Hit des 20. Jahrhunderts - Carl Orffs "Carmina Burana"

  • Hi!


    Da wurde wohl eine tolle Aufnahme der Carmina Burana vergessen:



    Wenn ich sie auch mit einem anderen Cover besitze, in dem Design der übrigens interessanten Reihe "entree".


    LG Florian


    :hello:

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."

  • Na, auf die Gefahr hin, daß sie schon mal genannt wurde (glaube ich aber eigentlich nicht) - ich mag insbesondere diese hier:



    Charles Dutoit macht seine Sache hier sehr, sehr gut! Sein eher rationalistischer, tendenziell verschlankender und zugleich doch extrem feurig-energetischer Zugriff tut wie ich finde gerade einem (leider abgenudelten und häufig eher pomadig musizierten) Werk richtig gut!


    Herzlichst,
    Medard

  • HAllo Klawirr,
    DAs glaube ich sofort- das Montreal Orchester mit Dutoit ist hervorragend, ich habe es auch viele Mal in MOntreal gehört. Die Aufnahmen sind auch normalerweise aufnahmetechnisch extrem gut. Wie sind denn die Solisten ?


    Gruss :hello:


    Syrinx

  • Hallo Draugur,


    Ja, im Unterstellen bist Du wahrhaft groß - in der Kenntnis von Orff dem Anschein nach leider nicht ganz so.


    Also: Orff hat die Stellung der "CB" seinem Verleger gegenüber so charakterisiert: "Alles, was Sie bisher leider gedruckt haben, können Sie einstampfen. Mit den ,Carmina burana' beginnen meine gesammelten Werke."


    Davon abzuleiten, daß Orff vom Rest nichts mehr wissen wollte, wäre aber falsch: Orff war einer jener Komponisten, die mißglückte Werke vernichtet haben. Einen großen Teil der Vor-CB-Werke ließ er überleben. Was kann man daraus schließen? - Vielleicht: Aufgehoben für die Nachwelt? (Orff war sich seiner überzeitlichen Bedeutung durchaus bewußt.)


    In der von ihm selbst herausgegebenen mehrbändigen Autobiographie behandelt obendrein ein ganzer Band sehr detailliert das Frühwerk. Im Anhang finden sich Noten von frühen Klavierliedern. Ist das der Umgang eines Komponisten mit einem Frühwerk, das er verurteilt?


    Ich glaube, daß Orff sehr genau gespürt hat, wo der Weg der Stilfindung endet und der Personalstil beginnt. Dieser Personalstil ist sogar in einigen Vor-CB-Werken bereits deutlich ausgeprägt (etwa in den Brecht- und Werfel-Chorsätzen). Meiner Meinung nach hat Orff, der theatralische Gesten nicht nur liebte, sondern auch beherrschte, sehr genau gewußt, daß er mit dem CB-Knalleffekt ganz anders ins Bewußtsein dringt als mit "Veni creator" oder auch den Catull-Chorsätzen, von denen einige ebenfalls der Vor-CB-Zeit entstammen. Also wird auf dem Papier die Zäsur mit den CB gesetzt, und alles, was vorher ist, ist eine Angelegenheit für die Nachwelt.


    Wie komme ich nun zu meiner Einschätzung der CB als "Orffs größter Mist"? Bevor Du weitere Unterstellungen bemühen mußt: Ich halte die CB nicht für Nazi-Musik, sondern für von den Nazi akzeptierte Musik, was in meiner Definition etwas ganz Anderes ist. Ich habe angesichts der starken erotischen Komponente, die sich bis in die Klangsymbolik hineinzieht, sogar eher den Verdacht, die Nazi haben vor lauter Glück über die paar mittelhochdeutschen Texte nicht kapiert, daß Orff bis zum Schrei bei der Defloration geht ("Dulcissime") - im "Trionfo" wird er in dieser Hinsicht freilich noch deutlicher. Mir ist bei meiner Distanz (nicht Ablehnung) der CB auch deren Breitenwirkung gleichgültig, im Gegenteil: Ich bin ja, als Anhänger, der Neuen Musik froh, wenn eines ihrer Werke großen Erfolg hat. Aber ich hätte ihn der "Antigonae", dem "Prometheus" und der "Temporum finde comedia" eher gegönnt, weil diese Werke wesentlich mehr in die Tiefe gehen und einen neuen Entwurf des Musiktheaters darstellen.


    Weshalb mir nun die CB als Orffs schwächstes Werk erscheinen? Nun: Weil ich jedes andere seiner Werke, das ich kenne (was das Gesamtwerk aus der Nach-CB-Zeit bedeutet, dazu frühe Lieder, die Chorsätze und, dank Partitur, die "Tanzenden Faune"), aus den unterschiedlichsten Gründen höher schätze als die CB. Oder, um es ohne Vergleich zu sagen: Die CB langweilen mich grauenhaft. Und zwar wegen ihrer einförmigen Strophenformen. Ich gehe die Sache einmal durch, kurze persönliche Wertung inklusive:


    1) O Fortuna - genialer Wurf, keine Kritik.
    2) Fortune plango vulnera - Strophenform, aber es geht, wir sind ja erst am Anfang.
    3) Veris leta facies - Strophenform, geht, weil neuer Melodietypus (imititierte Gregorianik).
    4) Omnia sol temperat - Strophenform, Melodietypus ähnlich 3); es stellt sich das Gefühl ein "Mach doch weiter".
    5) Ecce gratum - Strophenform, aber neuer Melodietypus.
    6) Tanz - wenigstens einmal etwas Anderes.
    7) Floret silva - variierte Strophenform, Melodietypus wie 5); das "Mach-doch-weiter"-Gefühl verstärkt sich
    8 ) Chramer, gip die varwe mir - Strophenform, Melodietypus ähnlich 2); ich beginne, auf die Uhr zu schauen.
    9) Swaz hie gat umbe - verzahnte Strophen, Melodietypen wie 2) und 3); ich werde nervös.
    10) Were diu werlt alle min - mitreißend, nicht nur, weil Teil 1 endlich aus ist.


    11) Estuans interius - Strophenform, aber neuer Melodietypus; ich werde langsam munter.
    12) Olim lacus colueram - Strophenform, Melodietypus ähnlich 3)/4), aber parodistisch; die Groteske wirkt, ich bin wach.
    13) Ego sum abbas - Melodietypus wie 4), aber parodistisch überhöht, abermals wirkt die Groteske, nichts einzuwenden.
    14) In taberna - steigernde Strophenform, der Drive macht's möglich: Eine tolle Nummer.


    15) Amor volat undique - Strophenform, Melodietypus wie 5); ich werde wieder unruhig.
    16) Dies, nox et omnia - Strophenform mit erweiterter Melismatik, neuer ("pumpender") Melodietypus; es geht also doch etwas weiter.
    17) Stetit puella - Strophenform, Melodietypus wie 5); hatten wir das nicht schon oft genug?
    18 ) Circa mea pectora - Strophenform, Melodietypus wie 16); schon wieder...
    19)-25) Der Höhepunkt der CB, keine Einwände, eine Nummer besser als die andere, wobei meine besonderen Lieblinge "Veni, veni, venias" und "Ave formosissima" sind, gefolgt von "In trutina".


    Das macht für mich summa summarum ein Werk, das auf mich sehr monoton wirkt mit vielen Wiederholungen, wobei ich mit Wiederholungen nicht die Ostinati selbst meine, sondern Wiederholungen von Melodie- und Formtypen sowie Typen der Ostinatofloskeln.


    Kein anderes Werk Orffs, auch nicht die "Bernauerin", wiederholt dermaßen viele Typen und hält das Geschehen mit so vielen unvariierten oder gering variierten Strophenformen auf. Und in keinem ist der rote Faden einer Handlung dünner, die Handlungselemente heterogener zusammengesetzt als hier.


    Ich will Dich keineswegs überreden, meine Kritikpunkte bezüglich der CB zu teilen; ich hoffe aber, daß Du merkst, daß ich andere (natürlich subjektive) Gründe für die Distanz habe als die von Dir unterstellten.


    :hello:

    ...

  • Lieber Medard,
    jetzt mußt Du mir helfen: Ich habe die Dutoit-Aufnahme als fabelhaft dirigiert in Erinnerung, aber auch als mit einem Manko behaftet, das mich sehr stört: Ist das die Aufnahme, in der die Solisten das c von e und i italienisch zu "tsch" erweichen, der Chor hingegen konsequent c singt? Oder verwechsle ich das jetzt mit Slatkin?
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Hallo Draugur,


    Oder spielt da wieder das Verdikt von den Carmina als "Nazimusik" mit?


    Zitat

    Ich halte die CB nicht für Nazi-Musik, sondern für von den Nazi akzeptierte Musik, was in meiner Definition etwas ganz Anderes ist. Ich habe angesichts der starken erotischen Komponente, die sich bis in die Klangsymbolik hineinzieht, sogar eher den Verdacht, die Nazi haben vor lauter Glück über die paar mittelhochdeutschen Texte nicht kapiert, daß Orff bis zum Schrei bei der Defloration geht ("Dulcissime") - im "Trionfo" wird er in dieser Hinsicht freilich noch deutlicher.


    Hallo,


    es gab ja nicht die Nazimusik, gerade in diesem Bereich war die Politik sehr widersprüchlich, wie etwa die Kontroverse um Egks "Peer Gynt" zeigt (Rosenberg gegen Goebbels). Auf der einen Seite schrieb Orff eine Musik, die bestimmten Vorstellungen entgegen kam (massenwirksam, brachial),so dass man ihre ideologischen Implikationen übersah. Obernazisse Elly Ney hat bei der CB auf jeden Fall empört den Saal verlassen und das Verbot des Stückes betrieben.


    Was zumindest eine Fraktion der Nazis von Orff dachte, kommt schon in dem Artikel "Quertreiber an der Arbeit" von Hans Fleischer in der "Deutschen Kultur-Wacht" II/22, 2/IX/33. S. 2 (zitiert nach Prieberg Handbuch S. 5030) zum Ausdruck:


    "Nun ist mit Xylophonen, Tom-Tom, Pauken, Becken, Blockflöten, Handtrommeln und anderem Schlagzeug seelisches Empinden schwerlich auszudrücken. Aber das soll es ja auch gar nicht. Gefühl, Innerlichkeit, Romantik ist ja für diese Leute ein rotes Tuch. Also weg damit! Weg mit unseren Klassikern! Weg mit der gesamten musikalischen Kultur."


    Das war am 2.9.1933 ... 1936 hört es sich in einer Besprechung des Schulwerks nicht anders an:


    "Über das künstlerische Niveau dieser Leistungen wäre nicht zu diskutieren, wenn hinter ihnen nicht ein Geist sichtbar würde, der mit seiner Problematik und seinem artfremden Intellektualismus einer versunkenen Epoche angehört, die wir in ihren Auswüchsen überwunden haben" (Rudolf Sonner in "Die Musik" XXVIII/10, Juli 1936, S. 929)


    Die CB wurde von Büttner als "Hohelied auf die Kraft ungebrochener Lebensinstinkte und musikalisch ein Zeugnis für die unzerstörbare Macht der Volksweise, ihrer Melodik und ihrer rhythmischen Gewalt" verstanden (ZfM CIV/8 S. 873), der einflussreiche Herbert Gerigk (Verfasser des Lexikons "Juden in der Musik"; Amt Rosenberg) reagierte ablehnend. Rudolf Sommer schlägt wieder zu:


    "Die bürgerliche Hausmusik setzte beim Spieler einen gewissen Leistungsgrad voraus, marxistisches Minderwertigkeitsgefühl muß diesen jedoch ausschalten, und so kommt man zu einer Primitivisierung der gesamten Musik. Die Melodik wird mit dem Hinweis auf das Kinderlied versimpelt, formale Bindungen ersetzt durch stereotype ostinate Sequenzen, als einzig erregender Impuls tritt eine Rhythmik in Erscheinung, wie sie der außereuropäischen exotischen Musikübung eigentümlich ist. [...] Was uns heute aber nottut, ist ein Tanz, der vom eigenen rassischen Bewußtsein getragen uns zu unserem arteigenen Bewegungsgut wieder zurückführt, nicht zurück allerdings in die Primivität steinzeitlicher Exoten, sondern zum Hochtanz rassischer Gestaltungskraft." ("Die Musik" XXIV, S. 762).


    Prieberg berichtet von einer Anfrage der NSDAP-Gauleitung München-Oberbayern an das Gaupersonalamt um eine "möglichst erschöpfende Beurteilung". Grund der als eilig gekennzeichneten Anfrage:


    "[Orff] wird als Komponist in immer stärkerem Maße herausgestellt und gerade von jenen Kreisen gefeiert, die auch heute noch als weltanschauliche Gegner anzusehen sind." (Zitat Prieberg Handbuch S. 5040)


    Gerigk bemüht sich 1944 um eine Verdammung Orffs, der Krieg sorgte allerdings dafür, dass dies nicht mehr zur Wirkung kam.

    Orff war sicher kein Widerständler, wie er sich nach dem Krieg gerierte, er war eher vorsichtig (er lebte in der Furcht, dass man ihm seine Brecht- und Werfel-Vertonungen um die Ohren hauen würde), aber als Nazikomponist ist er ebenso sicher nicht zu bezeichnen.


    LG Peter

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Lieber Medard,
    jetzt mußt Du mir helfen: Ich habe die Dutoit-Aufnahme als fabelhaft dirigiert in Erinnerung, aber auch als mit einem Manko behaftet, das mich sehr stört: Ist das die Aufnahme, in der die Solisten das c von e und i italienisch zu "tsch" erweichen, der Chor hingegen konsequent c singt? Oder verwechsle ich das jetzt mit Slatkin?
    :hello:


    Lieber Edwin,
    ja - phantastisch dirigiert! Ich müßte die Aufnahme mal wieder hören (ist bei mir nicht gerade ein Heavy-Rotation-Silberling - was nicht an Dutoit liegt sondern - aus besagten Gründen - an den CB), um mit Bestimmtheit sagen zu können, ob ein der Dutoit-Aufnahme ge-"tsch"tet wird (dazu werde ich aber erst am Wochenende kommen). Aber mutmaße, daß Du richtig liegst, denn ich kann mich - jetzt wo Du's ansprichst - durchaus an eine Aufnahme mit entsprechender Lautverwirrung erinnern. Da ich nun Slatkins Interpretation gar nicht kenne, ist es wahrscheinlich, daß Dutoit diese Verwirrung zugelassen hat. Wie gesagt: werde am Wochenende mal wieder reinhören und dann berichten!


    Lieber Syrix,
    Du sprichts mir aus der Seele! Dutoit hat mit dem Montreal SO in den 1980er und 90er zahlreiche hervorragende Aufnahmen gemacht, das Orchester ist stets gut aufgelegt, der Klang transparent und Dutoits schlank-energetische und gemäßigt strukturalistische Lesarten sind sehr nach meinem Geschmack (insbesondere beim französischen Repertoire; seine Berlioz' Einspielungen gehören für mich nahezu sämtlich ins Pantheon, genauso wie sein Faure-Requiem, seine Debussy-Einspielungen [Orchesterwerke und Palleas et Melisande], die Roussel-Symphonien [diese allerdings noch mit dem Orchestre National de France aus seiner Erato-Zeit]; aber eben auch bei Orff oder Strawinskij [sein »Sacre« und der »Feuervogel« gehören für mich auch zu den besten Einspielungen dieser Werke]). Die herausragende Decca-Technik trägt das ihrige dazu bei, Strukturen und Transparenz zu transportieren. Für mich ist es recht unverständlich, warum die meisten Dutoit-Einspielungen aus der Montreal-Zeit inzwischen gestrichen sind - naja, Geschmäcker sind halt verschieden, und die Kunden stimmen mit dem rollenden Rubel ab...
    Zu den Solisten in Dutoits »Carmina Burana«: Die habe ich eigentlich sehr positiv in Erinnerung. Müßte aber tatsächlich nochmal reinhören - was ich am Wochenende auch tun werde. Poste dann wieder hier...


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Hallo Edwin,


    erst mal danke für die Aufklärung. Darin, dass es in den Carmina und speziell im mittelhochdeutschen Teil einige Längen durch den strophischen Aufbau gibt, würde ich dir ja auch zustimmen. Aber Mist sind die CB damit noch lange nicht. Die sich mancherorts ergebende Monotonie ist in meinen Augen ein gewolltes Stilmittel, das Volkstümlichkeit oder Archaismus evozieren soll, was im folgenden doch zur Grundlage von Orffs Personalstil wurde. Allein diese Texte zur Grundlage eines Oratoriums zu machen, war doch damals unerhört und in keine aktuelle Strömung einzuordnen.
    Du kannst die CB auch gern als Orffs schwächstes Werk ansehen, aber wenn du vom "größten Mist" schreibst, dann klingt das für mich so, als ob Orff deiner Ansicht nach relativ viel Mist geschrieben habe und die CB der schlimmste Mist darunter seien. Wenn du "schwächstes Werk" geschrieben hättest, wäre für mich kein Grund zur Aufregung oder zu Unterstellungen vorhanden gewesen wären.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Hallo, ob schwächstes Werk, ob langweilig--


    mir ist das egal. Zweimal habe ich in der Schulzeit in der DDR die Carmina mitgesungen und mitaufgeführt. Da gabs offenbar keine ideologische Probleme.


    Und das bindet, auch meine Klassenkameraden denken so. Das war das Beste der ganzen Schulzeit.


    Wenn ein solches Werk, das man nicht als niveaulos bezeichnen kann, mit soviel Enthusiasmus, wie nicht nur wir, sondern unzählige Laienchöre ihn hatten,immer wieder aufgeführt wird, so ist das was dran.


    Alles kann ich heute noch nach fast 50 Jahren mitsingen.
    Carl Orff sei Dank!


    Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Lieber Medard,
    jetzt mußt Du mir helfen: Ich habe die Dutoit-Aufnahme als fabelhaft dirigiert in Erinnerung, aber auch als mit einem Manko behaftet, das mich sehr stört: Ist das die Aufnahme, in der die Solisten das c von e und i italienisch zu "tsch" erweichen, der Chor hingegen konsequent c singt? Oder verwechsle ich das jetzt mit Slatkin?
    :hello:


    Lieber Edwin,
    jetzt habe ich heute die CB mit Dutoit wieder gehört: alle Beteiligten (Chor wie Solisten) artikulieren das 'c' vor 'e' und 'i' eindeutig als 'c'. Es muß also doch die Slatkin-Einspielung sein, in der ge'tsch'et wird...



    Zitat

    Original von Syrix
    HAllo Klawirr,
    DAs glaube ich sofort- das Montreal Orchester mit Dutoit ist hervorragend, ich habe es auch viele Mal in MOntreal gehört. Die Aufnahmen sind auch normalerweise aufnahmetechnisch extrem gut. Wie sind denn die Solisten ?


    Gruss


    Syrinx


    Hallo Syrix,
    die Solisten sind IMO sehr zufriedenstellend. Alle drei - Beverly Hoch (Sopran), Stanford Olsen (Tenor) und Mark Oswald (Bariton) - haben sehr schöne Stimmen, sind sehr intonationssicher und singen ausdrucksstark und engagiert. Stanford Olsen gibt einen sehr, sehr kläglichen Schwan, wundervoll deprimiert und herzerweichend. Mark Oswald ist inbesondere in den eher lyrischen Passagen überaus überzeugend. Das Omnia sol temperat gestaltet er sehr schön wehmütig. In weniger lyrischen Passagen neigt er dazu zu forcieren (etwa im Estuans interius) wobei seine Stimme etwas fahl erscheint. Ja und Berverly Hoch ? Sie ist einfach hinreißend! Ein sehr jugendlich-femininer Sopran, glockenklare Stimme, biegsam und geschmeidig - dem Stetit puella, dem In trutina und dem Dulcissime verleiht sie die Aura einer unschuldigen Sinnlichkeit.
    Einfach überirdisch!!!!


    Herzlichst,
    Medard

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  • Hallo,


    da ich ja nun in derStadt wohne, in der C.O. lebte und seine Carmina auch sehr oft hier zu hören ist, kann man eigentlich nicht drumherum kommen um sie zu hören.
    Wir haben im Moment Rüthenfest eine Woche lang, da wird die Carmina Burana auf offener Bühne auf dem Hauptplatz von Landsberg aufgeführt. Hoffentlich ist das Wetter schön und die Aufführung fällt nicht ins Wasser.
    Liebe Grüsse


    Eigentlich müsste man bei dem jetzigen Wetter seine Grabesstätte in Andechs besuchen und sich dort an einer Halben... laben.

  • Das soll jetzt keine Kritik an irgendwem sein: "Carmina Burana" = Plural, d. h. die Carmina sind, nicht sie ist. Man liest es immer wieder mal falsch, daher dieser kleinliche Hinweis ;)

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Draugur
    Das soll jetzt keine Kritik an irgendwem sein: "Carmina Burana" = Plural, d. h. die Carmina sind, nicht sie ist. Man liest es immer wieder mal falsch, daher dieser kleinliche Hinweis


    Zitat

    Original von Draugur
    In einem anderen Thread lese ich gerade entsetzt, dass Klawirr und Baumgartner die Carmina Burana mit nicht sehr netten Wertungen bedenken.


    Hallo Draugur, du siehst, selbst du kannst dich nicht daran gewöhnen..... :baeh01:


    Liebe Grüsse

  • Liebe musika, wie hätte ich es denn an dieser Stelle sonst schreiben sollen? ;)

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Hallo Draugur,


    Ahhhh jetzt habe ich es kapiert, pardon, tut mir leid, lange Leitung, fand es nur so lustig, lesen müsste man können. Soll ich es löschen? Noch geht es.


    Liebe Grüsse :O


    Liebe Grüsse

  • Zitat

    Original von musikaSoll ich es löschen?


    Wenn du willst... aber komm, da stehst du doch drüber :)

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Draugur


    Wenn du willst... aber komm, da stehst du doch drüber :)


    Ich schon, aber ich habe dich doch auf einen Fehler hingewiesen, den du nicht verdient hast....


    ok, vergessen wir es. :untertauch:


    Friede.... :hello:

  • Ich bin kein Orff-Spezialist. Schreibe hier deshalb über meine ganz eignen Ansichten zur CB.
    Die Carmina ist für mich ein Werk, das ich nie wirklich einordnen konnte. Es passt nicht wirklich in die Moderne, ist gleichzeitig aber auch nicht antiquiert. Das Werk hat etwas sehr eigenes, das in keine der üblichen Kategorien passt.
    Die Musik ist sehr effektvoll. Ich erinnere mich, dass die CB Gegestand meines Musik-Unterrichts in der 7. Klasse war. Es war kaum zu glauben, wie viele meiner Mitschüler, die nichts mit klassischer Musik zu tun hatte, von der Musik Orffs begeistert waren. Trotz der effektvollen Musik, der sich ja auch gerne die Werbung bedient, erschien mir die CB aber nie platt. Vielmehr gelang es Orff mit der CB ein Werk zu schreiben, dessen Tonsprache optimal zu den alten Texten passt - ohne, wie gesagt, antiquiert zu wirken.


    Trotzdem blieb bei mir immer auch ein Stück Ratlosigkeit gegenüber der CB. Jedes große Musikwerk sehe ich als Teil der musikhistorischen Entwicklung. So wie Beethovens Sinfonien ohne die Haydns nicht denkbar sind. Aber wo steht C. Orff mit seiner CB?


    Fazit: CB ist Stück gute Musik, für mich aber kein Meisterwerk in der Musikgeschichte.


    Zum Schluss noch meine Aufnahmen - bin mit beiden sehr zufrieden:
    Levine
    Muti

  • Hallo Andreas,


    Zitat

    Fazit: CB ist Stück gute Musik, für mich aber kein Meisterwerk in der Musikgeschichte.


    Das mag wohl jeder subjektiv anders sehen.


    Ich sehe ihn als einen Menschen der es verstand,
    Werke aus einfachen Melodien entstehen zu lassen,
    die für Jedermann's-Durchschnitts-Ohr direkt verständlich sind.


    Und somit zeigen sich da auch Mitschüler begeistert, die im
    Normalfalle mit der klassischen Musik nichts am Hut haben.
    Gut so. Vielleicht regt sie dass zur klassischen Musik an.


    Zitat

    Trotzdem blieb bei mir immer auch ein Stück Ratlosigkeit gegenüber der CB. Jedes große Musikwerk sehe ich als Teil der musikhistorischen Entwicklung. So wie Beethovens Sinfonien ohne die Haydns nicht denkbar sind. Aber wo steht C. Orff mit seiner CB?


    Ich selbst begeisterte mich erst spät für Orff's schaffen, als ich
    "Der Mond" und "Die Kluge" hörte, und die tolle Sprache
    der "Bernauerin".


    Für mich ist Orff aber dennoch Teil der musikhistorischen Entwicklung,
    und zwar insofern als dass er eben ähnlich dem sinfonischen Schaffen
    bzw. auch Liedschaffen Mahler's an alte Volksliedern anknüpft,
    um Musik zu gestalten.
    Ich sehe also Mahler als unbedingten Ahnen von Orff an.


    Und man könnte meinen, dass auch andere,
    die aus Orff's Zeit stammen,
    ihre Werke ähnlich denen Orffs anlegten.
    (Kurt Weill und seine "Songspiele")


    Möglicherweise eine "Neue Generation", die erst noch Musikhistorie schreiben will ???!!!

    Einmal editiert, zuletzt von jaaan ()

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  • Zitat

    Andreas schrieb:
    Die Carmina ist für mich ein Werk, das ich nie wirklich einordnen konnte. Es passt nicht wirklich in die Moderne, ist gleichzeitig aber auch nicht antiquiert. Das Werk hat etwas sehr eigenes, das in keine der üblichen Kategorien passt.


    Muss man ein Werk denn in eine Schubladen stecken können, um es gut zu finden?
    Gerade die "Nicht-Einordbarkeit" macht Werke wie dieses doch zu etwas besonderem, oder nicht?


    Zitat

    Es war kaum zu glauben, wie viele meiner Mitschüler, die nichts mit klassischer Musik zu tun hatte, von der Musik Orffs begeistert waren.


    ... und das finde ich toll! Es zeigt doch, dass Orff eine ganz eigene Sprache gefunden zu haben scheint, die auch Nicht-Klassik-Freunde anspricht (habe das auch schon mehrfach beobachtet).
    Das allein macht die Carmina für mich schon zu etwas ganz Besonderem! :jubel:
    Wir singen das Werk nächstes Jahr wieder und ich freu mich schon sehr drauf! :yes:


    Im übrigen steht Orff gerade mit seiner Orchesterbehandlung in der Carmina in einer gewissen Linie des frühen 20. Jahrhunderts - ich denke da z. B. an Strawinskys "Le sacre du printemps":
    Nicht nur das reichhaltig vorhandene Schlagwerk wird hier perkussiv eingesetzt - das ganze Orchester (die beiden Klaviere inbegriffen) dient an mehreren Stellen doch als einziger großer Rhythmusapparat - nicht mehr und nicht weniger.


    Solche vom Rhythmus stark dominierten Stücke faszinieren heutige Hörer (gerade die, die von der Popmusik herkommen [warum wohl?]) eben besonders - denk mal an Ravels "Boléro"!


    Und dann kommt bei der Carmina ja auch das Prinzip der ständigen, meist unveränderten Wiederholung kurzer, leicht fasslicher Melodien als musikalisches Charakteristikum des 20. Jahrhunderts hinzu - wiederum eine Parallele zur Popularmusik nicht nur der 1930er Jahre...

    Orff ist es halt gelungen, aus diesen Elementen eine überaus glückliche Synthese zu kreieren... :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)


  • :hahahaha:
    Bist Du gerade aus einem 70-jährigen Schlummer erwacht?
    :stumm:

  • Herzlichen Glückwunsch,


    Kandidat Kurzstueckmeister,


    Durch das Finden des Fehlers (Neue Generation) haben sie soeben
    eine Zeitreise gewonnen, es geht zurück in die BRD der 40er Jahre.


    Zitat

    Bist Du gerade aus einem 70-jährigen Schlummer erwacht?


    Indirekt.


    Nenn mir einen populären Komponisten, der heute noch Werke
    wie Orff schreibt. Keiner im Moment da!? Aber bevor die Musik in die
    Geschichte eingeht, sollte man doch noch etwas abwarten...


    Orff ist ja erst seit 1982 tot. Und Beethoven und Haydn liegen schon
    länger aufm Rücken.


    Für mich daher...immer noch etwas "Aktuelles".(Vielleicht ein besseres
    Wort als "Neue Generation".)


    Könnte jedoch auch sein, dass ich tatsächlich die falsche Zeit
    erwischt habe. Oder wie siehst Du das, als Deutscher? :hahahaha:
    :stumm:

  • Zitat

    "Carmina Burana" = Plural, d. h. die Carmina sind, nicht sie ist.


    Zur Frage der Stellung der CB zur Moderne: Ähnlich wie man es vielleicht auch Stravinskys Sacre unterstellen kann, sucht Orff mit seinen Carmina nach Möglichkeiten, archaische, um nicht zu sagen primitive musikalische Ausdrucksformen wiederzuerwecken und die rituelle Kraft, die gerade von richtig eingesetzter Monotonie in Melodie und Rhythmus ausgehen kann, spürbar zu machen.
    Das kommt im Einleitungschor der "Catulli Carmina" oder im "Trionfo di Afrodite" vielleicht noch mehr zum Ausdruck, da über die Texte und die Tanzvorstellungen, die die Rhythmen evozieren, die Musik letztlich zu einer Art Fruchtbarkeitsritual wird.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von jaaan
    Herzlichen Glückwunsch,


    Kandidat Kurzstueckmeister


    Dankeschön
    ;)


    Es wäre direkt einen eigenen Thread wert, zu überlegen, ab wann ein Werk Musikgeschichte schreibt und wie viele Werke erst mehr als 70 Jahre nach ihrem Entstehen Musikgeschichte geschrieben haben (gibt es welche?)


    Da man mir schon gesagt hat, Bach oder Mozart seien "aktuell", droht "aktuell" ziemlich inhaltslos zu werden.


    "Neue Generation" ist etwas klarer, das sind aber eher 20 - maximal 40jährige Komponisten (hoffe ich mal).


    Natürlich wird hier und da ein alter Meister auf- und ein anderer abgewertet auch bedingt durch die aktuelle Produktion. Aber bei derart historischen Werken von aktuellen Sachen, die erst Geschichte schreiben wollen, zu sprechen, erscheint mir absurd.

  • Zitat

    Original von jaaan
    Nenn mir einen populären Komponisten, der heute noch Werke
    wie Orff schreibt. Keiner im Moment da!? Aber bevor die Musik in die
    Geschichte eingeht, sollte man doch noch etwas abwarten...


    Nun, einem seiner Schüler kann man die Orff-Schule noch gut anhören: Konstantin Wecker


    LG Peter

  • Zitat

    Muss man ein Werk denn in eine Schubladen stecken können, um es gut zu finden?
    Gerade die "Nicht-Einordbarkeit" macht Werke wie dieses doch zu etwas besonderem, oder nicht?


    Nein, muss man natürlich nicht.War auch nicht als Kritik am Werk gedacht. Oftmals gilt sogar das Gegenteil: Neues lässt sich halt oft nicht einordnen, führt aber gerade deshalb die Entwicklung in der Musik weiter.


    Bei der CB sehe ich aber bei alles Popularität eben nicht, wie es weiter aufgegriffen wurde. Ganz im Gegenteil zum Sacre, das großen Einfluss auf die Moderne hatte - vielleicht sogar auf Orff.


    Übrigens nicht vergessen:
    Wenn ich sage, ich halte die CB für ein Stück gute Musik, ist das keine Kritik. Es kann ja nicht nur Meisterwerke geben. Auch Mozart hat nicht nur wegweisende Werke geschrieben, aber fast immer verdammt gute. :hello:

    2 Mal editiert, zuletzt von Andreas ()

  • Hallo in diesem Thread =)


    Wie wahrscheinlich für sehr viele (spätere) Liebhaber der "klassischen" Musik gehörten die Carmina Burana in meiner Jugend und weit darüber hinaus zu meinen Lieblingswerken. Allein dafür habe ich dem Werk alle Ehre zu zollen, zumal es mich mit zunächst großer, später eher gemäßigter Begeisterung zu Orffs weniger populären Werken und anderen der zeitgenössischen Musik geführt hat.


    Die für mich maßstäbliche Einspielung des Werkes war übrigens die von Kurt Eichhorn mit Hermann Prey, Lucia Popp und John van Kesteren, die meines Wissens die zweite von Orff autorisierte Einspielung des Werkes war und 1975 von dem unvergesslichen Jean-Pierre Ponnelle im Auftrag des ZDF kongenial verfilmt wurde.


    Heute geht es mir damit aber ähnlich wie Edwin, der die Gründe dafür weiter oben sehr gut und detailliert erläutert hat. Die - durchaus als komplex verstandene - Wiederholungssucht des Werkes, die mich zunehmend auch dem sonstigen Orff entfremdet hat, ist zwar noch Welten von der Monochromie eines Philip Glass entfernt, der neben anderen belegt, dass Orff Einfluss auf die Moderne sehr wohl zu bemerken ist und deutlich nebem dem Strawinskys zu identifizieren ist. Dennoch ging sie mir mit der Zeit "auf den Geist", und das hat sich bis heute wenig geändert.


    Vielleicht sehe ich das mit noch größerem Abstand wieder anders, aber derzeit treibt es mich nicht, diesen schon jetzt zu verkürzen.


    Dennoch stimme ich denen zu, die an der Popularität eines Werkes nichts auszusetzen haben. Im Gegenteil, ich halte sie für eine Tugend, solange nicht um sie gebuhlt wird, sondern aus einer echten Eiogenleistung resultiert. Die aber sollte Orff im Gegensatz zu manchem Epigonen - auch in der Popmusik - kaum jemand absprechen wollen.


    :hello: Rideamus

  • Kurzstueckmeister


    ;(


    Zitat

    Natürlich wird hier und da ein alter Meister auf- und ein anderer abgewertet auch bedingt durch die aktuelle Produktion. Aber bei derart historischen Werken von aktuellen Sachen, die erst Geschichte schreiben wollen, zu sprechen, erscheint mir absurd.


    OK...die "Vorletzte Generation". D'accord?


    Hallo prbrixius,


    Zitat

    Nun, einem seiner Schüler kann man die Orff-Schule noch gut anhören: Konstantin Wecker


    Haha...der würde sich auch gut in einer Sprechrolle bei der
    Bernauerin machen. (An Gustl Bayhammer wird er aber nicht heranreichen ;-) )


    Aber Ernsthaft: Er war wirklich dessen Schüler?

  • Zitat

    Original von jaaan
    Konstantin Wecker


    Haha...der würde sich auch gut in einer Sprechrolle bei der
    Bernauerin machen. (An Gustl Bayhammer wird er aber nicht heranreichen ;-) )


    Aber Ernsthaft: Er war wirklich dessen Schüler?


    Lieber Jaan,


    er war nicht bei ihm Schüler, aber sein Schüler insofern, dass Orff ihn über längere Zeit (deutlich hörbar) beeinflusste, etwa bei Liedern wie "Hexeneinmaleins", "Frieden im Land" u.a.


    Schüler im engeren Sinne war aber Wilhelm Killmayer, bei dem die stilistischen Einflüsse unüberhörbar sind. Was ich von Killmayer insbesondere liebe, sind seine Hölderlin-Lieder (1982/91).


    LG Peter

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