Was ist dran an Karajan? - Versuch einer Analyse

  • Naja, abgezählt habe ich nicht, aber so etwas wie "sf" interessiert ihn nicht besonders.

    Ich habe vorhin noch einmal die 2. Symphonie in der Aufnahme von 1977 gehört: Die Sforzati sind sehr wohl hörbar, aber als Verstärkungen relativ zur Umgebungsdynamik, nicht als absoluter Akzent. Das ist eigentlich genau das, was "sforzato" bedeutet, vor allem im Unterschied zu "fp".

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Ja, ich hatte da irgendetwas als Gedächtnis abgespeichert, was ich jetzt nicht mehr nachvollziehen kann. Eventuell eine Verwechslung, keine Ahnung. Wie gesagt, habe ich jetzt nichts mehr zu meckern. Ich habe einfach Ewigkeiten außer vielleicht Honeggers 3. keine Karajan-Aufnahme mehr angehört.

  • Immerhin - dieser Thread polarisiert - und was besseres kan der klassischen Musik und ihrem Umfeld gar nicht passieren.


    Ich möchte zu den Maximen von Christian Köhn folgendes sagen:

    Hätte ich Musik studiert und wäre z.B. Pianist geworden, so hätte ich nicht im Traum daran gedacht, eine gesellschaftliche,oder Politische Verantwortung zu haben - und ich meine, daß heut die Mehrheit so darüber denkt. Wenn man - ich hier beispielsweise - etwas behauptet, was schwer beweisbar ist, so ist es opportun (:P) zumindest einigermaßen schlüssig zu argumentieren.

    Zahlreiche Künstler werden vom Staat unterstütz- ob selbstlos oder mit Hintergedanken - das sei dahingestellt. Der Künstler nimmt das Geld auf jeden Fall.

    Nun die Parallele: Etliche Klavierhersteller bietn Klavierwettbewerbe für Nachwuchstalente an. Da gibt es Geld zu gewinne, Der Hintergedanke der Klavierbauer ist, die Kandidaten an das Instrument ihrer Marke zu gewöhnen, damit sie es auch in späteren Jahren verwende und es denm Hersteller zu Ehre gereicht. Die Erfahrung zeigt indes, daß das allerding nur in seltenen Fällen fünktionier. Der Pinist spielt dann entweder auf jenem Flüger der ihm persönlich sympathisch ist - oder auf jenem den man im grade hinstellt - sei es im Konzert oder im Aufnahmestudio

    Ich habe einen relativ jungen aber bereits bekannten Sänger nach seiner Meinung zum Regietheater befragt. Die Antwort war: "Dazu habe ich keine eigene Meinung, bze, es ist mir egal .ich singe was man mir aufträgt - und ich kassiere Geld dafür. Das ist mein Job."

    Als ich einst eine Führungsperson einer der berühmtersten Musuikschulen Wien gefragt habe, ob ich mittels Flyer für unser forum werben darf, so antwortete er mir: "Kein Problem - aber erwarten Sie sich nichts davon - die sind alle nicht wirklich an der Musik interessiert, sondern an ihrer Karriere."

    Als wir in Österreich vor einigen eine blau-schwarze Regierung hatten und einige ror Künstler dagegen demonstriertn, wurde auch Nikolaus Harnoncourt eingeladen mitzumachen (was für ein dummes Ansinnen - der Mann war adelig - " Graf Johann Nikolaus de la Fontaine und d’Harnoncourt-Unverzagt")

    ERlehnte ab, mit dem Hinweis,daß ihn das nicht interessiere - er mache Musik und nicht Politik.

    Im Falle Karajans und ähnlich gelagerter Fälle weise ich darauf hin, daß er - wenn er auf einer offiziellen Veranstaltung dirigierte, das im STAATLICHEN Auftrag geschah, den Einwand daß es oft für die PARTEI war lasse ich nicht gelten, den in jenen Tagen war Partei und Staat de facto das selbe.

    Ein Sprichwort aus dem Mittelalter sagt: "Wes' Brot ich esse, des' Lied ich sing"

    https://www.swr.de/wissen/1000…es-lied-ich-sing-100.html

    Diw Anbiederung an die Mächtigen ist so alt wie die Welt.

    Aber in den 30iger nd 40er Jahren ging es nicht nur um Geld und Positione, dondern darum, daß man im Idelfalle - dank "Gottbegnadetenlist" keinen Kriegsdienst leisten must - weder ander Front noch im Hinterland. Damit konne man sein Leben retten. Und für die Rettung des eigenen Lebens ist kein Preis zu hoch. Schon gar nicht der lächerlicher Fetzen Papier - ein Parteibuch

    Eine weitere Parallele (und das sollte genug sein) sind die sogenannnten "Taufscheinchristen"....Sie sind dem Papier nach Christen - haben aber keine Beziehung dazu....

    Fundamentalisten, Moralapostelm Gutmenschen und Weltverbesserer werden das natürlich nicht einsehen - aber mit denen habe ich sowieso keine Gesprächsbasis.....


    mfg aus wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Auch wenn der von Dir, Alfred, skizzierte vorwiegend apolitische, dafür aber karrieristische Künstler heute vermutlich überwiegt, ändert das ja nichts an der Tatsache, dass er durch die Ausübung seiner Kunst eine öffentliche Rolle einnimmt. Und Künstler wie Levit oder auch Kissin nutzen diese Rolle, um ihre Position zu vertreten. Kissin übrigens sehr viel entschiedener, als ich es bei ihm erwartet hätte.


    Karajan steht für das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, auch für das Establishment und dessen konservativen Geschmack, würde ich sagen. Unweigerlich projiziert man diesen Zeit auf ihn. Kein Vergleich mit Rattle, der das Konzerthaus für die Menschen geöffnet hat mit seinen vielen Projekten. Auch kein Vergleich zum viel demokratischer wirkenden Abbado, oder auch zum Modernisten Boulez. Ich kann mir schon vorstellen, dass das Bild des glatten und elitären Wirtschaftswunderdirigenten Karajan dazu führt, dass seine Leistungen vom heutigen interessierten Publikum nicht mehr so nachgefragt und geschätzt werden - vielleicht ist der Absatz seiner Aufnahmen doch stärker zurückgegangen als hier vermutet? Veilleicht lohnt sich eine Neuausgabe der MEISTERSINGER schlichtweg nicht mehr? Wobei gerade Warner eine vorbildliche Katalogarbeit betreibt, da wird sicher was kommen.

    Um so mehr begrüße ich jedenfalls den Thread über seine unverzichtbaren Aufnahmen, wobei ich sehr lachen musste, dass dieser nun ausgerechnet mit Humperdincks HÄNSEL UND GRETEL beginnt.

  • Zur Frage der Büstenaufstellung und ob damit "nur" der künstlerische Aspekt gemeint ist oder auch zum Ausdruck gebracht wird, dass die Person als Ganzes etwas Vorbildhaftes an sich haben soll, wäre jedenfalls interessant, was bei der Enthüllung gesagt wurde. Verwischt wird die Trennung durch Alfreds sicher auch richtige Bemerkung, dass eine Überhöhung der Person angestrebt wurde, also man letztlich gar nicht die Person sondern eine Projektion ehrt. Und die Hauptursache könnte ja gewesen sein, dass man stolz ist, dass der "große Mann" hier seine Karriere begonnen hat, wodurch sein Glanz auf den Ort umgeleitet werden soll, lokalpatriotisch. Man ehrt also gar nicht die Person Karajan, sondern den Ort, und der mythisierte Karajan wird zum Funktionsträger einer Selbstaufwertung gebraucht.


    In dem Moment, wo Karajan kein Licht mehr spendet, sondern Kloakengeruch, räumt man ihn weg. Mozart ist natürlich kein ausreichender Ersatz, denn der hat dort nicht seine Karriere angefangen. Aber man kann natürlich behaupten, dass man ihn ehrt. Wozu das? Hm ... was hat man denn bei der ersten Mozart-Enthüllung an dem Haus gesagt?

  • Zur Frage der Büstenaufstellung und ob damit "nur" der künstlerische Aspekt gemeint ist oder auch zum Ausdruck gebracht wird, dass die Person als Ganzes etwas Vorbildhaftes an sich haben soll, wäre jedenfalls interessant, was bei der Enthüllung gesagt wurde. Verwischt wird die Trennung durch Alfreds sicher auch richtige Bemerkung, dass eine Überhöhung der Person angestrebt wurde, also man letztlich gar nicht die Person sondern eine Projektion ehrt

    Ich denke, dass das den Nagel auf den Kopf trifft. Es geht/ging nicht um Karajan, es geht um Politik und die Aufwertung des Theaters.

    Mozart ist natürlich kein ausreichender Ersatz, denn der hat dort nicht seine Karriere angefangen. Aber man kann natürlich behaupten, dass man ihn ehrt. Wozu das? Hm ... was hat man denn bei der ersten Mozart-Enthüllung an dem Haus gesagt?

    Immerhin ist Mozart in der klassischen Musik ja ein ganz passabel akzeptierter Name, auch, wenn seine Ausstrahlung nicht mit der von Stars zu vergleichen ist ;).


    Und einen wichtigen Vorteil hat Alfred ja genannt. Mit dieser Büste, die ja schon einmal akzeptiert wurde, umgeht man weitere Debatten, die sich unweigerlich anschließen würden

  • Anstatt darauf stolz zu sein, dass ein Jahrhundertdirigent wie Karajan am vergleichsweise provinziellen Theater Aachen wirkte, will man plötzlich nichts mehr davon wissen. Man reduziert einen streitbaren, zweifelsohne aber bedeutenden Künstler auf seine zeitweilige Parteimitgliedschaft. Diese von der dortigen Intendanz offen zur Schau getragene Geschichtsverdrossenheit ist bezeichnend für das Deutschland des Jahres 2023.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ob die Intendanz "geschichtsverdrossen" ist, und was das bedeuten soll, ist eigentlich nicht klar. Es geht ja nur darum, was gut für's Haus ist. Ein stinkender Karajan ist nicht gut. Nun kann man ihn elegant mit einer witzigen Story (Mozarts Rache aus der Abstellkammer) loswerden. Die Installation der Mozart-Büste hat jetzt vermutlich keinen Zweck mehr, außer, wie astewes schrieb, Debatten zu vermeiden.


    Bei der ersten Mozart-Enthüllung war wahrscheinlich auch Patriotismus im Spiel, Mozart, der deutsche Musikgott, strahlt auf das deutsche Haus ab, auch wenn er, außer deutsch zu sein, nicht viel mit dem Haus zu tun hat (außer natürlich, dass man ihn dort spielt).

  • So wie auf dem Wiener Konzerthaus zu lesen steht: "Ehrt eure deutschen Meister, dann bannt ihr gute Geister". Das Gebäudes wird also durch seine Aufgabe gerechtfertigt, etwas Gutes für das Deutsche zu leisten.

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  • So wie auf dem Wiener Konzerthaus zu lesen steht: "Ehrt eure deutschen Meister, dann bannt ihr gute Geister". Das Gebäudes wird also durch seine Aufgabe gerechtfertigt, etwas Gutes für das Deutsche zu leisten.

    Wo bleiben eigentlich die Empörten, die die Entfernung dieses Schriftzugs fordern? Stammt doch von einem bekennenden Antisemiten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • es geht um Politik und die Aufwertung des Theaters.

    Aufwertung? :no::no::no:

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Aufwertung des Theaters Aachen, indem die schändliche Herbert-von-Karajan-Büste entfernt wird. Klingt wie das Thesenpapier der Grünen Jugend.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wird das Aachener Theater durch die Verurteilung eines der besten dort wirkenden Künstlers aufgewertet?

    Vielerorts wäre man stolz darauf! Distanziert sich Ulm auch oder ist man stolz auf Karajans Lehrjahre? Ich finde, die Welt ist verrückt. Selbst in meiner Heimatpresse wird darüber berichtet, was man in Aachen mit einer simplen Büste alles anstellen kann.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Distanziert sich Ulm auch oder ist man stolz auf Karajans Lehrjahre?

    Das fragte ich mich tatsächlich auch. Noch steht das Theater Ulm auf dem Herbert-von-Karajan-Platz 1.

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    – Luís de Camões

  • Die Aufregung um den blöden Bronzekopp scheint für viele "Nicht-Empörte" jedenfalls viel spannender zu sein, als der Versuch, die musikalischen Qualitäten von Karajans Interpretationen zu würdigen.


    Dazu kommt weiterhin, dass keine ernsthafte Faktenlage erkennbar ist. Man kennt die veranlassende Biographie offensichtlich nicht und ist auch gerne bereit, aus einem nicht verstandenen Einzelereignis per (logisch nicht zulässiger) Induktion gleich auf den Zustand Deutschlands im Jahr 2023 zu schließen ...


    Ich fände die Beantwortung der Frage, was nun an Karajan dran ist, viel interessanter.


    Welche musikalischen Einsichten haben uns seine Interpretationen gegeben? Ich finde zum Beispiel seinen Beethoven immer noch sehr schön. Er hat sehr wenig Patina, obwohl ich den neuen Ansatz von Järvi auch sehr spannend finde. Karajans Einspielung der Brandenburgischen Konzerte zum Beispiel sind (und waren es schon immer) aber für mich an der Grenze des Ungenießbaren.


    Wie seht ihr das?

  • Ich habe gerade meine Karajan-Abneigung überwunden und höre jetzt auch gerne seine Branden-Burger.

    Aber als Prinzipienreiter höre ich sonst natürlich nur auf "historischen Instrumenten", man muss ja irgendwie seine Identität aufrechterhalten.

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  • Karajans Einspielung der Brandenburgischen Konzerte zum Beispiel sind aber für mich an der Grenze des Ungenießbaren.

    Von Barockmusik insgesamt hätte er besser die Finger gelassen. Aber es stimmt schon: nicht nur die Brandenburgischen, auch die h-moll-Messe unter seiner Leitung sind eine freche Beleidigung Bachs und ungenießbar. Das hat ein Otto Klemperer erheblich besser hingekriegt. Brahms, Beethoven oder Bruckner gelingen ihm hingegen vorzüglich, und auch Schönbergs "Pelleas und Melisande" ist eine fantastische Aufnahme. Karajan, um mit einem Vergleich zu kommen, war ein Maler, kein Zeichner. So nehme ich zumindest die Aufnahmen wahr, die ich in meiner Sammlung habe (inkl. derjenigen, die mit Grausen wieder raussortiert wurden). Somit läuft er auch bei Holst oder Strauss zur Höchstform auf


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • werden Karajans Einspielungen noch geliebt werden, wenn sich an die Aachener Dame und ihre populistische Symbolpolitik niemand mehr erinnert.

    Derzeit bestechen die Karajan-Aufnahmen vor allem durch ihre Budget-Preise. Für die 20 Euro einer neuen CD bekommt man nicht selten eine Box mit mehreren Karajan-CDs. Resteverwertung eben. Ich rede jetzt nicht von Deinen teuren Esoterik-CDs. Da viele seiner Aufnahmen sehr zeitgeistig sind bin ich der festen Überzeugung, dass der Nachruhm verblassen wird, wenn diejenigen, die mit seiner Sicht auf Musik sozialisiert worden sind. Vor allem angesichts der schieren Menge des von ihm Produzierten wird Vieles ziemlich sicher nicht mehr verfügbar gehalten werden. Fast würde ich meinen, dass den durchgängig monauralen Furtwängler-Aufnahmen ein längeres Leben beschieden sein wird. Allerdings bestimmt nicht die von Bach.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Oh Gott, der langsame Satz, wie Tarkowski.

    Ich mag Tarkowski sehr. Der Stalker und Andrej Rubljow gehören zu meinen Lieblingsfilmen ..... :)



    Karajan, um mit einem Vergleich zu kommen, war ein Maler, kein Zeichner.

    Obwohl sein Beethoven ja auch eine Menge Dynamik und Rhythmus hat. Ich finde den Klang der Berliner Philharmoniker unter ihm sehr charakteristisch. Ich habe mal gelesen, dass er ein absoluter Legato-Fanatiker war. Diese Übergänge im Orchester sind wirklich ziemlich beeindruckend.


    Aus meiner zugegeben jetzt schon sehr alten Erinnerung meine ich entnehmen zu können, dass bei ihm aber dann auch Bach so zu klingen hätte (ich höre gerne noch einmal rein, wenn es nicht stimmen sollte) und das fand ich schon immer etwas merkwürdig. Die ersten Brandenburgischen Konzerte, die mich dann überzeugt hatten, kamen aus der DDR. Das neue Bach Collegium unter Max Pommer (ich muss für den Namen noch einmal nachschauen!) kam viel farbiger und durchsichtiger rüber.

  • Über die musikalischen Qualitäten der Interpretationen Karajans haben wir uns in den vergangenen fast zwei Jahrzehnten bei Tamino häufig ausgetauscht. Manches in seiner Diskographie hat für meine Begriffe durchaus so etwas wie Ewigkeitswert. Nur ein Beispiel: Seine "Bohème" mit Freni und Pavarotti gilt doch auch heute noch als eine der größten Opernaufnahmen aller Zeiten. Dies wurde selbst von entschiedenen Karajan-Gegnern in diesem Forum schon vor vielen Jahren eingeräumt. Eine gut sortierte Opernkollektion gerade der Spätromantik dürfte auch heutzutage kaum völlig ohne den Namen Karajan auskommen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Über die musikalischen Qualitäten der Interpretationen Karajans haben wir uns in den vergangenen fast zwei Jahrzehnten bei Tamino häufig ausgetauscht.

    Wir können, was mich angeht, gerne weitermachen.


    Nur ein Beispiel: Seine "Bohème" mit Freni und Pavarotti gilt doch auch heute noch als eine der größten Opernaufnahmen aller Zeiten. Dies wurde selbst von entschiedenen Karajan-Gegnern in diesem Forum schon vor vielen Jahren eingeräumt.

    Was beeindruckt Dich denn musikalisch an dieser Einspielung? Die besondere Handhabung des Orchesters? Spezielle Stellen oder mehr, wie Karajan die Tempi definiert etc. etc ...?

  • Mozart, der deutsche Musikgott, strahlt auf das deutsche Haus ab, auch wenn er, außer deutsch zu sein

    Hallo, kurzstückmeister,


    das sah Mozart selber aber ganz anders! Ich zitiere nachstehend ein paar Sätze aus dem Büchlein "Mozart-ABC" von Eva Gesine Baur, erschienen im C.H. Beck Verlag, München, 2016:


    So schrieb Mozart seinem Vater Leopold am 1.5.1778 aus Paris: "Ich bete alle Tage zu Gott .... dass ich hier standhaft aushalten kann; dass ich mir und der ganzen deutschen Nation Ehre mache".

    Vier Wochen später heißt es in einem weiteren Brief an den Vater: "was mich aber am meisten aufrichtig und guten Muts erhält ist der Gedanke, dass ich ein ehrlicher Teutscher (sic!) bin".

    Und im gleichen Jahr schrieb er am 31. Juli: " ... will mich Deutschland, mein geliebtes Vatterland, worauf ich, wie Sie wissen, stolz bin, nicht aufnehmen, so muss in Gottes Namen Frankreich oder England wieder um einen geschickten Teutschen mehr reich werden und das zur Schande der teutschen Nation."


    Zu Mozarts Zeit war nicht die Staats-, sondern die Volkszugehörigkeit entscheidend. Leider hat Volkszugehörigkeit seit der Nazi-Zeit ein G'schmäckle", um es mal schwäbisch auszudrücken. Das wird leicht mit Volksgemeinschaft oder "völkisch" in Verbindung gebracht. Und diese Begriffe sind heutzutage nun mal verpönt, und das zu Recht. Bis 1918 galten im k.u.k. Österreich-Ungarn die heutigen österreichischen Bundesländer als die "deutschen Kronländer", eben weil die Bewohner als Deutsche galten, wie es im Vielvölkerstaat auch Ungarn, Slowaken, Tschechen, Kroaten, Galizier u.a. gab. Österreicher waren sie alle. Da waren nicht die Staats-, sondern die Volksgrenzen entscheidend.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Was beeindruckt Dich denn musikalisch an dieser Einspielung? Die besondere Handhabung des Orchesters? Spezielle Stellen oder mehr, wie Karajan die Tempi definiert etc. etc ...?

    Kurz gesagt, lieber astewes: Es stimmt hier schlichtweg alles. Wer Opernaufnahmen sammelt, der weiß, dass dies sehr selten der Fall ist. Die sängerische Besetzung könnte nicht besser sein, die Begleitung durch das Orchester unter der begnadeten Führung Karajans ebenfalls mitnichten. Und dank überlegenen Decca-Klangs auch noch technisch astrein. Puccini lag ihm ohnehin. Seine "Tosca" (Decca, nicht DG) und "Madama Butterfly" finde ich ebenfalls großartig, auch die sängerisch umstrittenere späte "Turandot" ist zumindest orchestral (also dank seiner) eine Pracht.

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    – Luís de Camões

  • Die Frage stellt sich doch wirklich angesichts so einer deppischen Bronzebüste, die mittlerweile seitenlanges Entrüsten hervorbringt. Abgesehen davon,. dass wieder kaum einer die Fakten studiert, bevor er meint, Wichtiges zum Besten geben zu müssen....


    Man könnte sie ja wie Mozarts in eine Rumpelkammer legen und bei Bedarf wieder rausholen... :)


    Wichtig ist doch, dass seine Musik gehört wird und vielleicht, dass der eine oder andere auch noch weiß wieso.

    Meine persönliche Karajan-Sammlung ist vergleichsweise dünn. Ich schätze seine Sibelius-Sinfonien und kann mich mit seinen 1962/63er-Beethoven Sinfonien anfreunden. Ansonsten bleibt mir sein auf Hochglanz getrimmter Sound fremd. Natürlich gibt es einige großartige Opern-Einspielungen mit HvK! Das würde hier den Rahmen sprengen. Meine persönlichen HvK-Highlights sind die Zusammenarbeit mit Gould (Beethoven 3.Klavierkonzert) und seinen Berlinern und viele seiner Aufnahmen mit dem London Philharmonia. Ich habe ihn einmal "live" (das muss kurz vor seinem Tod gewesen sein) in der Düsseldorfer Tomhalle erlebt und erinnere mich an eine beeindruckende Fantastische Sinfonie von Berlioz.

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