Gielen musste damals in Frankfurt nicht nur ein Orchester, sondern auch ein Publikum von sich überzeugen. Und während die Ablehnung am Anfang auf allen Seiten gross war, veränderte sich das mit den Jahren. Es kamen Menschen in die Frankfurter Oper, die bereit waren, sich (auch) auf Gielen einzulassen. Die Zustimmung zum Dirigenten Gielen wuchs merklich an, manchmal schienen die Buh-Rufe nach den Premieren eher dem Operndirektor zu gelten.
Übrigens: Gielen war am Anfang nicht sehr angetan, von den Bildideen bsplsw. eines Neuenfels. Aber er hat sich in der Diskussion mit den Regisseuren überzeugen lassen - und wurde dann geradezu ein vehementer Verteidiger von dem, was man in der Oper "Regietheater" nennt. Mit dem Ergebnis, dass Frankfurt als das spannenste Opernhaus überhaupt galt.
Im Gegensatz zu Zwielicht gehöre ich zu der Generation, die mit der "Aera Gielen" sozusagen gross geworden ist. Der Regie-Assistent von Neuenfels schickte mich damals (ich war knapp unter 20) in die "Gezeichneten" von Schreker. Phänomenal, war für mich völlig neu, sowohl szenisch, als auch musikalisch. So spannend, aufregend, direkt hatte ich Oper noch nie erlebt. Danach war ich sehr häufig Gast in der Oper Frankfurt - die Zeit von Michael Gielen als Opernchef hat mich stark geprägt.
Es war ein völliger Absturz, als nach Gielen die Pult-Katastrophe Gary Bertini dessen Stelle übernahm - langweilig, uninteressant, uninspiriert und szenisch: ein Rückschritt, wie ich ihn in Frankfurt nicht für möglich gehalten hätte.