Guten Tag, ich möchte hier unterthänigst der sehr verehrten und hochgeschätzten Tamino-Gemeinschaft ein Werk nahebringen, das es sich zu entdecken lohnt, ein Juwel, das meiner bescheidenen Meinung nach bisher viel zu wenig Beachtung fand : die Zweite Symphonie von Anton Bruckner.
Aber im Ernst : meines Wissens ist dieses Werk (von der Studiensymphonie in f-moll abgesehen) die einzige Symphonie, die hier noch keinen eigenen Thread hat - sogar über die 'Nullte' wurde hier schon berichtet - und das muss sich schleunigst ändern.
Die Symphonie wurde im Oktober 1871 in Angriff genommen und im September 1872 vollendet; wie ihre Vorgängerin ist sie in c-moll geschrieben. Bruckner stellte das Werk den Wiener Philharmonikern vor, die zum Teil von dem Werk recht angetan waren; leider gefiel sie aber dem Dirigenten Otto Dessoff nicht, der sie als 'Unsinn' bezeichnete und als 'unspielbar und zu lang' ablehnte. So nahm Anton das Heft selbst in die Hand - die Uraufführung erfolgte im Oktober 1873 unter seiner Leitung und fand recht großen Beifall; sogar der Kritiker Eduard Hanslick äußerte sich positiv.
Aber es kam, wie es bei Bruckner kommen musste - gutmeinende 'Freunde' meldeten sich zu Wort und meinten, die Symphonie sei doch zu lang und überarbeitungsbedürftig. Und so kommt es, dass es von diesem Werk wie bei der Ersten Symphonie eine Linzer und eine Wiener Fassung gibt. Letztere stammt aus den Jahren 1876/77 und zeichnet sich in erster Linie durch Kürzungen aus (die meiner Meinung nach nicht nötig gewesen wären).
Die Symphonie hat wie die ersten 7 Symphonien Bruckners die Satzfolge (Allegro) Moderato - Adagio - Scherzo (schnell) - Finale (mehr schnell). Es gibt zwar auch eine Ausgabe in der Edition Carragan, die zweiten und dritten Satz vertauscht, aber ich denke nicht, dass das die Absicht des Meisters war. Der erste Satz stellt gleich zu Beginn in den Streichern ein sehr einprägsamens Thema vor; das einleitende hohe Streicher-Tremolo lässt die Symphonie gleich als Werk Bruckners erkennen. Die einzelnen Themenabschnitte sind durch Generalpausen voneinander getrennt (über die manche Dirigenten leider recht flott hinweggehen), was der Symphonie auch den boshaften Beinamen 'Pausen-Symphonie' einbrachte. Der zweite Satz ist sehr zart und hat ein ganz wundervolles zweites Thema, das zuerst Pizzicato vorgestellt wird und später wunderbar von den Streichern umspielt wird. Das Scherzo ist ein recht derber Ländler mit einem Trio, das mich in Rhythmik und Melodik an den ersten Satz von Beethovens Eroica erinnert, und der Finalsatz bietet auch zwei recht einprägsame Themen.
Mir gefällt die Zweite Symphonie von Anton Bruckner sehr gut, sie kommt bei gleich nach den 'Über'-Symphonien Nr 3 und 8. Meine Lieblingsaufnahme ist die mit Günter Wand am Dirigentenpult, der die ungekürzte Fassung vorstellt.
Ich würde mich freuen, wenn das Werk etwas mehr Beachtung findet - verdient hätte sie sie allemal.
So verabschiede ich mich denn unter zahlreichen Verbeugungen und überlasse es dem hoch verehrten Publikum, mich in der Luft zu zerreißen.
Unterthänigst
Ihr rolo betman