auch in der Oper eine Tendenz gegeben haben mag, zunehmend genauer festzulegen und die Freiheiten der Interpreten einzuschränken. Nichtsdestoweniger "erzwang" die Praxis auch bei späten, weitgehend "durchkomponierten" Opern wie Tannhäuser, Don Carlo(s), Boris Godunow u.a. unterschiedliche Fassungen, so dass heutige Interpreten Entscheidungen treffen können (die ihnen der Komponist nicht abnehmen kann).
4. Auch im 20. Jhd., in dem man wegen der starken Ausrichtung auf Opern vergangener Zeiten eher den Eindruck gewinnen kann, es ginge um die möglichst exakte Umsetzung einer Vorlage, findet man verbreitet, wenn auch meist vergleichsweise behutsame Striche, Einfügungen, Arrangements. Beispiele sind Realisierungen von Stücken Monteverdis und Purcells, teils durch prominente Komponisten des 20. Jhds., Transpositionen von Kastratenpartien bei Gluck und Händel, "übliche Bühnenstriche" aller Art, um Sänger zu schonen, zur Straffung etc., das Erstellen von "Mischfassungen", die keiner historisch verbürgten Originalaufführung entsprechen (Don Giovanni, Hoffmanns Erzählungen u.a.) und Einfügungen wie Leonore III im Fidelio. (Da ich nicht allzu viele Opern selbst gut kenne, sind mir viele Beispiele wahrscheinlich gar nicht bewusst.)
Das mag behutsam scheinen, gegenüber der Freiheit im 18. Jhd. oder den Freiheiten, die bei Bühnenbild, Kostümen etc. sich das Regietheater zu nehmen scheint, aber das ändert nichts daran, dass es grundsätzlich "Eingriffe" sind. Und häufig welche gegen erheblich klarere Vorschriften als im Falle etwa des Bühnenbildes (wozu der Komponist meistens gar nichts festgelegt hat). Von der theoretischen Haltung 1,2 aus, ist das alles kein Problem, es kommt eh auf das Ergebnis an, weil nur das das tatsächliche Theaterstück ist, nicht ein Haufen bedrucktes Papier.5. Was hat das nun alles mit pro/contra "Regietheater" zu tun? Musikalische und textliche Striche (der Dialog in Stücken wie Zauberflöte, Fidelio etc. wird immer massiv gekürzt, selbst im Freischütz-Film wurde er leider oft fast bis zur Unverständlichkeit verkürzt), Umstellungen, Verschiebungen usw. sind im traditionellen Theater vollkommen üblich. Weil sie aber klare Verstöße gegen den "Text" sind, wird damit eingeräumt, dass auch traditionelles Theater in der Praxis den Maximen 1 und 2 folgt und nicht bloß ein Rezept befolgt, dass vor 200 Jahren jemand festgelegt hat. Es unterscheidet sich somit überhaupt nicht grundsätzlich vom "Regietheater". Im Gegenteil, wenn die Musik das Wesentliche in der Oper ist, wären musikalische Striche ein viel schlimmerer Eingriff als eine Versetzung einer Handlung in eine andere Zeit, letzteres ein Verfahren, dessen sich Komponisten/Librettisten regelmäßig selbst schuldig gemacht haben.
Überdies zeigen Fälle wie die Fassungen des Don Giovanni, dass Interpreten sich nicht nicht entscheiden können. Es gibt keinen eindeutigen Don Giovanni, man MUSS eine der Fassungen spielen (und pikanterweise ist es eben normalerweise KEINE der beiden möglichen "originalen" Fassungen, sondern eine Mischung.)6. Das ist natürlich kein Freibrief für jeden Mist, seien es die "Mysterien der Isis" oder meinetwegen auch irgendeine aktuelle Inszenierung, die man besonders scheußlich findet. Die Überlegung soll nur zeigen, dass es beim Theater, egal ob traditionell oder provokant, nicht um die Umsetzung einer Vorlage gehen kann, sondern um das Entstehen eines neuen Kunstwerks. Dieses Ergebnis kann man selbstverständlich in jedem Einzelfall kritisieren. Man kann es sich aber nicht so leicht machen und das mit Verweis auf ein angeblich unpassendes Bühnenbild (wozu sich der Komponist meist gar nicht geäußert hat) tun, während man kein Problem damit hat, Felsensteins zusammengestrichenen Fidelio (Verfilmung) zu akzeptieren (Man kann natürlich beides begründen, nur halt nicht mit Verweis auf den angeblichen Willen des Komponisten.)
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(Ich sehe gerade, dass Johannes einen Beitrag verfasste, während ich an meinem schrieb. Ich konnte darauf deswegen noch nicht eingehen.)
farinelli (Beitrag 65)
Lieber farinelli,
ich glaube, dass wir einander gerade missverstehen und will gern die Schuld auf eine ungenaue Formulierung meinerseits schieben.
Wenn Alfred sinngemäß sagt, wer eine Jugendausgabe eines Klassikers lese, könne nicht von sich sagen, das Werk zu kennen, dann stimme ich ihm zu. Alfred nannte Swifts "Gullivers Reisen" und mir kommt bei dem Thema immer auch Melville mit seinem weißen Wal in den Sinn.Deine Erwiderung darauf verstand ich so, dass du diese Ansicht als werkromantischen Kitsch begreifst, unter Verweis auf die Arbeit des Schnitts beim Film bzw. des Lektorats bei Literatur. Das widerrum wollte mir nicht einleuchten, da man zwischen Änderungen während des Entstehungsprozesses und nachträglichen unterscheiden muss.
Dem Jugendbuch-Vergleich stimme ich aber nicht zu, wenn er mit Strichen in der Oper wie den von dir vorgestellten bei Verdi gleichgesetzt wird. Eben weil das eine ein abgeschlossenes Werk ist, während Oper und Theater der Aufführung bedürfen. Wobei sich mir die Frage stellt, wieviele Striche, Änderungen und Kürzungen zulässig sind, ehe etwas "anderes" entsteht.
Die Jugendbuchfassung eines Klassikers verhält sich zum Original vielleicht so, wie Projekte wie "Der Ring an einem Abend" oder Loriots "Ring" zur Wagner'schen Fassung.
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Wer nicht beim Thema bleiben kann oder schon wieder zu persönlichen Attacken greifen muss, der möge dem thread bitte fernbleiben
Richtig.
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... - das sind schöne Anregungen zum Nachdenken!
Schöne Grüße
Holger
Das freut mich, wenn mein Betrag zum Nachdenken anregt (zur Nachahmung empfohlen!?)
Viele Grüße
zweiterbass -
Die Überlegung soll nur zeigen, dass es beim Theater, egal ob traditionell oder provokant, nicht um die Umsetzung einer Vorlage gehen kann, sondern um das Entstehen eines neuen Kunstwerks.
Völlige Übereinstimmung! Aber dann bitte nicht unter dem gleichen Namen! Schon mit einer Angabe, daß es sich beim neusten Wagner-Ring in Bayreuth um den Ring von Castorf nach einer Vorlage von Richard Wagner handelt, könnte der Diskussion viel von seiner Schärfe genommen werden. Genauso bei Strichen und musikalischen Verschiebungen des "Freischütz" in Erfurt von Horwitz nach Motiven von Weber.Wenn ich ein bißchen in der Presse nachlesen würde, wären noch Dutzende Beispiele anzuführen. Doch dazu bin ich zu faul. Einmal fängt in 15 Minuten Handball im Fernsehen an, und darüber hinaus will ich mich nicht schon wieder aufregen.
La Roche
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Zitat von »Johannes Roehl«
Die Überlegung soll nur zeigen, dass es beim Theater, egal ob traditionell oder provokant, nicht um die Umsetzung einer Vorlage gehen kann, sondern um das Entstehen eines neuen Kunstwerks.Völlige Übereinstimmung! Aber dann bitte nicht unter dem gleichen Namen! Schon mit einer Angabe, daß es sich beim neusten Wagner-Ring in Bayreuth um den Ring von Castorf nach einer Vorlage von Richard Wagner handelt, könnte der Diskussion viel von seiner Schärfe genommen werden. Genauso bei Strichen und musikalischen Verschiebungen des "Freischütz" in Erfurt von Horwitz nach Motiven von Weber.
Wenn ich ein bißchen in der Presse nachlesen würde, wären noch Dutzende Beispiele anzuführen. Doch dazu bin ich zu faul. Einmal fängt in 15 Minuten Handball im Fernsehen an, und darüber hinaus will ich mich nicht schon wieder aufregen.
Das verstehe ich nicht. Der Vorschlag fällt doch wieder zurück in das Denk-Modell "Umsetzung einer Vorlage". Weil Castorf die Vorlage nicht einfach identisch reproduziert, erscheint er und nicht Wagner als Autor.Schöne Grüße
Holger -
Lieber Lynkeus,
Johannes hat natürlich Recht mit seinem Hinweis darauf, wie inkommensurabel Theater und Film in diesem Punkt sind.
Ich habe aber (mit deutlich provozierendem Unterton) gegen die Idee der Werkeinheit an sich polemisiert. Denn das Werk als ganzes, ob nun abgeschlossen (als gedrucktes Buch, gemaltes Bild oder Film in der End-Schnittfassung) oder noch im Projektstatus, ist eben nicht eine substanzielle Ganzheit (eine Art organischer Geniestreich), sondern seinem Entstehungsprozeß nach eine Collage aus Hunderten von Einzelinspirationen, deren Arrangement und Raffung den Anschein des dramatischen oder poetischen Flusses, der bildlichen Instantaneität oder Unmittelbarkeit usw. erwecken soll. Proust, Musil, Moreau sind paradigmatische Vertreter des unabgeschlossenen, prinzipiell unabschließbaren Kunstwerks.
Im Grunde geht es hier um zweierlei Perspektiven auf ein Kunstwerk, und ich mache sozusagen die Hinsicht auf das Materialhafte stark, nicht die von Alfred favorisierte Werkimmanenz. Wenn ich Johannes etwas entgegnen wollte, so wäre es die Betonung jenes Wandels in der Auffassung auch des Films, der statt seiner ereignishaften Rezeption (im Kino) zu einer mehr literarischen Betrachtungsweise einlädt: Filme werden auf DVDs und bei youtube beliebig reproduzierbar, man versteht sie komparatistisch, und das Making of ist quasi die Losung für die Überbetonung des Gemachten, was auch die Gültigkeit der letzten Schnittfassung wieder in Frage stellt. Genrebezogen schlägt sich das in jenen Drehbüchern nieder, die nach Art einer Was-wäre-wenn-gewesen-Dramaturgie eine Geschichte doppelt oder dreifach entwickeln, je nach Wendung bestimmter Handlungsmomente.
Das Theater hat sich, sehr zum Leidwesen mancher Forumsteilnehmer, diese Perspektivik längst zu eigen gemacht.
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Ich habe aber (mit deutlich provozierendem Unterton) gegen die Idee der Werkeinheit an sich polemisiert. Denn das Werk als ganzes, ob nun abgeschlossen (als gedrucktes Buch, gemaltes Bild oder Film in der End-Schnittfassung) oder noch im Projektstatus, ist eben nicht eine substanzielle Ganzheit (eine Art organischer Geniestreich), sondern seinem Entstehungsprozeß nach eine Collage aus Hunderten von Einzelinspirationen, deren Arrangement und Raffung den Anschein des dramatischen oder poetischen Flusses, der bildlichen Instantaneität oder Unmittelbarkeit usw. erwecken soll. Proust, Musil, Moreau sind paradigmatische Vertreter des unabgeschlossenen, prinzipiell unabschließbaren Kunstwerks.
Da triffst Du einen zentralen Punkt, lieber Farinelli. Das Wiener Tamino-Forum ist bei vielen offenbar auf einem Diskussionsstand, der dem des Wiener Kritikerpapstes Eduard Hanslick (1854) entspricht: Es gibt einmal das Werk, und es gibt seine Wirkung in der Aufführungspraxis, und beide werden säuberlich voneinander getrennt.
Die Diskussion über das Werk ist aber inzwischen weit differenzierter geworden. Immer noch aufrüttelnd zu lesen ist finde ich der Klassiker von John Dewey (ich komme ja aus der Phänomenologenschule, und die neigt zu einer Überbetonung des Werkgesichtspunktes, insofern ist dieses Buch für mich ein reinigendes Gewitter gewesen, wo ich meine Vorbehalte, nicht zuletzt durch meine Beschäftigung mit Neuer Musik, gut repräsentiert finde
Deweys These ist, daß die Existenz von Werken der Theorie des Werkes im Wege steht. Man schreibt Werken eine hypostasierte Identität unabhängig von der Erfahrung zu. Der Sinn der Bezugnahme auf Werke ist aber, eine ästhetische Erfahrung herzustellen und nicht umgekehrt ist es die Aufgabe der Erfahrung, irgendeine vermeintlich erfahrungstranszendente Substanzialität des Werkes widerzuspiegeln. Mit Deweys Ansatz lassen sich eben auch solche Phänomene unabgeschlossener, werkschöpferischer Praxis wie die Theateraufführung ganz undogmatisch begreifen.
Schöne Grüße
Holger -
Hallo,
ein Nachtrag zu meinem Beitrag Nr. 67:Die Clusterfassung von Sandström des Chorsatzes von Prätorius „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ ist eine Neuinterpretation wie er das „Lied“ heute hören möchte/hört, für ihn zeitgemäß ist.
Immer wenn ich diese Musik höre, mache ich „meine Interpretation“ daraus, die (stimmungsabhängig usw.) veränderlich sein kann. Ich kann mich z. B. darüber freuen und mich bewegen lassen, wie die Satztechnik „Cluster“ das Werk verändert – das kann mir aber auch völlig egal sein und mich bewegen/erfreuen „nur“ die Klangdissonanzen und deren Auflösung oder Nicht-Auflösung. Ich könnte mich daran stören, dass er Praetorius missbraucht oder mich bewegen lassen, wie ein so althergebrachter (überzeugender) Chorsatz in neuem Musikgewand klingt und mir in meiner Zeit andere Einsichten bringen.
Viele Grüße
zweiterbass -
Diesen Sandström-Satz haben wir jetzt auch in meinem Vokalensemble probiert, sind aber doch wieder auf die alten Sätze zurückgegangen, wobei ich persönlich das etwas bedauert habe, weil Sandström die musikalische Substanz von Prätorius doch gut bewahrt hat. Ein Komponist, der ähnlich arbeitet, ist Kurt Nystedt, der einen Bachchoral dem Chor zur relativ freien Bearbeitung freigibt, was bei uns zu sehr überzeugenden Resultaten geführt hat. Auch erinnere ich mich an eine Monteverdi - Bearbeitung von Lars Johan Werle, die ich aber nie wieder auftreiben konnte. Die Skandinavier scheinen im Bearbeiten von Alter Musik sehr fortschrittlich zu sei. Anders als beim RT wird hier die alte musikalische Substanz gewahrt, aber in die Moderne hin behutsam erweitert.
Ich könnte mir übrigens gut vorstellen, dass eine fruchtbare Art der Aufführung die sein könnte, dass man das Original und die Bearbeitung abwechselnd aufführt. -
Ich könnte mir übrigens gut vorstellen, dass eine fruchtbare Art der Aufführung die sein könnte, dass man das Original und die Bearbeitung abwechselnd aufführt.
Hallo dr.pingel,
ich auch - vielleicht ergibt sich die Möglichkeit.Viele Grüße
zweiterbass -
Das verstehe ich nicht. Der Vorschlag fällt doch wieder zurück in das Denk-Modell "Umsetzung einer Vorlage". Weil Castorf die Vorlage nicht einfach identisch reproduziert, erscheint er und nicht Wagner als Autor.
Und das verstehe ich nicht. Wenn eine getextete, mit Regieanweisungen und Handlungsorten versehene, mit Hinweisen zur Besetzung mit bestimmten Sängertypen, eine vertonte Geschichte - also kurz und bündig eine Oper inszeniert wird, dann ist das doch eine Vorlage!! Nicht mehr und nicht weniger!!
Ich würde mit Dir konform gehen, wenn ein Regisseur das Telefonbuch von Rügen auf die Bühne bringt oder von mir aus auch den Busfahrplan von Buxtehude, dann hat er alle Freiheiten. Aber in einer Oper ist er an Grenzen gebunden, an vorgegebene Anweisungen, an Handlungen, an Zeiten usw.
Was Castorf in Bayreuth betrifft - er hatte Hunderte Möglichkeiten, ohne Sinnentstellung die Vorlage auf die Bühne zu bringen. Aber das war ihm nicht genug. Den Lohn des Publikums hat er bekommen. Leider auch Geld, und sicher nicht wenig.
La Roche