Cari Tamini!
Hier kurz (oder auch nicht ) meine ersten Eindrücke von der gestrigen GP zu Vedis "La Forza del Destino", die morgen PR hat. Gespielt wird die zweite Fassung von 1869, wo der Schluss mit einer Leiche weniger aufwartet, weil Alvaro im Unterschied zur ersten Fassung nicht Selbstmord begeht, sondern ins Kloster zurückkehrt. Leider hat man in der aktuellen Produktion besonders im 2. Akt viel gestrichen, die meisten Genre-Szenen aus dem Lager eliminiert usw.
Das ist aber nicht der Grund, warum ich mit der Inszenierung von David Pountney gestern nicht glücklich wurde....
Dem aktuellen Trend folgend, dass Musik alleine offensichtlich fad ist, tut sich schon während der Ouvertüre allerhand auf dem Vorhang: Ein mächtiges Rad (Achtung: Schicksal!) dreht sich als Projektion, kurz nimmt ein schillernder Schmetterling darauf Platz (Das Glück ist etwas Flüchtiges.....), wird dann durch eine rotierende Pistole ersetzt, aus der sich ein Projektil löst, das fatal an eine Bombe erinnert und zunächst ziellos über den Vorhang geistert, bis es schließlich in einer formatfüllenden weiß behemdeten Männerbrust detoniert, worauf sich allmählich die gesamte Fläche rot einfärbt. Nun gut. Da die Forza-Ouvertüre meine Lieblingsouvertüre von Verdi ist, lauschte ich der Musik ohnehin meist mit geschlossenen Augen.
Der Vorhang öffnet sich und man erblickt eine schräg in den Raum gestellte, weiße L-Konstruktion, nach vorne hin abfallend (Merke: Die Bahn des Schicksals ist abschüssig), im aufragenden kürzeren Teil befindet sich eine schmale Öffnung, gerade breit genug, damit ein Mensch durchschlüpfen kann. Sie dient sowohl als Erker wie in den späteren Szenen als Klosterpforte und Felsenschlucht. Ein weißes Spitalsbett bildet den einzigen Einrichtungsgegenstand, außerdem stecken zwei blutrote Schwerter in der Wand bzw. im Boden. Damit wäre auch schon das Farbspektrum dieser Inszenierung komplett: Schwarz und weiß sind Bühnenbild und Kostüme im quasi privaten (bzw. klösterlichen) Bereich, knallrot hingegen in den Kriegsszenen (Ja, der Krieg ist ein blutiges Geschäft.... :wacky: Eine ziemlich platte Assoziation für meinen Geschmack!)
Trotzdem - ich liebe bekanntlich reduzierte Bühnenbilder, und die Optik zu Beginn schien mir vielversprechend. Leider wartete ich vegeblich, dass nun die Sänger mit ihrer Persönlichkeit das Vakuum füllen würden. Dies gelang natürlich mühelos Nina Stemme und wenig später Carlos Alvarez (Don Carlo di Vargas), nicht aber Salvatore Licitra als Don Alvaro und Alastair Miles als Marchese/Pater Guardian. Es scheint momentan ein Regietrend zu sein, dass Liebespaare einander möglichst nicht nahe kommen (auch bei der "Cosi" unlängst fiel mir das auf und in vielen anderen Produktionen der neueren Zeit), deshalb findet eine Begrüßung zwischen Leonora und ihrem zur Entführung herbeieilenden Bräutigam vorerst nicht statt. Statt der Geliebten umarmt Alvaro ein Kissen, und man beginnt ein wenig zu verstehen, warum sie ihre Fluchtpläne zu überdenken scheint..... Nur steht das leider in völligem Widerspruch zur leidenschaftlichen Musik Verdis, die ja ein "Sich-in-die-Arme-stürzen" förmlich erzwingt. Vorerst aber steht das Bett zwischen den Liebenden, und während Nina Stemme wenigstens durch ihre Körpersprache glaubhaft ihren inneren Konflikt zum Ausdruck bringt, steht Salvatore Licitra da wie ein Melonenverkäufer und lässt Zubin Mehta nicht eine Sekunde aus den Augen. Offensichtlich hat auch David Pountney es nicht geschafft, diesem Tenor klar zu machen, dass man durchaus auch singen kann, ohne ständig mit weit vom Körper gespreizten Armen da zu stehen bzw. sie vor dem Körper in einer Pose zu vereinigen, als wolle er Wasser schöpfen. (Die dritte Variante in Licitras Ausdrucksrepertoire ist "Faust aufs Herz", damit sind seine Möglichkeiten dann so ziemlich erschöpft.) Aber gut, ich kenne Licitra ja schon von etlichen Produktionen und wusste daher, was mich erwartet.
Der 2. Akt ließ mich dann daran zweifeln, ob David Pountney nicht vielleicht im falschen Stück gelandet ist. Zumindest Preziosilla scheint aus "Annie, get your gun!" entliehen zu sein, denn sowohl sie wie auch die Marketenderinnen tragen ein knallrotes Cowboy-Outfit mit Schlapphut, Patronengurt usw. und gebärden sich wie bei einer Wildwest-Show. Da werden Lassos geschwungen, Colts durch die Luft gewirbelt, Beine in engen Stiefeln hoch geschwungen, alles im Stil der Prinzengarde beim Kölner Karneval, fallweise erinnerte mich dieses "Ballett" auch an den Auftritt der Cheerleader. Nadia Krasteva sieht in diesem Cowgirl-Outfit zwar umwerfend sexy aus, verfügt aber insgesamt über zu wenig Persönlichkeit, um die Sogwirkung der Preziosilla glaubhaft zu machen.
Die Soldaten tragen ebenfalls knallrote Mäntel mit schwarzen Kreuzen, statt einer Waffe präsentieren sie Gebetsbücher. Ich glaube mich zu erinnern, dass Poutney in einem Interview gesagt hat, er wolle die allmächtige Rolle der Religion thematisieren, Preziosilla sei für ihn so etwas wie eine Sektenführerin, der alle blind ergeben sind, deren Parolen sie folgen. Ein interessanter Ansatz, nur in der Realisierung gescheitert. Denn diese Preziosilla und ihre Cherleadertruppe wirken in ihren Kostümen in erster Linie lächerlich und obendrein so harmlos, dass sie wohl keinen einzigen Mann zu anderen als amorösen Abenteuern verleiten könnten.
Im 3. Akt ist das nun schon bekannte liegende weiße L von einer Art Rundgerüst umgeben, einem ungeordneten System von Treppen, Leitern, Stegen, Plattformen, wo sich bald das Kampfgetümmel abspielen wird. Vorerst aber liegt Alvaro im Bett (Es ist das gleiche wie im 1. Akt) und erlebt in einem Alptraum den Mord am Marchese noch einmal, symbolisiert durch die schon von der Ouvertüre bekannten Projektionen. Warum er - ein Soldat!! - allerdings in weißem Hemd und Krawatte schläft, bleibt eines der Rätsel dieser Inszenierung. (Leider schaffe ich es nicht so wie Alviano, solche Bilder "einfach stehen zu lassen" - ich will die Intention dahinter begreifen! Im konkreten Fall bin ich leider zu doof dazu :O ) Szenisch ist dieser Akt der in meinen Augen gelungenste und eindrucksvollste. Während der Kampfhandlungen beginnt das Rundgerüst zu rotieren, Soldaten erstürmen es von allen Seiten, es herrscht ein lebhaftes Auf und ab, Hin und Her, ohne dass konkrete Einzelaktionen (meist ohnehin ziemlich unbeholfene bis lächerliche Szenarien) erkennbar werden - gleichzeitig wird eine Schwarz-weiß-Projektion einer realen Kriegsberichterstattung über die ganze Bühne gelegt, eines modernen Krieges mit Panzern etc, bis am Schluss das Schlachtfeld mit Leichen übersät ist.
Der verwundete Alvaro wird auf halber Gerüsthöhe in einer Art Lazarett versorgt, während eine Etage höher Don Carlo mit sich ringt, ob er Beweise für seinen Argwohn im Hab und Gut des Noch-Freundes suchen soll. Auch das eine szenische Lösung, die mir sehr gut gefällt.
Leider stürmt dann wieder Preziosillas "Prinzengarde" herein, um die Gefallenen hinauszutragen, und meine Stimmung war wieder dahin.
Das "Se piangete quai ragazzi" (Wenn ihr wie Kinder weint), mit dem die Zigeunerin die jungen Rekruten maßregelt, nimmt Pountney wörtlich, denn bei ihm sind es tatsächlich Kinder, im konkreten Fall die Eleven der Ballettschule, die aus dem Bauch von zwei riesigen Puppe förmlich herausquellen. (Solche Puppen/Marionetten kenne ich schon aus anderen Pountney-Inszenierungen...) Der laut Libretto fröhliche Tanz der Marketenderinnen mit den Soldaten gerät hier zu einem makabren Ballett Kriegsversehrter mit ihren Krankenschwestern, was in meiner unmittelbaren Umgebung empörtes Raunen ausgelöst hat. Mich hat gestört, dass die einzelnen Elemente dieser Szene nicht wirklich zusammengepasst haben, keine durchgehende Idee erkennen ließen. Aber vielleicht sind ja andere schlauer als ich, am Samstag kann sich jeder ein Bild machen. (TV-Übertragung!!)
Ich habe die Klosterszenen bisher ausgelassen, weil sie für mich auch nichts Spektakuläres enthalten. Dass der Pater Guardian wie ein pedantischer Bürokrat auftritt (In Anzug und Krawatte) vermittelt mir persönlich keine neue Sicht auf diesen Charakter. Falls Pountney damit beabsichtigt hat, die "Seelenlosigkeit" des Molochs Kirche anzuprangern, hätte er dazu eine andere Besetzung als den wie immer brav und bieder agierenden Alastair Miles aufbieten müssen, denn von dem geht wahrlich nichts Autoritäres, Bedrohliches aus. Auch nichts Väterliches - eigentlich geht gar nichts von ihm aus... (wie eigentlich immer )
Bei einer GP vermeide ich es immer über die stimmlichen Leistungen viel zu sagen, obwohl diesmal die Fernsehkameras mitfuhren und daher nicht nur markiert wurde. Trotzdem gibt ein Sänger bei einer GP kaum das Letzte. Nina Stemme und Carlos Alvarez fand ich wunderbar (Den Bariton erst nach einigen Anlaufschwierigkeiten. Am Anfang klang er merkwüdig gepresst, was ich bei ihm gar nicht kenne) Salvatore Licitra macht mich nie wirklich glücklich. Er verfügt eigentlich über ein schönes Stimmmaterial, aber wie er damit umgeht, begeistert mich absolut nicht. Manches gelingt ihm wunderschön, aber in den Überlangslagen klingt es oft sehr inhomogen, brüchig. Sascha könnte das natürlich fachmännischer erklären! Dass Licitra noch nicht akzeptiert hat, dass heutzutage auf der Bühne nicht nur Singen, sondern auch Darstellung gefragt ist, macht mich natürlich auch zu keinem Fan von ihm.
Zubin Mehta dirigierte einen sehr leidenschaftlichen Verdi, ohne aber auf subtile Zwischentöne zu verzichten, und die Philis erfüllten seine Wünsche bis auf einen schon beinahe obligaten Ausstieg der Bläser sehr klangschön.
So, jetzt bin ich auf eure Kommentare nach der TV-Übetragung gespannt!
lg Severina