Hallo Blondchen,
na, dann lies einem Kind einmal ein erbauliches Märchen vor - am besten, so das Kind ein Haustier hat, den "Herr Korbes". Aber es gibt auch noch andere, die sich ideal eignen, um Alpträume zu garantieren.
Ich kann Dir nur aus eigener Erfahrung sagen, daß mir als Kind Märchen mitunter eine höllische Angst verursacht haben. Zu lebhafte Fantasie? - Mag sein... Jetzt lese ich sie sehr gerne. Aber ich hab ja überhaupt eine Schwäche für Horror-Geschichten.
Eine andere Frage ist nun, wie auf der Bühne mit den Inhalten einer Oper umgegangen wird.
Opern enthalten Szenen voller Sex und Brutalität - sind wir uns soweit einig? Nun kann der Regisseur über diese Szenen den Mantel des Beschönigens breiten. Oder er zeigt eben, daß es in diesen Szenen um Sex oder/und Tod geht. Ein paar Beispiele:
Don Giovannis "Liebes"-Erlebnisse haben nichts Poetisches.
Siegmunds Tod ist nicht hehr, er krepiert, weil ihm Hunding einen Speer in den Leib rammt.
Tristan krepiert an Wundbrand.
Die Hexe in "Hänsel und Gretel" wird im Ofen verbrannt - Nachklang der mittelalterlichen Hexenverbrennungen durch "reine Bürger".
Tannhäuser erlebt eine Sex-Orgie.
Parsifal auch (nur macht er nicht mit, weil er nicht weiß, wie es geht).
Euridice krepiert an Schlangengift.
Aegisth und Klytämnestra werden mit einer Axt erschlagen.
Jochanaan wird geköpft, nachher hat Salome Sex mit dem abgeschlagenen Kopf.
Wozzeck wird brutal zusammengeschlagen (oder gar vergewaltigt?), ehe er selbst Marie mit einem Messer ermordet. In derselben Oper macht ein Arzt Menschenversuche.
Katerina Ismailowas Schwiegervater krepiert an einer Dosis Rattengift, die ihm seine chwiegertochter beibringt.
Macbeth ermordet ein paar Menschen.
usw. usw.
Und jetzt ist der Regisseur der Böse, weil er die Menschen nicht in Schönheit sterben läßt und weil er es wagt, Sex als Triebkraft darzustellen?
Komponisten haben ihre Opern eben nicht für Kinder geschrieben (es sei denn, sie haben richtige Kinderopern geschrieben, wie es Britten, Henze, Knussen, Hiller oder Menotti gemacht haben). Wenn man von einem Regisseur verlangt, diese Opern "jugendfrei" zu inszenieren, verkleinert man die Werke, sie werden beschönigend statt wahrhaftig.
Damit will ich keineswegs sagen, daß es im Regietheater nicht Auswüchse gibt (Alviano etwa akzeptiert wesentlich radikalere Lösungen als ich). Aber für mich ist der schlimmste Auswuchs der Regie dieses verniedlichende harmlose Herumsteh- oder Herumhops-Theater, wie es ein Sanjust, ein Schenk, ein Zeffirelli, ein (wohl am grauenhaftesten) Karajan etc. auf die Bühne gebracht haben oder bringen.