Hilfe! Ich mag Verdi nicht...

  • Verdi, um die Seele baumeln zu lassen? Oha! Das lässt an Nero erinnern, der angeblich Rom anzünden ließ, um mit seiner Laute Lieder dazu zu singen.


    Die mir bekannten Opern enden zumeist in Mord, Totschlag u.ä. Da sind sind sie inhaltlich von meinem Opern-Meister Richard Wagner nicht weit entfernt. Der inneren Empfindung nach ließe sich gewiss Verdi als Meister aus Italien identifizieren und Wagner als einer aus Deutschland. Was an den Operninhalten freilich nichts ändert.


    Ich suche ja auch nach jenem Ende des Ariadne-Fadens, der mir Verdi erschließt. Das Requiem taugte ebenso wenig wie die "Quattri pezzi sacri". Der Kölner "Otello" hat mich überzeugt.


    Ein Unterschied zwischen Wagner und Verdi wurde mir heute interessanterweise in der Kirche bewusst: Ein neu eingeführter Jugendpastor hielt seine erste Predigt vor der Gemeinde. Er predigte sehr gut, musste aber einen Zwischenruf einstecken: "Langsamer bitte" rief ein älterer Herr.


    Das genau scheint mir das spezifische Faszinosum von Richard Wagner zu sein: das Handeln als Handeln schein ihm nicht wichtig. Es wird erzählt, die Handlung als zeitlich konstitutives Element extrem reduziert.


    Ganz anders Verdi, in diesem Falle "Otello": Vier Akte hat das Ganze, prallvoll mit Handlung. Auch lassen sich Opern wie "Otello" und "Traviata" in der Jetztzeit denken. Intrige und Affekt bei Verdi, das liegt und schon mehr als die abstrakten, metaphysischen Szenarien in den Opern Richard Wagners.


    Verdi, so scheint es mir als Verdi-Neuling, ist seinem Gegenüber sehr direkt. Das ist Wagner nicht. In einem aber sind sich beide sehr ähnlich: die Anforderungen an die Stimmen sind exorbitant.


    Der Kölner Otello jedenfalls ist bei meiner Verdi-Suche das gesuchte Ende des Ariadne-Fadens.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Zitat

    Original von Santoliquido
    Die mir bekannten Opern enden zumeist in Mord, Totschlag u.ä. Da sind sind sie inhaltlich von meinem Opern-Meister Richard Wagner nicht weit entfernt.


    Das gehört zwar nicht hierher, aber keine der mir bekannten Wagneropern endet mit Mord und Totschlag. Es kommt vielleicht mal drin vor, aber eher seltener und weniger handlungsentscheidend als in der italienischen Oper. Und wenn ich nichts völlig mißverstehe endet keine einzige ab Holländer (die frühen sind mir unbekannt) katastrophal (wie etwa Rigoletto oder Maskenball).


    Nero wollte übrigens nicht lustige Lieder singen, sondern er suchte nach einer dem Brand Trojas vergleichbaren Katastrophe, um a la Homer oder Vergil inspiriert zu werden. ;) Es mangelte ihm offenbar an Phantasie, denn diese Dichter waren ja ihrerseits gar nicht bei derlei Ereignissen zugegen.


    Nochmal zu dem, was ich weiter oben schrieb. Mir ging es darum Philhellene zu verteidigen, weil er m.E. ziemlich sorgfältig und ohne Polemik versucht hat zu schildern, was ihm an typischen "Verdi-Gesangs- und Opernstil weniger gefällt als an anderen Opern. Darauf damit zu reagieren, dass aber doch alle "schönen Stimmen" Verdi gesungen hätten, ist wenig fruchtbar, denn es geht ja gerade darum, dass er offenbar eine Vorstellung von "Schöngesang" hat, die nicht der typischen Verdi-Interpretation entspricht. Damit ist er meines Wissens in der Gesellschaft der konservativen Verdi-Zeitgenossen, die den Niedergang des klassischen Belcanto bedauerten. Diese Ansicht ist also heute vielleicht ungewöhnlich, aber nicht bizarr oder absolut nicht nachvollziehbar.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    [quote]Original von Santoliquido
    ...
    Nochmal zu dem, was ich weiter oben schrieb. Mir ging es darum Philhellene zu verteidigen, weil er m.E. ziemlich sorgfältig und ohne Polemik versucht hat zu schildern, was ihm an typischen "Verdi-Gesangs- und Opernstil weniger gefällt als an anderen Opern. Darauf damit zu reagieren, dass aber doch alle "schönen Stimmen" Verdi gesungen hätten, ist wenig fruchtbar, denn es geht ja gerade darum, dass er offenbar eine Vorstellung von "Schöngesang" hat, die nicht der typischen Verdi-Interpretation entspricht. Damit ist er meines Wissens in der Gesellschaft der konservativen Verdi-Zeitgenossen, die den Niedergang des klassischen Belcanto bedauerten. Diese Ansicht ist also heute vielleicht ungewöhnlich, aber nicht bizarr oder absolut nicht nachvollziehbar.


    Ich wollte eigentlich gar nicht fruchtbar sein sondern nur auf die leicht verifizierbare Tatsache hinweisen, dass Philhellenes Negation so einfach nicht stimmt...
    ;)


    Wenn Philhellene Verdi wegen der dort vorherrschenden Gesangstechnik nicht mag, so ist das sein gutes Recht. Man könnte sich jedoch fragen, ob das mehr an Verdi oder mehr an seiner vorherrschenden Interpretationsweise liegt. Es gibt genug Stellen in Verdi-Opern, wo die explosive Dramatik mit belcantistischen Mitteln nicht mehr überzeugend zu vermitteln ist, aber auch die Carmen-Schluss-Szene ist mit ihrem Belcanto-Latein am Ende. Es ist dies eine natürliche Entwicklung der Oper im 19. Jahrhundert. Das heißt aber nicht, dass eine Verdi-Oper über weite Strecken nicht sehr viel belcantistischer gesungen werden könnte - oder sollte - als dies im letzten Jahrhundert der Fall ist (die Problematik beginnt genaugenommen schon mit Caruso und wurde von Maria Callas noch verstärkt!).


    Man könnte sehr wohl darüber diskutieren, ob Ergebnisse und Erkenntnisse des Verismo viel zu stark rückwirkend auf frühere Werke angewendet werden, und zwar in einer Weise, die den älteren Werken gar nicht mehr gerecht wird.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Clemens!


    Ich lieg geschmacklich irgendwo dazwischen - an und für sich find ich, dass sowohl Wagner als auch Verdi geniale Melodien haben, im allgemeinen sind sie mir persönlich zu langatmig.


    Ich wollte Dir - für Deine Suche nach dem Zugang zu Verdi - einen Tipp geben, was Dir vielleicht hilft dem näher zu kommen (falls Du sowas nicht ohnedies praktizierst):


    Wenn ich ein Stück habe, dass mich auf den ersten Anhieb nicht umhaut (also jetzt im positiven Sinne) höre ich das einfach nebenbei, ohne mich drauf zu konzentrieren - im Gegenteil, in der Regel konzentriere ich mich dabei auf ganz was anderes, zum Beispiel höre ich mir Opern, die mir bisher unbekannt sind, bei der Arbeit an, also wenn ich gar keinen Kopf dafür habe, mir die Oper bewusst anzuhören. Und da machts bei mir manchmal einfach so nebenbei "Klick" ... vielleicht hilft Dir das ja, bei mir funktionierts jedenfalls.


    Viel Erfolg dabei :-)


    Lg


    Roland

    Die Basis jeder Grundlage ist das Fundament

  • Hallo Roland,


    eine lustige Koinzidenz, denn etwas sehr Ähnliches habe ich gerade im Janacek-Thread festgestellt. Allerdings daran geschlossen, dass man das bei manchen Werken einfach nicht kann.


    Bei Verdi könnte es für meinen Geschmack nur funktionieren, wenn man gegen die Macht seiner Melodien resistent ist, aber genau darum geht es ja hier, dass manche es sind.


    Also vielleicht der beste Tipp bislang.


    :hello: Rideamus

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  • Hallo Theophilus,

    Zitat

    Eine Verdi-Oper ist wie eine ansteigende schiefe Ebene...


    Ja, ein treffender Vergleich, der Komponist haxelt und haxelt - und fällt doch immer wieder in die Abgründe des Niveaus... :hahahaha:


    Du verstehst, diese Polemik konnte ich mir nicht entgehen lassen...


    Aber zurück zum tierischen Ernst.


    Prinzipiell gebe ich Dir recht: Verdis Massenproduktion, die ich oben schon mit Serienfertigung umschrieben habe, bedingt, daß es stilistische Unterschiede und Entwicklungen weniger zwischen einzelnen Opern als zwischen Werk-Blöcken gibt.
    Du und ich kommen nur in der Bewertung dessen zu einem unterschiedlichen Schluß: Mir ist es lieber, ich erkenne ein Werk als "Die Meistersinger" als ich erkenne ein Stück als zur "Rigoletto-Traviata-Stiffelio-Trovatore"-Gruppe gehörig.


    Aber nehmen wir etwa die "Traviata": Das Vorspiel ist ungeheuer. Diese Chromatik steht auf einer Stufe mit Wagner. Nur folgt dann eine sehr gute Oper, die gegen dieses Vorspiel meiner Meinung nach aber doch stark abfällt. Und das Trinklied könnte ohne weiteres in einer anderen Verdi-Oper dieser Zeit stehen - wie auch die meisten Arien.
    Deine sehr genaue Kenntnis der Verdi-Opern steht dieser Erfahrung im Weg. Ich habe es aber selbst mit "Halbgebildeten" getestet und die falsche Zuordnung bei Verdi wesentlich häufiger erlebt als die falsche Zuordnung bei Wagner.


    Für mich wird Verdi erst im "Otello" wirklich interessant. Nicht, weil der "Otello" "wagnerisch" ist. Das ist er nicht ansatzweise. Er ist ein konsequentes Weiterführen der Ansätze von "Simon" und "Aida". Vom symphonischen Orchester auf der Basis einer durchgearbeiteten Struktur auf der Basis eines fest umrissenen Motiv-Reservoires etwa (was ja der Kern der Wagner'schen Musikdramatik ist) fehlt jede Spur.


    Dafür gelingt Verdi etwas Anderes: Er schafft im Orchester eine Art Klangraum, der die Stimmung festlegt (ganz wunderbar etwa am Ende des ersten Aktes). Das ist ein anderer Ansatz als bei Wagner, führt aber zu einem eigenständigen musikdramatischen Entwurf, der in die Zukunft wirkt, und etwa in Brittens "Peter Grimes" und "Billy Budd" spürbar ist.


    Wenn ich persönlich auch eine klare Vorliebe für die epische Musikdramatik Wagners habe und auch im direkten Vergleich Werke wie "Meistersinger", "Götterdämmerung" oder "Parsifal" wesentlich höher stelle als "Otello" oder "Falstaff", so entgeht mir doch keineswegs die Schönheit, Kraft und Intelligenz der beiden letzten Verdi-Opern.


    :hello:

    ...

  • Liebe Leute!


    Erstmal Vielen Dank für so viele gute Ratschläge und Äusserungen! :lips:


    @ nufan

    Zitat

    Ich wollte Dir - für Deine Suche nach dem Zugang zu Verdi - einen Tipp geben, was Dir vielleicht hilft dem näher zu kommen (falls Du sowas nicht ohnedies praktizierst):


    Wenn ich ein Stück habe, dass mich auf den ersten Anhieb nicht umhaut (also jetzt im positiven Sinne) höre ich das einfach nebenbei, ohne mich drauf zu konzentrieren - im Gegenteil, in der Regel konzentriere ich mich dabei auf ganz was anderes, zum Beispiel höre ich mir Opern, die mir bisher unbekannt sind, bei der Arbeit an, also wenn ich gar keinen Kopf dafür habe, mir die Oper bewusst anzuhören. Und da machts bei mir manchmal einfach so nebenbei "Klick" ... vielleicht hilft Dir das ja, bei mir funktionierts jedenfalls.


    Das habe ich schon versucht. Bei mir funktioniert das mit Opern generell leider nicht. Bei rein orchestralen Werken sieht das etwas anders aus. Einzelne Arien und Nummern von Verdi finde ich auch sehr schön und kann sie durchaus ab und zu gut hören. Aber es berührt mich halt nicht sonderlich tief - und bei einer gesamten Verdi-Oper stellen sich eben doch schnell Ermüdungserscheinungen ein... Mich wundert das immer, da ich die Musik ja schon als sehr hochwertig wahrnehme und ich mich gerade bei Verdi immer frage: "Warum berührt mich das dann so wenig?". Wahrscheinlich ist es aber wirklich am besten, wenn ich mich gar nicht mehr mit dieser Frage beschäftige. Ich werde weiterhin gelegentlich mal eine Verdi-Oper besuchen (mit der leisen Hoffnung auf eine Initialzündung), denn nach meiner Erfahrung sind da die Chancen am größten, daß es irgendwann einmal funkt. Und wenn nicht, hab ich auch nix verloren...


    Zitat

    Ich lieg geschmacklich irgendwo dazwischen - an und für sich find ich, dass sowohl Wagner als auch Verdi geniale Melodien haben, im allgemeinen sind sie mir persönlich zu langatmig.


    Hier möchte ich nochmals betonen, daß es mir gar nicht um einen wertenden Vergleich zwischen Verdi und Wagner ging. Vielleicht habe ich mich da eingangs nicht klar ausgedrückt. Ich muss bei Wagner wirklich intensiv "arbeiten" um voran zu kommen, aber da macht es mir größtenteils Spaß, es führt zu etwas. Und ich frage mich halt, warum das bei Verdi nicht so läuft, wo ich seine Opernstoffe als weitaus "einfacher" empfinde... Aber hier hat Rideamus einen interessanten Ansatz in mir geweckt, da ich mich wirklich grundsätzlich mit den veristischen Opern schwer tue und momentan gehe ich der Frage nach, woran das genau liegt. Mit Mascagni und Leoncavallo z. B. kann ich auch rein gar nichts anfangen, wohingegen mich "Il tabarro" wieder packt und innerlich bis zum Zerreißen unter Spannung setzt und aufwühlt. Ich bin mir nicht sicher, inwieweit man Puccini komplett dem Verismus zuordet, aber "Il tabarro" ist doch ganz eindeutig eine veristische Oper, oder irre ich mich da? (Gilt das auch z.B. für "Suor Angelica"?) Bezieht sich der Begriff Verismo bzw. Verismus eigentlich "nur" auf das Sujet oder beschreibt er auch einen typischen musikalischen Stil?
    ?(

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier


    Ich mag Verdi und Wagner - bin ich normal ;) ?


    Nein. Aber das hat auch nichts mit Verdi oder Wagner zu tun :beatnik:

  • Zitat

    Original von Wulf


    Nein. Aber das hat auch nichts mit Verdi oder Wagner zu tun :beatnik:


    Gibt es dagegen eigentlich ein Heilmittel ? Bei mir nimmt das nämlich mit zunehmendem Alter immer pathologischere Formen an: Ich mag Verdi und Wagner, Mozart und Messiaen, ja ich gestehe sogar , Lieblingsaufnahmen von Karajan und Boulez zu haben.


    Sofern ich demnächst noch Gefallen an einer Otto-Schenk-Inszenierung finde, erwäge ich ernsthaft den Eintritt in eine Selbsthilfegruppe für Konsens-Süchtige. :D


    Gruß
    Sascha

  • Zitat

    Original von Emotione
    Besser kann man es nicht ausdrücken. Wenn Du partout keinen Zugang zu Verdi findest, dann höre ihn einfach nicht.


    Also ich finde das schon reichlich faul. Vor allem wenn jemand versucht, einen Zugang zu finden.


    Ich kenne Verdi kaum und möchte eher etwas Generelles versuchen: Vielleicht sollte man gerade das, was einem am wenigsten sagt, wieder vorknöpfen (sofern es als typisch oder wichtig für den Komponisten gilt), sich überlegen, warum es einen stört und womöglich über die Irritation, die es bei einem hervorgerufen hat, vermittels eines Schrittes der Selbstüberwindung und des Fallenlassens von Erwartungen und mittels Konzentration auf etwas, was man sonst lieber ignoriert, weil man von anderem befriedigt wird, einen Zugang finden.


    :hello:

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  • Und nun noch ein wenig Senf von mir:


    Edwin hat in seinen bisher drei oder vier Beiträgen so ziemlich genau das gesagt, was ich an mir auch beobachtet habe:


    Wagner hat nur 10 Opern geschrieben, von denen er überzeugt war.
    Bei Verdi sind es deren 29 (wenn ich Reclam's Führer richtig in Erinnerung habe).


    Ich habe alle 10 Wagner Opern mehrfach gehört, bei Verdi geht es mir nicht so, da habe ich nur einige mehrfach gehört, einige bisher noch überhaupt nicht, und einige nur einmal.


    "Überzeugt" haben mich von Verdi bisher nur der Simon (nur einmal gehört), der Don Carlos (mehrfach, besonders klasse in der Konwitschny Inszenierung, die es ja jetzt auch auch DVD gibt! Da hilft aber auch evtl. die Inszenierung?).


    Was mir bei den anderen Verdi Opern "fehlt", ist tatächlich das, was Edwin als "eigenständige Musikausarbeitung" zu Themen benennt (siehe seine Ausführung zum Parsifal)), während ich die "tolle Melodie" bei Verdi machmal als "einfach nur schön (was auch immer schön hier sein soll?)" empfinde, was ich dann wiederum als absolut langweilig empfinde. Im Don Carlos "passen" dann Musik und Thema und Herleitung der Musik aus der Handlung für mich besser, als in der Aida. Was hinzukommt, und mir den Zugang zu Verdi erschwert, ist der mehr "liedhafte" Charakter seiner früheren Opern. Ich empfinde es beim Zuhören mehr als "Stückwerk", als "Aneinanderreihung", und damit als langweiliger.


    Was mich am meisten verblüfft hier in der Diskussion ist die Tatsache, daß Rideamus, der ja nun wirklich eloquent ist, und auch "sehr lange und umfangreiche und inhaltsvolle" Beiträge schafft, es dann nicht schafft, mit Wagner warm zu werden. Evtl. ist der Unterschied, daß Wagner doch im Libretto "langatmig" wirken kann, dafür aber in der Entwicklung des musikalischen Motivwerks durch die Oper stärker wirkt, während Verdi doch eher als "im Text kurzweilig", und dann in der Musikführung als "toll in einzelnen Liedern" wirken kann, und damit bei Wagner ein anderer Ansatz zum Ziel führen kann (Clemens, Der-wonnige-Laller, hat ja davon gesprochen, daß er an den Werken arbeitet, vielleicht kannst Du, Clemens, uns sagen, wie Du das tust, evtl. können wir dann daran weiter zu erarbeiten versuchen, wie Du dann einen Zugang zu Verdi finden kannst?).


    Kurz: auch ich habe mit vielem von Verdi Zugangsprobleme, sehe aber auch andere Schwerpunkte bei Wagner und Verdi.


    LG


    Matthias

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Mich interessiert in einer Oper die Melodie selbst, ehrlich gestanden, zuletzt. Für mich ist wichtig, daß der Komponist dem Drama eine weitere Ebene hinzufügt, die ausdeutet, beleuchtet, kommentiert.


    Womit man bei Dir ja leicht sagen könnte, wie Du einen Zugang zu Verdi finden könntest, würdest Du einen suchen (also zu den "hm-ta-ta"s).


    Ich habe mit Verdi und Belcanto kaum Erfahrungen, das kommt schon noch. Ich hatte als ebenfalls nicht ausreichend Melodieinteressierter Probleme mit frühbarocken Opern, bei denen außer Monodie ein kurzer Chor und dann mal wieder Monodie angesagt war. Das habe ich dann gewissermaßen als Kur benutzt.


    Wenn ich mich mit frühem Verdi anfreunden werden will, werde ich wohl möglichst viel hm-ta-ta hören, damit ich irgendwann nicht mehr aufs hm-ta-ta höre sondern auf die Melodie drüber.
    :D

  • Hallo KSM


    Zitat


    Original von KSM
    Also ich finde das schon reichlich faul. Vor allem wenn jemand versucht, einen Zugang zu finden.


    Es wäre nett gewesen, wenn Du das ganze Posting zitiert hättest.So hast Du den Satz von mir völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Dir ist doch sicher bewusst, dass meine zustimmende Kommentierung das Posting von Rideamus betraf, das - wenn auch in wesentlich besserem Stil - den gleichen Tenor hatte.


    :hello:


    Emotione

  • Pardon, ich wollte auch nicht Dich persönlich angreifen, aber es haben einige geschrieben: Wenns nicht geht, lass es - dem wollte ich widersprechen. Wenn jemand einen Zugang finden will, so soll er es auch versuchen.


    Und wenn einen stört, dass die Arien aneinandergehängt sind wie Perlen an einer Kette, dann kann er ja einfach die Perlen einzeln anhören (wie es bei Konzerten im 18. Jh. üblich war: Highlights aus Opern, Symphonien und Konzerte gemischt).


    Nachdem ich nun den gesamten Thread gelesen habe, komme ich zum Schluss, dass weder der Threaderöffner noch Edwin Ratschläge zum Finden eines besseren Zugangs zu brauchen scheinen, da sie die Qualitäten Verdis zu schätzen wissen. Es fehlt eventuell die Bereitschaft, die Musik trotz wahrgenommener Schwächen zu genießen. Insbesondere das Fließbandargument mag ein Argument gegen die Hochwertigkeit der einzelnen Produkte sein aber nicht eines dafür, dass man nicht diese Produkte genießen kann - wenn man eines hört muss man ja nicht permanent daran denken, dass es noch 50 andere derselben Art gibt (ich geb zu, bei Pärt tue ich mich da aber auch schwer).
    :hello:

  • Siehst Du, so kommen wir uns doch näher. Mir ging es mein halbes Leben lang mit Barockmusik so wie Clemens mit Verdi, bis auf einmal die Initialzündung kam, die aber nicht erzwungen wurde sondern sich durch Zufall ergab.
    Bei Pärt und noch verschiedenen anderen zeitgenössischen Komponisten wird dies in meiner Lebenszeit wohl nicht mehr der Fall sein. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel.


    LG :hello:


    Emotione

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  • Zitat

    Original von Antracis
    [quote]Original von Wulf


    Gibt es dagegen eigentlich ein Heilmittel ? Bei mir nimmt das nämlich mit zunehmendem Alter immer pathologischere Formen an: Ich mag Verdi und Wagner, Mozart und Messiaen, ja ich gestehe sogar , Lieblingsaufnahmen von Karajan und Boulez zu haben.
    Gruß
    Sascha


    Das macht doch nichts, Sascha. Boulez hörst Du weil Du Intellekt besitzt, Karajan, weil Du altersmilde geworden bist :stumm::D


    Nein, natürlich gibt es auch einige gute (sehr gute) Karajan-Aufnahmen, warum also nicht?


    :hello:
    Wulf


  • ....und da mach ich mir Gedanken über meinen Geisteszustand..... :wacky: - Brauchst Du noch weitere Gründungsmitglieder für die Selbsthilfegruppe?


    LG
    Rosenkavalier

  • Zitat

    Original von Emotione
    Siehst Du, so kommen wir uns doch näher. Mir ging es mein halbes Leben lang mit Barockmusik so wie Clemens mit Verdi, bis auf einmal die Initialzündung kam, die aber nicht erzwungen wurde sondern sich durch Zufall ergab.
    Bei Pärt und noch verschiedenen anderen zeitgenössischen Komponisten wird dies in meiner Lebenszeit wohl nicht mehr der Fall sein. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel.


    Na eben. Wer nicht auf Initialzündungen warten will, da er die Beschränktheit der Lebensfrist erkannt hat (z.B.) der möge sich nicht mit einem "vielleicht irgendwann einmal von selbst" begnügen.
    :D
    Andererseits hat das Liegenlassen auch seine Berechtigung aber dem Zufall allein möchte ich es auch nicht überlassen, welche bis dato sträflich vernachlässigten Komponisten (z.B. Verdi) ich in 10 Jahren immer noch nicht ausreichend inhaliert haben werde.
    ;) :hello:

  • Zitat

    Original von pfuetz


    Was mir bei den anderen Verdi Opern "fehlt", ist tatächlich das, was Edwin als "eigenständige Musikausarbeitung" zu Themen benennt (siehe seine Ausführung zum Parsifal)), während ich die "tolle Melodie" bei Verdi machmal als "einfach nur schön (was auch immer schön hier sein soll?)" empfinde, was ich dann wiederum als absolut langweilig empfinde.


    Da ich von der sängerischen Seite herangehe, liegt mit Verdi natürlich gerade deswegen näher. Allerdings fällt mit beim lesen des o.a. Abschnitts auf, dass mir bei Wagner hauptsächlich die reinen Orchesterteile, insbesondere die Ouvertüren gefallen, während ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich auf Anhieb vermutlich keine Verdi-Ouvertüre erkennen würde (außer die paar Takte vor Don Carlos).


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Zitat

    Original von Wulf


    Nein. Aber das hat auch nichts mit Verdi oder Wagner zu tun :beatnik:


    Irgendwann schlepp ich Dich mal gefesselt und geknebelt in die Meistersinger mit oder Tristan und Isolde...... :D, damit Du überhaupt weißt, über was Du lästerst.


    :baeh01:
    Rosenkavalier

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  • Hallo Rosenkavalier,


    denk doch mal an La Forza del Destino oder das Vorspiel zu Traviata. Bei Verdi denkt man deshalb vielleicht nicht sofort daran wegen der relativen Kürze im Gegensatz zu Wagner, dessen Ouvertüren ich übrigens liebe.


    :hello:


    Emotione

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier
    ..., während ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich auf Anhieb vermutlich keine Verdi-Ouvertüre erkennen würde (außer die paar Takte vor Don Carlos).


    Was sicher auch daran liegt, dass es von Verdi kaum klassische Ouvertüren gibt! ;)


    Wenn er nicht direkt in medias res geht, gibt es kurze Vorspiele, und die sind zumeist unverkennbar (z.B. Rigoletto oder Traviata).

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von pfuetz
    Was mich am meisten verblüfft hier in der Diskussion ist die Tatsache, daß Rideamus, der ja nun wirklich eloquent ist, und auch "sehr lange und umfangreiche und inhaltsvolle" Beiträge schafft, es dann nicht schafft, mit Wagner warm zu werden. Evtl. ist der Unterschied, daß Wagner doch im Libretto "langatmig" wirken kann, dafür aber in der Entwicklung des musikalischen Motivwerks durch die Oper stärker wirkt, während Verdi doch eher als "im Text kurzweilig", und dann in der Musikführung als "toll in einzelnen Liedern" wirken kann, und damit bei Wagner ein anderer Ansatz zum Ziel führen kann (Clemens, Der-wonnige-Laller, hat ja davon gesprochen, daß er an den Werken arbeitet, vielleicht kannst Du, Clemens, uns sagen, wie Du das tust, evtl. können wir dann daran weiter zu erarbeiten versuchen, wie Du dann einen Zugang zu Verdi finden kannst?).


    Gute Frage... Ich habe da keinen genauen Arbeitsplan, es ergibt sich meistens. Zuerst kannte ich Wagner nur von so Scheiben wie "Wagner without words" oder irgendwelchen Guido Knopp-Dokus im TV. Da reiht sich dann der Walkürenritt an den Einzug der Götter in Walhall, gefolgt vom Trauermarsch und dem Götterdämmerung-Finale. Ich fand das immer furchtbar monströs und gewal(tä)tig und die Inhaltsangaben im Opernführer wirkten auch nicht gerade reizvoll auf mich - von der Vorstellung, daß so ´ne Sache dann noch 4 oder 5 Std. dauern sollte mal ganz abgesehen. Dann startete in der Spielzeit 2000/01 in Köln der Ring mit dem Rheingold und ich bekam eine Freikarte. Und da das Rheingold ja recht kurz ist, habe ich es einfach auf einen Versuch ankommen lassen. Was dann aber aus dem Orchestergraben aufstieg, war ganz was anderes, als ich es erwartet hatte und mir wurde klar das die Musik hier eine ganz andere Bedeutungsebene hat, als das z. B. bei Zar und Zimmermann;) der Fall ist. Als Theaterfan fand ich es gerade spannend, daß es hier nicht nur um schöne Musik als Grundlage ging, sondern daß das Orchester eine tatsächliche dramatische Funktion hatte, etwas, was dem szenischen Vorgang eine weitere Bedeutungsebene hinzufügte, die ich so im Theater vorher nicht erlebt hatte. Im Verlauf der 2 1/2 Std verschwand dann auch meine Vorstellung, daß Wagner mir hier eine Art "Nibelungen"-Version erzählen wollte, mit germanischen Göttern etc., sondern das was sich da abspielte, erschreckend nah an unserer Zeit, an unserer Gesellschaft ist, und eine Musik wie beim Einzug der Götter, die ich immer als unglaublich aufgeblasen und selbstherrlich empfunden habe, auch genau so empfunden werden sollte, besonders in der Wirkung mit dem Klagegesang der Rheintöchter. Das war dann also die Initialzündung, die in mir die Lust geweckt hatte, erstmal alles genau durchzugehen, um mir auch die Feinheiten der Musik und die Textstellen zu erschließen, die mir bei der Vorstellung entgangen waren. Seitdem arbeite ich Phasenweise immer wieder gerne an meinem Zugang zu Wagner, denn leicht erschließen sich mir seine Werke nicht gerade. Das ist oft eine Mischung aus Faszination und Frustration, weil ich z.B. beim Tristan schon beim lesen denke: "Komm, leg mal beiseite und studier erstmal Philosophie..."
    Klar ist, daß je mehr ich den Text beherrsche, mir Hintergründe klar werden, ich verschiedene Lesarten auf mich wirken lasse, desto tiefer Dimensionen bekommt die Musik, die ich ohne einen dramaturgischen Bezug wahrscheinlich bis heute nicht hören würde...
    Ob sich das aber auf einen Umgang oder Zugang mit/zu Verdi übertragen lässt oder irgendwie hilfreich ist... ich weiß es nicht. Kaffee bereitet man halt anders zu als Tee...

  • Zitat

    Original von Rosenkavalier
    Allerdings fällt mit beim lesen des o.a. Abschnitts auf, dass mir bei Wagner hauptsächlich die reinen Orchesterteile, insbesondere die Ouvertüren gefallen, während ich zu meiner Schande gestehen muss, dass ich auf Anhieb vermutlich keine Verdi-Ouvertüre erkennen würde (außer die paar Takte vor Don Carlos).


    Gruß
    Rosenkavalier


    Wäre beim späteren Verdi auch schwer, denn da gibt es (fast) nur kurze Auftakte und keine Ouvertüren. Selbst das Vorspiel zu LA TRAVIATA kann man ja kaum eine Ouvertüre nennen. Soweit er danach doch welche geschrieben hat, werden die allenfalls in Sammlungen seiner Ouvertüren gespielt. :D


    Aber bei den Ouvertüren Wagners, der ja etwa zur selben Zeit wie Verdi begann, darauf zu verzichten, geht's mir ähnlich wie Dir und... (war's Emotione?). Überhaupt gehörten und gehören die Orchesterstücke der Wagner-Opern schon immer zu meinen Lieblingsstücken, die ich in entsprechend vielen Varianten besitze.


    Wenn ich, was natürlich nur ganz selten vorkommt, böse sein will, bezeichne ich Wagner als einen der großartigsten Orchesterkomponisten, die wir je hatten und darin Berlioz nicht nachsteht. Meine Probleme habe ich mit den obligaten Singstimmen, wobei ich ausnahmsweise nicht die Stimmen selbst meine (obwohl das schon lange ebenfalls angebracht ist), sondern das, was sie - bei für mich meist begrenztem Resultat im Verhältnis zum Aufwand - alles zu bewältigen haben.


    Hofmannsthal muss an Wagner gedacht haben, als er schrieb: "Das Stück hat Längen. Gefährliche Längen". Genau die kann ich bei Verdi, um den es hier egentlich geht, nur selten als solche empfinden.


    @ Clemens
    IL TABARRO (zu dem ich zufällig gerade einen Text für den OPERNFÜHRER schreibe), ist bester und höchst stimmungsvoller Puccini, aber m. E. nur von der Handlung her dem Verismo zuzuordnen, nicht aber in seiner Musiksprache, da sich Puccini regelmäßig den ganz großen Ausbrüchen blanker Leidenschaft verweigert. Da lohnt es sich auch, Puccinis und Leoncavallos BOHÉME zu vergleichen. Vielleicht sollte man den Verismo eher Expressionissimo nennen, denn da gibt es in der Tat eine Steigerung der emotionalen Musik Verdis bis ins (manchmal) unbekömmliche Extrem.


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Rideamus
    @ Clemens
    IL TABARRO (zu dem ich zufällig gerade einen Text für den OPERNFÜHRER schreibe), ist bester und höchst stimmungsvoller Puccini, aber m. E. nur von der Handlung her dem Verismo zuzuordnen, nicht aber in seiner Musiksprache, da sich Puccini regelmäßig den ganz großen Ausbrüchen blanker Leidenschaft verweigert. Da lohnt es sich auch, Puccinis und Leoncavallos BOHÉME zu vergleichen. Vielleicht sollte man den Verismo eher Expressionissimo nennen, denn da gibt es in der Tat eine Steigerung der emotionalen Musik Verdis bis ins (manchmal) unbekömmliche Extrem.


    :hello: Rideamus


    Lieber Rideamus,
    kannst Du mir denn evtl bitte erklären, an was man den Verismo in der Musik festmacht? Vom Sujet her sind die Puccini-Opern größtenteils doch schon veristisch, oder nicht? Wie benennt man denn die musikalischen Unterschiede zwischen Puccini und den "wiklichen" Verismo-Komponisten? ?( Bei Puccini gibt es doch auch Ausbrüche blanker Leidenschaft und emotionale Steigerungen... Oder sind die noch zu lyrisch, um veristisch zu sein?

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  • Zitat

    Original von Rideamus


    Wäre beim späteren Verdi auch schwer, denn da gibt es (fast) nur kurze Auftakte und keine Ouvertüren. Selbst das Vorspiel zu LA TRAVIATA kann man ja kaum eine Ouvertüre nennen. Soweit er danach doch welche geschrieben hat, werden die allenfalls in Sammlungen seiner Ouvertüren gespielt. :D


    Da bin ich ja beruhigt, dass es weder an meiner Wahrnehmung noch an meinem nachlassenden Gedächtnis liegt... (Das musste ich jetzt schreiben um mich nicht als totale Ignorantin zu outen ;) )


    Zitat

    Original von Rideamus
    Überhaupt gehörten und gehören die Orchesterstücke der Wagner-Opern schon immer zu meinen Lieblingsstücken, die ich in entsprechend vielen Varianten besitze.


    Da haben wir eine Gemeinsamkeit. Ich fand die Orchesterstücke schon toll, bevor ich meine erste Wagner-Oper ganz gehört hatte.


    Zitat

    Original von Rideamus
    Hofmannsthal muss an Wagner gedacht haben, als er schrieb: "Das Stück hat Längen. Gefährliche Längen". Genau die kann ich bei Verdi, um den es hier egentlich geht, nur selten als solche empfinden.


    Bei "Verdi" und "Längen" denke ich z.B. an Nabucco. Die Oper kam mir damals endlos lange vor, gefühlte fünf Stunden mindestens.


    Gruß
    Rosenkavalier

  • Zitat

    Original von Der-wonnige-Laller


    Lieber Rideamus,
    kannst Du mir denn evtl bitte erklären, an was man den Verismo in der Musik festmacht? Vom Sujet her sind die Puccini-Opern größtenteils doch schon veristisch, oder nicht? Wie benennt man denn die musikalischen Unterschiede zwischen Puccini und den "wiklichen" Verismo-Komponisten? ?( Bei Puccini gibt es doch auch Ausbrüche blanker Leidenschaft und emotionale Steigerungen... Oder sind die noch zu lyrisch, um veristisch zu sein?


    Zur Beantwortung der allgemeinen Frage bräuchte ich viel mehr Zeit, vom Wissen ganz zu schweigen, denn ich hatte schon immer Schwierigkeiten, den Verismo jenseits der grellen Klassiker, die Du schon genannt hast, zu definieren (außer inhaltlich). Vielleicht/hoffentlich gibt es hier Kenner, die uns da helfen können.


    Ansonsten hast Du m. E. mit Deiner Frage mindestens einen Teil der passenden Antwort formuliert. Natürlich hat Puccini auch Leidenschaft (und sicher leidenschaftlich) komponiert, aber vielleicht war er (wie Verdi übrigens auch) einfach zu kultiviert um ihr so hemmungslos Ausdruck zu geben wie etwa ein Mascagni oder Leoncavallo. Was mich im TABARRO immer wieder besticht, ist das unterschwellige Grauen, das bei aller Poesie von Anfang an unter dem Stück liegt und selbst bei dem Mord nie voll ausgespielt wird. Etwa der Unterschied zwischen einem sehr guten Grusel- und einem Splatterfilm. Aber auch die haben ja ihre Anhänger und können gut auf mich verzichten.


    :hello: Rideamus

  • Hallo Rideamus,
    die Frage der Längen ist natürlich subjektiv. Ich empfinde etwa den viel gelästerten ersten Akt "Parsifal" als sehr spannend - und zwar, wenn die Sänger wortdeutlich genug singen, daß man die Erzählungen versteht. Ich höre eben guten Erzählungen gerne zu.
    Bei Verdi hingegen interessiert mich die Handlung des "Rigoletto" so absolut nicht (wenn ich die Probleme von Wirbelsäulengeschädigten als Gesangsdarbietung erleben will, steht mir Schreker mit den "Gezeichneten" eben doch näher), dass "Rigoletto" für mich ermüdend langweilig ist.
    Für mich dabei interessant: Mich interessiert, ehrlich gestanden, auch nicht, warum ein Schuster eine dreißig Jahre jüngere Frau nicht nimmt, obwohl er sie haben könnte - aber, wie mir Wagner das erzählt, fasziniert mich restlos.
    Es liegt also bei mir nicht an den Stoffen, sondern an der Erzählweise, und da neige ich offenbar eher zum schwerblütig grüblerischen Deutschtum und weniger zum flotten italienischen Tralala. :D
    :hello:


    Zitat

    Was mich im TABARRO immer wieder besticht, ist das unterschwellige Grauen, das bei aller Poesie von Anfang an unter dem Stück liegt und selbst bei dem Mord nie voll ausgespielt wird. Etwa der Unterschied zwischen einem sehr guten Grusel- und einem Splatterfilm.


    Also, die Musik klingt eindeutig nach Splatterfilm... :hahahaha:

    ...

  • Zitat

    Original von Rideamus
    Bemerkenswerterweise treffen wir uns bei der Zuneigung zu HÄNSEL UND GRETEL, einem Werk, das man als konzisen und besonders melodischen Wagner mit einem ganz anderen Bilck auf die Fantasiewelt bezeichnen kann. Ich glaube deshalb, dass es weniger die Musik als die Thematik und Erzählweise der Opern Verdis ist, mit der Du Deine Probleme hast. Die Fantasie ist ja das Rückzugsgebiet derjenigen, denen die blanke Leidenschaft, die im Zentrum von Verdis Werk steht, unheimlich ist. Ich sehe dafür eine gewisse Bestätigung in dem Umstand, dass Du Belcanto-Opern durchaus goutieren, mit der Dominanz der Melodie und der Abstraktion der dort geschilderten Gefühlswelten also durchaus umgehen kannst. Bevor ich mich jedoch in abstruse Theorien verirre, frage ich erst einmal an, ob meine Vermutung stimmt, dass Du mit der veristischen Oper auch nicht so viel anfangen kannst.


    Je mehr ich Deiner Theorie nachhorche, desto mehr glaube ich, daß da evtl der Hase im Pfeffer liegt... Ich empfinde die Verdi-Opern schon oft als "Seifenopern". Ich entdecke da so wenig, was mit mir oder der Welt, wie ich sie wahrnehme zu tun hat. Ich finde da schon unter dem Plot kaum etwas reizvolles, etwas was es zu entschlüsseln gibt, was Fragen aufwirft. Daraus ergibt sich dann auch bei den schönen Melodien für mich schnell etwas arg "sentimentales", etwas wie: "Ja... das was da passiert ist zwar gerade recht tragisch - aber nicht wirklich schlimm... Wenn die Oper aus ist, geh ich `n Bier trinken und rede wieder über´s Wetter...". Widersprüchlicher Weise sitze ich aber nach einer Stunde "Suor Angelica" da und verzweifle an Gott, Welt und Menschen... :no:

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Es liegt also bei mir nicht an den Stoffen, sondern an der Erzählweise, und da neige ich offenbar eher zum schwerblütig grüblerischen Deutschtum und weniger zum flotten italienischen Tralala. :D


    Die Bewertung hast Du gegeben, aber als Faktum kann ich damit leben. :D


    Zitat

    Was mich im TABARRO immer wieder besticht, ist das unterschwellige Grauen, das bei aller Poesie von Anfang an unter dem Stück liegt und selbst bei dem Mord nie voll ausgespielt wird. Etwa der Unterschied zwischen einem sehr guten Grusel- und einem Splatterfilm.


    Also, die Musik klingt eindeutig nach Splatterfilm... :hahahaha:[/quote]


    X(


    Der Rest wäre zu weit OT, aber vielleicht einen eigenen Thread wert.
    Etwa nach dem Motto: Vom Wirbelsäulenproblem zum Hörschaden: Horror zwischen Verdi und Strauss


    :hello: Rideamus

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