Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"

  • Ich habe ohnehin zitiert, was als "problematisch" angesehen wird:

    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Ich finde es echt krass, dass dauernd Künstlern älterer Epochen schlechter Geschmack vorgeworfen wird (wenn auch nur implizit).


    Glaubt ihr wirklich, wir hätten heute DEN BESSEREN Geschmack?


    damit es klarer wird, ein längerer Ausschnitt aus Severinas Text:

    Zitat

    man entlehnt Versatzstücke aus einer hist. Epoche und adaptiert sie, und heraus kommt ein "Fantasiemittelalter", das aber seinen Zweck erfüllt, nämlich den Opernbesucher ein Stück "guter, alter Zeit" vorzugaukeln, in der Männer noch mit dem Degen in der Hand um Ehre und Frauen kämpften und schicke weiße Spitzenkrägen trugen. Nö, ich mache mich jetzt über diese Erwartungshaltung gar nicht lustig, denn hin und wieder flüchte ich auch ganz gerne in diese Scheinwelt.


    Sie hat den Eindruck, als würde man es heute nicht mehr als akzeptabel ansehen, was im Verismus/Naturalismus künstlerisch gewünscht war (wobei ich "gute alte Zeit" für ein Mißverständnis von Severina halte). Naturalismus auf der Opernbühne wird also als eine nicht der heutigen Zeit gemäße Werkkonzeption angesehen, damals war es natürlich modern und zunächst sogar avantgardistisch.


    Wenn man sich aber die alte Kunst reinzieht ohne sie extra einem Umdeutungsprozess zu unterziehen (was heute nur sehr selten im Bereich der Oper möglich zu sein scheint) leidet man nicht unter Geschmacklosigkeit sondern fühlt sich im besten Falle in eine vergangene Ästhetik ein (etwas, was ein Musik-Interpret mitunter auch macht).

  • Hallo KSM,

    Zitat

    Naturalismus auf der Opernbühne


    gibt es nicht, da niemand, absolut niemand im wirklichen Leben alle seine Befiindlichkeiten singt. Es handelt sich also a priori um eine Stilisierung. Die naturalistische Wiedergabe einer Stilisierung erscheint mir, mit Verlaub, höchst problematisch.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo KSM,


    gibt es nicht, da niemand, absolut niemand im wirklichen Leben alle seine Befiindlichkeiten singt. Es handelt sich also a priori um eine Stilisierung. Die naturalistische Wiedergabe einer Stilisierung erscheint mir, mit Verlaub, höchst problematisch.


    Naturalismus im Theater gibt es (Holz/Schlaf, Hauptmann).


    Naturalismus auf der Opernbühne ist wahrscheinlich eine Ungenauigkeit von mir gewesen, da Naturalismus nicht gleich Verismus ist. Ob die Bühnenbilder SOO weit voneinander entfernt sind, ist die Frage - vor allem wenn man die Distanz zum Regietheater berücksichtigt - von dort nämlich (Regietheater) ist Naturalismus und Verismus eher schon dasselbe zu bekämpfende Übel ...
    :rolleyes:

  • Hallo Forianer,


    hier sind meine Thesen zu diesem Thema:



    (1) Opern-Aufführungen müssen nicht mehr in üppigen Kostümen und Bühnenbildern stattfinden, um trotzdem zu gefallen.


    (2) Regisseure, die sehr viel mit Lichttechnik arbeiten, erzeugen oft eine Atmosphäre, in der man sich wohlfühlen kann.


    (3) Regisseure, die sich an die Vorgaben von Komponist und Librettist halten und trotzdem Aussagen für die Gegenwart treffen, verdienen meinen vollsten Respekt.


    (4) Regisseure, die in ihren Inszenierungen die Skandalränder immer weiter ausdehnen und die in Werken etwas hinein interpretieren (was nicht Libretto-konform ist), sollten durch Nichtanwesenheit bei ihren Aufführungen gestraft werden.


    (5) Der Chor wird zunehmend wieder nur herumstehend in die Inszenierungen eingebaut, da war die Regie-Kunst schon weiter.


    (6) Die Personenführung gerät oftmals zu plakativ-oberflächlich oder zu abstoßend-brutal-überzogen, um Handlung auf der Bühne und im Inneren der Gestalten vorzutäuschen.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:


  • Hallo KSM,
    deshalb habe ich die "gute alte Zeit" ja in Gänsefüßchen gesetzt, weil's die in Wahrheit so nie gegeben hat, sondern ein Ausfluss von Nostalgie und Gegenwartsverdrossenheit vieler ist. Diese Sehnsucht, auch wenn sie völlig irreal ist, wird bei Staubi-Inszenierungen bedient, und das halte ich für durchaus akzeptabel und legtim. Ich finde, JEDER hat das Recht, in der Oper auf seine Art glücklich zu werden, deshalb plädiere ich ja immer so heftig für Stilpluralisms!
    lg Severina :hello:

  • LL (Liebe Leute),


    nun steige ich nach über 1000 Beiträgen hier ein, und muß sagen, daß das Lesen (teilweise Überfliegen) höchst anregend, unterhaltsam, witzig, manchmal auch lächerlich war.


    Wichtig ist, glaube ich, festzuhalten, was hier jemand gesagt hat:


    Oper ist die künstlichste aller Kunstformen, und so schon per se "absurd".


    Gehen wir zurück:


    1.) Früheste Kunstformen sind Bilder, diese finden wir in diversen Höhlenmalereien, und da sind sie "schon" abstrakt, einfach, weil a.) die Meisterschaft ("Übung", a propos, wer hat mal den Peanuts Comic, wo Schröder am Klavier sitzt, und von Lucy gefragt wird, wie er so gut spielen kann, wo es doch keine schwarzenTasten auf seinem Klavier gäbe, und er antwortet: "Alles Übung!" für mich parat? Den suche ich seit Jahrzehnten...) und b.) "damals" die "Lebens"- und auch "Arbeits"-Zeit vielleicht auch nicht so viel Freizeit bot, dies zu größerer Meisterschaft zu führen.


    2.) Dann haben wir Skulpturen.


    3.) Dann kommen Schriften.


    4.) Dann kommt Musik. (Lieder)


    5.) Dann kommt Musik (Konzert)


    6.) Dann kommt Oper.


    7.) Dann kommt Film (Kino + Fernsehen).


    OK, mit Überschneidungen.


    Wenn wir uns nun an die Rezeption dieser Kunstformen wagen, so haben wir uns immer mehrere Dinge zu fragen:


    a.) Wann ist es entstanden? (Hierbei ist wichtig: In welcher Zeit (also: Kulturkreis!), mit welcher Intention (sehr schwer, viele Künstler haben hierüber nichts hinterlassen!), womit sollte sich auseinandergesetzt werden (Kunst entsteht meist nicht "einfach nur so", sondern ist Ausdruck einer Reflektion der Umwelt!), um ein paar Aspekte zu nennen...
    b.) Wie groß ist der Spielraum, was war vorher schon da (Tradition bedeutet das Feuer weiterzugeben und nicht die Asche anzubeten! (Gustav Mahler))? Für mich beispielhaft, und das habe ich an anderer Stelle hier schon gesagt, ist z.B. das nachvollziehbar in Barcelona im Picasso Museum! Der mußte einfach im hohen Alter so malen, wie er gemalt hat, denn er konnte malen wie die Barockmeister, als er 8 Jahre alt war, und da will man doch nicht stehenbleiben, und Fließbandarbeit bis ins hohe Alter von 80 und mehr Jahren machen, oder?)?
    c.) Unter a.) schon erwähnt: Worauf soll es sich beziehen?


    Nun haben wir es in der Oper ja mit, wie oben gesagt, der "verrücktesten" Kunstform unserer Zeit zu tun, denn sie beinhaltet: Text, Musik, Umgebung (Aufführung, Darstellung, Skulptur, was auch immer).


    Das Problem hierbei ist:


    Alle drei Teile sind jedesmal eine Abänderung (erst mit der Einführung z.B. des Metronoms wurde es möglich, "Geschwindigkeit" (Tempi) in der Musik zu "objektivieren";) ), wenn sie aufgeführt werden.


    Bei den Tempi der Musik nehmen wir es gelassen hin, daß NIE eine 1:1 Umsetzung möglich ist.
    Beim Text haben wir Probleme, wenn Leute ein "o" wie ein "a" oder "e" singen, nehmen es aber auch hin.
    Beim Bühnenbild, was je sowieso schon eine Abstraktion der Niederschrift der Vorstellungen des "Autors" ist, haben die "Staubis" Probleme, und die Regielis finden es gut.


    Warum also streiten wir uns (ich würde mich hier zu den Regielis zählen, diese Kategorisierung finde ich aber absurd! Ich unterstütze Alviano massiv, und denke, daß das, was er zur Rezeption gesagt hat, so ziemlich genau auch meine Meinung wiederspiegelt!) über diesen Punkt, der ja per se schon in der Notation am weitesten fort ist von der Realität. (BTW (By the Way): Es gibt nur sehr wenige "nachweißbare" Überlieferungen von Aufführungen von Opern durch die Autoren, und auch da gab es z.T. schon massive Abweichungen von den niedergeschriebenen Bühnenanweisungen!).


    Also: Bei Höhlenmalereien ist es für uns schwer, nachzuvollziehen, was die Ursache und die Gedanken des Künstlers waren, hier sind wir frei in der Interpretation, und lassen fast alles zu (z.B. auch so einen Quatsch, wie Däniken zu den Nasca Linien!).


    Bei Bildern fängt dann der Streit schon an: Bei moderner Kunst heißt das Argument oft: Das kann doch jedes Baby! Das wage ich aber massiv zu bezweifeln!


    Bei Literatur haben wir wieder mehr Freiheit, da haben wir im z.B. im literarischen Quartett ja viel zu hören bekommen. Hier ging es immer um das, was wie vermittelt werden soll. Dokus kamen da aber so gut wie nie vor... ;-)


    Bei der Musik (konzertant) streiten wir uns über Tempi, nicht getroffene Töne, Dehnungen, Zerrungen, was auch immer.


    Bei der Oper (gilt auch für die Operette, das Musical) können wir uns nun über alles das, und mehr streiten.


    Wichtig aber ist zu bedenken: Jede Aufführung von Musik ist eine Interpretation. Anders als beim Lesen von Literatur, oder beim Betrachten von Skulpturen oder Bildern sind nicht WIR die Interpreten, sondern die Aufführenden interpretieren FÜR UNS, und wir setzen uns mit deren Interpretation auseinander. Wir haben also weniger MACHT über die Interpretation des Stückes (beim Buch machen wir uns eine eigene Vorstellung von Raum und Zeit, selbst wenn da z.B. stünde: am 22.7.2007 in Darmstadt: Ihr alle seid nicht hier, wo ich bin, ihr habt also nicht meine Umgebung, und damit seid ihr gezwungen, beim Lesen von Literatur über Eure Sozialisation Euch ein Bild davon zu machen, in Eurem Kopf! Bei Bildern und Skulpturen ist es ähnlich!). Wir sind also bei jeder Aufführung einer Oper noch eine Stufe weiter weg von dem "Original", wie es im Kopf des Künsters mal entstanden war.


    Diese Ohnmacht versuchen wir zu kompensieren, in der Form, daß die Staubis darauf bestehen, alles sklavisch (OK, ich übertreibe!) "wortgetreu" umzusetzen.


    Die Regielis sind da "offener" und versuchen, die Interpretation zu interpretieren, um sich mit den Gedanken der Aufführenden zum Aufzuführenden auseinanderzusetzen, um zu neuen Erkenntnissen über das "Stück" zu gelangen.


    Und da sind wir nun beim Punkt: Muß der erste Akt Tosca in einer Kirche spielen, brauchen wir im Ring "Germanen" oder "Felsen" oder erlauben uns Inszenierungen von Berghaus, Lehnhoff (Parsifal in Baden-Baden) oder anderen entweder durch Abstraktion (hier gab es auch den Wunsch, Oper zwar mit Personenführung, aber OHNE Kulissen aufzuführen!) oder Umdeutung, Umänderung, "Anpassung", neue Sichtweisen über das, was der Künstler wollte, zu erlangen?


    Wenn wir Wagner in Bayreuth in Richards Erstinszenierungen immer noch in Bayreuth sehen würden, so würden wir uns heute wohl zu Tode langweilen, und die Stücke wären sicherlich schon längst tot.


    Neue Aspekte, die durch die Distanz (räumlich, wie auch zeitlich) entstehen, oder erst sichtbar werden können, halten uns die Stücke "frisch", so daß sie uns auch heute noch etwas zu sagen haben. Und da ist die Tosca, im Chile Pinochets sicherlich richtig, auch wenn wir uns fragen können, warum es "nur in die 70er" gelegt wurde, und nicht z.B. heute nach Rußland, oder Afganistan oder Irak (oder ggfls. sogar nach Guantanamo!).


    Also, kurz: Oper ist die abstrakteste, "verrückteste" Kunstform an sich, und daher auch die, die am meisten "interpretiert" (im Sinne von "verändert";) ) werden muß, um aktuell zu bleiben...


    Auf eine weitere fruchtbare, spannende, unterhaltende Diskussion!


    Matthias

  • HP (Hallo Pfuetz),


    es gibt in der Diskussion um "alt-" und "neumodische" Inszenierungen hier im Forum (mindestens) zwei Frontlinien; die eine verläuft zwischen Vertretern eines Musiktheaters in Kostümen und Kulissen, die der Epoche entsprechen sollen, in der die Handlung spielt, und denen, die das für langweilig oder unergiebig halten. Es gibt aber auch eine andere Frontlinie zwischen denen, die ostentative Eingriffe der Regie in Libretto und Partitur (wie z. B. der gerade woanders diskutierte Eingriff von Herrn Konwitschny in Wagners Meistersinger) dulden, gutheißen oder interessant finden und denen, die solche Eingriffe im großen und ganzen ablehnen.


    Was mich persönlich angeht, ich mache mir aus historischen Kostümen nicht viel. Was (als Extrembeispiel) Wagner in seinen Libretti für Szenenbilder ausmalt, ist m. E. sowieso höchstens im Film praktisch umzusetzen, daher sind sie wohl eher dafür da, dass man als Leser des Librettos eine Vorstellung der imaginären Szene hat. Das ist das eine. Wenn aber Regisseur xyz meint, einen ernsten Stoff mit Gags anreichern zu müssen oder eigene Textpartien dazuerfindet, dann fehlt ihm in meinen Augen der Respekt und die redliche Auseinandersetzung mit dem ihm anvertrauten Werk. Solche Aktionen sind in meinen Augen weniger "Interpretationen" als vielmehr das Ausleben unerfüllter Kreativität im falschen Kontext. Sein Kommentar zur aufzuführenden Oper, der so gut wie niemanden interessiert, wird einem großen Publikum zugemutet. Speziell bei Stoffen, die vor dem Hintergrund des heutigen Zeitgeistes Zündstoff bieten, geraten solche Experimente dann auch gerne mal zum Schulunterricht.


    Insofern ist die Grenze zwischen Konservativen und Regiefritzen gar nicht so leicht zu ziehen. Ich für meinen Teil würde sagen, Regisseure sollten sich lieber mehr auf Detailarbeit und qualitatives Schauspiel konzentrieren, als ständig Hingucker zu fabrizieren, nur damit die Aufführung ins Gerede kommt.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Draugur
    es gibt in der Diskussion um "alt-" und "neumodische" Inszenierungen hier im Forum (mindestens) zwei Frontlinien; die eine verläuft zwischen Vertretern eines Musiktheaters in Kostümen und Kulissen, die der Epoche entsprechen sollen, in der die Handlung spielt, und denen, die das für langweilig oder unergiebig halten.


    Lieber Draugur,


    Darf ich das erste Teil präzisieren? Am liebsten würde ich dazu ja sagen. Aber wenn mann die Inszenierung sich abspielen läßt, alsob sie statt fände im Zeitalter des Komponisten, dann ist das auch begreiflich. Mit den natürlich dazugehörigen Kostüms.


    Erst eine Versetzung nach einer späteren Epoche (und besonders unseren), stieße bei mir auf Ablehnung. Das will ich nicht miterleben, und deshalb will ich solche Ausführungen nicht besuchen. Aber ich würde nie einer das Recht untersagen, solche Inszenierungen zu besuchen und davon zu genießen.


    LG, Paul

  • Zitat


    Draugur schreibt:


    Wenn aber Regisseur xyz meint, einen ernsten Stoff mit Gags anreichern zu müssen oder eigene Textpartien dazuerfindet, dann fehlt ihm in meinen Augen der Respekt und die redliche Auseinandersetzung mit dem ihm anvertrauten Werk. Solche Aktionen sind in meinen Augen weniger "Interpretationen" als vielmehr das Ausleben unerfüllter Kreativität im falschen Kontext. Sein Kommentar zur aufzuführenden Oper, der so gut wie niemanden interessiert, wird einem großen Publikum zugemutet.


    Und hier sind wir dann im Bereich, wo Unterschiede im "Erlauben" entstehen.


    Beispiele aus anderen Kunstformen:


    In der Literatur gibt es immer wieder Neu-Übersetzungen (zugegeben: aus anderen Sprachen), was ja auch kritisch zu betrachten sein kann. Aber: Wollen wir alle immer nur die Luther-Bibel lesen, oder doch auch ggfls. auf "korrektere", weil a.) korrigierte und b.) "angepaßte" Versionen zurückgreifen?


    Gut, es ist auf jeden Fall grenzwertig, aber, ich halte es für partiell erlaubt, wenn es einen Sinn ergibt, der dem Stück nicht zuwider spricht. Inwieweit man pauschal sagen kann, daß ein solcher "interpretatorischer Kommentar" niemanden interessiert, läßt sich, denke ich, auch nicht pauschal beantworten. Wie sagt mein Vater z.B. immer: "Scheiße muß gut schmecken, Millionen Fliegen können sich nicht irren!"


    Hieraus können wir ersehen, daß es um den Kontext geht, in dem das Ganze zu betrachten sein soll.


    Ein anderes Beispiel, aber auch schon massiv abgegriffen: Die Leserschaft der Bild-Zeitung hält die Zeitung auch für gut (wunderbar immer wieder dargestellt von "Dittsche"!), aber, ob wir das, was da drin steht, für gut oder wichtig oder richtig halten, ist immer noch etwas anderes.


    Also: Auch hier gilt: Wo die Grenze zwischen "Interpretation" und "unerfüllter Kreativität" liegt, muß im Einzelfall jeweils individuell entschieden werden.


    Das Anreichern mit Gags kann man auch nicht pauschalisieren, viele Opern sind ja auch mal als amüsant gedacht gewesen. Und "Gags" ist ein weiter Begriff.


    Konwitschnys Meistersinger kenne ich nicht, kann also nichts dazu sagen.


    Deinem letzten Satz mit den Hinguckern stimme ich zu!


    Gruß und gute Nacht!


    Matthias

  • Zitat

    Original von pfuetz
    Also, kurz: Oper ist die abstrakteste, "verrückteste" Kunstform an sich, und daher auch die, die am meisten "interpretiert" (im Sinne von "verändert";) ) werden muß, um aktuell zu bleiben...


    Ich denke, aktuell bleibt eine Kunstform, wenn NEUE Beiträge geschaffen werden.


    Bemerkenswerter Weise interessieren sich die meisten der Aktualitätsfanatiker (betreffend Musiktheater) kaum für neue Beiträge im Bereiche der "klassischen Musik" (das hier ist ein Forum zu "klassischer Musik"). Schließlich müßten sie sich ausgiebigst im Thread "Deutsche Musik nach 1970 - Diskussion" äußern, da sie in Deutschland leben und sich für "klassische Musik" interessieren und die Aktualität permanent im Munde führen.


    Merkwürdig ...

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  • Das ist ein berechtigter Einwand, aber in Zeiten, wo Studenten, die tonal komponieren wollen, nicht in Kompositionsklassen reingelassen werden, möchte ich mir mal einen Kommentar ersparen ;)

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Das ist ein berechtigter Einwand, aber in Zeiten, wo Studenten, die tonal komponieren wollen, nicht in Kompositionsklassen reingelassen werden, möchte ich mir mal einen Kommentar ersparen


    Echt? Na, das wäre ja interessant. Kannst du das verifizieren? Oder wenigstens plausibilisieren?

    Viele Gruesse.
    Holger.


  • Wo Du Recht hast, hast Du Recht! Es scheint tatsächlich so, daß die "Klassiker" am Anfang des 20. Jahrhunderts stehen geblieben sind...


    Es hat aber sicherlich etwas damit zu, daß vieles der Musik nach dem 1. und auch nach dem 2. Weltkrieg (John Cage, z.B.) a.) nicht so bekannt ist (Ohrwürmer-mässig!), und b.) auch noch mehr "Vorbildung" benötigt, um überhaupt noch "verständlich" sein zu können. Manches davon wird sich aber auch erst im Laufe der Zeit als "wertvoll" erweisen. Und dann ggfls. auch "besser im Ohr sein". (Ich will nicht auf Orff's Carmina Burana verweisen, aber das scheint so mit das einzige "akzeptierte" neuere Klassik-Musik "Stück" zu sein...)


    Ich will damit nicht sagen, daß wir uns damit nicht auseinandersetzen sollen!


    Matthias

  • Zitat

    Original von Holger


    Echt? Na, das wäre ja interessant. Kannst du das verifizieren? Oder wenigstens plausibilisieren?


    Ich bin mir sicher, dass das mal ein Betroffener hier im Forum erzählt hat. Wer, kann ich leider nicht mehr sagen. Nicht so toll, ich weiß. Will natürlich nicht behaupten, dass das an allen Musikhochschulen so ist, aber selbst wenn das nur für ein paar wenige Professoren gilt, finde ich es schon inakzeptabel.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Am Wochenende habe ich mir ein paar alte Hollywoodschinken reingezogen. Teilweise veraltet und in ihrem Pathos heute nicht immer direkt nachvollziehbar, aber wenn man sich drauf einlässt, sehr reizvoll und beglückend. Jetzt frage ich, müssen die jetzt auch modernisiert werden, weil's nicht mehr zeitgemäß ist? Denkt nicht, dass das nicht ginge: Disney synchronisiert seine Klassiker im europäischen Raum immer mal wieder um - merkwürdigerweise nicht im Ursprungsland - und passt sie der modernen Sprache an. :kotz:


    Und bei der Oper? Macht man es sich nicht einfach zu leicht, wenn man mit Brachialgewalt Opern zwangsmodernisiert? Mit moderner Optik die alten Inhalte verstellt und umdeutet? Sollte man dem Publikum nicht genau wie bei alten Filmen, Gelegenheit bieten, sich auf die Werte und die Gedankenwelt alter Zeiten einzulassen?

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Am Wochenende habe ich mir ein paar alte Hollywoodschinken reingezogen. Teilweise veraltet und in ihrem Pathos heute nicht immer direkt nachvollziehbar, aber wenn man sich drauf einlässt, sehr reizvoll und beglückend. Jetzt frage ich, müssen die jetzt auch modernisiert werden, weil's nicht mehr zeitgemäß ist? Denkt nicht, dass das nicht ginge: Disney synchronisiert seine Klassiker im europäischen Raum immer mal wieder um - merkwürdigerweise nicht im Ursprungsland - und passt sie der modernen Sprache an. :kotz:


    Und bei der Oper? Macht man es sich nicht einfach zu leicht, wenn man mit Brachialgewalt Opern zwangsmodernisiert? Mit moderner Optik die alten Inhalte verstellt und umdeutet? Sollte man dem Publikum nicht genau wie bei alten Filmen, Gelegenheit bieten, sich auf die Werte und die Gedankenwelt alter Zeiten einzulassen?


    Ich denke, das wurde hier schon mal angesprochen.


    Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Film und Theater/Oper:


    Das eine ist "Konserve", das andere ist "Live".


    Und mit diesem Unterschied ergibt sich auch ein Unterschied in der "Aufführungspraxis": Ja, es gibt alte "Inszenierungen", die immer noch gespielt werden (ich werde z.B. im Oktober in Berlin in die 30 (oder ist diese Inszenierung sogar schon 40 Jahre alt?) Jahre alte Inszenierung von Ruth Berghaus vom Barbier von Sevilla gehen, um genau das zu erreichen, was Du ansprichst (naja, nicht ganz, die Inszenierung müßte dann ja über hundert Jahre alt sein, und immer der Uraufführung entsprechen!)). Dennoch dürfte es für den Oper-Betrieb unmachbar sein, sich nicht immer wieder "neu" erfinden zu müssen, denn dann hätten irgendwann einmal alle alles gesehen, und Schluß wäre (es sei denn, die Weiterentwicklung würde dann ausschliesslich mit "neuen" Werken, was ja hier auch schon angemahnt wurde, stattfinden).


    Erreichbar ist das, was Du anmahnst, dadurch, daß man es filmt (oder auf DVD packt), dann kann man es "vergleichen".


    Dennoch, so denke ich, ist die Inszenierung eine "eigene Kunstform", die es am Leben zu erhalten gilt.


    Gruß


    Matthias

  • Lieber Knuspi,


    das sind ja zaghafte Bemühungen, Benzin ins Feuer zu schütten, aber leider auch so sehr verfehlt, dass ich mich ein wenig wundern muss. Sind der Argumente nur mehr so wenige - oder ist das ein Erschöpfungszustand am Ende einer für Dich doch fruchtlosen Diskussion


    Zitat

    Original von Knusperhexe
    Am Wochenende habe ich mir ein paar alte Hollywoodschinken reingezogen. Teilweise veraltet und in ihrem Pathos heute nicht immer direkt nachvollziehbar, aber wenn man sich drauf einlässt, sehr reizvoll und beglückend. Jetzt frage ich, müssen die jetzt auch modernisiert werden, weil's nicht mehr zeitgemäß ist? Denkt nicht, dass das nicht ginge: Disney synchronisiert seine Klassiker im europäischen Raum immer mal wieder um - merkwürdigerweise nicht im Ursprungsland - und passt sie der modernen Sprache an. :kotz:


    Und gerade das passiert doch laufend in Hollywood. Das eine sind die (meiner Meinung nach sehr fragwürdigen) Colorisierungen alter Filme, das andere die Remakes. Und da gibt es ja die Bandbreite von "besser gelungen als das Original" bis zu "überflüssig". Wusstest Du das noch nicht? Dann unterhalte Dich mal mit einem Cineasten Deiner Wahl. Auch die Sychronisation und Neusynchronisation ist ja alles andere als neu. Der Kult-Film Casablanca lief ja in Deutschland nach dem Krieg in einer durchaus verfälschenden Synchronisation (und die ursprüngliche Textierung von Siggi und Babarras, besser bekannt als Asterix und Obelix, als rechtslastiges Comic bei Kauka wäre auch so ein Beispiel - alles, nichts Neues unter der Sonne.


    Zitat

    Und bei der Oper? Macht man es sich nicht einfach zu leicht, wenn man mit Brachialgewalt Opern zwangsmodernisiert?


    Geschickter wäre es gewesen, nicht gleich alles mit so negativen Begriffen vollzustellen. Aber auch polemisieren muss man können, leider. Denn schlechte Polemiken sind für mich weit uninteressanter als gute, in denen eine Meinung vertreten wird, die diametral zu meiner steht. Also, noch ein wenig üben, damit ich das, was Du schreibst, auch Ernst nehmen kann.


    LG Peter

  • Lieber Matthias,


    Mit Dir stimme ich überein und darf nur noch ein wenig ergänzen:


    Bei allen Inszenierungen hat es in der Regel im Laufe der Aufführungen auch Anpassungen und Verbesserungen (leider auch manchmal Verschlechterungen) gegeben. Das ist beim Film nicht möglich, deshalb sind dort Eingriffe wesentlich deutlicher als in der Geschichte einer Inszenierung. Wie Du, Matthias, richtig gesagt hast, ist die Folge von Aufführungen etwas Lebendiges, keine einfache Reproduktion (es singen ja auch Zweit- und Drittbesetzungen usw.), während Filmaufführungen nur starre Reproduktionen dessen sind, was auf Zelloloid gebannt ist. Aber Änderungen gibt, man denke nur mal an die Nachbearbeitung von "Star Wars" - ist das nun eine Fälschung?


    LG Peter

  • Hallo matthias,


    danke für Deine Antwort. klar, Oper ist immer noch etwas anderes als Film. Das steht nicht zur Diskussion. Was ich aber nicht verstehe: Bis in die 1980er Jahre bewegten sich Neuinszenierungen mehr oder weniger im gleichen Rahmen. Ob Du jetzt den Freischütz in Köln, Düsseldorf oder München gesehen hast: Du bekamst einen Wald, ein Schloss u.s.w. Jeder Regisseur hat in diesem Kontext eigene, feine Nuancen herausgearbeitet. Dem Publikum hat's gefallen, war manchmal begeistert, manchmal gelangeweilt, aber selten derart verärgert, wie es heute so oft der Fall ist. Klar gibt es auch Anhänger der heute üblichen Inszenierungen, wo alles gegen den Strich gebürstet ist, aber darauf will ich nicht hinaus. Ich kann diesen Bruch, der mit dem Regietheater - inwieweit dieser Name passend ist, haben wir auch bereits mehrfach ergebnislos diskutiert - einsetzte einfach nicht nachvollziehen. Er erscheint mir so konstruiert, so wenig gewachsen und gewollt. So, als würde gesagt: "Peng! Ab heute gibt's beim Freischütz keinen Wald, kein Schloss und erst recht keine romantische Wolfsschlucht mehr. Das ist alles veraltet. Ab heute zeigen wir, wie das wirklich gemeint war." Und das nervt mich einfach tierisch an. Und jetzt zurück zum film: Da hast Du diesen Regiebruch nicht. Schinken wie z.B. Titanic werden so opulent verfilmt, wie früher ganz große Oper inszeniert wurde. Die alten Klassiker beeindrucken und finden immer noch ihr Publikum und werden nicht neu interpretiert. Es gibt weder eine Neuverfilmung im Regietheatersinn von "Vom Winde verweht" noch von "Doktor Schiwago". Hier "erlaubt" man den Zuschauern noch zu schwelgen, wie's früher auch in der Oper gewünscht und gewollt war.
    LG,


    Christoph


  • Hallo, Peter,


    und nun geraten wir ein wenig OT:


    Viel schlimmer als die Star Wars Nachbearbeitung (die ich nicht kenne, die aber immerhin wohl George Lucas selbst gemacht hat) ist doch das, was Moroder damals mit Metropolis gemacht hat... Ja, ich würde das als Fälschung bezeichnen, insbesondere, wenn die "Täter" behaupten, die Intention des "Künstlers" nun endlich treffen zu können...


    Wir kommen aber auch an anderen Stellen zu Problemen: Stumm-film <=> Ton-film... Da es beim Tonfilm "Bildton" gab, wurde am Rand des Bildes ein Streifen für den Ton "abgeschnitten". Ist das nun auch schon "Fälschung"? Oder die Übertragung von Cineascope im Fernsehen im 4:3 Format? Ist das auch Fälschung? Ich denke: Zumindest gewollte Manipulation. Schlimmer noch, wenn sogar Cinemascope auf 4:3 umkopiert wurde, und der "Ausschnitt" sogar noch verschoben wurde, um dem "Hauptgeschehen" gerecht zu werden...


    Matthias

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  • Hallo Knuspi,
    schön, dass du wieder da bist! :]
    Ich verstehe schon, was du meinst, nur glaube ich, dass man Film und Theater einfach wirklich nicht vergleichen kann, weil sie völlig unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten folgen. Das, was du mit Opulenz bezeichnest, ist im Film einfach ein unverzichtbarer Bestandteil - du kannst zwar den "Don Carlo" in einem völlig abstrakten, leeren Raum ansiedlen, mit "Vom Winde verweht" wird das kaum funktionieren, weil der Text alleine nicht trägt. Und im übrigen ist natürlich auch die Bildsprache des Films einem Wandel unterworfen, das sieht man doch deutlich bei den vielen Remakes. Statt kitschiger Kulissen (Quo vadis etc.) versucht man heute authentische Schauplätze zu finden, geht aus dem Studio hinaus in die Natur, von den technischen Möglichkeiten rede ich erst einmal gar nicht. (Vergleiche nur einmal "Titanic" alt und neu!!) Die Optik ist in der Oper zumindest theoretisch ein verzichtbarer, beim Film hingegen einer der wesentlichsten Aspekte. Wenn du in der Oper die Augen schließt, bleibt immer noch genug übrig, was in den meisten Fällen den Eintrittspreis rechtfertigt, aber versuche das einmal im Kino!!
    lg SEverina :hello:

  • Hallo Knuspi,


    ohne überhaupt viele Worte zu machen und sich zu wiederholen, unterstreiche ich deinen Beitrag, du hast meine volle Zustimmung.


    :yes: :yes: :yes:


    Aber es ist doch überall so, was dem einen gefällt, muss dem anderen nicht gefallen, jeder sollte die Meinung des anderen respektieren und meine Meinung ist die "Regietheater" ist nichts für mich.


    :hello:Liebe Grüsse

  • Liebe sevi und liebe musika,


    ja, ich dachte, ich wage mich noch mal in die Schlacht. ;) Gebe Sevi teilweise recht: Ich glaube nur, dass Oper früher denselben Stellenwert beim Publikum hatte, wie heute das Kino. Manche Verdi-opern sind inhaltlich ähnliche Räuberpistolen wie die alten Hollywoodkonstrukte. Ich weiß, dass der direkte Vergleich hinkt - nicht zuletzt an Deinem Beispiel vom "Augen zu" im Kino, wobei ich häufig einen alten Schinken einlege und dabei Husch, Husch die Waldfee meine Wohnung putze; kommt fast an's Opernerlebnis ran =). Vielleicht liegt die Crux einfach daran, dass Oper für mich untrennbar mit Genuss und Schwelgerei verbunden ist und das heute nur mehr leider der Film bietet. Insofern, liebe musika, wir träumen weiter!! :]


    LG,


    Christoph

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Hallo matthias,


    danke für Deine Antwort. klar, Oper ist immer noch etwas anderes als Film. Das steht nicht zur Diskussion. Was ich aber nicht verstehe: Bis in die 1980er Jahre bewegten sich Neuinszenierungen mehr oder weniger im gleichen Rahmen. Ob Du jetzt den Freischütz in Köln, Düsseldorf oder München gesehen hast: Du bekamst einen Wald, ein Schloss u.s.w. Jeder Regisseur hat in diesem Kontext eigene, feine Nuancen herausgearbeitet. Dem Publikum hat's gefallen, war manchmal begeistert, manchmal gelangeweilt, aber selten derart verärgert, wie es heute so oft der Fall ist. Klar gibt es auch Anhänger der heute üblichen Inszenierungen, wo alles gegen den Strich gebürstet ist, aber darauf will ich nicht hinaus. Ich kann diesen Bruch, der mit dem Regietheater - inwieweit dieser Name passend ist, haben wir auch bereits mehrfach ergebnislos diskutiert - einsetzte einfach nicht nachvollziehen. Er erscheint mir so konstruiert, so wenig gewachsen und gewollt. So, als würde gesagt: "Peng! Ab heute gibt's beim Freischütz keinen Wald, kein Schloss und erst recht keine romantische Wolfsschlucht mehr. Das ist alles veraltet. Ab heute zeigen wir, wie das wirklich gemeint war." Und das nervt mich einfach tierisch an. Und jetzt zurück zum film: Da hast Du diesen Regiebruch nicht. Schinken wie z.B. Titanic werden so opulent verfilmt, wie früher ganz große Oper inszeniert wurde. Die alten Klassiker beeindrucken und finden immer noch ihr Publikum und werden nicht neu interpretiert. Es gibt weder eine Neuverfilmung im Regietheatersinn von "Vom Winde verweht" noch von "Doktor Schiwago". Hier "erlaubt" man den Zuschauern noch zu schwelgen, wie's früher auch in der Oper gewünscht und gewollt war.
    LG,


    Christoph


    Hallo, Christoph,


    ich verstehe Dich, und hatte calaf in dem anderen Thread schon vor einer Weile schon mal die Oper von Lüttich empfohlen, wo noch sehr "traditionell" Opernaufführungen stattfinden. Vielleicht hilft Dir das ja auch?


    Mir selber ist das viel zu "langweilig", ich brauche auch eine weitere intellektuelle Auseinandersetzung mit dem, was in Text und Musik steht, und dann auf der Bühne gegeben wird (siehe z.B. auch die Diskussion hier). Ich denke aber auch, daß das, was Du als "Ab heute zeigen wir, wie das wirklich gemeint war" bezeichnest, gar nicht so gedacht ist. Es hat nichts damit zu tun, daß man "elitär" oder "anders" sein will, sondern es hat etwas damit zu tun, daß der Künstler (und ein Regisseur im besten Sinne sollte ein Künstler sein!) sich, wenn er "stehen bleibt", auch langweilt. Ich komme hier mal wieder mit meinem Beispiel: Gehe nach Barcelona ins Picasso Museum, und schau Dir chronologisch die Bilder dort an. Dann wird Dir "begreiflich" und "fühlbar", warum Picasso so malen mußte, wie er gemalt hat.


    Gruß,


    Matthias

  • Zitat

    Original von pfuetz
    Ich denke aber auch, daß das, was Du als "Ab heute zeigen wir, wie das wirklich gemeint war" bezeichnest, gar nicht so gedacht ist. Es hat nichts damit zu tun, daß man "elitär" oder "anders" sein will, sondern es hat etwas damit zu tun, daß der Künstler (und ein Regisseur im besten Sinne sollte ein Künstler sein!) sich, wenn er "stehen bleibt", auch langweilt. Ich komme hier mal wieder mit meinem Beispiel: Gehe nach Barcelona ins Picasso Museum, und schau Dir chronologisch die Bilder dort an. Dann wird Dir "begreiflich" und "fühlbar", warum Picasso so malen mußte, wie er gemalt hat.


    Hallo Matthias,


    ja, das verstehe ich. Aber was ist mit den vielen neuen Regisseuren, die zum ersten Mal ein Werk inszenieren? Ich glaube, dass viele auch eine Hemmschwelle haben, mal wieder traditionelle Weg zu gehen. Von einigen weiß ich es sogar.


    LG,


    Christoph


  • Denen würde ich sagen: Traut euch!


    Denn: Wer denkt, er müsse anderen einen Gefallen tun, und sich nicht traut, er oder sie selbst zu sein, der wird es mangels Authentizität nicht sehr weit bringen... Das mag zwar überheblich klingen, ich sehe es aber so. Wer sich verbiegt, kann nicht gut sein. Kunst hat immer auch etwas mit "gegen den Strom" oder "Ich will etwas Neues machen/schaffen" zu tun. Und wenn es angenommen wird, um so besser. Und wenn es nicht angenommen wird, dann ist es ja vielleicht auch nicht gut oder interessant?


    Matthias

  • Tja, das sage ich denen auch. Und wie! :D Und heraus kommen merkwürdige Mischmaschformen, denen es genau, wie Du sagst, an authentischem Erleben fehlt. Warten wir ab, was die zukunft bringt. Es bleibt spannend.

  • Hallo,


    auch wenn ich bisher nicht den kompletten Thread lesen konnte, sondern lediglich die letzten Beiträge, so möchte ich doch meine Meinung dazu schreiben.


    Ich selbst kann mich erinnern, daß ich als Kind zur Kommunion ein Abo für das Staatstheater geschenkt bekam. Ich war fasziniert von den Opernaufführungen, den Kleidern, der Kulisse und natürlich vom Ambiente. Wenn ich mich heute zurück erinnere, waren das keine modernen Inszenierungen.....mir hat es gefallen und vielleicht liegt es auch daran, daß ich heute die übertrieben modernen Inszenierungen nicht mag.


    Bspw. wurde in der letzten Spielzeit bei uns Norma aufgeführt. Einfaches Bühnenbild in kräftigem Rosa, Norma stand die ganze Zeit auf einem Podest und hatte null Freiraum, Adalgisa die ganze Aufführung lang auf einem rosa Hirsch rumrutschend und Pollione mit Flavio auf einem Hochsitz. Stimmlich absolut nichts einzuwenden aber mir als Zuschauer wurde dieses rosa und die simple Aufmachung zuviel, war nichts für mich. Ich selbst weiß auch von anderen, daß sie öfters die Augen schließen mußten, weil dieses knallige rosa, kombiniert mit der fehlenden Bewegung auf der Bühne, nicht zu ertragen war. Schade eigentlich...... klar die Bühnenbildnerin Rosa hat ihrem Namen wie üblich Ehre gemacht aber hmmm.


    Bin am überlegen, ob das nun noch hierher passt..... Für Filme, egal ob DVD oder Kino gibt es die FSK, hmmm würdet ihr sagen wir mal klassisch intererssierte Kinder in alle Vorstellungen mitnehmen oder würdet ihr euch vorher informieren in wieweit es für eure Erziehung also im Sinne von Gürtellinie (angedeuteter Geschlechtsakt, Briefe ins Höschen stecken o.ä.) geht. Hoffentlich ist das kein ot, ansonsten bitte neues Thema öffnen oder verschieben.


    Liebe Grüsse
    Chero

  • In erster Linie interessiert mich im Theater die Darstellung der Menschen, ihrer Beziehungen zueinander, zu sich selbst und zu der Welt, in der sie (bzw. wir) leben, ihren Schicksalen, Verhaltensweisen und Motivationen. Ich finde nichts langweiliger, als reines "Ausstattungstheater", platte Sentimentalitäten etc., denn dann gehe ich doch lieber ins Kino. Ich finde den Vergleich von Theater und Hollywood-Filmen auch nicht besonders glücklich. Die wichtigste Qualität des Theaters ist für mich die Authentizität der Darstellung und zwar erstmal losgelöst von jeglicher Ausstattung, das bedeutet, daß die Darstellung der Handlung, der Figuren und ihrer Motivationen theoretisch erstmal auch ohne Kostüme und Bühnenbild begreifbar sein muss. Denn genau da liegt IMO der Punkt, an dem echtes Theater stattfindet - nämlich in der puren und klaren Darstellung menschlichen Verhaltens. Was dann hinzugefügt wird, muss auch in seiner semiotischen Bedeutung überprüft werden. Ein Beispiel: als Schauspielschüler habe ich einmal im Szenenstudium den Ferdinand in "Kabale und Liebe" gespielt. Die Kostüme hatten einen, wenn auch vereinfachten historischen Bezug. Der berühmte Brief wurde dann aber von Luise auf einem Laptop verfasst, der mir dann "zugespielt" wurde... diese Idee tauchte während der Probe auf, bestand aber IMO keine Prüfung ob ihrer szenischen Berechtigung. Trotzdem hielt der Regisseur daran fest, was absolut schwachsinnig war. Ich finde, bei der Erarbeitung einer Inszenierung dürfen noch so groteske oder bescheuerte Ideen auf den Tisch kommen - sie führen oft zu erstaunlich kreativen Vorgängen und letztlich auch oft zu sehr richtigen Aussagen auf der Bühne. Aber man muss ihre Funktion, ihre Wirkung und ihre Echtheit genau überprüfen. Und der Laptop erzählte eben nichts, er machte die Handlung in keinster Weise glaubwürdiger oder erkennbarer, er war semiotisch einfach ohne jede Bedeutung - er war reiner Schnick-Schnack. Selbst wenn wir unsere Inszenierung ganz klar im Heute angesiedelt hätten, wäre der Laptop IMO Schwachsinn geblieben, denn von größter Bedeutung ist eben die Tatsache, daß Ferdinand Luisens Handschrift erkennt. Bevor man in der Schauspielausbildung auch nur eine Zeile Autorentext in den Mund nehmen darf, lernt man ein Jahr lang in Improvisationen jede, aber auch wirklich jede Handlung, jeden noch so unbedeutend erscheinenden Vorgang zu begründen, zu rechtfertigen, damit alles auf der Bühne authentisch, sinnvoll und klar erkennbar ist. Und dann ärgert man sich über einen solchen Regie-Unsinn schon.
    Ich bin durchaus der Meinung, daß man Stücke auch in unsere Zeit verlegen darf (oder in jede andere Zeit oder ins Zeitlose) - das kann ein Stück unglaublich bereichern oder mir als Zuschauer näher bringen - aber es darf dabei nicht um den reinen Effekt gehen. Jedes Stück sollte nach seiner Relevanz für unsere Zeit, für unsere heutige Gesellschaft etc. befragt werden - und d.h. nicht, daß man es in seiner ursprünglichen Form in Frage stellen muss. Natürlich muss ich das nicht mir einer Boulevard-Komödie machen ;) ich spreche hier von Stücken mit einer "tieferen" Bedeutungsebene - und das ist überhaupt nicht wertend gemeint (ich habe gar nichts gegen gute! Boulevard-Komödien). Und obwohl ich nicht finde, daß z. B. "Die Fledermaus" eine tiefe Bedeutungsebene hat, so finde ich diese Operette doch sehr hintergründig und sehr entlarvend - auch und besonders für unsere Zeit. Mich interessiert dieses Stück überhaupt nicht in der Form eines bunten Silvester-Bonbons oder einer Gala-Aufführung. Zwar interessiert mich schon, in welcher Zeit es entstanden ist etc. aber ich bin überzeugt, daß wenn man die "Fledermaus" mit einer ähnlichen Bedeutung und Wirkung wie damals aufführen will, dann geht das nur, wenn man auch unsere jetzige Gesellschaft zeigt, ihr den Spiegel vorhält und entlarvt.
    Ich halte es nicht für unbedingt notwendig, alle "alten" Werke krampfhaft gegen den Strich zu bürsten oder zwanghaft ins Heute zu verlegen - das sind berechtigte theatralische Mittel und Möglichkeiten, aber keine Allheilmittel. Mir ist eine authentische Darstellung von Menschen und Emotionen wichtig - und das geht IMO im Rokokokleid ebenso wie in Jeans. Und eben diese Form von authentischer menschlicher Darstellung ist für mich "modernes Theater", nicht die Tatsache, daß der Freischütz unter einer Autobahnbrücke spielt. Aber da ist besonders in der Oper noch so einiges zu erreichen...

  • Hallo allerseits,


    Ob wir uns wohl darauf einigen können, hier die Problematik "moderner" Inszenierungen zu besprechen und in den anderen nur die spezifischen Probleme der jeweiligen Werke anzusprechen? Wenn die Administratoren dies nachvollziehen könnten, wäre es noch besser. Bei der Menge der Meldungen dazu böte sich schon fast ein eigenes Forum an.


    Zum Thema selbst, das offensichtlich den meisten von uns besonders auf den Nägeln brennt:


    Ich beobachte mit zunehmender Sorge, auch an mir selbst als Operngänger, dass die Oper im Begriff ist, die Publikumsvertreibung des Sprechtheaters nachzuvollziehen. "Schuld" daran sind mehrere Faktoren:


    1. Die Medien, die das nicht geringe Kunststück einer werkimmanenten Inszenierung (womit nicht unbedingt eine konservative gemeint ist) verkennen und lieber eine lange Kritik über eine missratene Inszenierung schreiben als einer gelungenen, aber vermeintlich unoriginellen ähnlichen Raum zu geben.


    2. Die Intendanten, die mehr noch als leere Theater das Nichtvorkommen ihres Hauses in den Spalten der Medien fürchten, weil sie wissen, dass ihre Finanziers zwar selten ihre Freikarten selbst nutzen, aber fast immer aufmerksam verfolgen, ob "ihr Haus" und damit sie selbst in der Presse erwähnt werden. Deshalb ziehen viele es vor, Regisseure z. B. vom Film und neuerdings sogar vom Videoclip zu holen, von denen sie sich eine Kontroverse versprechen.


    3. Die Regisseure, die einer ähnlichen Profilsucht unterliegen und lieber beschimpft als kampflos akzeptiert werden und deshalb glauben um fast jeden Preis originell sein zu müssen


    4. Last but not least das Publikum, das sich so leicht in "Stockkonservative" und "verrückte Modernisten" teilen und die jeweils andere Meinung nur höchst ungern gelten lässt. Sage noch einer, über Geschmack ließe sich nicht streiten. Worüber besser, wenn nicht den?


    Ich bekenne mich zu der Gruppierung der gemäßigt Modernen. Für mich waren einst heftig geschmähte und heute legendäre Inszenierungen wie Neuenfels' Frankfurter AIDA oder Ruth Berghaus' TROJANER überwältigende Erlebnisse, auch wenn ich auf einezelne (vermeintliche?) "Mätzchen hätte verzichten können. Ihre Qualität bestand gerade nicht in einer Restauration der ursprünglichen Absicht der Schöpfer des Werkes, sondern in deren einfühlsamer Interpretation, die sich stets am Notentext und im Libretto nachvollziehen oder jedenfalls rechtfertigen ließ. Die Stuttgarter Inszenierung des RHEINGOLD durch Joachim Schlömer gehört für mich ebenfalls zu diesen ganz besonderen Erlebnissen, die im besten Fall eine überraschende und dennoch relevante Sicht auf das Werk eröffneten.


    Dem gegenüber stehen Inszenierungen wie die zu Recht berüchtigte Berliner Inszenierung der ENTFÜHRUNG durch einen Spanier, dessen Namen ich verdrängt habe, oder letzthin Berlioz' BENVENUTO CELLINI in Salzburg durch Philip Stölzel (s. o.), in denen sich Originalitätssucht und hemmungslose Bilddiarrhöe des Regisseurs anmaßen, sich vor das Werk zu drängen, dem sie IMHO dienen sollten. Letztere definiere ich als Regietheater, weil dort der Regisseur das Theater zum Schaden aller für seine PR-Zwecke kidnappt, und das in der Regel ohne dem Werk selbst nennenswerte neue Aspekte abzugewinnen außer dem dummen Test (und Dummentest), wie bereitwillig sich das Werk für eine derartige Vergewaltigung her gibt.


    Natürlich soll und muss das Theater, also auch die Oper lebendig bleiben, sollen und müssen wir die ausgewählten Werke aus UNSERER HEUTIGEN Sicht interpretieren und uns daher (gerne!) auch kritisch mit ihnen auseinandersetzen. Wie ich schon anderswo schrieb, erlegt das den Regisseuren aber auch eine besondere Verantwortung gegenüber Werk UND Publikum auf. Keinesfalls gibt es ihnen einen Freibrief, ihre ausgeprägten und noch häufiger unsicheren Egos zu exhibitionieren und sich mit den Produkten ihrer "Einfallskraft" primär selbst zu befriedigen.


    Vor diesem Hintergrund wird es niemanden überraschen, dass die Frage dieses Threads meiner Ansicht nach überhaupt nicht pauschal zu beantworten ist. Es kommt immer auf den berühmten Einzelfall an. Ich weiß nur, dass ich mich bei restaurierenden Inszenierungen, wie sie beispielsweise die meisten DVDs aus der MET darstellen, leicht langweile und deshalb zuweilen ärgere. Selbstgefälliges Regietheater hat denselben Effekt, nur ist die Reihenfolge umgekehrt wegen der zelebrierten Verschwendung von Mitteln, die man zum selben Zweck hätte besser einsetzen können und sollen.


    Gefahr und große Not sind bereits da, aber ausnahmsweise ist es hier der sensibel gestaltete Mittelweg, der NICHT über kurz oder lang den Tod bringt.


    :hello: Rideamus

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