Alle sprechen über dasselbe Musikwerk

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    M. W. kann man auch bestätigen, daß man es zu nichtkommerziellen Zwecken (oder so) nutzt, dann geht es auch so ...

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Eine Frage: in den klassischen Sinfonien gibt es oft - so auch hier - im 3. Satz ein "Trio", das meist besonders schön ("anmutig") ist, besonders bei Schubert. Daher meine Frage: was bedeutet "Trio" (musikalisch natürlich), woher kommt diese "Vorschrift", welche sind die berühmtesten Beispiele?

    Mozart nimmt das im Trio von 543 relativ wörtlich, indem er Flöte und 2 Clarinetten das musikalische Material spielen lässt; nicht ganz allein: begleitet von Fagotten, Hörnern, Streichern, aber sehr untergeordnet und piano (im Gegensatz zum vollbesetzten Menuett), so daß das Holzbläsertrio heraussticht.


    Beim StrQ würde das wenig Sinn ergeben, oder komisch aussehen, wenn eine Person arbeitslos dasitzen würde (im Sinne von „Streichquartett sucht 2 Violinen und ein Cello“ ...).


    Ich komme erst nächste Woche zum Hören und Kommentieren

    Bei mir ähnlich, vermutlich erst am WE 17/18/19. Mai. Werde ein paar Tage in Hob. I:82-87 und/oder KV 297 sein.

    „Vielleicht werden Stockhausen und Boulez für uns mal so sein wie Brahms und Beethoven, aber zum Glück lebe ich dann nicht mehr.“
    (David Oistrach)

  • Ich habe jetzt im Trio durch reduziertes Material und Dur-moll Wechsel fast eine Schubert-Vorwegnahme gehört und zwischen Scherzo und Final-Seitensatz zyklische Integration durch Motivverwandtschaft. Aber das hat nichts zu sagen. Den Variationssatz fand ich auch toll. Lange nicht gehört.

  • Ja, das a-moll- -> A-Dur im Trio klang für mich auch immer "wie Schubert".

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich habe die Noten von https://www.free-scores.com/download-sheet-music.php?pdf=39# , sollte es noch andere interessieren. Da findet sich diese Anmerkung bei Takt 105 leider nicht


    PS: Auch hier empfiehlt es sich, die Tomaten von den Augen zu nehmen und schon erscheint auch hier der Text. Sorry wegen meines verwirrenden Beitrages.

    Vielleicht habe ich Tomaten auf den Augen, aber in der von Dir verlinkten Partitur lese ich an der Stelle (T. 105) "la seconda volta più piano" statt richtig "più presto".

    In der Neuen Haydn-Ausgabe (Joseph Haydn, Werke, Reihe XII, Band 6, Streichquartette op. 76, 777 und 103) steht es natürlich richtig. Da es weder ein Autograph noch Partitur- bzw. Stimmenabschriften gibt, sind die drei Erstausgaben aus Wien, London und Paris die einzigen relevanten Quellen, nur für den zweiten Satz von op 76/3 gibt es zusätzlich ein autographes Partiturkonzept.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

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  • Vielleicht habe ich Tomaten auf den Augen, aber in der von Dir verlinkten Partitur lese ich an der Stelle (T. 105) "la seconda volta più piano" statt richtig "più presto".

    Du hast recht. Ich hatte nur eine Tomate von den Augen genommen ...

    In der Neuen Haydn-Ausgabe (Joseph Haydn, Werke, Reihe XII, Band 6, Streichquartette op. 76, 777 und 103) steht es natürlich richtig. Da es weder ein Autograph noch Partitur- bzw. Stimmenabschriften gibt, sind die drei Erstausgaben aus Wien, London und Paris die einzigen relevanten Quellen, nur für den zweiten Satz von op 76/3 gibt es zusätzlich ein autographes Partiturkonzept.

    Danke für den Hinweis. Also beim zweiten Mal wirklich schneller!

  • Jetzt habe ich noch das Menuett mit Trio und das Finale Presto mit Noten gehört. Es fällt mir schwer, zu folgen, aber es ergibt sich durch das Notenbild beim Hören noch ein interessanter optischer Kontext, (... aus den Bemerkungen eines notentechnischen Analphabeten ;))


    Das Menuett ist am Anfang noch tänzerisch und wirkt ein wenig barock, was sich aber schon bei der Weiterverarbeitung schnell ändert, rhythmische und harmonische Modulationen setzen uns schnell in die "Jetztzeit" = 1797. Obwohl mehrfach behauptet, schaffe ich es nicht, dass Trio mit Schubert in Verbindung zu bringen. Wahrscheinlich kenne ich zu wenig von Schubert. Für Hilfe wäre ich dankbar.


    Man kann sehr schön das Arbeiten mit den Stimmen nachverfolgen. Ich habe aber (nicht wirklich nachgezählt) den Eindruck, dass Haydn lieber zum Cello als zur Viola greift. Bei der ersten und zweiten Violine kann man die Verteilung leicht verstehen.


    Der Schlusssatz erinnert an Dichte etwas an den ersten Satz, wobei, im Gegensatz zum ersten, wo die motivische Arbeit so auffällig ist, hier das rhythmische und dynamische Spiel beeindruckender ist. Die drei "forte"-Schläge am Anfang sind ein beeindruckender Start für die Entwicklung. Dass der Beginn in Moll etwas besonderes ist für ein Dur-Quartett, spürt man vielleicht, aber das Wissen kam erst mit der Bemerkung des Kollegen Johannes Roehl .


    ist der seltsamste Satz für mich das Finale. Wie schon im 1. Quartett völlig ungewöhnlich ein Moll-Beginn im Finale eines Werks in Dur, aber noch wilder, und m.E. auch ohne die Folklore-Assoziationen, die die Molltonart erklären könnten.


    Für einen Gesamteindruck fühle ich mich noch nicht richtig fit. Der wird aber auch noch kommen. :hello:

  • Das Menuett ist am Anfang noch tänzerisch und wirkt ein wenig barock, was sich aber schon bei der Weiterverarbeitung schnell ändert, rhythmische und harmonische Modulationen setzen uns schnell in die "Jetztzeit" = 1797.

    Ich finde vor allem die Phrasenlängen ganz ungewöhnlich: Z.B. folgen im ersten Abschnitt bis zur Wiederholung nacheinander Phrasen von 5, 7 und 8 Takten Länge, wobei der erste Volltakt, weil er unbegleitet ist, als Ganzes eine Art Auftakt bildet. Das ist ein sehr komplexes, völlig irreguläres Gebilde, zu dem das schlichte Thema in einem irritierenden Kontrast steht.


    Obwohl mehrfach behauptet, schaffe ich es nicht, dass Trio mit Schubert in Verbindung zu bringen. Wahrscheinlich kenne ich zu wenig von Schubert. Für Hilfe wäre ich dankbar.

    "Schubertisch" finde ich den Wechsel des Tongeschlechts bei gleichbleibendem Grundton (a-moll nach A-Dur und wieder zurück) und den plötzlich "wienerisch wiegenden" Tonfall beim A-Dur ab T. 85.

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  • Ich finde vor allem die Phrasenlängen ganz ungewöhnlich: Z.B. folgen im ersten Abschnitt bis zur Wiederholung nacheinander Phrasen von 5, 7 und 8 Takten Länge, wobei der erste Volltakt, weil er unbegleitet ist, als Ganzes eine Art Auftakt bildet. Das ist ein sehr komplexes, völlig irreguläres Gebilde, zu dem das schlichte Thema in einem irritierenden Kontrast steht.

    So etwas sehe ich zwar auch, wenn ich drauf hingewiesen werde, aber beim Hören (zum zigsten Mal seit 25 Jahren oder so) fällt es mir nicht, gewiss nicht als irritierend auf. Da frage ich mich, ob das bewusst als "Störung" wahrgenommen werden soll oder eben subkutan dahin wirkt, dass das Stück eben nicht 08/15 schematisch wirkt, ohne dass man genau merkt, warum.

    Es scheint mir schon wesentlich subtiler als zB die irritierenden Pausen im Menuett der Sinfonie 104.


    Zitat

    "Schubertisch" finde ich den Wechsel des Tongeschlechts bei gleichbleibendem Grundton (a-moll nach A-Dur und wieder zurück) und den plötzlich "wienerisch wiegenden" Tonfall beim A-Dur ab T. 85

    Ja, das meine ich auch. Das höre ich anscheinend auch ohne besonderen Hinweis. ;)


    Aufgefallen ist mir noch im Kopfsatz T.109-114. Wo kommt das auf einmal her?

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  • ist der seltsamste Satz für mich das Finale.

    Könnte der eventuell Mr. Beethoven zum Finalsatz seines op. 2 Nr. 1 inspiriert haben?

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  • Könnte der eventuell Mr. Beethoven zum Finalsatz seines op. 2 Nr. 1 inspiriert haben?

    Es ist sicher schwierig die Inspriationsquelle für den Finalsatz von Op. 2 Nr. 1 (für mich jedenfalls) zu eruieren. . Die Sonate entstand zwischen 1793 und 1795, in einer Zeit als Beethoven Schüler von Haydn war. Ich meine das an ein paar Stellen hören zu können. Die eruptive Kraft des Schlusssatzes würde ich aber dann doch eher Beethoven zuordnen ....


    Haydns Op. 76 Nr. 3 ist ein Geschöpf der Jahre 1997 und eventuell noch 1798. Im Falle eines Inspirationsflusses zwischen den Werken wäre seine Richtung dann wohl umgekehrt. ;)

  • So etwas sehe ich zwar auch, wenn ich drauf hingewiesen werde, aber beim Hören (zum zigsten Mal seit 25 Jahren oder so) fällt es mir nicht, gewiss nicht als irritierend auf. Da frage ich mich, ob das bewusst als "Störung" wahrgenommen werden soll oder eben subkutan dahin wirkt, dass das Stück eben nicht 08/15 schematisch wirkt, ohne dass man genau merkt, warum.

    Ich höre die irregulären Phrasen ohne besondere Anstrengung und nehme ebenso den Kontrast zum einfachen Thema wahr. Ob diese Wahrnehmung so "gewollt" ist oder nicht, halte ich für eine müßige Frage, das Wahrgenomme existiert jedenfalls. Hören ist bekanntlich ein durch und durch subjektiver Vorgang...


    Aufgefallen ist mir noch im Kopfsatz T.109-114. Wo kommt das auf einmal her?

    Spontan würde ich sagen, dass das einen Bezug zu der Es-Dur-Ausweichung und Rückführung nach G-Dur ab T. 33 hat, wo ebenfalls vor der Dominante ein Akkord mit tiefalterierter Quint ausgebreitet wird, was hier in der Coda dann im Kontrast noch einmal gesteigert ist. Müsste man aber genauer analyiseren...

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  • Haydns Op. 76 Nr. 3 ist ein Geschöpf der Jahre 1997

    Schön wär's :) - aber:

    Ja gut, das ist wohl richtig - nichtsdestotrotz ist die Nähe hier (Spur 12) gut hörbar:



    Pierre-Auguste-Louis Blondeau (1784-1865) hat eine Bearbeitung für StrQ u.a. dieser Sonate angefertigt. Das Quatuor ad fontes spielt natürlich sehr zupackend und präsentiert die 'Quartette' so, als seinen sie schon immer so geschrieben gewesen.


    Mir gefällt der Bezug ganz gut (ob nun Absicht oder Zufall: passons), zumal die Sonate(n) op. 2 Haydn gewidmet waren und er sie somit gekannt haben wird; an eine bewusste Reminiszenz glaube ich indes nicht - aber vielleicht haben die Töne in Haydns Kopf herumgespukt?

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  • Ich habe das "Kaiserquartett" vor diesem Thread eine gefühlte Ewigkeit nicht gehört und bin insofern für die Auswahl des Stücks sehr dankbar.


    Was mir - in bisher leider erst einem Hördurchgang - spontan aufgefallen ist, waren (i) die relative Ebenmäßigkeit des Ausdrucks im Variationssatz (es gibt letztlich keinen Ausbruch und auch keine minore-Variation), die letztlich zum feierlich-hymnischen Duktus des Satzes beiträgt sowie (ii) das in der Tat ungewöhnliche c-moll-Finale, das erst kurz vor Schluss wieder zu C-Dur wechselt.


    Insgesamt wurde mir mal wieder klar, was für ein veritables Meisterwerk dieses späte Haydn-Quartett ist.


    Für mehr Details in der Wahrnehmung werde ich (mindestens) einen weiteren Hördurchgang brauchen...


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Die relative Einheitlichkeit des Variationensatzes ist sicher sehr bewusst so gehalten. Eine Minore-Variation wäre vielleicht keine Revolution, aber zur Stabilität der Kaiserwürde (war zwar noch vor 1806, aber die Bedrohung schon sichtbar...) lieber ohne. ;) Interessanterweise schreibt Haydn im Kopfsatz des 76/6 ebenfalls Cantus-firmus-Variationen zu einem Thema, das sich dazu, anders als die Hymne, eher schlecht eignet. Da neulich anderswo die relative Seltenheit von Molltonarten in der Wiener Klassik angesprochen wurde: Ab op.64 hat, glaube ich, kein einziges Quartett mehr einen langsamen Satz in Moll (aber minore-Abschnitte oder Variationen kommen noch vor).


    Umso überraschender die in moll beginnenden Finalsätze von op.76,1+3 (was sonst bei Haydn meines Wissen nur noch in der Sinfonie Nr. 70 vorkommt, bei Mozart das Alla turca in KV 331, bei Beethoven weiß ich kein Beispiel). Ich muss zugeben, dass es mich nicht so richtig überzeugt und mehr im G-Dur-Quartett. So etwas wie eine poetische Einheit über die 4 Sätze scheint bei Haydn selbst bei diesen späten Werken noch nicht die Regel.

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  • Die relative Einheitlichkeit des Variationensatzes ist sicher sehr bewusst so gehalten. Eine Minore-Variation wäre vielleicht keine Revolution, aber zur Stabilität der Kaiserwürde (war zwar noch vor 1806, aber die Bedrohung schon sichtbar...) lieber ohne.


    Das ist auch meine Vermutung. Insofern hat diese gewisse Ebenmäßigkeit im Ausdruck (die ich keinesfalls kritisieren möchte!) vielleicht eine semantische Dimension.


    LG :hello:

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  • Erstmal danke ich Thomas Pape für den Vorschlag, dieses Werk zu hören und sich darüber auszutauschen. Tatsächlich habe ich Haydns "Kaiserquartett" heute mit Gewinn (wieder-)gehört - zunächst konzentriert in der älteren Aufnahme mit dem Quartetto Italiano, erschienen als Multichannel-SACD bei Pentatone (Abbildung unten), später nochmal vergleichend und etwas nebenher mit dem Emerson String Quartet über Apple Music. Ich habe auch noch die Aufnahme des Chiaroscuro Quartet im Regal.


    Mein Eindruck des Allegro war, dass man einem Menschen, der noch nie ein Streichquartett gehört hat, hier exemplarisch aufzeigen könnte, was vier Streichinstrumente an quasi-orchestraler Ausdruckskraft entfalten könnten - energisch voranschreitend, himmelhoch jubilierend, dann wieder abschattierend, um sich dann wieder in einen ungarischen Tanz zu steigern. Das Quartetto Italiano klingt dabei wie ein Ensemble, das sich permanent anschaut, ermuntert, zulächelt, auf jeden Fall auf kultivierte Weise ausgezeichnet versteht. Gegenüber den Emersons scheinen sie mir den feineren Ton zu haben. Aber dennoch nie blutarm, sondern furios, wenn es sein darf.


    Den Cantus-firmus-Variationen des zweiten Satzes liegt eine berühmte Melodie zugrunde, deren, ich bekenne es, ich nie müde werde. Es ist wie mit dem vierten Satz von Brahms erster Sinfonie oder Schumanns "Rheinischer" - es sind einfach melodische Einfälle für die Ewigkeit. Die ernste, elegische Stimmung bildet eine gute Abwechslung zur Verve des Eingangssatzes.


    Das Menuetto ist gefällig, aber von allen Sätzen am wenigsten bemerkenswert, wie mir scheint.


    Der Schlusssatz überrascht mit schmerzlichem Moll statt dem berüchtigten Kehraus. Der Kammermusikführer vermutet, Haydn habe hier die Stimmung kriegsbelasteter Zeiten einfliessen lassen. Er traut sich, seinem Publikum hier etwas zuzumuten, scheint mir.


    Ein sehr würdiges Werk für die Gattung Streichquartett wie auch für diese Gesprächsrunde!



    Gutes Hören


    Christian Hasiewicz

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Nachdem sich die Diskussionen vom Stück entfernen, möchte ich jetzt doch noch einmal zum Werk zurückkehren. In den letzten Tagen habe ich das Werk mehrfach gehört, da ich nur eine Einspielung auf CD besitze, zwangsweise mit dem Buchberger-Quartett aus dieser Box (CD 101):

    Außerdem habe ich das Stück auch per Youtube mit dem Alban-Berg-Quartett gehört, bequemerweise laufen die Noten bei dem Video mit.

    Ich kann mit Kammermusik generell leider nicht wirklich viel anfangen (natürlich gibt es Ausnahmen), ich brauche meistens die klangliche Vielfalt des Orchesters. Dementsprechend habe ich mich mit Haydns Kammermusikwerk bisher noch gar nicht auseinandergesetzt. Insofern schon einmal einen lieben Dank an Thomas für den Schubs in diese Richtung :)

    Die Einspielung des Alban-Berg-Quartetts hat mir etwas mehr zugesagt, die Buchberger sind in der Höhe bei den Violinen hin und wieder intonatorisch leicht unsauber. Ansonsten haben mir beide Aufnahmen aber gut gefallen.


    Beim 1. Satz war ich jedes Mal - wie von Christian Hasiewicz beschrieben - überrascht über den quasi-orchestralen Klang und die klangliche Vielfalt. Die Bordun-Passage kam für mich sehr unerwartet, passt aber gut in den Satz. Hier wurde mir erst bewusst, dass - ähnlich wie bei Haydns Sinfonien - die Beinamen oft nur auf einzelne Passage bezogen sind. Kaiserlich klingt das hier nun wirklich nicht ^^


    Den 2. Satz kannte ich bereits, das wird wohl niemanden verwundern. Ich habe beim Hören auf die von Christian Köhn geäußerte Auftaktigkeit geachtet, wirklich bemerkenswert! Bei den Buchbergern ist mir aufgefallen, dass sie die Melodie in der 1. Violine abändern: Statt den beiden Achteln fis und e (oder in anderen Ausgaben dem Vorschlag fis und der Viertel e) in Takt 13 (also da, wo in der deutschen Nationalhymne das Wort "Glanze" gesungen wird) spielen sie eine Viertel e, einen Takt später sind beide Achtel/der Vorschlag allerdings da :/ Auch lassen sie die mehrfach auftauchenden Doppelschläge weg. Leider ist in der Riesen-Box kein Booklet dabei, deshalb kann ich auch nicht nachschlagen, warum sich hierfür entschieden wurde. In allen Notenausgaben, die ich gefunden habe, war das fis aber zumindest als Vorschlag eingezeichnet. Seltsam, mich haut es da immer ein wenig aus der altbekannten Melodie raus. Gut beobachtbar fand ich auch die zunehmende Verletzlichkeit bzw. Melancholie von Variation zu Variation. Am spannendsten fand ich dabei auch die abschließende 4. Variation, welche in Takt 90f. die Synkopendissonanzketten aus der 2. und 3. Variation in hinreißender Art und Weise wiederaufgreift und in die beiden Violinen verlagert. Toll auch der zweifach auftretende Orgelpunkt des Cellos, wobei der zweite auch das Stück abschließt (interessanterweise in der Schlusskadenz mit der 1. Violine zur unerwarteten Dreiklangsterz h statt zum Grundton g - ein weiteres Beispiel für die klangliche "Verletzlichkeit").


    Der 3. Satz ist in meinen Ohren am Unspektakulärsten. Lustig fand ich die Schleifer der 1. Violine in Takt 13f., die haben mich sehr an den 3. Satz aus Mozarts 5. Violinkonzert erinnert.


    Der furiose Moll-Beginn des 4. Satzes kommt sehr überraschend. Auch hier gibt es eine große klangliche Vielfalt mit ordentlichen Kontrasten, die feurigen/spritzigen Stellen dominieren in meinen Ohren aber. Toll fand ich am Satzende das solistische Gewühle des Cellos unter den langen Tönen der übrigen drei Stimmen, diesen Gegensatz haben gerade die Buchberger toll hinbekommen.


    Noch einmal Danke für die Einladung zum Hören abseits meiner "Comfort zone", ob ich dadurch jetzt aber zum Kammermusikliebhaber werde - ich bezweifle es. Hin und wieder darf es aber doch ein bisschen mehr Kammermusik für mich sein ;)


    Liebe Grüße

    Amdir

  • Ich staune sehr über die Beliebtheit dieses Quartets hier, ich finde es wegen seines zweiten Satzes und wofür dieser verwandt wurde, kaum erträglich. Haydn kann dafür natürlich nichts, aber man kann doch die Rezption eines solchen Werkes nicht komplett ausblenden. Schon die Wahl des Stücks erscheint mir problematisch. Der Variationssatz mag meisterlich gemacht sein, das Finale überraschend dramatisch - aber diese Hymne überlagert wegen ihrer Bekanntheit ALLES und es ist mir ABSOLUT UNMÖGLICH, dieses Quartett anzuhören.

  • aber diese Hymne überlagert wegen ihrer Bekanntheit ALLES und es ist mir ABSOLUT UNMÖGLICH, dieses Quartett anzuhören.

    Ich kann das nicht verstehen. Es ist doch die deutsche Hymne. Sie wurde sogar in Österreich verwendet. Und beim Begräbnis von Otto von Habsburg im Juli 2011 wurde sie ein letztes Mal im Wiener Stepansdom gespielt und aud dem Stephansplatz auf einer Eidophorwand übertragen, wobei die Bevölkerung rege mitsang - offenbar textlich sattelfester als bei unserer dereitigen Hymne, der Melodie noch neueren Erkenntnissen NICHT von Wolfgang Amadeus Mozart ist...

    Davon abgesehen verbined ich NIE irgendein Musikstück mit einem Ereignis, einer Ideologie etc - sondern lasse es auf mich wirken.

    Haydns "Kaiserthema" (eigentlich ist es ja doch ein Volkslied und gar nicht wirklich von ihm) hat das Quartett durch seinen Titel ins allgemein Bewusstsein gebracht. Darin kann ich keinen Fehler sehen.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



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  • Das „Volkslied“ hat Haydn selbst komponiert.


    Der Kammermusikführer schreibt:

    Zitat

    Die neuerlichen Niederlagen Österreichs gegen die Truppen des revolutionären Frankreich lösten in ihm einen Schock aus, den er nicht nur in seinen späten Messen verarbeitete.



    Vielleicht liegt darin auch der Grund für die Verwendung der Kaiserhymne. Haydn hatte gespürt, wie spontan die Menschen auf diese Melodie und ihren Text reagiert hatten. In den ätherischen Harmonien des Quartetts verwandelt sie sich in ein Gebet – nicht für den Kaiser, sondern für den Frieden in Österreich.
    https://www.kammermusikfuehrer.de/werke/790

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Ich staune sehr über die Beliebtheit dieses Quartets hier, ich finde es wegen seines zweiten Satzes und wofür dieser verwandt wurde, kaum erträglich. Haydn kann dafür natürlich nichts, aber man kann doch die Rezption eines solchen Werkes nicht komplett ausblenden. Schon die Wahl des Stücks erscheint mir problematisch. Der Variationssatz mag meisterlich gemacht sein, das Finale überraschend dramatisch - aber diese Hymne überlagert wegen ihrer Bekanntheit ALLES und es ist mir ABSOLUT UNMÖGLICH, dieses Quartett anzuhören.

    Kann ich nicht nachvollziehen - es ist doch fabelhaft, dass unserer Nationalhymne eine Melodie zugrunde liegt, die sich auch wieder für royalen Glanz eignet, sollte Deutschland einst zur Monarchie zurückfinden.


    In diesem Sinne: Gutes Hören

    Christian Hasiewicz

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  • Bei den Buchbergern ist mir aufgefallen, dass sie die Melodie in der 1. Violine abändern: Statt den beiden Achteln fis und e (oder in anderen Ausgaben dem Vorschlag fis und der Viertel e) in Takt 13 (also da, wo in der deutschen Nationalhymne das Wort "Glanze" gesungen wird) spielen sie eine Viertel e, einen Takt später sind beide Achtel/der Vorschlag allerdings da :/ Auch lassen sie die mehrfach auftauchenden Doppelschläge weg. Leider ist in der Riesen-Box kein Booklet dabei, deshalb kann ich auch nicht nachschlagen, warum sich hierfür entschieden wurde. In allen Notenausgaben, die ich gefunden habe, war das fis aber zumindest als Vorschlag eingezeichnet.

    In der Neuen Haydn-Ausgabe fehlt der Vorschlag in T. 13, ebenso die Doppelschläge in T. 3 und 7. Im Kritischen Bericht steht dazu, dass diese Vor- bzw. Doppelschläge nur in der Wiener Erstausgabe stehen, der Vorschlag in T. 13 wurde "in der Stichplatte anscheinend nachträglich eingefügt". Die Buchbergers spielen also einfach nach der maßgeblichen Urtextausgabe. Ob das musikalisch sinnvoll ist, ist eine andere Frage, aber die meisten Herausgeber von Urtextausgaben entscheiden in Zweifelsfällen eher philologisch.


    Ich staune sehr über die Beliebtheit dieses Quartets hier, ich finde es wegen seines zweiten Satzes und wofür dieser verwandt wurde, kaum erträglich. Haydn kann dafür natürlich nichts, aber man kann doch die Rezption eines solchen Werkes nicht komplett ausblenden. Schon die Wahl des Stücks erscheint mir problematisch. Der Variationssatz mag meisterlich gemacht sein, das Finale überraschend dramatisch - aber diese Hymne überlagert wegen ihrer Bekanntheit ALLES und es ist mir ABSOLUT UNMÖGLICH, dieses Quartett anzuhören.

    Ich kann mir keine größere Differenz zwischen dem Inhalt dieses einmalig schönen Variationssatzes und dem, "wofür er verwandt wurde", vorstellen. Außerdem wurde nicht dieser Satz "verwandt" sondern sein Thema. Insofern habe ich da auch keine Probleme beim Hören. Natürlich lässt sich die sehr disparate Rezeptionsgeschichte der Melodie nicht "komplett ausblenden", aber mich bringt gerade deshalb die pure Schönheit eher zum melancholischen Nachdenken.

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  • Ich hatte ja angedroht, mich final zum Thema noch einmal zu melden. ;) Zuerst möchte ich mich bei Thomas Pape bedanken für den Vorschlag. Ich habe dieses Quartett hin und wieder gehört und mir war auch klar, dass es ein Meisterwerk ist. Trotzdem macht einen die Beschäftigung über einen kleinen Zeitraum mit nur einem Werk etwas hellhöriger. Auch der Thread mit den Beiträgen hat das Ohr geschärft.


    Die Einspielung des Alban-Berg-Quartetts hat mir etwas mehr zugesagt, die Buchberger sind in der Höhe bei den Violinen hin und wieder intonatorisch leicht unsauber. Ansonsten haben mir beide Aufnahmen aber gut gefallen.

    Den Eindruck zu den Buchbergern würde ich teilen. Besonderen Spaß hat mir die Einspielung mit dem Chiaroscuro Quartett gemacht. Die Ausnahmegeigerin Alina Ibragimova kann die erste Violinstimme so gestalten, dass man einfach zuhören muss. :) Ob Haydn jemals eine so gute Geigerin bei diesem Quartett gehört hat, bezweifle ich.


    Vor diesem Thread hatte ich den Variationensatz für den schwächsten Satz des Quartettes gehalten. Alles ist anders geworden. Seine Funktion im Quartett ist mir eigentlich erst jetzt klar geworden.


    Die beiden Ecksätze fallen sofort wegen ihrer klar erkennbaren kompositorischen Qualität auf. Das hier häufig geringschätzig behandelte Menuett ist aber für mich ein überragender Satz. Schon die Verwandlungen rhythmischer, aber auch harmonischer Art haben mich immer gefangen genommen. Das Trio ist ergreifend. Die Zuordnung zum Schubertschen Klangkosmos war mir nun neu, aber im Nachhinein auch überzeugend. Der Variationensatz, völlig unabhängig, ob man die Melodie nun mag oder nicht, kommt ein wenig unschuldig daher, aber seine Starrheit und scheinbare Einfachheit scheinen Dreh- und Angelpunkt des Quartettes zu sein. Thomas Pape nannte es Dekonstruktion, eine idee, die die spätere Verwendung vor Augen hat. Die vom Zierrat kommenden, sich zu einer inneren Bescheidenheit entwickelnden Variationen, die am Ende sich über einem Orgelpunkt aushauchende Melodie, sind tatsächlich musikalisch etwas ganz Besonderes.


    Haydn scheint in diesem Quartett zwar noch die Form zu wahren, aber inhaltlich die Anlagen zum Transzendieren dieser Struktur zu legen, eine Eigenschaft, die ich vorher nicht gesehen hatte.

  • Ich kann mir keine größere Differenz zwischen dem Inhalt dieses einmalig schönen Variationssatzes und dem, "wofür er verwandt wurde", vorstellen. Außerdem wurde nicht dieser Satz "verwandt" sondern sein Thema. Insofern habe ich da auch keine Probleme beim Hören. Natürlich lässt sich die sehr disparate Rezeptionsgeschichte der Melodie nicht "komplett ausblenden", aber mich bringt gerade deshalb die pure Schönheit eher zum melancholischen Nachdenken.


    Das geht mir ähnlich. Ich empfinde diesen Variationssatz als eine wunderbare Verarbeitung des Themas, die in einem sehr angenehmen Kontrast zu den Zurichtungen eben dieses Themas durch diverse Militärkapellen bei offiziellen Anlässen steht.


    LG :hello:

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    Ich habe in den letzten Tagen mehrfach die Aufnahme mit dem Amadeus Quartett gehört, das in meiner Jugend ja als das Maß aller Dinge erschien, vorzugsweise wenn man aufs Label "Deutsche Grammophon ist - wie ich es einst war. Vor eingen Jahre Jahren waren im Forum einige kritische Stimmen zu deren Spiel zu hören, sodaß ich vorerst lange gezögert habe die Aufnahmen hier zu erwähnen. Aber dann habe ich sie doch angehört und war überrascht über deren idealer Mischung aus Zugriff und Lieblichkeit, zwei Dinge die gleichzeitig eher selten vorkommen. Hier höre man im Vergleich etwa die - durchaus klassisch ausgewogene - Aufnahme mit dem Kodaly Quartett an, die an sich gute Kritiken hatte und IMO etwas das vorstellte, was man sich als Klassik-Neuling von eiem Haydn-Streichquartett erwartet. Vielleicht ein wenig "akademisch" - wie immer man das auslegt.

    Nichts davon beim Amadeus-Quartett. Ich war -nach langer Zeit des Nichthörens - überrascht wie begeistert sie den ersten Satz begannen. Der hat nicht die Wiederholungen. Dennich - er ist mit einer Spieldauer von 5 Minuten erheblich schneller als beispielsweise die "Kodalys" - und die spielen auch keine Wiederholungen.

    Die Aufnahme ist an sich ausgewogen, in den Höhen tendenziell leicht spitz (oder "durchsichtig" - wie mans halt sieht)und in den Tiefen lagend durchaus präsent. Allerdings gibt es Stellen, wo die Buchbergers, auf Grund der leicht dunkleren Gesamtabstimmung der Aufnahme (liegt IMO vermutlich eher an den verwendeten Instrumenten als an der Aufnahmetechnik ?) (geringfügig!!!) eindrucksvoller sind, beispielsweise in der ungarischen(?) oder schottischen (?) Passage im ersten Satz (Ich neige mit Prof. Buchberger zur 2. Vermutung ) oder beim (rabiaten ;))Beginn des Finalsatzes.

    Prinzipiell aber eine Aufnahme mit der man zufrieden sein kann...


    Ich besitze seit eingen Jahren eine 3 CD-Box (gestrichen) und habe mir an Stelle derer heute eine 10 CD-Box (siehe oben)für 39.99 (!!) bestellt....

    Hier noch eine Hörprobe:



    mfg aus Wien

    Alfred


    clck 21.000

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ich mag das Amadeus-Quartett sehr und schätze auch den Umstand, daß die sich aufgelöst hatten, als eines der vier Mitglieder starb.


    Die Aufnahme ist an sich ausgewogen, in den Höhen tendenziell leicht spitz (oder "durchsichtig" - wie mans halt sieht)und in den Tiefen lagend durchaus präsent.

    Bei mir läuft die alte Original-LP, von der ich das nicht sagen kann. Das "Spitze" wäre für die alten DGG-Produktionen auch eher ungewöhnlich gewesen.


    Es gibt übrigens mehrere Aufnahmen des Amadeus-Quartett von op. 76,3. Eine erste Studio-Aufnahme erschien direkt zu Beginn ihrer Platten-Karriere 1953 bei Electrola (auch als Schellack-Set erhältlich seinerzeit), 1964 die bekannte stereo-Aufnahme für die DGG, mal mit Beethoven, mal mit Mozart, mal mit Schubert gekoppelt und dann wieder mono und in den 1950ern die Rundfunksitzungen für den RIAS, mittlerweile allesamt veröffentlicht. Hier die Haydn-Box aus dieser Serie:



    Ich hätte ja vermutet, daß op. 76 bei diesen Rundfunksitzungen komplett gespielt worden wäre, ist es aber nicht. op. 73,3 ist nahezu selbstredend dabei, so daß ich unterstelle, daß dieses Werk von Nobert Brainin und seinen Mitstreitern sehr geschätzt wurde. Biographisch betrachtet hätte Brainin übrigens Gründe genug gehabt, Satz zwei für ungenießbar zu halten, hat er aber offenbar nicht.


    Thomas Pape nannte es Dekonstruktion, eine idee, die die spätere Verwendung vor Augen hat. Die vom Zierrat kommenden, sich zu einer inneren Bescheidenheit entwickelnden Variationen, die am Ende sich über einem Orgelpunkt aushauchende Melodie, sind tatsächlich musikalisch etwas ganz Besonderes.

    Die Dekonstruktion habe ich auf die jeweiligen Interpretationen bezogen. Die spätere Verwendung konnte Haydn nicht vorausahnen (ebensowenig wie Hoffmann von Fallersleben die Fehlinterpretation seine Deutschlandliedes). Es ist aber auch richtig, daß wir Musik nicht ohne unser heutiges Wissen hören können (und Musiker wohl auch nicht spielen. Eine extreme Position lese ich bei Christian B. :


    Ich staune sehr über die Beliebtheit dieses Quartets hier, ich finde es wegen seines zweiten Satzes und wofür dieser verwandt wurde, kaum erträglich.

    Wofür ist es denn verwandt worden? Ursprünglich als k.u.k. Kaiserhymne gedacht begleitet uns die Melodie als Nationalhymne seit 1922 mit kurzer Unterbrechung in guten wie in schlechten Zeiten. Ich verstehe natürlich, was Du meinst. Es ist in etwa das, was ich meinte mit der Wahrnehmung von Traurigkeit und Demut, die in frühen Nachkriegsaufnahmen herauszuhören ist. In meinen Ohren jedenfalls. Beim Durchhören verschiedener Aufnahmen des Quartetts lässt sich nicht überhören (wiederum die Wahrnehmung von Thomas, dem diese Hymne durchaus bedeutsam ist), daß die über die reine Komposition hinausgehende geschichtliche Fracht durchaus reflektiert wird. Genauso, wie man nicht nicht kommunizieren kann kann man ignorieren, daß das Lied eben auch Nationalhymne ist. Den interessantesten Umgang damit hat das Quatuor Mosaiques, die aus dem Concentus Musicus hervorgegangen sind, und die Melodie schlichtweg stellenweise anders spielen. Ich weiß nicht, ob es eine Haydn-Partitur gibt, in der die Melodie so verzeichnet ist oder ob die Mosaiques hier das kroatische Volkslied zitieren, jedenfalls spielen die nicht die Hymnenmelodie. Nachzuhören wäre das hier in der ingesamt hörenswerten Gesamtaufnahme von op. 76 auf historischen Instrumenten und historischer Spielweise verpflichtet:



    Ich verwende den Konjunktiv, weil die Doppel-CD leider nur auf Umwegen beschaffbar ist. Auch hier würde ich von Dekonstruktion sprechen. Die Emersons spielen elegant-zügig über das Hymnenartige hinweg, die Heutlings ebenso. Das sind freilich alles persönliche Wahrnehmungen, in den Booklets / auf den Plattencovern finden sch keine diesbezüglichen Aussagen der Musiker. Bemerkesnswert finde ich es allemal, was dies unschuldig und sehr schöne Melodie alles zu transportieren vermag


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zum Nachhören gibt's die Aufnahme der Mosaiques hier. Die Veränderungen klangen in meinem Auto anders als hier und wahrscheinlich mit meinem Kopfhörer wieder anders. Ab 4:35 lässt sich nachhören was ich meine:



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich staune sehr über die Beliebtheit dieses Quartets hier, ich finde es wegen seines zweiten Satzes und wofür dieser verwandt wurde, kaum erträglich. Haydn kann dafür natürlich nichts, aber man kann doch die Rezption eines solchen Werkes nicht komplett ausblenden. Schon die Wahl des Stücks erscheint mir problematisch. Der Variationssatz mag meisterlich gemacht sein, das Finale überraschend dramatisch - aber diese Hymne überlagert wegen ihrer Bekanntheit ALLES und es ist mir ABSOLUT UNMÖGLICH, dieses Quartett anzuhören.

    "Geh doch nach drüben" ist ja leider keine Option mehr (aber es gibt ja noch andere Länder, wenn auch wenige ohne Nationalhymne oder mit einer schöneren Melodie). Aber mich wundert schon, dass Du es anscheinend schon recht lange in einem Land, dessen offizielle Nationalhymne Dir völlig unerträglich ist, aushältst. Sport im TV immer nur ohne Ton?

    Und dass das anscheinend auch so wichtig für dich ist, dass Du es hier einbringen musst. Si tacuisses...?

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich lebe sehr, sehr gerne in diesem Land und war überrascht, dass über jedes Detail dieses Werks diskutiert wird, aber die Tatsache, dass das Thema des zweiten Satzes durch seine Verwendung als Nationalhymne ein losgelöstes Eigenleben hat, dem man sich ja nicht entziehen kann, völlig unerwähnt blieb. Wie immer man zu diesem nationalen Eigenleben zu den üblichen Anlässen (Empfänge von Staatsoberhäupten und Fußballspiele) stehen mag - allein durch diese Verwendung ist das Thema abgegriffen und für mich quasi zu Tode gespielt.

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