Yuri Egorov - Pianist aus Russland

  • Der Russische Pianist Yuri Egorov flüchtete nach Amsterdam und verstarb dort 1988 an den Folgen von Aids. Fast 34 Jahre alt.


    Ich hörte gestern über das Radio, daß er kurz vor seinem Tode sein Tagebuch einem Niederländischen Freund, zugleich auch Schriftsteller, gab.
    Dieser Mann hat jetzt Egorovs Biographie geschrieben.


    Ich hörte etwas daraus. Es handelte sich um das Sterben Egorovs Vater. Der Pianist bekam in Amsterdam einen Anruf seiner Mutter. Sie teilte mit, daß sein Vater verstorben war. Das Begräbnis war aufgeschoben, sodaß Egorov dabei sein konnte. Ein Visum war schon geregelt.
    Egorov war bestürzt. Trauer, Sehnsucht und Furcht kämpften mit einander. Er redete mit Freunden darüber. Er sagte, seine Mutter schien versteinert. So regungslos hatte sie geredet. Die Freunden fanden das fremd, und riefen von einer anderen Adresse seine Mutter an. Das Telefon wurde aufgenommen vom "verstorbenen" Vater. Die KGB war aktiv gewesen.


    Ich kaufe jedenfalls das Buch. Hoffentlich wird es auch übersetzt.


    LG, Paul

  • Hallo musicaphil,


    mich würde das auch interessieren! Bekannt ist Egorov den meisten wohl durch seine (sehr schöne) Doppel-CD mit SCHUMANN-Aufnahmen.
    Bei amazon habe ich eine 7-CD-Box gesehen (DEBUSSY, SCHUMANN, CHOPIN, BEETHOVEN, MOZART, BACH). Kennt jemand diese weiteren Aufnahmen? Ich meine er hätte auch SCHUBERT aufgenommen?
    Ja, bei Wiki finden sich noch einige weitere Aufnahmen:
    link wiki
    link website



    Und warum nicht diesen Thread in den Bereich Klaviermusik verschieben?


    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Zitat

    Original von pt_concours
    Hallo musicaphil,


    mich würde das auch interessieren! Bekannt ist Egorov den meisten wohl durch seine (sehr schöne) Doppel-CD mit SCHUMANN-Aufnahmen.
    Bei amazon habe ich eine 7-CD-Box gesehen (DEBUSSY, SCHUMANN, CHOPIN, BEETHOVEN, MOZART, BACH).



    Diese 7 CD-Box habe ich bestellt.


    LG, Paul

  • Lieber Paul ,



    früh hatte ich die hier erhältlichen Aufnahmen mit Yuri E G O R O V .


    Seine Interpretationen haben einen ganz individuellen Reiz . Sie sind sehr natürlich in ihrem ganz persönlichen Klang .


    Egowov hat das 5. Klavierkonzer5t von Beethoven aufgenommen ( Label : Seraphim ) . Eien sehr hörenswerte Aufnahme .


    Und auch zwei Mozartklavierkonzerte , die ich leider nicht besitze .


    Hier hiess es immer , Egorov sei an Leukämie verstorben .


    Gibt e das Buch inzwischen ?


    Dir eine gesegnete Weihnacht !


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Hallo liebe Taminoaner/Innen
    Da bis anhin noch wenige biografische Angaben zu Youri Egorov gemacht wurden, möchten wir gerne nachfolgend einen kurzen Abriss verfassen.


    Youri Egorov wurde 1954 in der russischen Stadt Kazan geboren. Seine Mutter war eine Mathematiklehrerin, sein Vater ein Geographielehrer. Er hatte zwei Brüder , Alexander und Vladimir. Wie seine Mutter, begann auch er seine musikalische Ausbildung im Alter von sechs Jahren bei der Kazan Musikschule. Hier erhielt er Unterricht von Irina Dubinina, eine ehemalige Schülerin von Yakov Zak.
    Im Alter von 12 Jahren gewann Egorov den Preis des besten Interpreten des 2. Klavierkonzertes von Schostakowitsch bei einem nationalen Wettbewerb. Im Alter von siebzehn setzte er seine Studien für Klavier für sechs Jahre beim Moskauer Konservatorium unter Yakov Zak fort. Egorov erwähnte gegenüber einer holländischen Zeitung zu seinen Studienjahren “Wir konnten ausschliesslich Repertoir von Prokofiev, Schostakowitsch und Shchedrin studieren. Komponisten wie Vinogradov und Denisov, die Russische Avantgarde waren ausgeschlossen.”
    1971 gewann Egorov den vierten Preis beim Marguérite Long-Jacques Thibaud Concours in Paris. 1974 erhielt er den dritten Preis beim Tschaikovsky Wettbewerb und ein Jahr später, 1975, wiederum den dritten Preis beim Queen Elisabeth Wettbewerb in Brüssel.
    Im Mai 1976 konnte Egerov mit der Genehmigung des Russischen Staates nach Italien reisen, wo es im gelang seinem Überwacher zu entfliehen. Er fragte in den Niederlanden nach politischen Asyl. Hier begegnete er bald dem Amsterdamer Architekten Jan Brouwer, der sein Lebenspartner wurde. In Briefen an seine Familie gab er Brouwer jedoch immer als seine Freundin aus.
    1977 nahm Egorov am Van Clibum Wettbewerb in Texas teil, wo er der Publikumsfavorit war. Als bekannt wurde, dass Egorov nicht unter den Finalisten war, sammelte das Publikum ein Preisgeld, welches der Summe des Siegerpreises entsprach. Der New Yorker Impressario Maxim Gershunoff lud ihn für eine Serie von Konzerten ein.
    Sein New Yorker Debut war 1978 in der Alice Tully Hall im Lincoln Center. Danach trat er ebenfalls in Chicago auf. Das Amerikanische Musikmagazin wählte Youri Egorov zum “Musiker des Monats”. Er machte seine Premiere in der Carnegie Hall im Dezember 1978. Hiervon gibt es eine Liveaufnahme.
    Seit den 1980er Jahren trat Egorov hauptsächlich in Europa auf. Neben Solokonzerten gab er auch Kammermusikkonzerte mit Barbara Hendriks und Emmy Verhey. Er konnte auch Plattenaufnahmen für EMI einspielen, so mit Werken von Beethoven, Chopin, Debussy, Mozart und Schumann.
    1988 starb Youri Egorov in Amsterdam an den Folgen von AIDS im Alter von nur 33 Jahren.


    Gruss
    romeo&julia

  • Danke "Romeo&Julia" für diese interessanten Informationen über Yuri Egorov....apropo Van Cliburn-Wettbewerb, bei dem er (was ich nicht wußte) von der Jury links liegen gelassen wurde......ich war,--wie viele meiner Generation-- in den Sechzigern ein großer Fan von diesem neuen Stern am Pianistenhimmel nachdem er den Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb gewonnen hatte. 1966 dürfte es gewesen sein, als ich Van Cliburn in Hamburg mit dem RIAS Symphonieorch unter von Dohnanyi mit dem 2. Brahms Konzert gehört habe. Ich war begeistert und dann sehr irritiert, daß die Kritiken sehr gemischt waren. Sein Elan und sein frischer Wind den seine Interpretation zweifelsohne hatten wurden gelobt.....aber insgesamt war der Tenor, daß man weniger ein Opus 83 (!), also späten, reifen Brahms, als vielmehr eine Interpretation die das Atmosphärische des 3. Rachmaninoff Konzerts wiedergespiegelt habe, zu hören bekommen hatte. Ich ließ mich damals nicht beirren, reiste von Hamburg nach Basel um ein Recital von ihm dort zu hören. Er spielte Beethoven, Chopin und Liszt...............oh was war ich enttäuscht, der Ton machte blubb und weg war er, klein und nicht sich in den Raum singend und strahlend emporschwingend. Es war Opus 81a (Les Adieux), es liegt vierzig Jahre zurück und ich spüre meine Enttäuschung fast noch heute......einige Aufnahmen von Van Cliburn schätze ich aber heute trotzdem noch...z.B. das Schumann Konzert unter dem genialen Fritz Reiner, auch wenn es nicht mit Lipatti, Lupu und neuerdings mit dem 17 jährigen Teo Gheorghiu zu vergleichen ist was die poetische Durchleuchtung anbetrifft. (dem "Wunderkinddarsteller des "VITUS", zusammen mit Beethoven c-moll bei DGG, nur in der Schweiz erhältlich!!!) Bevor ich wieder zu EGOROV zurückkomme, will ich noch Van Cliburns jugendlich-kraftvolle Aufnahmen von Beethoven G-Dur, Brahms Konzert Nr 1d-moll, sowie MacDowell, Prokoffieff, Rachmaninoff und natürlich seinTschaikowsky Konzert erwähnen. Nun aber zu einer ander Welt des Klavierspiels, die ich eher mit Namen wie Radu Lupu, Clara Haskil, Geza Anda verbinde, nämlich mit einer großen Musikalität verbinde, ich meine die mir bekannten wunderbaren Aufnahmen des Yuri Egorov. Ein Kleinod, ein Schmuckstück seiner großen Kunst von einzigartigem Charakter ist das kleine "Andante favori in F-Dur von Beethoven. Auf Legacy CG 9216spielt er es in zwei Mal. Die erste Aufnahme ist von 1982 (8.23), die zweite von 1987 (9.08). Man muß schon zu Lipatti zurückgehen um so viel feinsinniges, kultiviertes Klavierspiel zu erinnern. Selten war ich von einer Interpretation eines vermeintlichen "Nebenwerkes" so fasziniert und gerührt. Bei der selben Firma Legacy sind noch wunderbare Schubert Aufnahmen (Sonate c-moll, D 958 + Moments Musicaux), Bach (Partita Nr6 !!), Chopin Etüden op.10 u.a. erschienen . Neben dem bereits an diesem Bord erwähnten 5.Beethoven Konzert unter Sawallisch (das mir persönlich nicht ganz so gut gefällt) habe ich noch zwei andere EMI Aufnahmen mit mich sehr begeisternden Schumann Interpretationen. Wie man ein poesievolles Staccato spielt zeigt Egorov in der Toccata op.7...seine Kreisleriana und vorallem sein Carnaval op.9 gehören zu meinen liebsten Interpretationen. Wer kennt noch mehr Aufnahmen von diesem Ausnahmepianisten?
    Es grüßt "Titan"

  • Mit Erstaunen stelle ich soeben fest, dass es noch keinen Thread über den großartigen russischen Pianisten Youri Egorov gibt.


    1954 in Kazan geboren, studierte er zunächst bei einer Schülerin von Yakov Zak und dann bei diesem selbst am Moskauer Konservatorium. 1974 gewann er beim Tchaikovsky-Wettbewerb den dritten Preis, 1976 nützte er ein Konzert in Rom, verließ die UdSSR und zog nach Amsterdam. Mit nur 33 Jahren stirbt er in Amsterdam. Weitere Details findet man bei Wiki.


    Ich möchte vor allem auf seine großartigen Schumann-Aufnahmen hinweisen - es gibt kaum eine bessere Kreisleriana und auch sein Carnaval ist ganz fantastisch. Spannungsgeladen, groß im Ton, leidenschaftlich, mitreißend, auf die Innenstimmen hörend, und vor allem: voller Poesie! Von den selten überzeugend dargebotenen Noveletten spielte er leider nur die Nummern 1 und 8, aber diese beiden Aufnahmen wiegen alle mir bekannten Gesamtaufnahmen auf. Bei der Nummer 8 finde ich ihn noch zwingender als Richter - der hier eigentlich nicht zu übertreffen ist. Und auch die wunderbaren Bunte Blätter hat er eingespielt - elektrisierend!


    Es lohnt sich wirklich sehr, sich mit diesem russischen Pianisten auseinanderzusetzen! Vor einiger Zeit sind auch tolle Live-Aufnahmen aus Pasadena, Kalifornien, von ihm erschienen. Davon später mehr.



    Viele Grüße

    Christian

  • Mit Erstaunen stelle ich soeben fest, dass es noch keinen Thread über den großartigen russischen Pianisten Youri Egorov gibt.

    den gibt es seit 2008 hier in anderer Transkription

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Alfred_Schmidt

    Hat den Titel des Themas von „Yuri Egorov“ zu „Yuri Egorov - Pianist aus Russland“ geändert.
  • Das war eine der ersten Platten, die ich von ihm hatte


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    Absolut beeindruckend. Mir gefiel besonders, dass er sich um die stark vernachlässigten Papillons kümmerte, die eher musikalisch als pianistisch anpruchsvoll sind. Leider war sein Schicksal tragisch!

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  • Lieber Axel,


    ich hatte genau diese Platte als MC und sowohl den Carnaval als auch die Papillons hierdurch kennengelernt! Tolle leidenschaftliche Aufnahmen.


    LG Siamak


  • Bartok: Sonate für Violine & Klavier Nr. 2

    +Beethoven: Klavierkonzert Nr. 3; Chorfantasie

    +Chopin: Klavierkonzert Nr. 2; Etüden op. 10 & op. 25

    +Brahms: Klavierquintett op. 34; Klavierkonzerte Nr. 1 & 2

    +Rachmaninoff: Paganini-Rhapsodie

    +Schubert: Sonate für Violine & Klavier D. 574; Sonatine D. 408; Klavierquintett D. 667; Klaviersonate D. 958; 6 Moments musicaux D. 780

    +Tschaikowsky: Klavierkonzert Nr. 3

    +DVD: Schumannn - Carnaval op. 9 / Prokofieff - Klaviersonate Nr. 8 / Liszt - La Campanella


    Beim Werbepartner leider vergriffen, für Bewunderer dieses Pianisten aber wohl ein Muss.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eine Würdigung des Pianisten und des nach ihm benannten Wettbewerbs (englisch)


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    Die achte Ausgabe des YoungPianistFoundation-Wettbewerbs fand vom 10. bis 20. Februar 2022 statt. Der YPF European Piano Competition 2022 – Grand Prix Youri Egorov, wie der Wettbewerb nun offiziell heißt, fand im Bimhuis und Muziekgebouw in Amsterdam statt und stand Pianisten bis 27 Jahren offen.

    Der Gewinner des Grand Prix Youri Egorov 2022 ist Juan Pedro García Oliva. Der zweite Preis ging an Noah Zhou. Und der dritte Preis ging an Carlos Marín Rayo.


    Finale YPF - Grand Prix Youri Egorov 2022. Ca. nach Minute 16:00 beginnt der musikalische Teil, Dauer insgesamt 4:31:40

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Verschiedentlich wurde hier schon über seinen Tod und ein Buch spekuliert, bei Wikipedia NL erfährt man mehr.


    Am 16. April 1988 beendete Egorov, der durch die Folgen von AIDS geschwächt war, zu Hause an der Keizersgracht in Amsterdam mit ärztlicher Hlfe sein Leben. Die Pianistin Elisabeth Leonskaja und der Cellist Dmitri Ferschtman spielten an seinem Sterbebett. Jan Brouwer, sein Lebensgefährte, folgte ihm am 25. August desselben Jahres.

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    Freunde gründeten daraufhin die Youri Egorov Foundation. Ende 2005 wurden die Aktivitäten dieser Stiftung von der Young Pianist Foundation übernommen.


    Der niederländische Romancier Jan Brokken schrieb über Egorov, mit dem er befreundet war, 2008 den Roman "In het huis van de dichter", nachdem der ständig von Heimweh geplagte Pianist ihn schon früher dazu aufgefordert hatte: "You must write a) about music b) about Russia c) about yourself and d) about me."

    "Algemeen Dagblad" schrieb über das Buch "Moving because Brokken brings Egorov to life, fascinating for the way he sketches with crystal clarity the artistic milieu of the 1980s, and admirable because he writes about music like no one else."

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    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Ich möchte vor allem auf seine großartigen Schumann-Aufnahmen hinweisen - es gibt kaum eine bessere Kreisleriana und auch sein Carnaval ist ganz fantastisch.

    Lieber Christian,


    schon (zu) lange steht diese Box auf meiner Anschaffungsliste. Das muss sich ändern... ;)


    Liebe Grüße

    Holger

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  • Es gibt einen Film über Youri Egorov

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    Youri Egorov (1954-1988) Tv-Dok 1989 von Eline Flipse

    2009 als DVD erschienen, Untertitel englisch.

    Auszeichnungen:

    1990 : Prix Italia - Turin (Italie) - Sélection

    1990 : Banff World Media Festival - Banff (Canada) - Prix spécial du Jury

    1990 : Nederlands Film Festival - Utrecht (Pays-Bas) (Pays-Bas) - Sélection

    Bestelladresse in NL


    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Es hat sich doch gelohnt, diesen alten Thread - Danke fürs Zusammenführen! - aus der Versenkung zu holen.

    Ich denke aber, dass die Schreibweise "Youri" richtig ist und nicht "Yuri"

    Holger: Die Emi/Warner-Box lohnt sich sehr!


    Auf Spotify gibt es zusätzlich noch einige wunderbare Live-Aufnahmen (auch die vergriffenen Box, auf die weiter oben Joseph II. hinweist), aber es gibt auch zwei Konzerte aus Californien:


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  • Egorovs Flucht in den Westen 1976 in seinen Tagebuchaufzeichnung


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    Herausgeber Wim de Haan


    Im Mai 1976 erhielt Youri Egorov eine Einladung, an zwei aufeinanderfolgenden Abenden (17. und 18. Mai) Solokonzerte in Brescia und Bergamo als Teil eines kulturellen Austauschprogramms zu geben. Geplant war, dass Egorov im ersten Teil Schostakowitsch spielen sollte, während Carlo Levi Minzi, der in Moskau studiert hatte, danach eine Komposition von Edison Desinov spielen sollte.

    Als der Termin für das erste Konzert kam, war Egorov spurlos verschwunden. Es stellte sich heraus, dass Egorov politisches Asyl beantragt hatte und sich in einem Flüchtlingslager in der Abtei von Farfa in der Nähe von Rom versteckt hatte. Hier blieb er vom 19. Mai bis zum 15. Juni, ehe er über Brüssel nach Amsterdam ging. Während seines fast einmonatigen Aufenthalts in Rom führte er ein Tagebuch, in dem er seine innersten Gedanken festhielt. Es wurde erst nach seinem Tod von seinem Partner Jan Brouwer entdeckt, versteckt hinter einem Bilderrahmen.

    Das veröffentlichte Tagebuch selbst umfasst vierundzwanzig Seiten mit einer englischen Übersetzung auf der linken Seite und einem Faksimile des Originals auf der rechten Seite. Es ist ein zutiefst persönliches Dokument, in dem der Pianist seine intimen Gedanken und Reflexionen über die schreckliche Situation, in der er sich befindet, niederschreibt. Der erste Eintrag vom 19. Mai wurde an dem Tag geschrieben als er den Asylantrag stellte. Voller Besorgnis und Panik ist er verzweifelt bei den Gedankendaran was mit seiner Familie in Russland passieren könnte. Laut späteren Einträgen bittet das sowjetische Konsulat um ein Treffen, aber er lehnt ab, da er bei seiner Rückkehr in die Sowjetunion Verbannung befürchtet. Die ganze Episode, die großes Interesse hervorrief, wurde ausführlich in den italienischen Zeitungen "Corriere della sera" und "Il Tempo" behandelt. Die Artikel sind allerdings voller Spekulationen und Verschwörungstheorien. Nachdem Journalisten das Versteck des Pianisten entdeckt hatten, in dem er "gefangen" gehalten wurde (er war unter falschem Namen registriert), benutzten sie auch Teleobjektive, um ihn zu fotografieren. In Rom wussten die Behörden wirklich nicht, was sie mit Egorov anfangen sollten. Am 11. Juni bekommt er seinen Pass und wurde am 15. Juni in Rom in ein Flugzeug nach Brüssel gesetzt, wo er völlig mittellos und mit kaum mehr als der Kleidung, die er trug, ankam und nicht wusste, was er als nächstes tun sollte. Er nahm Kontakt zu Guy Dusart auf, einem in Brüssel lebenden Bekannten vom Königin-Elisabeth-Wettbewerb, der Youri Geld und Unterkunft gab. Guy Dussarts Cousine Claire Obolensky sprach russisch und half ihm weiter; sie organisierte Youris Weiterreise nach Amsterdam und blieb bis zu seinem Tod eine sehr enge Freundin.


    Dass das Tagebuch bekannt wurde ist Youris Bruder Vladimir zu verdanken, der Wim de Haan nach langen Querelen die Erlaubnis erteilte, es zu veröffentlichen.

    In der Auseinandersetzung ging es darum, dass die Brüder Youris finanzielle Wiedergutmachung forderten, weil ihre Karriere angeblich stark unter Youris Flucht in den Westen gelitten hatte.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Eine sehr bewegende Geschichte! Herzlichen Dank, lieber Orfeo!


    Die Warner (EMI) Box ist überall nicht mehr lieferbar. Ich fürchte, dass bei jpc eine veraltete Information steht. Denn auch sie müssen bei einem Lieferanten bestellen...


    Schöne Grüße

    Holger

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    Um meine Beiträge in diesem Thread abzuschließen


    Youri Egorov - The Complete Discography, 278 pages

    Editor: Wim de Haan

    1st edition 14.03.2021

    2nd edition (revised) 28.11.2021

    https://www.boekenbestellen.nl…omplete-discography/48720

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    nicht mehr lieferbar sind folgende Bücher (insgesamt mehr als 1000 Seiten)

    Youri Egorov - The US Years: Van Cliburn, 1977, 1978 & 1979.

    Editor: Wim de Haan Language: English Pages: 279 Illustrated: Yes, full color

    Youri Egorov - The US Years: 1980 - 1988

    Editor: Wim de Haan Language: English Pages: 257 Illustrated: Yes, full color

    Youri Egorov - De jaren 1974 - 1980 in Nederland

    Editor: Wim de Haan Language: Dutch (Nederlands) Pages: 228 Illustrated: Yes, full color

    Youri Egorov - De jaren 1981 - 1988 in Nederland

    Editor: Wim de Haan Language: Dutch (Nederlands) Pages: 277 Illustrated: Yes, full color

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    Das Repertoire von Youri Egorov

    The Legacy Series Vol. 1 - 4

    4 CD box Year released: 1993 / Label: Canal Grande / Channel Classics

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    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Es gibt bzw. gab auf dem Markt mehrere Boxen mit Einspielungen bzw. Mitschnitten. Die folgende Aufstellung kann vielleicht helfen, die Verwirrung zu minimieren und Entscheidungen zu erleichtern.


    100166645-1-92

    ET’CETERA 10CD + 1DVD "A life in music"

    Bartók Violin Sonata No. 2, BB 85, Sz. 76

    Beethoven Piano Concerto No. 3 in C minor, Op. 37 Fantasia for Piano, Chorus and Orchestra in C minor, Op. 80

    Brahms Piano Quintet in F minor, Op. 34 Sonata for violin and piano No 3 in d, Op. 108 Piano Concerto No. 1 in D minor, Op. 15 Piano Concerto No. 2 in B flat major, Op. 83

    Chopin Piano Concerto No. 2 in F minor, Op. 21 Études (12), Op. 25 Études (12), Op. 10

    Liszt Grande Étude de Paganini, S. 141 No. 3 'La Campanella' DVD

    Prokofiev Piano Sonata No. 8 in B flat major, Op. 84 DVD

    Rachmaninov Rhapsody on a Theme of Paganini, Op. 43

    Schubert Grand Duo for Violin and Piano in A Major, D574 Sonatina (Sonatina) in G minor, D408 (Op. posth. 137 No. 3) Piano Quintet in A major, D667 'The Trout' Piano Sonata No. 19 in C minor, D958 Moments Musicaux (6), D780, Op. 94

    Schumann Carnaval, Op. 9 DVD

    Tchaikovsky Piano Concerto No. 3 in E flat major, Op. 75/79 * *


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    J.S. Bach Chromatic Fantasia & Fugue in D minor, BWV903

    Beethoven Piano Concerto No. 5 in E flat major, Op. 73 'Emperor'

    Chopin Fantasia in F minor, Op. 49 Ballade No. 1 in G minor, Op. 23 Nocturne No. 5 in F sharp major, Op. 15 No. 2 Nocturne No. 8 in D flat major, Op. 27 No. 2 Nocturne No. 19 in E minor, Op. 72 No. 1 Scherzo No. 2 in B flat minor, Op. 31 Fantasia in F minor, Op. 49 Étude Op. 10 No. 5 in G flat major 'Black Key' Étude Op. 10 No. 3 in E major 'Tristesse'

    Debussy Préludes - Book 1 & Book 2 (complete) Reflets dans l'eau (No. 1 from Images pour piano - Book

    1) Préludes - Estampes (3) (complete)

    Mozart Piano Concerto No. 20 in D minor, K466 Piano Concerto No. 17 in G major, K453 Fantasia in C minor, K475

    Schumann Carnaval, Op. 9 & Toccata in C major, Op. 7 Arabeske in C major, Op. 18 Bunte Blätter, Op. 99 Kreisleriana, Op. 16 Papillons, Op. 2 Novelette, Op. 21 No. 1 in F major Novelette, Op.21 No. 8 in F sharp minor


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    Legacy Series 4 CD (Mitschnitte)

    Schubert Sonata in c minor DV 958 Schubert Moments Musicaux DV 780

    VARA recording Concertgebouw Grote Zaal February 4, 1982 NCRV recording Concertgebouw Kleine Zaal November 27, 1987


    Bach Partita No. 6 BWV 830

    Bartok Sonata (1926)

    Chopin Etudes Op. 10

    Recorded on January 31, 1980. Concertgebouw Grote Zaal Amsterdam


    1 Prokofiev Sonata No. 8 op.84

    2 Shostakovich Sonata No. 2 op.64

    3 Arno Babadjanjan Bilder für Piano

    (1)VARA recording Concertgebouw February 19, 1981 (2) Veronica recording Concertgebouw May 6, 1983 (3) ConcertZender IJsbreker Amsterdam January 25, 1986


    Haydn Sonata No. 33 Hoboken XVI/20

    Scarlatti Sonatas No, 33, No. 23, No. 478. No. 116, No. 483, No. 423

    Beethoven Andante Favori in F major (in 2 versions: 1982, 1987)


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    Der italienische Sender "Radio Classica" übertrug eine Aufnahme vom 3. Januar 1986 des 2. Klavierkonzert von Brahms op. 83 mit Youri Egorov und dem "Nederlands Jeugd Symfonie Orkest" aus Amsterdam unter Adam Gatehouse (erschienen bei "Etcetera").

    Das Konzert ist auch in der 10-CD-Box „Youri Egorov-A life in music“ enthalten.


    https://soundcloud.com/radiocl…/il-pianista-youri-egorov

    ab min 17:00 (wenn man angemeldet ist, kann man die viertelstündige italienische Einführung überspringen, ohne Anmeldung geht das leider nicht)

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

  • Hallo Orfeo,


    vielen Dank! Du bist bezüglich Egorov sehr gut informiert und hast Quellen über das Internet hinaus, so scheint es mir.

    Kannst Du uns mehr über die Hintergründe erzählen, das würde mich sehr interessieren?


    Viele Grüße

    Christian

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  • Hallo Christian,

    Kannst Du uns mehr über die Hintergründe erzählen, das würde mich sehr interessieren?

    Ich bin mir nicht sicher, welche Art Hintergründe Du meinst. Zur Zeit sammel ich noch Material und will noch Ordnung ins Archiv (Zeitungsartikel, Fotos, Kritiken und natürlich die Biografie, die hauptsächlich auf den oben vorgestellten - und sich teilwreise widersprechenden - Bücher von Wim de Haan und Jan Brokken beruhen, bringen.


    Aussagen wie die unten bremsen natürlich den Elan.

    Zitat

    Es können auch alle "russischen" Threads fortgeführt werden. Ob das - angesichts des weitverbreiteten Unbehagens (und auch Hasses) gegen ein Land von dem eine permanente Betrohung ausgeht - taktisch klug und von Vorteil für uns ist - das ist eine andere Frage.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo


  • Youri Egorov (Юрий Егоров) 28. Mai 1954 – 16. April 1988

    Egorovs Vorname “Youri“ entspricht der französischen Schreibweise von “Юрий“ und wird in den meisten Sprachen gleich ausgesprochen, während Yuri oder Jurij in einigen Sprachen als Yüri bzw Jüri oder Dschüri ausgesprochen würden. Daher hat sich obige Schreibweise durchgesetzt.


    Youri begann mit sechs Jahren in seiner Geburtsstadt Kazan/Tatarstan mit dem Klavierunterricht. Als er mit zwölf Jahren beim Kabalevski-Wettbewerb den Preis für die beste Interpretation von Dmitri Schostakowitschs 2. Klavierkonzert gewann, überreichte man dem Jungen eine Partitur des Werks mit einer handschriftlichen Widmung des Komponisten. 1971 gewann er in Paris den 4. Preis beim “Marguerite Long-Jacques Thibaud-Wettbewerb“. Anschließend studierte er am Moskauer Konservatorium bei Yakov Zak und blieb dort sechs Jahre. 1974 gewann Egorov die Bronzemedaille beim Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau. 1975 erhielt er den 3. Preis beim Internationalen Musikwettbewerb „Reine Elisabeth“ in Belgien. Egorov hat zwar an mindestens vier Wettbewerben teilgenommen, aber nie einen ersten Platz belegt.

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    1976, als er sich für zwei Konzerte in Brescia und Bergamo aufhielt, beantragte er politisches Asyl in Rom und reiste über Brüssel nach Amsterdam, wo er bis zu seinem Tod eine neue Heimat fand.

    Egorov ist damit einer von vielen, die der repressiven und intoleranten Heimat den Rücken gekehrt haben. Die Gründe waren für ihn nicht nur politischer Natur, sondern er wollte auch den Repressalien gegenüber Homosexuellen entgehen. Er hat die Sowjetunion nie wieder betreten. Youris Bemühungen, nach dem Ablauf seines sowjetischen Passes einen niederländischen Pass zu erhalten waren jedoch erfolglos und er ließ sich in Monaco einbürgern, was allerdings für jede Tour außerhalb der Niederlande zusätzliche Bürokratie bedeutete, denn er musste sich für ein separates Visum bei der Fremdenpolizei melden, eine meist zeitaufwändige Angelegenheit. Das ändert nichts daran, dass er sich als Homosexueller im toleranten Amsterdam sehr wohl fühlte. Eine Inhaftierung wie in der Sowjetunion musste er jedenfalls nicht mehr befürchten.

    1977 nahm Egorov am Van-Cliburn-Wettbewerb in Texas teil. Zu den Mitgliedern der Jury gehörte auch der Russe Andrei Petrow, der unmittelbar vor Youris Auftritt im Halbfinale diesem zuflüsterte: „Du weißt, dass Jakov Zak tot ist? Herzfehler. Deine Schuld“. Die Unterstellung, seine Flucht in den Westen habe den Tod seines Lehrers Yakov Zak verursacht, traf ihn wie ein Vorschlaghammer. Als er deshalb noch nicht mal ins Finale kam, sammelte eine Gruppe von Enthusiasten unter der Führung von Beverley Taylor Smith und dem amerikanischen Impresario Maxim Gershunoff 10.000 US-Dollar, was genau dem Hauptpreis des Wettbewerbs entsprach.

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    Gershunoff, inzwischen Egorovs amerikanischer Manager, organisierte am 23. Januar 1978 sein New Yorker Recital-Debüt in der Alice Tully Hall im Lincoln Center. Die Kritiker waren begeistert: „Der größte Klavierabend, den ich je gehört habe“ (Bill Zakariasen, The Daily News). „Die ganze Aufführung war bemerkenswert“ (John Rockwell, The New York Times). „Einer der aufregendsten Klavierabende, an die ich mich erinnern kann“ (Speight Jenkins, The New York Post). „Das größte und poetischste junge pianistische Talent, dem ich je begegnet bin“ (Andrew Porter, The New Yorker).

    Drei Monate später trat er in Chicago auf, und ein Kritiker bezeichnete seinen Auftritt dort als „das Debüt des Jahrzehnts“.

    Im Juli 1978 wählte das Musical America Magazin Youri Egorov zum "Musiker des Monats".

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    Sein Debüt in der Carnegie Hall gab er am 16. Dezember 1978. Das Konzert wurde live aufgezeichnet.


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    Zahlreiche überaus erfolgreiche Konzerte in Europa und den USA folgten in den nächsten Jahren. Er trat nicht nur als Solist auf sondern spielte auch Kammermusik (u.a. mit dem Orlando Quintett, mit Emmy Verhey und mit Barbara Hendricks).

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    Die westliche Partymentalität der 1980er Jahre brachte jedoch auch manche negativen Seiten seines Charakters mit Vorlieben für Alkohol, Drogen und Promiskuität zum Vorschein und verhinderte kluge Karriereentscheidungen. Sein Vertrag mit EMI endete 1985 mit einem Besuch in Abbey Road 1985 für Mozart-Konzerte mit Wolfgang Sawallisch. Er hatte bis dahin mit Sicherheit eine der großartigsten Karrieren in der Klaviergeschichte gemacht. Ende der 1980er Jahre verließ ihn der Erfolg, er spielte oft unkonzentiert, öfter unterliefen ihm Fehler, er vergaß Termine, wurde agressiv. Er trennte sich von seinem US-Manager Maxim Gershunoff, der ihn entdeckt hatte. Sein Niedergang würde beschleunigt durch seine Unfähigkeit, auf die Bedürfnis der Musikindustrie einzugehen.

    1987 gab er bekannt, dass er HIV-positiv sei und AIDS zu dem Zeitpunkt bei ihm schon ausgebrochen war. Die Veränderung in seinem Wesen ist wahrscheinlich auch auf die damals noch sehr agressiven Nebenwirkungen der Medikamente zurückzuführen. Als die Krankheit zu epileptischen Anfällen und zu einer Hirnhautentzündung führte, nahm er Sterbehilfe in Anspruch. Sein Lebenspartner Jan Brouwer folgte ihm wenig später.


    Tabelle mit Youri Egorovs Auftritte ab 1966 – 1988 (in der Liste fehlen allerdings mindestens drei Auftritte nach dem 27. November 1987:

    2. Dezember in Turin, 5. Dezember in Mailand, 5. März in Maastricht)

    Bis zu seinem Tod waren 14 kommerzielle Aufnahmen auf den Markt gekommen und mehrere in Planung. Die sieben CDs umfassende EMI-Box mit frühen Aufnahmen, die er in Amsterdam für das Label Peters International gemacht hat, ist auch heute noch von wirklich beachtlicher Qualität.


    Literatur über Youri Egorov

    1. Bücher von Wim de Haan über Youri Egorov
    Yuri Egorov. His Complete Original Diary. (als Herausgeber)

    Youri Egorov - The Complete Discography

    Dieses Buch enthält Egorovs vollständige Diskographie, seine Vinyl-Veröffentlichungen, CD-Veröffentlichungen, Kassetten, DVDs und Informationen zu über 70 Radiosendungen, Fernsehauftritten und verschiedenen unveröffentlichten Aufnahmen.

    Youri Egorov - Het ware verhaal: Een andere kijk op de roman 'In het huis van de dichter'

    Youri Egorov - The US Years: Van Cliburn, 1977, 1978 & 1979.

    Youri Egorov - The US Years: 1980 - 1988

    Youri Egorov - De jaren 1974 - 1980 in Nederland

    Youri Egorov - De jaren 1981 - 1988 in Nederland

    Wim de Haans “Het ware verhaal“ ist eine Richtigstellung zu dem Roman 'In het huis van de dichter'.

    2. Jan Brokken Roman über Youri Egorov

    In het huis van de dichter (niederländisch)

    Nella casa del pianista (italienisch – ich beziehe mich auf diese Ausgabe)


    Der Journalist Jan Brokken war ein guter Freund und Nachbar in Amsterdam und hatte dementsprechend gute Kontakte zu Youri Egorov und seinem Lebenspartner Jan Brouwer.

    In seinem Roman zeichnet Bokken ein intensives und farbenreiches Bild eines gequälten jungen Menschen, dessen Leben von seiner Flucht aus der Sowjetunion geprägt war. Der Leser des Romans "In het huis van de poet“ muß jedoch zwischen Belletristik und Sachliteratur unterscheiden. Leser werden es problematisch finden, wenn sich die Behauptung des Autors, er habe Sachverhalte und Ereignisse wahrheitsgemäß beobachtet, bei näherer Betrachtung als falsch herausstellt. Andere werden falsche Behauptungen aber vielleicht gar nicht bemerken. Im Buch von Wim de Haan wird deutlich gemacht, wo Brokken sich wenig um Realität kümmerte sondern sich die Freiheit genommen hat, neue Fakten zu schaffen.

    Zweifel kommen auf, wenn man Egorovs Tagebuch aus den Wochen in Italien gelesen hat. Brokken behauptet, die „Blätter mit Kaffeespritzern, Kreise von Gläsern und Weinflaschen, Tintenflecken und Brandflecken von glimmenden Zigaretten“ von Egorov bekommen zu haben. Indes hat Jan Brouwer die Blätter erst bei der Haushaltauflösung nach Youris Tod gefunden und sofort mit dem Nachlass an Youris Familie weitergeleitet. Wim de Haan brauchte später viel Überredungskunst (und wahrscheinlich Entschädigungszahlungen), um die Blätter (übrigens vollkommen unbeschädigt und ohne Flecken) von Youris Familie für die Veröffentlichung zu bekommen.

    Auch der von Brokken erwähnte Aufenthalt Egorovs in einer Isolationszelle im ehemaligen Kloster in Farfa, das als Flüchtlingslager diente, verlief in Wahrheit anders als im Roman geschildert. Denn am 5. Juni 1976 schrieb Egorov in seinem Tagebuch: „Ich habe hier 2 Zimmer, ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer, eine Küche, eine Dusche und eine Toilette“, was wenig mit einer Isolationszelle zu tun hat, obwohl es natürlich möglich sein könnte, dass Egorov gegenüber Brokken dramatisiert hat. Auffällig ist aber auch ein in der italienischen Zeitung „Il Tempo“ abgedrucktes Foto: Wir sehen Egorov im Freien mit leichter Sommerkleidung, neben ihm ein winziges tragbares Radio und Kopfhörer, was sicherlich nicht auf eine angebliche „Strafbehandlung“ hinweist. Nicht weniger merkwürdig ist der von Brokken skizzierte Hintergrund der Konzertreise nach Brescia und Bergamo. Dass Egorov angeblich für ein Konzert mit dem Orchester der RAI geplant war, dass es live im Fernsehen übertragen würde und dass er auserwählt worden sei, Arturo Benedetti Michelangeli zu ersetzen, der unter Lampenfieber gelitten habe. Aber was steht im „Corriere della Serra“ vom 19. Mai? Nichts über Michelangeli, ebensowenig von einer Live-TV-Übertragung, sondern dass es sich um ein kulturelles Austauschprogramm zwischen Russland und Italien und insbesondere zwischen dem Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau und den italienischen Veranstaltern gehandelt habe. Egorov war von Yakov Zak vom Konservatorium in Moskau offiziell als Kulturdelegierter der Sowjetunion nominiert worden war. Ein Orchester war nie vorgesehen.


    Es ist eine naheliegende Frage, ob der Inhalt eines Buches im Sachbuchgenre per Definition der Wahrheit und nichts als der Wahrheit entsprechen sollte. Wer vorgibt, über die Wahrheit zu schreiben, aber dabei vorsätzlich täuscht, führt den Leser im Voraus in die Irre.

    Oder schafft der Roman im Sachbuch-Genre vielleicht Raum für Lügen? Weil es ein Roman ist? Auf der Rückseite von Brokkens Buch liest man (übersetzt) …. Im Haus des Dichters ist der überzeugende Bericht einer Freundschaft. Zugleich ist es das aufschlussreiche Porträt eines nach Freiheit sehnenden Künstlers, eines von Angst zerfressenen Musikers, der dem Untergang zueilt, und des rasenden Amsterdam der 1980er Jahre, das sich mit dem Ausbruch der AIDS-Epidemie in eine Stadt des Todes verwandelt….Das ist Brokken durchaus gelungen, das Buch liest sich gut, ist aber ganz sicher keine Biografie.

    Alles Gute und einen Gruß von Orfeo

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