Beethoven - Violinkonzert op 61

  • Und die ältere als SACD - und da ich eine guten SACD Spieler habe frage ich mich ab sich die Mehrausgabe lohnt


    Hallo Kalli, auf keinen Fall lohnt eine Neuanschaffung, wenn Du die SACD schon hast. Damit kannst Du voll zufrieden sein.
    Du musst immer hin bedenken, dass es sich hier so und so um eine der ersten Stereo-Aufnahme von 1955 handelt. Da hat das SACD - Remastering schon das klangliche Maximum herausgeholt. Wer weiss ob SONY nicht für diese CD-Ausgabe C2012 bereits das SACD-Remastering (das Backcover zeigt 2004 an) verwendet !?!


    8o Aber für mich, der Heifetz/Münch noch nicht hat, wäre das etwas. Denn die straffen Spielzeiten dürften genau in meinem Rahmen liegen - das wird weit entfernt von jenen Schmalzinterpretationen sein, die man so oft antrifft.


    *** Von daher ist meine derzeit favorisierte Beethoven-VC-Aufnahme auch die mit Tezlaff / Tonhalle Orchester Zürich / David Zinman (ARTE NOVA).
    Die Spielzeiten :thumbup: : 22.47 - 8:51 - 9:10
    Tezlaff sieht in der so oft verwendeten Kreisler-Kadenz einen Fremdkörper ! Er schrieb selber die Kadenz in der von Beethoven geschriebenen Version als Klavierkonzert für Violine um und lässt auch die Solopauke mitspielen.
    :angel: Ich selber war seinerzeit so fastziniert, von der gesamten Int des VC, dass ich mir die "Altkitschversionen"(sorry) kaum noch antue. Den TIPP für diese Tezlaff-Aufnahme hatte ich natürlich vor vielen Jahren bei Tamino aufgeschappt:



    ARTE NOVA; 2006, DDD


    Ich bin ja nicht der ganz überragende Fan dieses VC und habe deshalb auch nur noch zwei Andere:
    Zino Francescatti / Columbia SO / Bruno Walter (CBS, 1961) - 23:32 - 9:41 - 10:03 = :thumbup:
    und in der Beethoven _GA mit Bernstein zufällig:
    Isaac Stern / New Yorker PH / Leonard Bernstein (SONY, 1959) - 23:46 - 10:48 - 9:08, die trotz Bernstein aber nicht so ganz "meine Aufnahme" ist ... zu viel Schmalz.


    Es wird auch keinen wundern, dass die Violinromanzen Nr.1 und 2 nicht so ganz meine Musik sind :pfeif: .

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Eine faustdicke Überraschung stand mir beim Anhören der nächsten Einspielung von Beethovens Violinkonzert ins Haus:



    Violine: Janine Jansen


    Dirigent: Paavo Järvi
    Orchester: Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
    Aufnahme: Hamburg, Juli - Aug. 2009 (Studio)


    22:57 - 8:21 - 9:26
    Kadenzen: Fritz Kreisler


    Zackig, ja geradezu scharfkantig anmutend geht Järvi Beethovens Konzert an, keinen Zweifel daran lassend, daß er nicht vorhat, seinen Zuhörer im Sessel selig wegschlummern zu lassen. Schön straff und energetisch ist sein Ansatz, stellenweise wirken die Järvi'schen Bemühungen auf mich allerdings auch einen Hauch übertrieben. Zuweilen hätte eine Prise mehr Gelassenheit der Sache für meinen Geschmack gutgetan; den überaus positiven Grundeindruck kann das jedoch nur wenig schmälern, zumal auch der tolle Orchesterklang noch erwähnt werden muss.


    Hervorragend dazu passend zeigt sich Jansens agiles, beseeltes Violinspiel, das trotz aller Frische ein hohes Maß an Ausdruck und Authentizität mitbringt. Hinzu kommt ihr angenehm körperlicher, feinsinniger aber nicht poliert wirkender Geigenton, der für mich die eigentliche Überraschung dieser Aufnahme darstellt: als unpassend süßlich und mädchenhaft hatte ich Jansens Interpretation im Ohr, so daß sie bald als nicht weiter zu beachten verwarf. Nichts könnte von der Wahrheit weiter entfernt sein! Im Nachhinein muß ich dieses Urteil wohl meiner mangelnden Hör-Erfahrung anlasten. Umso glücklicher bin ich nun, diese herausragende Platte doch noch einmal zur Hand genommen zu haben.


    Insbesondere den Verächtern des sogenannten 'romantischen' Zugriffs auf Beethovens Konzert kann ich nur raten, dieser vitalen und mitreißenden Aufnahme einmal ihr Ohr zu leihen!

  • Hallo Kalli, auf keinen Fall lohnt eine Neuanschaffung, wenn Du die SACD schon hast. Damit kannst Du voll zufreiden sein.

    Du musst immer hin bedenken, dass es sich hier so und so um eine der ersten Stereo-Aufnahme von 1955 handelt. Da hat das SACD - Remastering schon das klangliche Maximum herausgeholt. Wer weiss ob SONY nicht für diese CD-Ausgabe C2012 bereits das SACD-Remastering (das Backcover zeigt 2004 an) verwendet


    Guten Abend,


    vielleicht habe ich mich missverständlich ausgerückt - ich habe weder die CD noch die SACD - und so habe ich jetzt die SACD aus dem großen Fluss (England ) für 7,53€ bestellt - und Tetzlaff/Zinmann ist auch auf dem Weg - mal sehen ob sie meine neue Referenz ( Kopatchinskaya ) "gefährden" können.


    Kalli

  • Zackig, ja geradezu scharfkantig anmutend geht Järvi Beethovens Konzert an, keinen Zweifel daran lassend, daß er nicht vorhat, seinen Zuhörer im Sessel selig wegschlummern zu lassen.
    [...]
    Insbesondere den Verächtern des sogenannten 'romantischen' Zugriffs auf Beethovens Konzert kann ich nur raten, dieser vitalen und mitreißenden Aufnahme einmal ihr Ohr zu leihen!


    Okay, das war jetzt die Rache - die Aufnahme muss ich haben!!! 8o Zumal ich ein großer Fan der Einspielungen der Beethoven-Symphonien durch Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie bin. Und das Britten-Konzert ist ein weiteres Kaufargument.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.


  • Okay, das war jetzt die Rache - die Aufnahme muss ich haben!!! 8o Zumal ich ein großer Fan der Einspielungen der Beethoven-Symphonien durch Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie bin. Und das Britten-Konzert ist ein weiteres Kaufargument.


    Ich bin mir sicher, den Kauf wirst Du nicht bereuen! :) Wohingegen ich mich gerade ärgere: heute morgen habe ich die aktuelle Gramophone-Ausgabe (mit Janine Jansen auf dem Cover) gekauft und selbiger entnommen, daß Jansen und Järvi nebst der Kammerphilharmonie Bremen offenbar im Dezember mit Beethovens Konzert live unterwegs waren. Das hätte man früher wissen müssen! :pinch: Sei's drum: ein nächstes Mal gibt's immer!

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  • Also weiter im Text: als nächstes möchte ich mich hier einer Dame widmen, der ich im Gegensatz etwa zu Janine Jansen erklärtermaßen schon seit dem ersten Geigenton verfallen bin, den ich von ihr hören durfte. Ich meine damit Vivaldis Vier Jahreszeiten in der Einspielung mit Claudio Abbado und: Viktoria Mullova. Wenig überraschend, soviel darf ich vorwegnehmen, findet sich auch ihre Auslegung von Beethovens Violinkonzerts unter meinen Lieblingen:



    Violine: Viktoria Mullova
    Dirigent: John Eliot Gardiner
    Orchester: Orchestre Révolutionnaire et Romantique
    Aufnahme: The Colosseum, Watford, Juni 2002 (Studio)


    23:15 - 8:15 - 9:34
    Kadenzen: Ottavio Dantone


    Das von Gardiner geleitete Orchester ist ab dem ersten Ton klar als historisch informiertes Ensemble erkennbar: fast schon dürr klappert die leitmotivische Pauke zu Beginn, hell seidig tönt der Darm über den Streicherhälsen und die Besetzung macht klanglich einen relativ schmalen Eindruck. Das klingt nach kurzer Eingewöhnungszeit durchaus angenehm und kommt Detailreichtum wie Durchhörbarkeit zugute, auch wenn sich der Hintergrund ein wenig nach einem halligen Kirchenschiff oder Artverwandtem anhört. Trotz aller Feingliedrigkeit können Gardiner und sein Ensemble auch dynamisch kräftige Akzente setzen, was ihr auf Schwung und Frische angelegter Ansatz auch verlangt; gern ergehen sie sich im Herausarbeiten von Kontrasten, geraten stilsicher aber niemals in Gefahr, auch nur in die Nähe der Grenze zum reinen Showeffekt zu kommen.


    Hier teilen sich Orchester und Solistin eine Kernqualität: auch Mullovas Ansatz ist ein Musterbeispiel an uneitlem, werkdienlichem Spiel, dessen unaufgeregte Anmutung die Schönheiten von Beethovens Konzert herauszuarbeiten um ein Vielfaches mehr geeignet erscheint als manche rubatös vibrierende Klangorgie. Als schlagendes Beispiel dazu in den Ring werfen möchte ich das voller Hingabe in wunderbar klarem Ton 'gesungene', hörbar aus dem Bewusstsein intellektueller wie technischer Meisterschaft heraus gestaltete Larghetto. Als Sahnehäubchen tischt Mullova dann noch zwei schön klingende Kadenzen von Ottavio Dantone auf, die zumindest ich noch in keiner anderen Aufnahme gehört habe. Freunde der klassischen Gangart dürften sie jeweils gefallen, wobei ich teilweise auch meinte, einen interessanten barocken Unterton auszumachen.


    Angesichts der Verbindung aus dem spannenden Orchesterpart und der auch aus der stärksten Konkurrenz noch immer herausragenden Solistin fällt mir beim besten Willen nichts ein, was es an dieser Aufnahme zu kritisieren gäbe. Ich behaupte: zumindest als Freund HIPpen Beethovens muss man die CD eigentlich haben.

  • Lieber Tobias,


    eigentlich widerspreche ich Dir nur ungern - aber kann doch nicht anders angesichts dessen, was ich gerade höre.
    Doch wieder den Mitschnitt von 1996 mit Zehetmair und Brüggen.
    Und da kommt etwas hinzu, was Mullova und Gardiner fehlt: Sinnlichkeit.
    Farbgebung, überhaupt die Fähigkeit, abzudunkeln, zu erhellen mittels Klangschattierungen.
    All das, was "moderne" Geiger für sich gepachtet zu haben glauben und deren Hörer.


    Gegen diesen Mitschnitt wirken Mullova und Gardiner trocken. Zwar "richtig" in Tempo, Artikulation und Phrasierung - aber beinahe leblos.
    Bei Brüggen wird der tatsächlich klingende Sound aller vom Reichtum der Bläser getragen und alles an Streicherfarben mischt sich damit.
    Welch ein Gespräch, welch Gesang!
    Wie klug disponiert!


    Bitte entschuldige, ich widerspreche Dir ja quasi zustimmend - wiewohl das Bessere des Guten Feind ist, selbst wenn es um Feindbilder nicht geht.


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • In meinem Beitrag 115 hatte ich die Mullova-Gardiner-Orchestre Revolutionnaire et Romantique SACD in die Diskussion eingeführt.


    Zur Ergänzung liefere ich den Link des Werbepartners zur von Melante erwähnten Zehetmair-Brüggen-18th Century Orchestra-Aufnahme



    Zu einem bescheidenen Preis bekommt man noch die Romanzen Nr. 1 & 2 für Violine & Orchester sowie die Coriolan-Ouvertüre op. 62


    Die Lilien-Blüte passt zu Melantes Ausführungen. :) Vielleicht schafft sich der eine oder andere diese Aufnahme an. ;)


    lg moderato
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Lieber Moderato,


    herzlichen Dank für Deine Ergänzung.
    Und doch bin ich fairer Weise gezwungen zu antworten, dass ich nicht über diese CD schwadroniert habe, sondern über einen Rundfunkmitschnitt von 1996, gekoppelt mit einer Rameau-Suite.


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Lieber Mike, Du hast bestimmt keinen Grund Dich dafür zu entschuldigen, daß Deine Wahrnehmung nicht der meinen entspricht. Das wäre ja noch schöner! :)


    Auch in Unkenntnis von Brüggens Bemühungen (sei es live oder auf der von Moderato gezeigten CD) kann ich allerdings nachvollziehen, daß man die Herangehensweise von Gardiner durchaus als ein bißchen trocken und 'kalt' empfinden kann. Für mich hat sich das mit zunehmender Hör-Dauer allerdings gelegt. Viktoria Mullova betreffend ist das zudem ein Urteil, dem ich mich keinesfalls anschließen kann. Sicherlich verfolgt sie, wie eigentlich immer, einen kräftigen, klassisch-unromantischen Ansatz, dennoch (oder gerade deswegen!) erkenne ich in ihrem Spiel ein hohes Maß an Seele und Feingeist.


    Wie dem auch sei: Zehetmair / Brüggen sind mir bislang wie gesagt unbekannt, ich habe Deinen Einwurf aber zum Anlass genommen, zumindest die CD-Einspielung einmal auf meinem Merkzettel zu verewigen. Ich denke, auch den von Dir eigentlich gemeinten Live-Mitschnitt habe ich im Netz auftreiben können. Den Link dahin will hier aber lieber nicht posten, da ich mir nicht vollständig darüber im Klaren bin, wie legal das Angebot dort ist. Wie dem auch sei: ich danke vielmals für den Tipp! :)

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  • Während ich auf das Eintreffen der Jansen/Järvi-CD warte, habe ich die hier auch schon mehrfach erwähnte Aufnahme mit Heifetz und Munch gehört. Ich bin sehr angetan davon, wunderbar gespielt mit straffen Tempi und ohne "Schmalz" (wie Freund teleton sagen würde :)). Und die ebenfalls enthaltene Aufnahme des Mendelssohn-Konzertes ist fast noch besser, die ist sofort zu einer meiner Lieblingsinterpretationen dieses Stückes avanciert.


    Normalerweise mache ich um Aufnahmen aus der frühen Stereo-Ära einen Bogen, weil die klanglichen Kompromisse mir zu groß sind. Aber diese Aufnahme klingt verblüffend gut (was sich auf die SACD aus der Living Stereo-Reihe bezieht, nur diese kenne ich).



    :thumbup:

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Aber diese Aufnahme klingt verblüffend gut (was sich auf die SACD aus der Living Stereo-Reihe bezieht, nur diese kenne ich).


    Lieber Bertarido,


    die frühe Stereo-Technik bei RCA-Living-Stereo hat damals in den USA bahnbrechende Qualitäten erreicht, von denen bei uns die Label EMI und DG zu dieser Zeit (vor 1960) geträumt hätten.
    Ich habe mehrere RCA-CD´s aus dieser Serie - denn die SACD muss es für diese alten Aufnahmen gar nicht mal sein, um noch viel mehr Klangqualität zu erreichen --- und die sind klanglich alle Spitze!


    Wenn mir diese :) "schmalzfreie" Heifetz-Aufnahme mal billig über den weg läuft nehme ich sie mit ... ansonsten reicht mir (von dem Repertoire) Tetzlaff/Zinman (Arte Nova).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Die Lilien-Blüte passt zu Melantes Ausführungen. Vielleicht schafft sich der eine oder andere diese Aufnahme an.


    Ich habe sie schon, allerdings - zum Glück - noch mit dem alten Cover:



    Leider liegt die CD noch auf dem großen Stapel der ungehörten Aufnahmen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Und noch ein Violinkonzert: die folgende Einspielung ist im Gegensatz zu den meisten anderen meiner Beethoven-Violinkonzerte live aufgenommen, was leider aber weniger Atmosphäre als klangliche Eigenheiten mit sich bringt. So scheint schon beim einleitenden Klatschen eines der Mikrofone seltsamerweise direkt im Publikum zu stehen. In der Folge erweist sich dann leider auch der Klang des Orchesters als recht dumpf und wenig brillant.



    Violine: Nigel Kennedy
    Dirigent: Klaus Tennstedt
    Orchester: Sinfonie-Orchester des NDR
    Aufnahme: Altes Schloss, Kiel, Juni 1992 (Konzertmitschnitt)


    26:25 - 11:33 - 12:13
    Kadenzen: Fritz Kreisler / Nigel Kennedy


    Tennstedts gewohnt transparentes und detailorientiertes Dirigat sorgt allerdings dafür, daß sich dessen ungeachtet ein Klangbild von hoher Durchhörbarkeit ergibt. Zudem tritt nach Haitink auch er den Beweis an, daß ein langsamer Ansatz mitnichten unweigerlich im vielbeschworenen Schwulst enden muß, im Gegenteil: trotz der temporal dezenten Gangart klingt sein NDR-Sinfonieorchester zu keiner Zeit träge, sondern strahlt eine hohe, fast schon sehnig wirkende Energie aus.


    Kennedy indes erweist sich als großer Lyriker, der problemlos in der Lage ist, die weit angelegten Spannungsbögen mit Sinn und Seele zu erfüllen. Seine große Stärke liegt gerade in der fein erfühlten Nuancierung von Tempo und Dynamik. Insgesamt allerdings ist mir sein Vortrag ein Spur zu 'weich' und zu unverbindlich, sein Ton eine Idee zu glatt, als daß es Beethovens Werk immer gut zu Gesicht stehen würde. Hätte ich diese Aufnahme blind gehört, hätte ich wohl auf eine Dame als Solistin getippt. Eine Erwähnung wert ist noch die Tatsache, daß Kennedy im Kopfsatz die bekannte Kreisler-Kadenz spielt, im Finalsatz hingegen eine selbstgeschriebene, die mit einem für meine Ohren leicht indischen (?) Unterton daherkommt, allerdings weniger ausgeflippt wirkt, als es Kennedys Frisur und Klamotten hätten vermuten lassen. :P


    Unter dem Strich erweist sich Klaus Tennstedt als gar nicht so heimlicher Star dieser Aufnahme, was so ohne weiteres nicht zu erwarten war. Kategorie: kann man haben, muß man aber nicht.


    Wer sich überzeugen möchte, ob ich hier nicht völligen Humbug geschrieben habe, der kann sich auch von dieser Einspielung via YouTube ein eigenes Bild machen:


  • Lieber Tobias,


    die Aufnahme mit Kennedy kenne ich noch von LP.
    Und war fasziniert, wie klangschön und offen musiziert wird, vor allem der Bläser-Sound hatte es mir angetan.
    Letztlich war's mir dann doch zu zäh und zu klangverliebt.


    Bin aber auch "biestig" bei diesem Werk! Selbst Mitschnitte meines überaus geschätzten George Szell fallen bei mir durch, weil er bei diesem Werk Schönheit und Langsamkeit gleichsetzt, was für mich unterschiedliche Dinge sind.
    Mal ganz platt gesagt: würde ich um die Hand einer Frau anhalten, würde ich sie eher nicht totsingen und sie einschläfern, ich würde zu ihr sprechen und Pausen lassen zum Nachdenken- vielleicht nicht lange genug, ihr eine Antwort zu ermöglichen.
    Würde ihr sagen, wer ich bin, was ich mache und kann statt ihr das "Blaue vom Himmel" herabzusingen.
    Die "schöne Welt" nach ihrem "Ja" erleben mit ihr als vorher in Versprechungen.
    Romantiker bin ich sowenig wie Beethovens Violinkonzert ein romantisches Violinkonzert ist.


    Vergleiche hinken, Metaphern ebenso; also nicht "kreuzigen" bitte!


    Herzliche Grüße,
    Mike

  • Huberman/Szell ist nicht langsam, eher im Gegenteil; allerdings hat mich meiner Erinnerung nach hier der historische Klang (obwohl der objektiv gesehen sicher für 1934 o.k. ist, evtl. auch Hubermans Ton) schon etwas gestört. Jedenfalls war ich anscheinend, besonders angesichts des legendär/Geheimtip-Rufs etwas enttäuscht und die CD ist in den Tiefen des Regals verschwunden.


    Beim Violinkonzert finde ich mich (ähnlich wie bei Schuberts 9. und evtl. einigen Bruckner-Sinfonien) in einer etwas paradoxen Situation: Das ist kein Lieblingsstück (selbst in einer "Idealinterpretation" wäre es mir zu lang und zu kontrastarm), dazu sind viele Interpretationen problematisch (zu romantisch, solistendominiert, lahm usw.) und trotzdem (oder deshalb?) habe ich (zu) viele Aufnahmen davon. Und, da es eben auch unglaublich viele gibt, meistens noch eine weitere auf der Merkliste...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich kenne Szells Einspielung ehrlich gesagt nicht, aus der Erfahrung mit seinen Sinfonien hätte ich aber auch eher einen recht zackigen Zugriff von seiner Seite vermutet.


    Ist denn die Aufnahme von 1934 tatsächlich die einzige, die er gemacht hat!? Ein großer Freund dieses Konzerts scheint er ja nicht gewesen zu sein - immerhin hat er ja noch 36 Jahre gelebt, in denen die Tontechnik durchaus so nennenswerte Fortschritte gemacht hat, als daß sie eine Neuaufnahme gerechtfertigt hätten.

  • Es gibt wohl noch ein Mitschnitt von 1967 mit Erica Morini, aber nur auf obskuren Labeln und ich kann sie derzeit nicht lokalisieren.

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  • Ich vermute, dass normalerweise der Geiger mitzureden hat, wer eine Konzertaufnahme dirigiert... Szell hat zwar sehr viele nach wie vor berühmte und angesehene Aufnahmen von Klavierkonzerten begleitet, Violinkonzerte fallen mir aber nicht allzu viele ein: Brahms (und ich glaube Mozart) mit Oistrakh, Mendelssohn mit Francescatti. Francescattis Beethovenkonzert ist mit Bruno Walter.


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Eine Aufnahme der Huberman / Szell-Einspielung gibt es übrigens auch bei YouTube zu hören, wie ich eben herausfand:



    Mein erster Eindruck ist allerdings eher nicht der Art, daß ich versucht wäre, die obskure 1967er-Aufnahme aufzutreiben. Insbesondere Szell geht mir temporal viel zu unkontrolliert zu Werke. Die Klangqualität ist für eine YouTube-Kopie einer Aufnahme von 1934 aber in der Tat bemerkenswert gut!

  • Es gibt wohl noch ein Mitschnitt von 1967 mit Erica Morini, aber nur auf obskuren Labeln und ich kann sie derzeit nicht lokalisieren.


    @ Lutgra: Hi, Du meinst nicht zufällig diese Aufnahme?



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    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

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  • Üblicherweise kauft man ja eine Konzertaufnahme auch nicht um einen Dirigenten zu hören, sondern den Solisten. :D


    Den Dirigenten hört man zwar in der Regel nicht, aber die Auswirkungen seines Tuns durchaus :P. Insofern kann er sehr wohl für die Anschaffung einer Aufnahme ausschlaggebend sein.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Bei allen Beethoven- und Brahms-Konzerten (und einer Reihe weiterer) ist für mich der Dirigent normalerweise (mindestens) genauso wichtig wie der Solist. Ist ja kein Chopin oder Paganini... :untertauch:


    Interessant ist jedenfalls schon, dass selbst ein als "nüchtern" geltender Dirigent wie Szell mit Huberman ungeachtet eines relativ zügigen Grundtempos recht deutliche Beschleunigungen und Verzögerungen macht, besonders extrem der bei traditionellen Interpretationen beinahe verbindliche Beginn beinahe im halben Tempo nach der Kadenz...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
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    (Bob Dylan)

  • Eine intensive Suche nach Morini/Szell dürfte nur für Sammler lohnen. Was die Solisten betrifft, hat Huberman mehr zu sagen. Szells Tempi sind in der späteren Aufnahme zwar stabiler, allerdings benötigt er bis zum Schlusstakt rund fünf Minuten mehr.


    Szell mag sich 1934 hinsichtlich der Agogik wenigstens teilweise seinem Solisten angepasst haben, zudem dürften sich die damaligen Aufnahmebedingungen von einer Studioaufnahme der 50/60er Jahr wesentlich unterscheiden.


    Mit dem "relativ zügigem Grundtempo" lag Szell im Trend der Zeit, auch die Aufnahmen von Wolfsthal, Kreisler oder Busch haben nichts mit den Langsamkeitsorgien späterer Dekaden gemein.


    Offenbar war Szell auf geistesverwandte Solisten angewiesen, den er für die Klavierkonzerte in Leon Fleisher fand - doch wohl kein Äquivalent für's Violinkonzert?


    Den Dirigenten hört man zwar in der Regel nicht, aber die Auswirkungen seines Tuns durchaus :P.

    Hinsichtlich der Kombination Dirigent/Solist dürften (jedenfalls unter den offiziell erhältlichen Aufnahmen) Toscanini und Heifetz unübertroffen sein; hier fand dieser Geiger einen solchen musikalischen Geistesverwandten, den Munch nicht verkörpern konnte.

  • Wolfsthal ist eine von drei Aufnahmen, wegen der ich mir vor einigen Jahren für relativ teures Geld die "historische Aufnahmen"-Folge der DG Beethoven-Edition gekauft habe... aber ich kann aus dem Stand nicht viel dazu sagen. Auch wenn viele Aufnahmen um 1930 klanglich besser sind als ihr Ruf, so kann ich auch nicht bestreiten, dass diese Defizite mich stören. Daher strebe ich hier auch keinen vollständigen historischen Überblick an...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Thomas Zehetmair hat mit dem Ensemble Modern unter der Leitung von Ernest Bour eine weitere hervorragende Einspielung von Beethovens Violinkonzert hingelegt.
    Grundlage der Interpretation sind die Überlegungen des Geigers Rudolph Kolisch und des Dirigenten Rene Leibowitz, die sich beide entschieden gegen eine romantisierende und sentimentalisierende Wiedergabe dieses Konzertes aussprachen. Nach Kolisch und Leibowitz wird dieses Konzert in herkömmlichen Aufführungen zu langsam gespielt, was zueiner Veränderung des Charakters ganz besonders des Mittelsatzes führt.
    Als weiter Besonderheit dieser Aufnahme ist auch noch anzuführen, dass die rekonstruierte Urfassung der Violinstimme verwendet wird.



    Zur Interpretation möchte ich noch anmerken, dass trotz der zügigen Tempi (20'20'' - 8'35'' - 9'19'') nichts überhastet wirkt, alles klingt natürlich, unprätentiös, richtig.


    John Doe

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