Leider verstellt die Beharrlichkeit der Ewiggestrigen den Blick auf Produktionen, die ab 1990 entstanden sind.

  • Zitat

    Aber mit der Möglichkeit, heutzutage Aufnahmen in Studio-Qualität zum Download zu erwerben......


    Downloads sind wie Taschenbücher - nicht wirklich für die Ewigkeit bestimmt. Man hat einfach keine Freude damit.
    Für Download würde ich nie bezahlen - sie unterscheiden sich nicht von einer Raubkopie. Was solls also...


    Zitat

    Also den Lebensmittelpunkt mit dem Lebenshöhepunkt gleichzusetzen finde ich verwegen. In meinem Leben war mit 20 aber sowas von mehr los als mit 40.


    Du Armer. Was hat ein 18 Jähriger schon Ahnung von guter Kleidung, von teuren Parfüms, von edlen Weinen, Spezialitätenrestaurants oder teuren HIFI Anlagen oder Spitzencomputern, einer Büchersammlung, einer CD-Sammlung. oder sonstigen Annehmlichkeiten des Lebens. Da ist man mit 40 so man gut erhalten ist, doch einigermaßen besser versorgt, vorzugsweise wenn man Single ist und nicht sein Geld in die Familie stecken muss.


    Mit siebzig ist der Lebenshöhepunkt üblicherweise vorbei, weil man nicht alles konsumieren kann was man sich vielleicht noch leisten könnte - aber man kann das Beste daraus machen. Nur Männer die sich mit siebzig und darüber noch für unwiderstehlich halten, und glauben sie würden von jungen Mädchen nur um ihrer Selbst geliebt , werden eines Tages desillisioniert aufwachen und dann Katzenjammer erleiden....... Alles zu seiner Zeit


    Zitat

    Deshalb mein Plädoyer, wenn Euch eine Einspielung gefällt, schaut, ob es nicht einen Künstlerthread gibt und meldet es dort, dann hat es viel mehr Nachwirkung.


    ZU dieser Auffassung bin ich vor einger Zeit auch gekommen - und ich ziehe daraus auch gelegentlich die Konsequenzen. Man muß halt seine Gewohnheiten ändern.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ES ist mir letzte Nacht durch die Sommerhitze passiert, MEINEN Beitrag, statt ihn als Antwort an Dieter Stockerts letzten anzufügen, in seinen Beitrag hineinzuschreiben. Dadurch ist eine gewisse Verwirrung entstanden. Leider wird das Ausbessern mich vor fast unlösbare technische Probleme stellen, weil das schon kommentiert wurde. Um den Thread wieder sauber zu bekommen werde ich einge Kommentare von Mitgliedern löschen müssen, was leider aber auch die Anzahl geschrieberner Beiträge vermindert - in diesen Tagen kein erfreulicher Zustand.


    Bitte dieses traurige Ereignis nicht weiter zu kommentieren, das würde den Thread völlig zerschiessen - und ich liebe ein cleanes Forum
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Im Gegensatz zu CDs sind Downloads prinzipiell ›ewig‹ haltbar, sofern man sich um die selbstverständliche Datensicherung kümmert.


    Das Problem ist aber, lieber Dieter, dass man Streaming-Dienste und ihre Depots gegen Gebühr nur nutzt und kein Eigentümer der Aufnahmen ist. Wenn also der Dienst einen Vertrag mit einem Label kündigt oder irgendwann mal Pleite geht, ist entweder ein Teil oder die ganze eigene Sammlung einfach futsch. Das ist so wie eine Bibliothek, wo plötzlich unerwartet einige Bücher verschwinden würden. Zudem hat man mir erzählt, dass es Probleme mit den Suchmaschinen gibt. So wollte jemand ein Schubert-Impromptu mit Alfred Brendel downloaden. Weder unter Schubert, noch unter Impromptu, noch unter Brendel war es zu finden. Unter "Alfred" mußte man suchen. Die Logik solcher Systeme ist offenbar für Pop-Hörer und nicht Klassik-Hörer entwickelt worden. :D


    Einen schönen Sonntag wünscht
    Holger

  • Also den Lebensmittelpunkt mit dem Lebenshöhepunkt gleichzusetzen finde ich verwegen. In meinem Leben war mit 20 aber sowas von mehr los als mit 40. Und übrigens sagt ja auch die Psychologie sehr deutlich, dass das Erleben deutlich nachlässt mit dem Alter. Man kann es festmachen am Zeitgefühl: Und da ist es so, dass man mit 18 (!) Jahren die Hälfte seines Lebens hinter sich hat, weil einfach die subjektive Zeit immer schneller vergeht.


    Den "Lebenshöhepunkt" mit 20 fände ich nun extrem deprimierend und das klingt mir eher nach Jugendkult und Nostalgie. Mit 20 ist man normalerweise verdammt grün hinter den Ohren und hat, wie schon gesagt wurde, viele Dinge über "das Leben" noch gar nicht recht wahrgenommen. Wobei das biographisch natürlich auch sehr unterschiedlich ausfallen kann. Bei den allermeisten Leuten ist heute mit 40 weit mehr "los" (Kinder, Beruf usw.) als mit 20. (Einer meiner Großväter (*1895) hat mit 47 geheiratet; bis er 57 war, fünf Kinder gezeugt und als er mit 65 in den Ruhestand ging, noch ein Haus gebaut. Mit 20 war er im ersten Weltkrieg an der Ostfront, sicher kein Lebenshöhepunkt...)


    Jedenfalls stammt die traditionelle Vorstellung, dass man um die 40 auf dem "Höhepunkt" seiner (geistigen) Tatkraft sei, aus Zeiten, in denen kaum jemand 80 geworden ist; das ist also keine einfache Halbierung des Lebensalters, sondern beruht auf Vorstellungen von ausreichend Erfahrung, Wissen usw. gegenüber einem jüngeren, aber eben zugleich noch ausreichend Gesundheit, Tatkraft usw. verglichen mit einem älteren Menschen.


    Wie auch immer halte ich es für ein Gerücht, dass der typische Klassikhörer als "Ewiggestriger" an Vorlieben, die er mit Anfang 20 gebildet hat, festhält. Klar, bei der Popmusik bleiben viele sogar daran hängen, was sie in noch jüngerem Alter gehört haben. In der Klassik fängt man oft erst als älterer Teenager oder jenseits der 20 überhaupt an, jedenfalls gibt es so viel, dass kaum jemand nach 5 Jahren mehr als einen groben Überblick haben dürften. Erst recht nicht über unterschiedliche Interpreten, um die es weiter oben geht.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Vor etwa 10 oder 12 Tagen fiel mir auf, daß beispielsweise die Sinfonien Brahms - im Gegensatz zu Beethoven - kaum besprochen wurden. Ich habe darüber nachgedacht, ob das nicht ein Thema wäre - insbesondere deshalb, weil ich Brahms (und ich beziehe mich nur auf die Sinfonien) vor 11 Jahren als das Forum gegründet wurde - nicht über alle Maßen liebte - sie waren mir zu sperrig. Deshalb ist meine Sammlung auf diesem Gebiet sehr klein (12 CDs, querbeet - Karajan, Bernstein, Böhm, Wand, Sanderling, Celibidache) hier gibt es keine wirklichen Prägungen, mag sein, daß ich die eine oder andere neue Aufnahme kaufe, wenn ein Thread dies erfordert.


    :!: Ich fühle mich total nicht als "Ewiggestrig" wnn ich mich hier für die Klemperer-GA (EMI, 1956/7, ADD-Stereo) als hochempfehlenswert einsetze.
    Im Laufe der Jahre haben sich bei mir 12GA der Brahms - Sinfonien angesammelt um die spannenden Interpretationsunterschiede kennen zu lernen.


    Davon ist nur die neue Chailly-Aufnahme (Decca, 2012,13, DDD) nach 1990, die allerdings bei mir nicht die grösste Freude bereitet hatte. Denn da ist kein Vergleich zu den packenden Aufnahmen von allen voran Klemperer (EMI), Bernstein (SONY - nicht seine langsamen DG-Aufnahmen!) oder auch Dorati (Newton) und Solti (Decca) spürbar.


    Auch sonstige Neuaufnahmen, die ich immer mit Interesse verfolgt habe aber nie kaufen wollte, haben bei mir nie ein Aha-Erlebnis ausgelöst, so wie es letztes Jahr bei den Klemperer-Aufnahmen auf CD erneut Fall war (diese waren nebenbei meine Erstaufnahmen auf relativ im Vergleich zur CD fürchterlich quäkig klingenden EMI-LP´s).


    Eine GA die knapp an 1990 heranreicht, ist die Dohnanyi-GA (Teldec, 1987-1990) mit dem Cleveland Orchestra.
    Eine bodenstänige dunkelgefärbte Interpretation, die schon wegen des Klanges einen guten perfekt wirkenden Eindruck macht. Doch an diese packenden Erlebnisse die Klemperer oder der Brahms-Dirigent Karajan vermittelt, den ich ebenfalls in zwei GA (DG) und Decca-Einzelaufnahmen hoch schätze, kommen diese Aufnahmen auch nicht heran.



    "Ewiggestrig" ist von daher fürmich eher ein lachhafter Begriff !
    Für mich ist wichtig, das die Aufnahmen gut und brauchbar klingen und dabei völlig egal von wann diese sind. ;) Nur das "brauchbar klingen" hat halt seine technisch bedingten anderen Jahresgrenzen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Allein von der Sättigung vieler Sammlungen oder des Angebots überhaupt ist nachvollziehbar, dass nicht wenig Musik ab ca. Mozart bis 1990 schon in einem breiten Spektrum von Einspielungen vorlag und es neuere Produktionen daher vergleichsweise schwer haben. Dazu ist es kaum nötig, aktive Vorurteile und Nostalgie zu pflegen. Ich selbst habe einige Jahre vor 1990 begonnen, Klassik zu hören und Tonträger zu kaufen (ca. 1987).
    Insofern könnte ich durchaus unter die "Ewiggestrigen" fallen, die an ihrer damaligen "Grundausstattung" festhalten. Nun waren damals für mich mehrere Faktoren im Spiel:
    - Eine Anzahl von Standardwerken lag mir schon auf LP oder MC vor, davon habe ich oft erstmal keine CDs gekauft.
    - Vollpreis konnte/wollte ich mir nur für wenige besondere CDs leisten
    - Stereo war normalerweise ein Muss und ca. 2 Jahre lang bevorzugte ich auch Digitalaufnahmen (weil entsprechend angepriesen). Das zweite Kriterium war natürlich mit dem Sparzwang als Schüler nicht leicht zu vereinbaren. Daher und weil ich feststellte, dass viele "ADD"-CDs durchaus gut klangen, bin ich davon recht bald wieder abgekommen.
    - Dazu kam, dass ich recht bald Kontakt zu einem Schulkameraden hatte, dessen Eltern eine umfangreiche, aber teils "historische" Plattensammlung besaßen. Daher waren z.B. Schnabel, Klemperer, Scherchen für mich schon relativ früh "auf dem Schirm", nicht nur die aus Funk, Fernsehen und "Klassik-Akzente" (hieß das Heftchen so?) bekannten Karajan, Bernstein, Solti, Abbado, Muti, Wand (dessen Aufstieg vom Geheimtipp zum Star fiel ziemlich genau in diese Zeit) usw.
    - HIP war für mich als Einsteiger noch vergleichsweise exotisch, insbesondere bei Musik nach ca. 1750. Zwar gab es diese Aufnahmen alle schon, aber sie lagen eher am Rande meiner Wahrnehmung, jedenfalls einige Jahre lang.


    Das führte zu einer relativ bunten Mischung der erstgekauften CDs für das Repertoire, das mich interessierte. Bis weit in den 1990er habe ich nur in Ausnahmefällen gezielt, neue Aufnahmen von Werken, die ich schon besaß, mit anderen Interpreten gekauft. z.B. war mein erster Beethovenzyklus auf CD, Kegels, weil der damals der billigste (jedenfalls der billigste digitale) gewesen ist. (Bis heute gilt der zuweilen als Geheimtip, ich habe sie ewig nicht gehört, finde sie aber, auch verglichen mit anderen Aufnahmen Kegels nicht allzu bemerkenswert.) Mit Mozart-Sinfonien war ich auf LP und MC so gut ausgestattet, da habe ich zunächst gar keine CDs gekauft. Und dann natürlich nicht Böhm nochmal auf CD, sondern Harnoncourt, weil völlig andere. Harnoncourts war auch mein erster bewusst als Alternative gekaufter Beethovenzyklus (1992). Meine erste GA der Brahms-Sinfonien war Wands (auch die waren recht preiswert), bei Mahler habe ich mir einige der teuren, damals ziemlich neuen Bernstein-Mitschnitte gegönnt (5.+ 6.), dann aber auch die damals wohl billigste 2. (Klemperer, auf einer midprice-CD) usw.


    Auch später habe ich, allein aus finanziellen Gründen, nie hauptsächlich Neuerscheinungen gekauft. Wenn eine Aufnahme zB "Klassikerstatus" genießt und zu einem attraktiven Preis erhältlich ist, warum sollte ich ein Vielfaches für aktuelle Aufnahmen ausgeben? Ungeachtet dessen, habe ich das in vielen Fällen getan. Z.B. in den 1980ern/90ern Wands Brahms-Sinfonien, Melos-Beethoven-Quartette, Kremer/Argerich Beethoven-Violinsonaten, später die Aufnahmen des Hagen-Quartetts u.a. Oder eben ein wenig ältere Aufnahmen (meist aus den 1980ern) noch aktiver Künstler wie Harnoncourts Mozartsinfonien oder Goebel/MAK mit Bach und Telemann. Meine beiden ersten "selbstgekauften" Aufnahmen der Matthäuspassion waren Rillings neuere Einspielung (Mitte der 90er, erschienen für die 2000er Hänssler-Edition) und einige Jahre später Harnoncourts neueste (ca. 2000).
    Aber normalerweise nicht, um "auf dem neuesten Stand" bei dutzendfach eingespieltem Repertoire zu sein, sondern weil mich konkret diese Einspielungen interessiert haben
    Bewusst "historische" (mono)-Aufnahmen kamen erst später dazu.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Allein von der Sättigung vieler Sammlungen oder des Angebots überhaupt ist nachvollziehbar, dass nicht wenig Musik ab ca. Mozart bis 1990 schon in einem breiten Spektrum von Einspielungen vorlag und es neuere Produktionen daher vergleichsweise schwer haben

    .
    ich habe heute nachmittag -als die allmählich nachlassende Hitze mir wieder eine einigermaßen klares Denken ermöglichte - über das Thema nachgedacht und bin zu ähnlichen Schlüssen gekommen:
    URSPRÜNGLICH hatte ich überhaupt nicht vor "Interpreten zu sammeln"
    Um 1965 war es eher nicht üblich Gesamtaufnahmen von sinfonischen Zyklen en Block zu kaufen (Karajan vielleicht ausgenommen) und so erwarb ich dies Zyklen - soweit sich mich interessierten - Stück für Stück.
    Als vorerst als unangenehmer Nebeneffekt stellte sich der unfreiwillige Erwerb von Doubletten ein.
    Irgendwann wurde mir dann bewusst, wie unterschiedlich Interpretationen doch klingen können - und so war ein Grundstein gelegt. Leider muste ich aber oft auch die Erfahrunge machen, daß Neuzukäufe auch uninteressanter klingen konnten, als das, was man schon hatte. Das Hineinhören in Platten war in Wien eher unerwünscht, wurde aber gut betuchten älteren Stammkunden in begrenztem Ausmaße erlaubt.- Junge Kunden wurden IMO zu Recht in der Regel als nutzlose Schädlinge gesehen, die sich einen gemütlichen Nachmittag machen wollten und dann nichts kauften.
    Nach Einführung der CD schien es - und teilweise war es auch so, daß Analogaufnahmen aus dem Sortiment gestrichen werden sollten - und seit damals habe ich mich bemüht "gefährdete" Interpreten für meine Sammlung zu retten. Daer Haken an der Sache war, daß ich im Laufe der Zeit immer mehr Interpreten als "wichtig" einstufte - Leute die ich in meiner Jugend gar nicht gekannt hatte. So entwickelte sich das Sammeln von Aufnahmen zu einer "Impossible Mission" ZUdem gab es fatale Nebenwirkungen. So hatte ich in der GRünderzeit des Forums nicht mal alle Mozart-Klaviersonaten in der Sammlung - die "berühmten" allerdings mit bis zu 15 Interpreten. Auf Grund meiner Sammlungpolitik gab und gibt es immer noch zahlreiche Lücken im Repertoire der Sammlung, aber auch "große Namen" fehlen. So habe ich jahrelang Dirigenten und Solisten gesammelt, die ihren schöpferischen Höhepunkt uim 1960 hatte. Ein Zeitfenster in die Vergangenheit sozusagen. Aus taktischen Gründen gebe ich einen kleineren Anteil meines Klassikbudgets für Neuaufnahmen - oft sogar mit bislang unbekannten Interpreten aus. Die erhofften Diskussionen im Forum ergeben sich nur in den seltensten Fällen - weil eigentlich fast niemand Aufnahmen mit "Nobodys" kauft. Das ist nicht nur aufs Forum beschränkt.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Leider muste ich aber oft auch die Erfahrungen machen, daß Neuzukäufe auch uninteressanter klingen konnten, als das, was man schon hatte. Das Hineinhören in Platten war in Wien eher unerwünscht, wurde aber gut betuchten älteren Stammkunden in begrenztem Ausmaße erlaubt.


    Kanntest du nicht die Sendereihe: "Karl Löbl präsentiert Schallplatten ..." ?? - hier wurden Interpretationen verglichen und Neuerscheinungen besprochen (mit diversen Hörbeispielen!). Dabei konnte man sich schnell entscheiden, ob die Aufnahme einen anspricht oder nicht!



    :hello: LT

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  • Diese Sendung habe ich so gut wie jeden Sonntag um 16 Uhr gehört - und meine gesamte Wochenendplanung darauf einsgestellt. Allerdings ist das auch schon eine ganze Weile her - und - wenn ich mich richtig erinnere - war Karl Löbl auch nicht einer der progressivsten Musikkenner, sondern ein moderater Freund des Establishment....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Nun, das mag sein, aber er war ein Lotse. Er informierte über Neuerscheinungen. Zu seiner Zeit war das auch noch alles weit überschaubarer. Er war HIP-Aufnahmen gegenüber nicht sehr aufgeschlossen.


    Dessen ungeachtet bewunderte ich an ihm, sich auch immer dem NEUEN zu widmen, jedenfalls über den Horizont von Klemperer, Karajan, Bernstein Solti, Böhm... hinaus.


    :hello: LT

  • Zitat

    Dessen ungeachtet bewunderte ich an ihm, sich auch immer dem NEUEN zu widmen, jedenfalls über den Horizont von Klemperer, Karajan, Bernstein Solti, Böhm... hinaus.


    Tja - erbrauchte das Neue für seine Sendungen - ebenso wie ich es für das Forum brauche - und auch einsetze.
    ER hatte es nur insofern leichter, daß man - wenn er einen neuen Interpreten vorstellte - nicht sehen konnte, ob das Publikum mit Begeisterung, mit Ablehnung, - oder überhaupt nicht reagierte.


    Zudem war er ein Opinionleader erster Güte (auch wenn es das Wort im deutschen Sprachraum damals vielleicht noch gar nicht gab ?) - Wenn Karl Löbl in seiner Sendung eine Aufnahme präsentierte (er hielt sich dort im Gegensatz zu seinen oft gefürchteten Kritiken sehr zurück und verzichtete weitgehend auf jegliche Wertung) - dann wurde zumindest darüber diskutiert. Und in letzter Hinsicht auch gekauft.


    Inwieweit das Tamino Forum oder ich als Opiniin-Leader fungieren, das ist aus meiner Position heraus nur schwer abschätzbar.
    Wohl aber ist ein Teil des Klassikkollektivs - nämlich die Mitglieder - sehr wohl in der Lage allfälliges Desinteresse an einem von mir gestarteten Thema zu demonstrieren.... :D


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Insofern frage ich mich, weshalb damals bei dir Fehlkäufe überhaupt möglich waren bei dieser Radio-Begleitung...


    ES gab eigentlich nur wenig Fehlkäufe, weil ich auch ganz bewusst Aufnahmen erwarb, von denen ich mir ziemlich sicher war, sie würden mir nicht gefallen. Aber sie interessierten mich - aus vielerlei Gründen.
    Dazu kommt noch, daß sich der Geschmack im Laufe der Zeit, wenn schon nicht ändert, so doch meist erweitert.
    Ein geflügeltes Wort von mir lautet:
    "Die meisten meiner sogenannten Fehlkäufe haben sich im nachhinein als weise Voraussicht entpuppt....." :D


    freundliche Grpße aus Wien
    und Gute Nacht....
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Das gestern (16.8.) gesendete Kammerkonzert kam von den Salzburger Festspielen, wo die beiden Tetzlaffs mit Lars Vogt - also eine hinlänglich bekannte und bedeutende Formation - Dvoráks Trio f-moll op.65 und Schuberts Es-Dur-Trio temporeich, fulminant und virtuos darboten.


    Dennoch war ich vom Schubert-Trio enttäuscht, denn ihm fehlte Schuberts Herzenston, seine Melancholie und, ja, diese aus dem Nichts in höchste Sphären aufsteigende Ergriffenheit. Dies erinnerte mich an ein Gespräch, das ich mit einem in Wien prägenden Kammermusiker vor einem Jahr führte, als er auf meine Frage, wie er zu Guldas Schubertinterpretation stehe, meinte, das war großartig und berührend, aber so kann man das heute nicht mehr spielen. Dazu fällt mir eine Begebenheit in einem Gesprächskonzert mit Stefan Mikisch ein, der von der himmlichen Schönheit in der Musik sprach. Kaum hatte er dies ausgesprochen, fuhr ihm der Moderator, ein bekannter Kulturjournalist, heftig in die Parade und herrschte ihn an: Schönheit? Was ist Schönheit!


    Mit dieser Vorrede will ich den gravierenden Unterschied früherer Interpretationen, wo man noch großen Wert auf Schönheit und Herzenston gelegt hatte, aufzeigen - im Gegensatz zu heute, wo Reibungen, harsche Kontraste und aufgesetzte Dramatik verlangt werden. Die Gefühlslage ist offensichtlich ein alter Hut und hat in heutigen Interpretationen nichts verloren. All dies erinnert mich an ein Herrscherhaus, wo zwar bittere Todesfälle, Beziehungskatastrophen und so weiter stattgefunden haben, die davon betroffene Queen mitsamt ihrer Entourage strikte Contenance zu wahren haben ... (Ist halt so, die neue Zeit!)


    Als vor Jahrzehnten di Stefano im 3.Akt "Tosca" in unnachahmlicher Weise deren dolci mani besang, war das ganze Haus vor Ergriffenheit überwältigt. Oder als sich die Sena in der "Butterfly" den Tod gab, blieb wahrlich kein Auge trocken ...


    Dazumal durfte man noch Gefühl, Ergriffenheit und Herz, vermittelt auch von großartiger Musik, zeigen - heute ist Sachlichkeit und psychologische Tiefschürferei an der Tagesordnung.


    So gesehen bin ich ein Ewiggestriger, und dafür habe ich meine Gründe, die ich hier darzulegen versuchte.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Hallo zusammen,


    interessantes Thema...


    Jede Aufnahme von Standardrepertoire muss sich mittlerweile an einer ungeheuer langen Latte an (historischen) Vergleichsaufnahmen messen lassen. Dass macht es in der Tat ungeheuer Schwer, neue Einspielungen zu legitimieren und zu platzieren. Erschwerend kommt hinzu, dass auch in klangtechnischer Hinsicht - im Gegensatz zu den Anfangsjahrzehnten der Tonaufzeichnung - keine Quantensprünge mehr stattfinden. Revolutionäre interpretatorische Ansätze sind ebenfalls kaum zu erwarten, zumindest, so lange sich die Interpreten noch halbwegs am vorgegebenen Rahmen der Komponistenintention orientieren...


    Aber: Natürlich hat jeder Künstler ein Recht darauf, seine Sicht der Dinge zu dokumentieren (wenn das denn jemand vermarkten mag).


    Und: Jeder, der ab und zu ein Konzert besucht - und dies auch künftig tun möchte! -, sollte sich vor Augen halten, dass Künstler eben auch von den Einnahmen aus Einspielungen leben. Wer nur die Alten goutiert, würgt eine lebendige Szene irgendwann ab.


    Grüße
    Frank


  • Lieber Liebestraum!
    Jetzt bin ich von meinen Abstechern in die Welt des Festspielrummels wieder zurück und kann endlich wie versprochen auf die Schumann-Aufnahmen von Gaudenz eingehen.


    Gleich vorweg: Es sind prächtige Aufnahmen, die ich gerne gehört habe und die ich gerne in meinen Regalen so platzieren will, dass ich sie im Blick behalte und öfter auflege.
    In jünster Zeit sind ja erstaunlich viele neue Aufnahmen der Schumann-Sinfonien erschienen:
    Gardiner, Schönwandt, Luisi, Rattle, Lang-Lessing, Steffens, Paavo Järvi, Beermann, Zinman, Rattle, Nézet-Seguin, Ticciati.....und vielleicht habe ich jetzt sogar noch welche übersehen!
    Jede nimmt wohl für sich in Anspruch, uns etwas Neues über Schumann zu sagen. Inwieweit das bei den hier genannten auch wirklich geschieht, lasse ich mal dahingestellt. Immerhin fällt auf, dass sie sich eigentlich alle von den meisten der älteren Aufnahmen durch eine große Frische und erfreuliche Transparenz unterscheiden. Bei kaum einer der Aufnahmen mag man noch daran denken, dass Schumann früher ungeschickte Instrumentation vorgeworfen wurde.


    Für die Aufnahmen von Gaudenz lässt sich jedenfalls feststellen, dass nicht nur die tolle Aufnahmetechnik für eine überrumpelnde Klarheit und Farbigkeit sorgt sondern dass der Dirigent selber schon mit dem Orchester ganz darauf bedacht ist!
    Mir gefällt sehr gut, wie er die großen Kontraste zwischen den verschiedenen Sinfonien und vor allem auch in den einzelnen Sätzen herausstellt! Das wird meiner Meinung nach Schumann mehr gerecht als die meisten der älteren Aufnahmen, die durch eher auf Mischklang und die Kontinuität des musikalischen Flusses setzen.
    Wenn es in der 4. Sinfonie etwa viele instrumentale Doppelungen gibt, bleibt der Klang bei Gaudenz und seinem Orchester durchhörbar und gewinnt eine frappierende Helligkeit, gar Luftigkeit! Auch die Grandeur, die er dem ersten Satz der 2. Sinfonie gewinnt, ist wundersam frei von einem Pathos, das eigentlich nicht recht zu Schumann passen will! -
    Ich könnte noch viele weitere Qualitäten der Interpretation herausstellen. Schlichweg ausserordentlich ist insbesondere natürlich die ungeheure Virtuosität des Orchesters. Dass sie aber so stark auffällt, hängt auch mit den recht extremen Tempi zusammen. Aufs Ganze gesehen wäre meiner Ansicht nach zu fregen, ob Gaudenz hier nicht gelegentlich über das Ziel hinausschießt. Manche Tempi finde ich wirklich grenzwertig! Wenn für das Finale der ersten Sinfonie ein Allegro animato e grazioso vorgeschrieben ist, dann bekommt der Hörer bei Gaudenz viel Schwung und Frische aber grazioso klingt da nichts. Auch manche Anflüge von Melancholie, die sich ja vielfach in dem Werk finden und oft eher den Subtext des musikalischen Geschehens bilden, gehen bei ihm unter.
    Ich könnte noch einige Einwände vorbringen, aber das würde die Gewichte in ein falsches Lot bringen! Die Aufnahme ist insgesamt ein Vergnügen!!


    Ganz bestimmt sollten sich auch jene Taminos, die gerne auf ihren Schätzen aus früheren Zeiten liegen und die genießen, mal anhören, wie Schumann auch klingen kann! Insofern also haben wir hier ein Beispiel, mit dem sich gut gegenüber denen argumentieren lässt, die Alfred "die Ewiggestrigen" genannt hat.


    Ausgangspunkt deiner Antwort auf meine Frage war aber nicht allgemein die Qualität dieser oder jener Aufnahme von gestern oder eben von heute. Ausgangspunkt war die Frage nach der Klangschönheit!
    Alfred hatte behauptet, frühere Aufnahmen klängen meist 'schöner' als die neueren! Ich hatte daraufhin gefragt, ob man wirklich entscheiden könne, welche Aufnahme klangschöner ist: die von Kubelik oder die von Nezet-Seguin. Und du hattest geantwortet, dass "natürlich" die Aufnahme von Gaudenz schöner wäre (wohl als beide zusammen?).
    Da nun kann ich Dir nicht folgen. Ich habe etliche besonders charakteristische Passagen direkt verglichen und muss danach sagen: Dein Urteil, dass Nézet-Seguin und sein Orchester gegen die Kollegen aus dem Norden "verblassen" würden, konnte ich nirgends nachvollziehen. An keiner der verglichenen Stellen!
    Lassen wir das darauf beruhen.
    Freuen wir uns, dass wir beide Aufnahmen haben, die so unterschiedlich eigentlich gar nicht sind und die man trotzdem mit gutem Grund beide haben sollte!


    Übrigens: sicher kennst Du die scharfsinnigen Bemerkungen von Konrad Beikircher zu dem Sinfoniker Schumann. Mir haben sie jedenfall geholfen, den Komponisten erst als einen der Sinfoniker zu entdecken, der mit den allgemein höher geschätzten Kollegen voll auf Augenhöhe steht!
    In den neueren Aufnahmen hört man praktisch den schlagenden Beweis dafür.


    Vor allem bei Järvi und Nézet-Seguin, aber auch bei Gaudenz!
    Dass ich jetzt auch ihn kenne und 'habe', verdanke ich Dir!
    Dafür nochmals Dank!
    Und beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lieber Caruso,


    vielen Dank für deine Bemerkungen. Allerdings und darin unterscheiden wir uns vermutlich, ist mir die Nezet-Seguin zu sehr verbrahmst. Also zwei unterschiedliche Ansätze: Nezet-Seguin nähert sich über Brahms und Gaudenz über Beethoven. Lebendig-frischer klingt für mich eindeutig die Gaudenz-Aufnahme, auch gerade wegen der besseren Aufnahmetechnik und der Präsentation als Super-Audio-CD.


    Die Geschmäcker sind halt verschieden!


    :hello: LT


  • Ich sprach es bereits an, wiederhole mich aber gerne und präzisiere: Es gibt erheblich mehr Komponisten als Beethoven, Mozart, Schubert Schumann und Bruckner. Muss ich mir jede Neueinspielung von deren Werken anhören? Ansichtssache, ich sage nein. Und ich gestehe: vor dem Hintergrund des sich unglaublich verbreiternden Spektrums von auf dem Markt verfügbarer Musik höre ich die Werke der genannten Meister immer seltener. Bach, dessen Werk ist regelmäßiger Gast. Da kommen dann auch schon mal Neuaufnahmen in den Bestand. Greife ich aber zu einer Beethoven oder Schubert Sinfonie, sind die gewählten Aufnahmen meist gesetzt. Finde ich auch nicht schlimm. Die Zeit zum Musikhören, die mir zur Verfügung steht, ist eingeschränkt. Lesen möchte ich auch noch (und die Bibliothek ist nicht eben klein) und Familie habe ich auch noch. Ewiggestrig? Nein, ich tue, was mir Spaß macht, höre, was mir Freude bringt. Und bin längst aus dem Hamsterrad heraus, wo ich jedem neuen Kick hinterherrenne. Die Fragestellung dieses Threads sollten weniger die immer gleichen alten Künstler sein, sondern eher das schmale Repertoire einiger weniger großer Komponisten, das jeder Künstler, der was auf sich hält, auch einspielen muss. Da höre ich doch lieber Webers Klavierwerke, gespielt von Hans Kann ("Stars" haben die ja nicht eingespielt, die ackern sich ja lieber an der 185.000 sten GA der Beethoven-Sonaten ab).


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • "Ewiggestrig" ist von daher fürmich eher ein lachhafter Begriff !
    Für mich ist wichtig, das die Aufnahmen gut und brauchbar klingen und dabei völlig egal von wann diese sind. ;) Nur das "brauchbar klingen" hat halt seine technisch bedingten anderen Jahresgrenzen.

    Genau, so sehe ich das auch. Und verstehe nicht die willkürliche Grenze von 1990. Bis dahin "ewiggestrig" und danach progressiv? Wohl weil um dieses Jahr herum Karajan und Bernstein das Zeitliche segneten? Ok, das Thema sollte bewusst provokant sein und Stoff zur Diskussion bieten, was auch gelungen ist. Man könnte auch die Jahrtausendwende nehmen. Sicher gibt es auch bei mir vieles, was von vor 1990 ist, was ich auch immer wieder höre. Andererseits gibt es auch Musik, von der ich mir fast immer nur die neueren Einspielungen anhöre, da ich die alten ja früher rauf und runter gehört habe. Es ist ja nicht alles nach 1990 HIP oder völlig anders. Thielemann ist doch nun wirklich kein musikalischer Revolutionär, ihn gibt es aber medial erst lange nach 1990. Günter Wand, auch kein Modernist, ist erst 2002 verstorben. Harnoncourt gab es vor 1990 und gibt es jetzt noch. Beethoven-Einspielungen habe ich natürlich massenhaft in Aufnahmen vor 1990 erworben, vieles in Einzelstücken, denn erschwingliche Gesamtaufnahmen gab es auch damals noch nicht. Da bin ich ziemlich gesättigt, habe allerdings auch Abbado, Jansons und vor allem Chailly, der mir mit seiner Sicht sehr gut gefällt, eigentlich ein Gegenstück zu Thielemann.



    Zitat

    Jede Aufnahme von Standardrepertoire muss sich mittlerweile an einer ungeheuer langen Latte an (historischen) Vergleichsaufnahmen messen lassen. Dass macht es in der Tat ungeheuer Schwer, neue Einspielungen zu legitimieren und zu platzieren. Erschwerend kommt hinzu, dass auch in klangtechnischer Hinsicht - im Gegensatz zu den Anfangsjahrzehnten der Tonaufzeichnung - keine Quantensprünge mehr stattfinden. Revolutionäre interpretatorische Ansätze sind ebenfalls kaum zu erwarten, zumindest, so lange sich die Interpreten noch halbwegs am vorgegebenen Rahmen der Komponistenintention orientieren...

    Ja, wobei "Komponistenintention" auch schon interpretierbar ist. Ich freue mich oft, wenn ich mal im Konzert bei einem sehr populären Werk eine Stelle völlig anders höre.



    Zitat

    Und: Jeder, der ab und zu ein Konzert besucht - und dies auch künftig tun möchte! -, sollte sich vor Augen halten, dass Künstler eben auch von den Einnahmen aus Einspielungen leben. Wer nur die Alten goutiert, würgt eine lebendige Szene irgendwann ab.

    Na ja, gefallen muss mir das schon. Und es gibt hoffentlich auch immer wieder Neueinsteiger, die fangen sicher nicht mit Böhm und Karajan an, sondern beginnen vielleicht mit Dudamel, Järvi oder Nezet-Seguin. Um zum Thema zu kommen, die Wahrheit liegt meistens in der Mitte, also sowohl als auch. Nur dass man sich bei einem großen Fundament an Standardwerken eben sehr genau überlegen muss, ob die viel gepriesene Neueinspielung auch wirklich Neues bietet. Nur dann wäre sie für mich eine Anschaffung wert.
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Hallo,


    Ja, wobei "Komponistenintention" auch schon interpretierbar ist. Ich freue mich oft, wenn ich mal im Konzert bei einem sehr populären Werk eine Stelle völlig anders höre.


    ja, das geht mir ebenso, auch mit Blick auf Konserven.
    Wobei wir uns vermutlich einig darüber sind, dass maßgeblich der Komponist ist - und weniger der Wille zur Andersartigkeit.
    Ein weiterer Aspekt ist, gerade bei Live-Endrücken, die Frage, ob wirklich bestimmte Punkte anders herausgearbeitet wurden oder aber es sich nur um eine andere Wahrnehmung aufgrund persönlich-situativer Disposition handelt.


    Na ja, gefallen muss mir das schon. (...) Um zum Thema zu kommen, die Wahrheit liegt meistens in der Mitte, also sowohl als auch. Nur dass man sich bei einem großen Fundament an Standardwerken eben sehr genau überlegen muss, ob die viel gepriesene Neueinspielung auch wirklich Neues bietet. Nur dann wäre sie für mich eine Anschaffung wert.


    Natürlich sollte es in erster Linie gefallen. So "egoistisch" wird man schon sein dürfen :D.
    Auch das mit der "Wahrheit in der Mitte" möchte ich unterstreichen.


    Die Frage hinsichtlich der Neueinspielungen, ob diese Neues bieten müssen (!), kann man allerdings anders beurteilen. Der Zwang zu Neuem geht meiner Ansicht nach ab einer zu definierenden Grenze daran vorbei, in Noten gefasste Absichten eines Komponisten wiederzugeben, denn die Möglichkeiten zu neuen Deutungen sind endlich. Ein Werk einfach nur sehr gut oder ebenbürtig zu spielen, wie dies einer der "großen alten" Interpreten getan hat, halte ich für vollkommen ausreichend. Und hier muss dann die Präferenz nicht zwingend auf "den Alten" liegen. Als (ketzerisches) Beispiel: Müssen es Rostropowitsch und Richter im Falle der Beethoven'schen Cellosonaten sein? Queyras/Melnikov machen den Job mindestens genauso gut... :)


    Viele Grüße
    Frank


    Verwendest Du absichtlich eine unterschiedliche Schriftart und -größe? Ich finde das schwierig zu lesen und meines Wissens ist es wegen Kompatibilität unterschiedlicher Browser u.ä. auch nicht erwünscht. Es ist m.E. jedenfalls kein wirkungsvoller Weg, seinen Postings besonderes persönliches Profil zu verleihen ;)

  • Was die "Neueinsteiger" und ihre Beratung angeht habe ich eine einfache Regel: Wer die Klassiker noch nicht kennt, der soll mit den großen, klassischen Aufnahmen beginnen und nicht mit dem, was gerade zufällig neu auf dem Markt ist. Das Beste ist hier gerade gut genug - weil es um einen Bildungseffekt geht, der prägend ist fürs Leben. Wer Malerei studiert, beschäftigt sich auch erst mit den Großen wie Altdorfer, Rembrandt, Monet, Picasso und nicht zunächst mit den aktuellen Kleinmeistern. Wenn ein Chopin-Preisträger der jüngeren Generation wie der Chinese Yundi Lee sagt, sein großes Vorbild sei Artur Rubinstein, dann sollte der völlig unerfahrene Hörer auch erst einmal Rubinstein hören, bevor er sich mit Yundi Lee beschäftigt. Nachher, wenn man die maßstabsetzenden Interpretationen kennt, kann man sich mit den anderen auseinandersetzen. Erst wenn man nämlich Rubinstein, Richter, Michelangeli, Gilels, Horowitz, Pollini, Brendel usw. kennengelernt hat, kann man die "Leistung" von Neuaufnahmen richtig einschätzen. Es hat nun mal nicht jeder das Glück, in einer Zeit zu leben, in der die "Großen" aktiv wirken. Dann sind sie eben von "gestern".


    Man sollte sich auch vor Vereinfachungen hüten, was die Interpretationsgeschichte angeht. Von einem Pianisten um 1900 verlangte man weniger "Werktreue" als einen persönlichen Vortragsstil. Und ein Artur Schnabel oder Rudolf Serkin in den 30iger und 40iger Jahren spielen oft weniger "schön" und dafür "expressionistisch". Es ist also überhaupt nicht so, dass die "Alten" alle schön und mitreißend gespielt hätten und die Interpretengeneration heute verkrampft rhetorisch und häßlich. All das sind völlig überzogene Verallgemeinerungen von Einzelphänomenen. Das stimmt einfach vorne und hinten nicht - was sich an vielen Beispielen zeigen läßt. Wer will behaupten, dass eine Valentina Lisitsa mit ihren Millionen Klicks im Netz nicht natürlich und mitreißend spielt? Und was ist mit Arcadi Volodos? Ist das nicht ein wunderbar kultiviertes, nicht nur "schönes", sondern wunderschönes Klavierspiel? Ich kann deshalb mit solchen Steroetypen, wie sie hier immer wieder geäußert werden, überhaupt nichts anfangen. Die sind alle "aus dem Bauch heraus" gesagt, aus Frust teilweise, aber ohne die Mühe einer wirklich differenzierten Betrachtung.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Was die "Neueinsteiger" und ihre Beratung angeht habe ich eine einfache Regel: Wer die Klassiker noch nicht kennt, der soll mit den großen, klassischen Aufnahmen beginnen und nicht mit dem, was gerade zufällig neu auf dem Markt ist. Das Beste ist hier gerade gut genug - weil es um einen Bildungseffekt geht, der prägend ist fürs Leben. Wer Malerei studiert, beschäftigt sich auch erst mit den Großen wie Altdorfer, Rembrandt, Monet, Picasso und nicht zunächst mit den aktuellen Kleinmeistern. Wenn ein Chopin-Preisträger der jüngeren Generation wie der Chinese Yundi Lee sagt, sein großes Vorbild sei Artur Rubinstein, dann sollte der völlig unerfahrene Hörer auch erst einmal Rubinstein hören, bevor er sich mit Yundi Lee beschäftigt. Nachher, wenn man die maßstabsetzenden Interpretationen kennt, kann man sich mit den anderen auseinandersetzen. Erst wenn man nämlich Rubinstein, Richter, Michelangeli, Gilels, Horowitz, Pollini, Brendel usw. kennengelernt hat, kann man die "Leistung" von Neuaufnahmen richtig einschätzen. Es hat nun mal nicht jeder das Glück, in einer Zeit zu leben, in der die "Großen" aktiv wirken. Dann sind sie eben von "gestern".


    Lieber Holger,


    Deine "Regel" ist legitim, aber der Vergleich Malerei-Musik hinkt ein wenig.


    Rembrandt, Monet, Picasso und Co. waren produzierende Künstler, Rubinstein, Gilels, Brendel etc. reproduzierende. Und daraus ergibt sich u.a., dass produzierende "Klassiker" anders zu sehen sind als reproduzierende, also interpretierende.


    Wenn mich jemand fragt nach Empfehlungen, so frage ich erst einmal zurück. Zum Beispiel danach, wie wichtig die Klangqualität ist. "Darf" es auch mono sein? Wie intensiv will man sich mit der Musik beschäftigen? "Mal hören, wie der so klingt" oder eventuell ein tiefer gehender Einstieg in der Beschäftigung mit einer Musikgattung oder einem Komponisten oder mit der klassischen Musik allgemein?


    Wenn ich ein wenig Analyse betrieben habe, kann ich besser empfehlen. Und dann spielt es für mich eine untergeordnete Rolle, ob "einen Klassiker" (der ja meistens im Auge des Betrachters liegt ;) ) oder eine für mich gute neue Aufnahme empfehle.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Lieber Holger,


    ich denke, jeder sollte seinen eigenen Weg der Annäherung finden - egal ob über die Historie oder über das Heute und Jetzt. Ich stamme aus der ehemaligen DDR - hatte also nur ein sehr beschränktes Angebot an Klassikaufnahmen zur Verfügung. Eben nur das was über Eterna an Eigenproduktionen bzw. Lizenzen anzubieten war, ergänzt mit Angeboten aus Ungarn und der CSSR.


    Erst nach der Wende baute ich meine Klassik-Sammlung um. Sehr selten verließ ich mich dabei auf irgendwelche Meinungen anderer, was die Auswahl betraf - nein, ich verließ mich immer auf mein eigenes Gehör. So lernte ich beispielsweise auch die Aufnahmen kennen und schätzen, die Fritz Reiner eingespielt hatte. Mit großem Interesse nahm ich aber auch die Neuerscheinungen wahr und nahm sie gleich unter die Lupe.


    Fazit: Ich meine, man sollte für alles aufgeschlossen sein, sonst verstellt die VERGANGENHEIT (aus der Zeit, aus der man schon soooooooooooooooo viele Aufnahmen besitzt) tatsächlich den Blick auf das NEUE - auch wenn man nichts kauft, sollte man dennoch im Bilde sein!



    :hello: LT

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Lieber Caruso,


    vielen Dank für deine Bemerkungen. Allerdings und darin unterscheiden wir uns vermutlich, ist mir die Nezet-Seguin zu sehr verbrahmst.

    Aha! Ahaaaa!!!


    Also ehrlich lieber Liebestraum, das kann ich nun überhaupt nicht nachvollziehen!
    Da müsstest Du mir doch mal genau sagen, wo und warum die Nézet-Seguin-Aufnahme für Dich nach Brahms klingt.
    Hätte er die Absicht gehabt, eine Interpretation vorzulegen, in der die schumannsche Sinfonik brahmsisch daherkommt, hätte er dann nicht sein Orchester - also das Philadelphia - genommen anstatt ein Kammerorchester zu wählen? (Übrigens hat das Philadelhia ja unter dem ganz späten Sawallisch eine großartige Aufnahme aller Schumann-Sinfonien vorgelegt! Für mich eine der besten Deutungen des Zyklus überhaupt - gar nicht so weit weg von den neueren Gesamtaufnahmen!)


    Auffällig finde ich übrigens, dass Nézet-Seguin in der 4. Sinfonie die spätere Fassung benutzt (was er im Beiheft gut begründet), die ja eigentlich eine dunklere Klangfarbe hat, sie dann aber über weite Strecken licht und mit feiner 'clarté' spielen lässt.
    Hör Dir etwa mal an, wie er im "Ziemlich langsam" (von Sätzen kann man ja nicht sprechen, aber oft nennt man das halt den 1. Satz), das Thema in dem "lebhaft"-Abschnitt aus wirklich satten dunklen Bassregionen aufsteigen , mit den Bratschen und Klarinetten verheißungsvoll aufblühen lässt und dann weiter mit den 2. Violinen und Oboen aufhellt um es schließlich von den 1.Violinen und den Flöten gleißend schön zu enfalten! Das ist so fein durchgearbeitet und wirkt doch rauschhaft, echt dionysisch! Ausser bei Paavo Järvi (live!!) habe ich diese Stelle nie so atemberaubend gehört! Und was, bitte, hätte das, was man da bei Nézet-Seguin hört, mit Brahms zu tun?


    Ich könnte noch viele so faszinierenden Eindrücke beschreiben, die meiner Ansicht nach zeigen, dass hier in diesen Aufnahmen wirklich der Versuch unternommen wird, die spezifisch schumannschen Klangvorstellen und ihre Funktion für die sinfonische Architektur herauszuarbeiten.
    Aber das liest ja eh keiner. Und vermutlich mag auch niemand die Aufnahmen sich selbst noch mal daraufhin anhören, ob die Deutung überzeugt!



    Nezet-Seguin nähert sich über Brahms und Gaudenz über Beethoven. Lebendig-frischer klingt für mich eindeutig die Gaudenz-Aufnahme, auch gerade wegen der besseren Aufnahmetechnik und der Präsentation als Super-Audio-CD.

    Ja, solche Sortierung von Aufnahmen sind natürlich recht beliebt und werden auch gerne übernommen.
    Das Problem ist nur , dass zwei Bezuggrößen eingeführt werden, die alles andere als eineindeutig definiert sind.
    Was um Himmels willen heißt denn: XY nähert sich über Brahms?
    Was um Himmels willen heißt denn: YZ nähert sich über Beethoven?
    Nur so nebenbei: um Schumanns eigene Identität wirklich zu verorten und zu vermessen, müsste man sich ihm wohl in erster Linie über seine Klavierkompositionen nähern - und über seine Kritiken und musikwissenschaftlichen Schriften!


    Noch zwei Nachsätze:


    1.) Ich habe bewusst darauf verzichtet, die Interpretationen von Nezet-Seguin hier gegen andere auszuspielen. Mir war es eher darum gegangen, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass es sich lohnt, sie zu hören, auch wenn man schon etliche ältere Referenzen kennt und immer wieder gerne hört!
    Ob man nun hier näher an den wirklichen Schumann kommt als bei Furtwängler oder Walter, Karajan oder Bernstein, Kubelik oder Wand ist eine ganz andere Frage. Nur: Hört man Dirigenten wie Järvi oder Nézet-Seguin mit der Partitur auf dem Schoß, wird man die Stimmigkeit und Plausibiliät ihrer Aufführungen kaum bestreiten können!
    Und wer darauf beharrt, bei den älteren Pultstars wäre klangschöner (das war Alfreds Einwand!!!) musiziert worden, dessen Ohren sollten vielleicht mal gründlich gereinigt werden!


    2.) Wenn ich jetzt wirklich nur zwei Aufnahmen der Sinfonien von Schumann haben dürfte, wären das Raphael Kubelik und Paavo Järvi! Aber das ist für den Zusammenhang dieses Threads ja eher nicht von Belang. Oder doch? Immerhin Aufnahmen aus verschiedenen Zeiten.


    Beste Grüße


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Verwendest Du absichtlich eine unterschiedliche Schriftart und -größe? Ich finde das schwierig zu lesen und meines Wissens ist es wegen Kompatibilität unterschiedlicher Browser u.ä. auch nicht erwünscht. Es ist m.E. jedenfalls kein wirkungsvoller Weg, seinen Postings besonderes persönliches Profil zu verleihen


    Hi,


    mir geht es dabei nicht so sehr um Individualisierung.
    Ich mag die Schriftart "Trebuchet" ganz gerne (verwende sie auch sonst, wo möglich) und die Standardgröße erscheint mir eigentlich zu groß und dominant.
    Da die Auswahl möglich ist, erschien mir auch die Verwendung legitim?
    Wenn es stört/die Lesbarkeit erschwert, dann lasse ich es natürlich (war mir nicht klar) :untertauch: . Konsequenterweise solltet ihr dann aber mal schauen, ob man die Funktion nicht besser gleich "abklemmen" kann?


    Viele Grüße
    Frank

  • Und daraus ergibt sich u.a., dass produzierende "Klassiker" anders zu sehen sind als reproduzierende, also interpretierende.

    Das stimmt natürlich, lieber Norbert. Aber das Vergleichbare ist, dass man sich an den "absoluten" Maßstäben orientiert, um daran die eigene Produktion oder Reproduktion zu messen. Ohne einen solchen Anspruch kommt bei der eigenen Kunst nämlich nichts Großes oder Großartiges heraus. :)


    Wenn mich jemand fragt nach Empfehlungen, so frage ich erst einmal zurück. Zum Beispiel danach, wie wichtig die Klangqualität ist. "Darf" es auch mono sein? Wie intensiv will man sich mit der Musik beschäftigen? "Mal hören, wie der so klingt" oder eventuell ein tiefer gehender Einstieg in der Beschäftigung mit einer Musikgattung oder einem Komponisten oder mit der klassischen Musik allgemein?

    Das mache ich selbstverständlich auch so!


    Wenn ich ein wenig Analyse betrieben habe, kann ich besser empfehlen. Und dann spielt es für mich eine untergeordnete Rolle, ob "einen Klassiker" (der ja meistens im Auge des Betrachters liegt ;) ) oder eine für mich gute neue Aufnahme empfehle.

    Es gibt nun mal solche Fälle wie z.B. die Goldberg-Variationen mit Gould oder Richters Aufnahme der B-Dur-Sonate von Schubert. Die sind einfach singulär - Analyse hin oder her. Wer sich mit diesen Werken beschäftigt, kommt einfach nicht um diese Aufnahmen herum. Sonst kann man schlicht nicht mitreden. Wenn mir natürlich jemand sagt, ich mag generell Gould nicht, dann empfehle ich etwa Perahia. Aber ich schaue doch nicht nach den neuesten Angeboten aus dem Katalog und bevorzuge diese. Ich habe durchaus Auswahl bei den "Klassikern". Manchmal passieren ja auch solche Dinge, dass Pollinis frühe Aufnahme der Chopin-Etüden von 1960 erst 2014 veröffentlicht wird. Dann ist das natürlich erste Wahl - eine Neuerscheinung singulären Charakters.


    Erst nach der Wende baute ich meine Klassik-Sammlung um. Sehr selten verließ ich mich dabei auf irgendwelche Meinungen anderer, was die Auswahl betraf - nein, ich verließ mich immer auf mein eigenes Gehör. So lernte ich beispielsweise auch die Aufnahmen kennen und schätzen, die Fritz Reiner eingespielt hatte. Mit großem Interesse nahm ich aber auch die Neuerscheinungen wahr und nahm sie gleich unter die Lupe.


    Fazit: Ich meine, man sollte für alles aufgeschlossen sein, sonst verstellt die VERGANGENHEIT (aus der Zeit, aus der man schon soooooooooooooooo viele Aufnahmen besitzt) tatsächlich den Blick auf das NEUE - auch wenn man nichts kauft, sollte man dennoch im Bilde sein!

    Ich habe mich auch immer nur auf meine eigenen Ohren verlassen, lieber Liebestraum. Was Dein "Fazit" angeht: das ist eher ein Problem der Generation von heute, denke ich, wo unzählige "historische" Aufnahmen sehr günstig zu haben sind. Als ich dagegen anfing, Platten zu sammeln - das war Mitte der 70iger Jahre - war die Stereo-Ära gerade mal 15 jahre alt und das Angebot sehr überschaubar. Die "Klassiker", die wir heute so gerne als "gestrige" bezeichnen, stammen ja weitestgehend aus den 70igern und 80igern. Die waren also zu dieser Zeit als ich sie gesammelt habe aktuell - man ist sozusagen musikalisch mit Boulez, Abbado, Bernstein, Pollini, Gilels, Michelangeli "mitgewachsen". Dann gab es natürlich Horowitz, wo einzelne Aufnahmen in die Mono-Ära zurückreichten. Das war aber eher die Ausnahme als die Regel. Es ist natürlich ein Phänomen, dass heute die historischen "Pakete" so erfolgreich sind. Da kann man sich fragen, warum. Vielleicht eben doch, dass man im Rückblick die große Qualität von damals wieder entdeckt. Und da hat es die Gegenwart dann oft schwer - oder auch nicht. Wenn man einmal auf den Geschmack von Interpretationsvergleichen gekommen ist, hört man so schnell nicht wieder auf. Ich verzichte doch nicht auf eine Neuerscheinung - wenn ich sie wirklich vielversprechend und interessant finde - nur weil ich etliche Klassiker schon im Schrank habe. Und zu den Neuerscheinungen gehören auch viele historische Aufnahmen, die bislang gar nicht zugänglich waren. Das erweitert letztlich den Horizont - es ist spannend, in eine andere Epoche schauen zu können, die ein ganz anderes "Lebensgesetz" hatte. Man lernt daraus, dass vieles auch anders geht, als man es von heute gewohnt ist und vielleicht auch etwas verloren gegangen ist. Musiker sind da oft viel aufgeschlossener, als man denkt. Sie hören die ganz Alten und ziehen daraus ihren Gewinn. Warum soll das nicht auch für den Hörer gelten? :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Als ich dagegen anfing, Platten zu sammeln - das war Mitte der 70iger Jahre - war die Stereo-Ära gerade mal 15 jahre alt und das Angebot sehr überschaubar. Die "Klassiker", die wir heute so gerne als "gestrige" bezeichnen, stammen ja weitestgehend aus den 70igern und 80igern. Die waren also zu dieser Zeit als ich sie gesammelt habe aktuell - man ist sozusagen musikalisch mit Boulez, Abbado, Bernstein, Pollini, Gilels, Michelangeli "mitgewachsen".


    Ich stamme aus der ehemaligen DDR - hatte also nur ein sehr beschränktes Angebot an Klassikaufnahmen zur Verfügung. Eben nur das was über Eterna an Eigenproduktionen bzw. Lizenzen anzubieten war, ergänzt mit Angeboten aus Ungarn und der CSSR.


    Erst nach der Wende baute ich meine Klassik-Sammlung um. Sehr selten verließ ich mich dabei auf irgendwelche Meinungen anderer, was die Auswahl betraf - nein, ich verließ mich immer auf mein eigenes Gehör.


    Liebe Jäger und Sammler!


    Es hat Spaß gemacht zu lesen, wie ihr Eure Musiksammlung aufgebaut habt!
    Das hat mich animiert, auch von mir zu berichten:
    Ich bin in Berlin aufgewachsen und ging ab 1953/54 ziemlich regelmäßig in Opern- und Konzertaufführungen, da ich im damaligen Sternschen Konservatorium eingeschrieben war und übrig gebliebene Karten für die Städtische Oper und für die Philharmoniker praktisch umsonst bekommen konnte.
    Da begann ich denn auch mit der Sammelei von Aufnahmen. Zunächst waren es Verwandte, Nachbarn und Bekannte, die ihre Sammlungen nicht mehr hörten und oft froh waren, dass sie einen Abnehmer fanden! Das waren natürlich immer 78er Schallplatten und was sich da ansammelte, darauf hatte ich gar keinen Einfluss. Aber zunächst war das für mich wunderbar und ich genoss es, Entdeckungen machen zu können. Ich erinnere mich noch an meine Begeisterung, als ich eine Reihe von Platten mit Aufnahmen von Sir Thomas Beecham bekam und darüber nicht nur Mozart sondern auch erstmals Elgar und Sibelius zu hören bekam! So lernte ich denn auch Tauber kennen und Heifetz, Ney und Slezak! Und viele mehr!


    Bald begann ich auch auf Schallplattenkäufe zu sparen - zumal als dann LPs auf den Markt kamen.
    Da habe ich allerdings nur sehr begrenzt wirklich wählen können. Wenn ich ein bestimmtes Werk haben wollte, gab es davon oft nicht mehr als eine Aufnahme. Selbst bei Bote&Bock in der Hardenbergstrasse war die Auswahl damals natürlich noch ziemlich begrenzt. Also habe ich gekauft, was es gab! So kamen dann die Dirigenten und Solisten in meine Sammlung, die damals bei den grossen Plattengesellschaften Aufnahmen machten. Um nur mal einiger der Dirigenten zu nennen: Furtwängler, Walter, Markevitsch, Lehmann, Reiner, Ormandy, van Kempen, dann auch Fricsay und Cluytens.
    Da ich als Berliner in den 50er Jahren auch in Ostberlin einkaufen konnte - und das war wegen des damaligen Wechselkurses extrem billig - kam ich dann auch an Aufnahmen von Talich, Vogel, Chalabala, Pedrotti, Matacic, Kletzki, Ferencsik, Mrawinski und manch andere Dirigenten! Aber auch da war nicht viel an Wahloptionen. Also kaufte ich was gerade da so angeboten wurde!


    Nach der Schulzeit habe ich nur noch sehr begrenzt Platten kaufen können - obwohl ich nebenbei gearbeitet habe. Wenn ich mir denn mal eine LP leisten konnte, habe ich meist sehr lange recherchiert, verglichen und geprüft, ehe ich von dem knappen Geld investiert habe. Immerhin hatte ich inzwischen durch die ständigen Live-Aufführungen bei den verschiedenen Orchestern und in den verschiedenen Opernhäusern eine recht guten Überblick und klare Präferenzen. Also habe ich sehr gezielt Aufnahmen gekauft, von denen ich damals überzeugt war, dass sie die besten Interpretationen der Werke boten, die ich haben wollte. Erst hier wurde ich eigentlich von Sammler zum Jäger!


    Seit ich im Beruf bin - und das ist seit 1968 - und eigene Einnahmen habe, hat sich das Kauf- und Sammelverhalten noch mal verändert. Da habe ich dann wirklich versucht die Sammlun systematisch auszubauen. Dabei ging es zum einen um die Kompletterierung des Repertoires, aber auch um das Sammeln von Aufnahmen der Künstler, die mir im Laufe der Jahre wichtig geworden waren!
    Inzwischen würde ich sagen, dass ich alles habe, was ich brauche.
    Und dennoch kaufe ich fröhlich weiter!
    Ja so ist das!!
    Jetzt bin ich immer noch Jäger, der sich informiert und aufspürt, was noch fehlt und was vielleicht lohnt!
    Aber irgendwie habe ich auch die Veranlagung zum Sammler bisher nicht hinter mir gelassen! So bin ich auch weiter einer, der eben mitnimmt und in die Regale stellt, was gerade so angeboten wird! Verrückterweise oft dicke Boxen, weil sie so verführerisch billig sind!


    Aber ich trenne mich auch von Aufnahmen, die mir nicht mehr so wíchtig sind und von denen ich annehme, dass ich sie wohl kaum mehr höre werden!
    Gerade neulich habe ich wieder einige dutzend Aufnahmen an Studenten verschenkt, die sich darüber sehr gefreut haben!


    Das ist schöner, als sie ständig abstauben zu müssen und sie dann doch nicht aufzulegen!


    In diesem Sinne:
    herzliche Grüße an alle Sammler und alle, die von ihrem Reichtum auch mal abgeben!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!


  • Die Frage hinsichtlich der Neueinspielungen, ob diese Neues bieten müssen (!), kann man allerdings anders beurteilen. Der Zwang zu Neuem geht meiner Ansicht nach ab einer zu definierenden Grenze daran vorbei, in Noten gefasste Absichten eines Komponisten wiederzugeben, denn die Möglichkeiten zu neuen Deutungen sind endlich.

    Lieber Frank, hier muss ich aber doch mal einhaken. Wenn ich eine Neuaufnahme habe, die klingt wie Karajan, dann kann ich auch beim Original bleiben, dann brauche ich nicht das "Neue". Genau genommen unterstellst du, es gibt nur einen sehr engen Spielraum für Interpretationen, denn alles Wichtige hat der Komponist schon in Noten gesetzt. Aber dann brauchen wir keinen Dirigenten, denn die Musiker können ja alle Noten lesen. Es gibt unendlich viele Interpretationsmöglichkeiten, das fängt mit dem Tempo an, wie schnell ist allegro, bei der Lautstärke, wie laut ist forte, bei der Phrasierung, bei der Stimmführung (wie verhalten sich Haupt- zu Nebenstimmen), wie beschleunige ich, wie verlangsame ich, wie gehe ich mit dem fermate um, legato, staccato, das steht alles da, ist aber auslegbar. Und das ist das Schöne an der Musik, dass man eben alt Bekanntes manchmal ganz anders hört. Und so meinte ich es.

    Zitat

    Aber ich trenne mich auch von Aufnahmen, die mir nicht mehr so wíchtig sind und von denen ich annehme, dass ich sie wohl kaum mehr höre werde!

    Das will ich eigentlich auch, schon wegen des Platzproblems. Manchmal gelingt es mir, dann wieder bringe ich es nicht fertig. Es sind doch eigentlich keine schlechten Aufnahmen, warum weggeben? Ich suche da noch an Argumenten....
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

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