Mich hatte natürlich die Dasch in die Komische Oper gelockt. Ich wollte sie nicht verpassen. Ein geübter Janáček-Hörer bin ich nicht, und so habe ich mich einfach in die Vorstellung gesetzt.
Giedrė Šlekytė dirigierte das Orchester, das kurzfristig die Covid-Quarantäne einiger Musiker zu kompensieren hatte. Ich habe davon nichts gemerkt. Ob Janáčeks Musik noch schroffer klingen soll, wie hart die Schläge aus dem Graben klingen müssen, die auf der Bühne die Protagonisten treffen, kann ich nicht sagen, aber beeindruckend ist die Musik.
Stephan Rügamer ist ein bewährter Tichon. Er hat die Partie in der Breth-Inszenierung an der Staatsoper gesungen. Magnus Vigilius, den ich in Prag als Lohengrin sah, sang heute den Boris. Zwei schwache Männer - dieser mittellos und vom tyrannischen Onkel Dikoj (Jens Larsen) abhängig, jener seiner ebenso tyrannischen Mutter Marfa untertan. Nicht einmal zusammen könnten sie Katjas Sehnen stillen.
Jetske Mijnssen hat inszeniert und dem Stück jeden landschaftlichen, jeden folkloristischen Bezug ausgetrieben. Die Wolga könnte auch die Schelde sein, oder die Wupper. Das ist sicher modern, aber auch ein Verlust. Ostrowskis Gewitter habe ich vor Jahren gelesen, an der Wolga bin ich spazieren gegangen - der Atem des großen Flusses ist ausgeladen, ausgesperrt an diesem Abend.
Im liebelosen Haus der Kabanows gibt es nur Stühle und Tische, aber kein Bett. Selbst Marfa und Dikoj, beide nicht mehr jung, müssen den liebelosen Geschlechtsverkehr auf dem harten Boden unter dem Tisch ausführen. Nichts da, was ihnen zum Lager dienen könnte. Die Paare aber, sie sich lieben, Katja u. Boris, sowie Warwara (Karolina Gumos) u. Wanja (Timothy Oliver) müssen in den Garten ausweichen.
Es wird in Originalsprache gesungen, aber keiner der Akteurs hat das Tschechische als Muttersprache.
Und die Dasch? Sie hat mich beeindruckt. Wie ihr bewußt wird, daß das unstillbare Sehnen die Verhältnisse sprengen, sie in den Untergang reißen wird, wenn sie ihm nachgibt; ihr Entschluß, dennoch dem Sehnen zu folgen: Das fand vor meinen Augen und Ohren auf der Bühne statt und war großartig!
Das Schlußbild ist eigentlich das gelungenste: Katja, die Gift genommen hat, ist zu Boden gesunken. Links kauert ihr Mann, rechts ihr Liebhaber. Sie haben sie nicht im Leben halten können.