Ein Beispiel, ein alter Text Ludwig van Beethoven - Klavierkonzert Nr 1 in C-dur op 15 aus dem Thread zum 1. Klavierkonzert Beethovens, den ich gerade analysiere, der Autor möge mir verzeihen; ich hätte auch hundert andere Postings nehmen können:
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Arturo Benedetti Michelangeli – diesen Namen zu hören, bedeutet, sich im Geiste in Demut zu verbeugen vor der Größe seiner Kunst.
Diese Aufnahme ist der Mitschnitt eines live gespielten TV-Konzerts, klanglich ist sie noch sehr gut, wenngleich nicht so hervorragend wie die Perahia-Aufnahme. Das Orchester spielt im Vergleich zum RCO burschikoser, schroffer, weniger luxuriös, auch weniger glatt. Eine im Vergleich deutliche größere Dynamik fällt auf.
Michelangeli macht mit seinem ersten Einsatz klar, dass hier ein Weltklassepianist am Werke ist. Er fängt mit den Noten um Welten mehr an als Perahia, spielt differenzierter, nuancenreicher, interessanter. Der Zuhörer kann sich hier nicht wie bei Perahia entspannt zurücklehnen, sondern wird zum aktiven Zuhören aufgefordert. Letzteres gilt auch für Giulini, im Vergleich zu dessen Dirigat Haitink doch recht eintönig klingt, wobei das RCO deutlich besser spielt. Die Läufe, die bei Perahia so schön fließen, erhalten bei Michelangeli zusätzlich Bedeutung. Hier ist auch der kraftvolle Donner, die dem Konzert auch innewohnende Gewalt zu erleben. Das Ende des ersten Satzes wirkt geradezu dämonisch. Was Michelangeli an Ausdrucksvielfalt aus diesem Konzert herausholt, ist
gigantisch.
Das Problem: Holt er diese wirklich nur heraus? Oder fügt er sie dem Konzert zusätzlich zu? Ich kann mich des Eindrucks nichterwehren, dass Michelangeli dem Konzert eine Spielweise überstülpt, die dem Werk nicht mehr eigen ist. Michelangeli macht so viel, dass es zu diesem Werk der Jugendfrische aus Beethovens erster Phase nicht mehr
recht passen will. Kurz gefasst scheint mir Michelangeli an manchen Stellen die Grenze zum Manieristischen überschritten zu haben.
Trotzdem bleibt die Feststellung: Das ist singuläres Klavierspiel, das man gehört haben sollte!
Kann man das, was da sprachlich so beeindruckend wiedergegeben wird, wirklich hören? Oder ist das tatsächlich nur ein subjektiver Eindruck, aufgeladen mit den musikalischen und außermusikalischen Neigungen des Autors? Wo ist die Grenze zwischen Wortgeklingel und analytischer Schärfe?