Zwölftontechnik: Ungeliebt, unverstanden, das rote Tuch. Eine Aufklärungskampagne.

  • Ich bin etwas enttäuscht, daß es hier nicht "technischer" weitergeht.


    Edwins großartiges Anliegen, dem er großartig in seinen kleinen, durchaus mundgerechten Beiträgen nachzukommen weiß, besteht ja eben tatsächlich in einer Art uneitel durchgeführter "Aufklärungskampagne". Das Wort Kampagne möchte ich hier keineswegs als "Werbefeldzug" o. dergl. verstanden wissen, es handelt sich vielmehr um sowas wie ein halböffentliches Freizeitseminar für Interessierte, und nur der wirklich Aufwandsscheue zuckt jetzt beim Wort "Seminar" zusammen. Die andern sehen, was das für ein entgegenkommendes Vergnügen sein kann.


    Es geht, Johannes hat das mehrmals schon betont, ersteinmal darum zu zeigen, was denn eigentlich verhandelt wird. Einer Frage nach dem Wesen von etwas läßt sich schlecht begegnen, indem man mit lediglich partiell verstandenen Begriffen und Etiketten gleich herumzuspielen anfängt (unwirklich oft wurde jetzt bereits etwas für Zwölftonmusik gehalten, was es gar nicht war! Gibt das denn niemandem zu denken...?).


    Zitat

    Original von pt_concours
    Mittlerweile halte ich nämlich Edwins Erklärungsversuche für zu technisch. Eigentlich würde ich jetzt lieber über die geistigen Strömungen sprechen, die solche Musik entstehen liess (eingeschlossen die Philosophie, die Bildende Kunst, Architektur, Literatur, etc.)


    Ja, leider geht es jetzt genau in diese Richtung!


    Mir in meiner gründlichen Unkenntnis der Sache ist dieser Thread ein wahrer Segen. Was Edwin hier begonnen hat, könnte vielen von uns viel Zeit zu sparen helfen, denn hier haben wir den Idealfall (welchen Platon in seiner berühmten Schriftkritik immer angemahnt hat), daß das "Buch" zu antworten vermag, sich einstellen kann auf die spezifischen Bedürfnisse und Verständnisschwierigkeiten seiner "Leser".


    Deshalb verstehe ich nicht ganz, aus welchem Grund das nicht genutzt wird, sondern zunächst Edwins Fluß sacht aber doch erfolgreich unterbrochen wurde, um nun tatsächlich zu so etwas wie einem unverbindlichen Kulturcafé zu werden.


    Auch wenn die mehresten von uns nicht sehr viel mehr als Fragen beizusteuern haben: Na und, dann geht das eben mal so ab. Sich aussprechen kann man auch anderswo...


    Ich muß mich nämlich auch zusammennehmen, wenn ich etwas von dem verstehen will, was hier gesagt wird. Aber das ist doch wohl genau, was immer, immer wieder angemahnt wird: Niemand will ein paar Fachleuten beim Disputieren zusehn, sondern alle erbitten sich, die Diskussion möge auf Ihrem Niveau stattfinden. Hier tut sie das einmal, und dann wird davon abgelenkt...


    Ich werde die wichtigen Beiträge hier jedenfalls noch oft durchgehen. Übrigens, eine "Analyse" eines bestimmten Werkes (und nur von dem kann es sie geben) ist hier überhaupt nicht aufgetaucht, wie manchmal behauptet wird. Edwin hat stets mit Beispielen gearbeitet, die genau die gegenteilige Funktion gegenüber der Analyse haben, nämlich einen relativ abstrakten Sachverhalt (mit kleineren Einbußen) auf gewisses anschauliches Maß herunterzubrechen. Analyse sucht, auch in der Musik, wenn ich das recht verstanden habe, im Konkreten die allgemeinen Muster und ermöglicht so das Reden über sonst ganz Unzugängliches. Wer davor Angst hat, muß das eigne Reden lassen, aber doch um Himmels willen nicht die Analyse...!


    Deshalb: Ich würde gerne haben, daß es noch lange weitergeht wie zu Beginn.



    Alex. :hello:

  • Liebe ForianerInnen,


    im Prozess meiner mühevollen Erarbeitung der Musik des 20. Jahrhunderts, habe ich mich heute masochistischerweise an Schönbergs Streichtrio op.45 (1946) gewagt und zwar in einer Interpretation durch das treffliche Wiener Steichtrio:


    Das ist doch eigentlich furchtbare Musik, oder nicht?


    Aber oh Wunder. Ich kann sie sehr wohl hören...!
    Ja, ich finde gar irgendwie Gefallen an ihr...! (Amfortas NullFetz wird mir zustimmen :D )


    Na ja, „Gefallen“ ist vielleicht das falsche Wort: ich möchte das Phänomen eher als „aesthetischen Reiz“ bezeichnen, oder als ein wohliges Erschaudern ob der unzugänglichen, krypto-romantischen Sphinxhaftigkeit dieser Klänge.


    Kann mir mal eine(r) erklären, weshalb mir diese Musik irgendwie behagt, ausgerechnet mir, dem überzeugten Verfechter der Tonalität?
    Denn eigentlich hätte sie mich doch abzuschrecken, mich, den entschiedenen Liebhaber von Schmidt, Reger, Schreker, Zemlinsky und co.

    Nein, ich kokettiere nicht mit vorgetäuschter Unkenntnis der Werke der 12-Ton-Musik, noch viel weniger brüste ich mich damit, die Kenntnis solchen Gezwölftonsels als chic und cool zu bezeichnen....


    Ich „kenne“ tatsächlich Einiges an Zwölfgetonsel, und nicht weniges davon löst bei mir irgendwie ein gesteigertes aesthetisches Empfinden aus.... Ich kann mir aber beim besten Willen nicht erklären, weshalb.


    Es gibt kein einziges Werk vom Schönberg, das mich völlig kalt lässt oder gar abschreckt. Aber ich habe keine Ahnung, weshalb mir diese Art von Musik einen gewissen Genuss verschaffen kann!

    Denn daneben gibt es ein für mich fast ungeniessbares Konvolut aus (durchaus nicht atonaler) Musik von („horribile dictu“): Mahler, Bartok, Schostakowitsch, Strawinsky, Antheil, Milhaud, Villa-Lobos, Glass uva, (sorry für den Salat von Äpfeln und Birnen), die ich nur mit Mühe ertragen kann.


    Kann es sein, dass mir (als Erz-Romantiker) geschenkt ist, intuitiv den „romantischen“ roten Faden im Idiom von Schreker-Zemlinsky-Zwölftonsky wahrzunehmen, wohingegen die Linie Wagner-Mahler-Strawinsky- etc.pp ins blaue Neo-Sowieso verdröselt....um dann vielleicht vom Jazz neu geknüpft zu werden?
    (Man haue mich nicht, ob des hinkend-kühnen Vergleichs :untertauch: )


    An diese Stelle gehört ein grosses Dankeschön an Edwin Baumgartner für seinen herausragenden Thread!


    Geht es anderen TaministInnen ähnlich mit Schönberg im Speziellen und mit der Zwölftonmusik im Allgemeinen?


    Mit herzlichem Gruss aus Bern


    Walter

  • wooooooooooooowwwwwww !!!!!! Diesen Beitrag finde ich riesig !!!!
    Eine Seele ist gewonnen !!!!!!!!!!!!!!


    Ja mit dem Vertrautwerden des


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    Streichtrios
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    beginnst Du eine Auseinandersetzung und Beschäftigung eines der mega-geilsten, hyper-fetzigsten und - neben


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    Nonos Streichqquartett
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    - eines der allergrößten Werke der Kammmermusik und eines der tollsten Kompositionen überhaupt. Mit der Bezeichnung "furchtbar" hast Du Dich auch als ideales Medium für Schönbergs Musik erwiesen, weil es sich vom einschnappenden Bescheidwissen abgrenzt, dass den Rätselcharakter der Musik ignoriert... .. und durch die sog. atonale Muisk wird dem Hörer der Rätselcharakter von Musik überhaupt (also auch der sog. Tradition) erst wieder deutlich..
    Ist das Werk 12-tönig oder nicht: Ist mir beim Hören völlig schnuppe, da stimme ich Edwin vorbehaltlos zu, mit dem ich sonst gerne ab und zu mal im Clinch liege...
    Das Streichtrio ist auch eines der emotionalsten Werke in der Kammermusik. Der Genuss an Schönberg (ich meine den sog. "atonalen" ) sind z.b.
    die geilen Klangfarben, die Vielfalt der Rythmen, die sehr emotionale Message, die vielfältigen Rythmen.. die geilen Themen (ja das ist so was wie Einfall) + wie sie verarbeitet werden, die beispielslose Intensität seiner Musik, seine unversöhnliche Haltung in seinem Werk , überhaupt der Verlauf der Sonatenhauptsatzform im z.B. 4. Quartett.. oder der 2. Satz des Klavierkonzertes, was für ein hammermäßiger Beginn ...
    mir fehlen die passenden Worte... und.. und.. und.. eine sehr ständig-spontane Hörerreaktion verlangt diese Musik..


    Wenn Du schönberg-streichtrio-süchtig geworden bist und das ist eine unausweichliche Folge der hörenden Auseinandersetzung mit diesem Meisterwerk, dann empfehle weitere Sachen von Schönberg, die werden Dich dann nicht mehr loslassen:


    Violinenkonzert z.B. Boulez/Amoyal oder kubelik/zeitlin
    Klavierkonzert Uchida(Boulez
    Streichquarett nr. 4 (Wihanquarett)
    5 Orchesterstücke (mit Zender , ist nicht 12ttönig,so what ?)
    Pierrot mit Hans Zender
    Phantasie für Geige mit Kl.-Begleitung am besten von youtube mit einem Internetrecorder aufnehmen und zwar Gould/menuhin viele kommerzielle Wiedergaben taugen nichts
    Jakobsleiter mit Gielen
    Moses + Aron mit Kegel
    O-variationen mit Rosbaud.
    ist nicht vollständig-....


    Das Problem bei der NWS ist, dass viele CDs/Wiedergaben nix taugen, deshalb sammle ich bevorzugt Radiomitschnitte.


    Und dann wirrst du zweifellos auch irgendwann Zugang zum mittleren Webern finden, da gibts billige und gute Naxos-Cd mit wichtigen O-werken und fetziger Kammermusik
    und dann zieh dier auch irgendwann Nonos Streichquartett rein und zwar mit Lasalle, die sind passionierter als die Ardittis
    Ich empfehle auch noch Elliot Carters Violinkonzert mit Knussen und sein 5. S-Quartett mit Pacifica-quartett (Naxos) billiger + besser als mit den Ardittis, die aber auch nicht schlecht sind .. und so wirst Du zum Hörer der richtigen Avantgarde, der unversöhnlcihen Moderne .. ach ja dann darf später auch nicht B.A. Zimmermann fehlen...
    aber bleib vielleicht erstmal bei dem ganz vorzüglichen und bewegenden Streichtrio und nach + nach werden dir andere Werke der NWS und auch Nono, B.A. Zimmermann, Elliot Carter und andere Werke - wie von selbst - zufallen, und Du wirst erfahren, wie reich wir von diesen genannten Komponisten beschenkt wurden.....


    Ich wünsche Dir weiterhin erfolgreichen Zugang und spannende, gedankenreiche Neuentdeckungen bei der überragenden, bewegenden Musik von Schönberg, eines unserer ganz großen Komponisten überhaupt, neben dessen Rang Bach, Beethoven, Mahler und Nono noch Platz haben....


    LG


    :hello:

  • Hallo Amfortas,


    danke für Deine enthusiastische Antwort und das engagierte, opulente Plädoyer für die Zwölftönigkeit. Ich bin "erschlagen" :D und fast bekehrt...!


    Mit herzlichem Gruss aus Bern


    Walter

  • Zitat

    Original von Walter Heggendorn
    An diese Stelle gehört ein grosses Dankeschön an Edwin Baumgartner für seinen Thread:
    Zwölftontechnik: Ungeliebt, unverstanden, das rote Tuch. Eine Aufklärungskampagne.


    Aus dem angesprochenen Thread hatte ich als Erkenntnis mitgenommen, daß die ZTT eben nur eine Kompositionstechnik ist. Das klangliche Ergebnis dagegen kann ganz verschieden ausfallen. Edwin hat dafür Beispiele gebracht. Insofern wundert es mich nicht, daß auch ein "Erzromantiker" gefallen an Werken der ZTT finden kann, er hat es allerdings schwer.


    Befriedigend erklären kann man es mE nicht. Wenn man es könnte, würde man der Musik ihre emotionale Kraft nehmen (die Dich gerade angezogen hat), ihr Geheimnis zerstören, und sie sozusagen auf ein gelöstes Kreuzworträtsel reduzieren. Das hat sie nicht verdient.


    Ein gedanklicher Aspekt wäre allenfalls die zeitliche Nähe zu den anderen von Dir genannten Komponisten; daß man die Werke in ZTT als intellektuelle Herausforderung begreift, die die (vermeintliche) Erschöpfung des DMS an die Komponisten dieser Epoche gestellt hat.


    Da ich mich in der letzten Zeit etwas stärker mit elektronischer Musik und Musik des Futurismus bzw. Dadaismus beschäftigt habe, kommt mir Schönberg wie eine idyllische Oase vor 8). Immer eine Frage, von welchem Punkt man ausgeht und zu Schönberg gelangt...


    Wenn ich mich längere Zeit mit Barockmusik beschäftigt habe, und dann wieder zu Webern, Schönberg und Co greife, fällt mir die Umstellung sehr schwer.


    Mangels musikwissenschaftlicher Kenntnisse könnte ich ohnehin nicht beurteilen, ob ein bestimmtes Werk in ZTT komponiert ist oder nicht. Ich kämpfe eher gegen bestimmte Assoziationen an, die sich mit Namen wie Schönberg, Webern etcpp. aufgrund meines musikhistorischen Wissens verknüpfen, und die einem ungetrübten Musikgenuß im Wege stehen können. So groß ist mein Bestand an Werken der NWS auch noch nicht. Das Streichtrio op 45 gehört aber dazu.


    Bist Du sicher, daß Deine Reserviertheit gegenüber Schönberg etcpp nicht eher auf einer gedanklichen Barriere als auf einer musikalischen Abneigung beruht hat?


    Ohne gleich wie unser lieber Amfortas ins Delirium zu verfallen, nur weil der Name Schönberg fällt ( ;) ) , stelle ich doch befriedigt fest, daß Schönberg, Webern und Berg (erst mal nur die drei, die Beschäftigung mit anderen Komponisten dieser Gruppe folgt aber definitiv noch!) in meiner bekannten Komponisten-DienstgradVO einen gewaltigen Sprung nach oben gemacht haben.

  • Es ist meines Wissens weitgehend anerkannt, daß der Expressionismus die Fortsetzung der Spätromantik und die Zwölftontechnik eine Fortsetzung/Reaktion auf den (atonalen) Expressionismus ist. Im weiteren Sinne ist das eine "klassizistische" Reaktion. Denn wie im anderen thread gesagt wurde, war ja eine "Alternative" zur ZTT die Verwendung traditioneller Formen innerhalb der Atonalität (Passacaglia usw. in Wozzeck). Natürlich kann man auch beides kombinieren (so weit ich weiß ist Schönbergs Bläserquintett ein Beispiel hierfür).


    Zemlinsky hatte ja nicht nur persönlich sehr viel mit Schönberg zu tun. Man vergleiche z.B. Schönbergs 1. und Zemlinsky 2. Streichquartett, das sind sehr ähnliche Versuche, die klassische Viersätzigkeit in einem (sehr ausgedehnten) durchkomponierten Werk aufgehen zu lassen, mit vielfältigen motivischen Bezügen bzw. einem alles bestimmenden Leitthema. (Vorbilder sind hier natürlich der späte Beethoven, besonders op.131 und 133 und Werke wie Liszts h-moll-Sonate). Zemlinsky geht zwar den Schritt zur Atonalität und ZTT nicht mit. Aber er wird dann später auch wieder "klassizistischer"; sein letztes (4.) Quartett beginnt z.B. mit einem Präludium und endet mit einer Fuge (dazwischen finden sich Satzbezeichnungen wie "Burlesca"). Diese Reaktion auf die sehr freien, experimentellen ersten beiden Jahrzehnte findet sich bei vielen, ganz unterschiedlichen Komponisten, bei Strawinsky eben mit dem ausdrücklich so genannten Neoklassizismus (Violinkonzert, Pulcinella usw.)


    Eine Linie Wagner-Mahler-Strawinsky gibt es dagegen m.E. nicht. Strawinsky kommt von Mussorgsky, Rimsky und Debussy (wie man am Suffix -s(k)y sehen kann, Zemlinsky ist die Ausnahme von der Regel). Selbst wenn man den Feuervogel als nachromantisch sehen können, steht der in der Nachfolge von Rimskys Märchenopern, nicht von Tristan.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Wenn ich mich längere Zeit mit Barockmusik beschäftigt habe, und dann wieder zu Webern, Schönberg und Co greife, fällt mir die Umstellung sehr schwer.
    Der umgekehrte Weg ist vielleicht manchmal einfacher.. Hilary Hahn gab nach ihren fetzigen Wiedergaben des Schönbergschen VKs am 24.03.06 mit Inkinen, die Bachsche Partita-Sarabande, am 21.09.07 mit Oue das Bachsches Largo der 3. Sonate und am 27.09.07 (unter Salonen) mit beiden Bachzugaben quasi als Doppel-Fillup: Hahns Solo-Bachsound fetzt live mehr als auf der kommerziellen Teuer-CD, da weniger Nachhall (haben vermutlich irgendwelche Tonmeister verbockt) und weil eben live; Und Mirijam Contzen spielte am 05.02.07 nach dem VK (ganz fetzig unter Netopil auch hier war das Orchester richtig hammer) auch die Bachsche Partita-Sarabande als Fillup
    (Ich wollte eigentlich nicht noch einmal erwähnen, das es Schönberg war , der die schönsten Instrumentalkonzerte überhaupt komponierte nämlich sein
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    Violinen- + Klavierkonzert,
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    fühle mich aber doch genötigt es noch-1-mal zu sagen... )
    Mangels musikwissenschaftlicher Kenntnisse könnte ich ohnehin nicht beurteilen, ob ein bestimmtes Werk in ZTT komponiert ist oder nicht. Ich kämpfe eher gegen bestimmte Assoziationen an, die sich mit Namen wie Schönberg, Webern etcpp. aufgrund meines musikhistorischen Wissens verknüpfen, und die einem ungetrübten Musikgenuß im Wege stehen können
    Das zeigt deutlich, dass der Zugang zu Schönberg bzw. zur NWS nicht über irgedwelche 12-ton-Erbsenzählerei erfolgt. Das hat Schönberg selbst auch betont. Am besten nicht mal ignorieren, ob ein NWS-Stück 12- oder nicht 12-tönig geschrieben wurde..
    So groß ist mein Bestand an Werken der NWS auch noch nicht. Das Streichtrio op 45 gehört aber dazu.
    Ja das
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    Streichtrio
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    ist eines der schönsten, emotionalsten und sowieso wichtigsten Kammermusikstücke überhaupt.. kann ich nur jedem unbedingt ans Herz legen... und der Bestand kann sich durchaus mehren ;) ;) ;)
    Reserviertheit gegenüber Schönberg etcpp nicht eher auf einer gedanklichen Barriere als auf einer musikalischen Abneigung beruht hat?
    Das Problem scheint mir eher, dass viele Wiedergaben (vor allem Studio-Teuer-Cds) nicht viel taugen (ich werde nie müde das immer wieder zu betonen) und leider gehören z.B. auch dazu die Schönberg-Quaretteinspielungen von Kolisch, Juillards, LaSalle, Wiener, Arditti und Leipziger dazu (bei allen kaum je lebendiges, emotionales Spiel, deutlich sind viele, aber das reicht eben überhaupt nicht) , ich möchte aber diese Musiker trotzdem nicht missen. Aron Quartett kann ich mit Einschränkungen empfehlen. Quartett Nr. 4 ist mit Prazak auch ganz ok, kommt aber nicht ganz an Wihan ran.. Am besten sind Perrenin Quarett (einfach eine Superwiedergabe aus den 60zigern), die sind leider nicht im Handel erhältlich , wurden von Nordwestradio 2008 gesendet () + vermodern im Radioarchiv, trotz unsere Rundfunkgebühren.. nebenbei, welches Streichquartett spielt Beethovens große Fuge sinnvoll ? Ich kann bisher da nur die Emersons nennen...
    Ach ja, fetzig finde noch die Wiedergabe des Bläserquintetts unter Holliger.
    Beim Bergschen Kammerkonzert sieht es noch düsterer aus. Auf den meisten Cds wird’s langweilig runtergespielt und auch Boulez live (z.B. ersten Satz mit den Variationen klingt unter den meisten nur öde, obwohl es ein stück hammmergeile Musik ist) war leider nicht besser am 19.03.08 (Paris). Es wird da nichts gewagt, kaum einer „zieht mal die Jacke da aus“: Ich kenne nur 2 sinnvolle + mega-ausgezeichnete Live-Wiedergaben: Welser-Möst Cleveland (25.05.07) und unser Maestro Levine (22.02.08) mit dem megafetzigen BSO und Isabelle Faust als tolle Geigenquälerein beim 2. Satz.
    Bei der Lulu ist es bis jetzt nur Levine dem am 20.04.02 in NYC eine sinnvolle orchestrale Realisierung gelingt, bei allen anderen Wiedergaben , die ich mir reingezogen habe, will der orchestrale Funke nicht rüberspringen (ich will noch irgendwann Daniel mit der ENO mir kaufen + reinziehen (Lulu auf English) .... Beim Berg-VK sieht es auch nicht besser aus (z.B. Dausgaard/Shaham sind gut + vor ein paar Wochen gabs einen guten Radiomitschnitt aus Cottbus) ... Bei der Lyrischen Suite finde ich momentan Artemis-Quarett am besten , das Bergsche Streichquartett ist leichter zu realisieren.. vom mittleren Webern gibt es viele sinnvolle Wiedergaben, egal ob Kammermusik oder Orchester + nicht nur auf Teuer-CDs...
    Ohne gleich wie unser lieber Amfortas ins Delirium zu verfallen, nur weil der Name Schönberg fällt ( ) , stelle ich doch befriedigt fest, daß Schönberg, Webern und Berg (erst mal nur die drei, die Beschäftigung mit anderen Komponisten dieser Gruppe folgt aber definitiv noch!) in meiner bekannten Komponisten-DienstgradVO einen gewaltigen Sprung nach oben gemacht haben.
    Ich drücke Dir + allen – die beginnen mit Schönbergmusik sich zu beschäftigen - ganz feste die Daumen für weiteren erfolgreichen Zugang zu


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:
    Schönbergs Musik
    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    + wünsche das ihr von Schönberg bzw. der NWS gefesselt werden + bleibt und dann auch die richtige Moderne/Avantgarde nach der NWS (z.B. Nono, B.A. Zimmermann, frühe Stockhausen, Gotfried Michael König, Elliot Carter ....) entdeckt... und vor allem versuchen dann auch andere Musikliebhaber mit ihren Schätzen zu begeistern, weil ihr selber davon ganz erfüllt seid.


    LG


    :hello:

  • Habe gerade zweieinhalb Stunden mit dem Lesen dieses Threads verbracht und werde, wenn noch mehr Beiträge dazukommen, auch meinen Senf dazu beigeben. :) Schönbergsche Begeisterung wie die von Amfortas lassen mein Herz höher schlagen^^ Vorerst ein eher kleinkarierter Beitrag (Verzeihung im Voraus, Edwin hat natürlich exzellente Arbeit geleistet :untertauch:)


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Schönberg hat in seiner zwölftönigen Schaffensperiode immer wieder tonale Werke komponiert, jedoch keine atonalen.

    Einzige Ausnahme: Variationen über ein Rezitativ für Orgel (in D), Opus 40. Das ist zwar nicht zwölftönig, aber trotz einiger konsonanter Akkorde auch alles andere als funktionstonal (im Gegensatz zu den anderen späten tonalen Stücke wie den Variationen für Blas-, der Suite für Streichorchester oder der zweiten Kammersymphonie).


    Wessen ich mir nicht ganz sicher bin, ist die Ode an Napoleon op. 41; ich meine, gelesen zu haben, die sei zwölftönig, allerdings habe ich nach eingehender Studie der ersten ~20 Takte noch keine Reihe feststellen können (was mich angesichts der unglaublichen Polyphonie und Vielzahl von gleichzeitigen Tönen und Melodien fast schon überraschen würde, da müssten auf eine Viertelnote ca. 5 Reihenpermutationen kommen; Oktavparallelen und konsonante Akkorde kommen noch häufiger vor als im Klavierkonzert und teilweise werden sogar tonale Zitate (Beethovens Fünfte, Französische Nationalhymne) eingeflochten, obwohl das natürlich auch in ZTT möglich wäre (siehe Suite op. 29, 3. Satz)).

  • siehe auch Radio Thread (!!):
    (France Musique ist wieder empfangbar über Satellite Astra (19,2°E avec les paramètres suivants : 12207 MHz - Vertical - transponder 90 - débit symbole 27500 - FEC 3/4). Seit 01.07 war es nicht über diesen Weg empfangbar. => Digitalreceiver mit Suchlauf starten => France Musique)
    VENDREDI 20 FÉVRIER 2009 20:00 - 22:28 Le Concert du soir
    par Jean-Pierre Derrien
    Concert
    En direct de la salle Pleyel à Paris, et en simultané avec l'Union européenne de radios


    Arnold Schönberg
    1. La Nuit transfigurée
    2. Concerto pour piano et orchestre
    3. Variations pour orchestre
    Mitsuko Uchida, piano
    Orchestre Philharmonique de Radio France
    Direction : Pierre Boulez


    Das Freitags Konzert von Radio France mit op. 34 und dem Violinkonzert op. 36 mit dem Dreamteam Eötvös/Hahn war hammergeil. Und Der Eindruck bleibt auch nach dem 2. Reinziehen der Wiedergabe: vor allem der 3. Satz hat mich überascht ... op. 36 vom Feinsten ....


    :hello:

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    ...Eine Reihe besteht aus allen zwölf Tönen innerhalb einer Oktave, jeder Ton muß vorkommen, keiner darf wiederholt werden...


    Hallo,
    hallo Edwin,


    was muss ich mir darunter vorstellen? In welchem "Rahmen" darf der Ton nicht wiederholt werden? Innerhalb der gesamten Komposition oder einer bestimmten Taktzahl?


    Bis dann.

  • Zitat

    Original von keith63


    In welchem "Rahmen" darf der Ton nicht wiederholt werden? Innerhalb der gesamten Komposition oder einer bestimmten Taktzahl?


    Wenn ich mich da einmischen darf: Ein Ton darf erst dann wieder auftauchen, wenn alle Töne der Reihe erklungen sind (hintereinander, ineinander oder wie auch immer, Hauptsache, sie waren da und die Reihe ist durch). Wieviele Takte der Komponist dazu benötigt, ist seine freie Entscheidung.

  • Hallo,
    hallo Gurnemanz,


    vielen Dank. :)


    Hängt damit zum Teil die "schwerere Eingängigkeit" zusammen?


    Denn, nach 'Edwin' ging Schönberg nicht mehr ganz so stringent vor:


    Zitat:


    ...1) Repetition nicht reihengebundener Gruppen: Wenn sich aus dem zwölftönigen Satz eine auffällige Konstellation ergibt, so ist es möglich, diese zu wiederholen, und zwar auch dann, wenn sie nicht reihenimmanent ist. Klingt kompliziert, ist aber sehr einfach: Wir wissen, daß wir mit mehreren Reihenverläufen gleichzeitig arbeiten können. Ergibt sich also aus einer solchen Gleichzeitigkeit eine bestimmte Konstellation, dann ist diese auch dann durch das Reihengesetz legitimiert, wenn man sie abspaltet und isoliert behandelt. Ergo kann man sie auch wiederholen, ohne dadurch reihenfremde Töne einzuführen... (vgl. Edwin)


    Bis dann.

  • Zitat

    Original von keith63
    Hängt damit zum Teil die "schwerere Eingängigkeit" zusammen?


    Glaube ich nicht. Oder man müßte jedwede Komposition, die in strengem Maße durchkonstruiert ist (das Komponieren mit Zwölftonreihen ist ja nur eine Möglichkeit von vielen und, wie Edwin ja schon ausgeführt hat: Schönberg war kein Dogmatiker), als "schwer eingängig" bezeichnen, etwa auch die Kunst der Fuge. Vielleicht war Bach, was die Konstruktion angeht, am Ende strenger und stringenter als Schönberg? Aber deshalb auch schwerer eingängig?

  • Zitat

    Original von Gurnemanz


    Glaube ich nicht. Oder man müßte jedwede Komposition, die in strengem Maße durchkonstruiert ist (das Komponieren mit Zwölftonreihen ist ja nur eine Möglichkeit von vielen und, wie Edwin ja schon ausgeführt hat: Schönberg war kein Dogmatiker), als "schwer eingängig" bezeichnen, etwa auch die Kunst der Fuge. Vielleicht war Bach, was die Konstruktion angeht, am Ende strenger und stringenter als Schönberg? Aber deshalb auch schwerer eingängig?


    Als besonders eingängig würden wohl nur wenige die Kunst der Fuge bezeichnen, oder? ;)
    (die mit am strengsten konstruierte Musik des Abendlands findet man vermutlich zwischen ca. 1400 und 1550 in Ars nova, Ars subtilior, Isorhythmik usw. ist ja auch ein Unterschied, ob man die harmonia mundi darstellen will oder den Expressionismus ein wenig zähmen...)
    Wie schon oben gesagt, glaube ich aber nicht, daß die Korrelationen so einfach sind. Allein, weil kaum ein nicht speziell ausgebildeter Hörer die Unterschiede zwischen freier Atonalität (also einer sehr freien "Methode") und mehr oder weniger strenger 12-Tönigkeit hören würden. In Bergs Lyrischer Suite sind glaube ich 3 von 6 Sätzen streng 12tönig, der Rest nicht. Wer ohne Notenstudium nach dreimal hören merkt, welche, ist wirklich gut... (und es darf bezweifelt werden, daß Berg besonderen Wert darauf gelegt hätte, das rauszuhören).


    :hello:


    JR

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  • Bei der Lyrischen Suite ist die Zwölftontechnik aber auch nicht so streng wie bei Schönberg, auch nicht in den zwölftönigen Sätzen. ;)


    Ich glaube der Vergleich mit Bach hinkt, Strenge ist nicht gleich Strenge. Bei Bach ist zwar die Form streng konstruiert, die Harmonik hält sich aber im Wesentlichen an die Satzregeln der Zeit und ist für den Hörer relativ gut erfassbar.
    Denke ich jedenfalls.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Schönberg hat meines Wissens die Pantonalität allgemein als schwer eingängig erachtet, ob nun zwölftönig oder nicht, da es durch das Tonwiederholungsverbot keine Melodien im konventionellen Sinne mehr gebe.
    Ich persönlich stimme da nicht wirklich überein, da es selbst in Schönbergs Zwölftonmusik einprägsame Phrasen gibt, die ich durchaus als Melodien empfinde. Beispielsweise spielen im dritten Satz seines Violinkonzertes nach dem Eröffnungssolo der Geige eine Oboe und ein Fagott zwei ziemlich melodiöse Phrasen. Oder auch der vierte Satz seines Bläserquintetts, der durch direkte Tonwiederholungen (die ja erlaubt sind) und auch schon allein durch die Rondoform meines Empfindens ziemlich einprägsam ist.


    (Alle Schönbergschen Werke sind nebenbei kostenlos auf seiner Website, "www.schoenberg.at", anhörbar - wenngleich die Aufnahmen nicht die besten sind...)

  • Zitat

    Original von rappy
    Ich glaube der Vergleich mit Bach hinkt, Strenge ist nicht gleich Strenge. Bei Bach ist zwar die Form streng konstruiert, die Harmonik hält sich aber im Wesentlichen an die Satzregeln der Zeit und ist für den Hörer relativ gut erfassbar.


    Erfaßbarkeit für den Hörer und Strenge sind m.E. völlig unterschiedliche Kategorien. Man könnte jetzt sagen, daß sich Schönbergs Harmonik ebenfalls an ihrer Zeit orientiert, nämlich an einer postwagnerischen, in der quasi alles erlaubt ist, jedenfalls die Funktionsharmonik praktisch nicht mehr besteht wie 50 Jahre vorher.
    Wenn es bei einem Vergleich um Strenge der Konstruktion geht, kommt es ja erstmal nur auf dieses Element an. Daß bezüglich anderer Aspekte ein Vergleich problematisch sein kann, ist völlig klar.


    Wichtig ist aber, nicht die Reihenfolge zu verkehren. Es ist ja nicht so, daß Schönberg sich auf dem Papier eine Methode ausgedacht hätte und dann, als die Resultat meist harmonisch ziemlich spannungsreich und für viele Hörer ungewohnt ausfielen, gesagt hätte: Pech, die Methode ist eben so.
    (Auch wenn manche wider besseres Wissen immer noch so etwas nahelegen wollen...)
    Sondern es ging im Gegenteil darum, mehr Strenge und Struktur in eine Kompositionsweise zu bringen, die ohnehin schon außerordentlich spannungsreich und für viele Hörer ungewohnt war. Natürlich sollte die Methode möglichst viel von der Freiheit und den Ausdrucksmöglichkeiten, die der frei atonalen Komposition offenstanden, erhalten.


    :hello:


    JR

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Wichtig ist aber, nicht die Reihenfolge zu verkehren. Es ist ja nicht so, daß Schönberg sich auf dem Papier eine Methode ausgedacht hätte und dann, als die Resultat meist harmonisch ziemlich spannungsreich und für viele Hörer ungewohnt ausfielen, gesagt hätte: Pech, die Methode ist eben so.
    (Auch wenn manche wider besseres Wissen immer noch so etwas nahelegen wollen...)
    Sondern es ging im Gegenteil darum, mehr Strenge und Struktur in eine Kompositionsweise zu bringen, die ohnehin schon außerordentlich spannungsreich und für viele Hörer ungewohnt war. Natürlich sollte die Methode möglichst viel von der Freiheit und den Ausdrucksmöglichkeiten, die der frei atonalen Komposition offenstanden, erhalten.


    Aaaah, jetzt verstehe ich auch Schönbergs Aussage, er sei ein Konservativer gewesen. Allein dieser kleine Absatz hat bei mir eben dazu geführt, dass mir Schuppen aus den Haaren und so... Wie schlimm steht es um die Welt, wenn einem die Vorurteile so beiläufig ausgetrieben werden?

  • Zitat

    Original von rappy
    Ich glaube der Vergleich mit Bach hinkt, Strenge ist nicht gleich Strenge. Bei Bach ist zwar die Form streng konstruiert, die Harmonik hält sich aber im Wesentlichen an die Satzregeln der Zeit und ist für den Hörer relativ gut erfassbar.
    Denke ich jedenfalls.


    Bachs Harmonik ist für seine Zeit ziemlich revolutionär. Schönberg betrachtete Bach ja auch nicht als kontrapunktisches Vorbild, sondern als unerreichten Harmoniker.

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  • Zitat

    Original von Blackadder


    Aaaah, jetzt verstehe ich auch Schönbergs Aussage, er sei ein Konservativer gewesen. Allein dieser kleine Absatz hat bei mir eben dazu geführt, dass mir Schuppen aus den Haaren und so... Wie schlimm steht es um die Welt, wenn einem die Vorurteile so beiläufig ausgetrieben werden?


    Auf diesen Umstand wurde im thread (bzw. in ähnlichen), aber schon mehrfach hingewiesen, nicht nur von mir. Schönberg sprach von Strawinsky spottend als "der kleine Modernsky", was nicht heißen muß, daß er selbst sich nicht als modern verstanden hätte. Etwas idealisiert kann man wohl sagen, daß Schönberg &Co der Ansicht waren, zwei unvermeidliche Schlüsse aus der musikalischen Entwicklung gezogen zu haben. (Wobei es vermutlich richtig ist, daß er sich dabei wenig darum scherte, ob jeweils für viele Hörer schwierige Musik herauskam)
    1. konsequente Umsetzung der Auflösungserscheinungen der Harmonik spätestens seit Wagner -> "Atonikalität", freie Atonalität.
    Damit ergab sich aber das Problem, daß man, um der Tradition Bach-Haydn-Beethoven-Wagner-Brahms, also der zunehmenden "Durchorganisation" eines Werks, der Ausdehnung von "Durchführung","motivischer Arbeit", "entwickelnder Variation" auf alle Teile eines Musikstücks (daher die Ablehnung von (wörtlichen) Wiederholungen, die angeblich die Intelligenz des Hörers beleidigten), gerecht zu werden, irgendwelche Rahmen oer konstruktive Prinzipien benötigte. Es erwies sich als sehr schwierig ausgedehnte atonale Werke zu komponieren, die diese von der Tradition gestellten Forderungen nach Kohärenz und Durchkonstruktion erfüllten. Also die nächste Konsequenz:
    2. -> 12-Tonmethode, die genau das in sehr strenger Weise leisten sollte.


    Aus späterer Sicht problematisch ist hieran m.E. nur, daß vertreten wurde, dies seien die einzigen konsequenten Reaktionen auf den Verlauf der Musikgeschichte bis ca. 1900 bzw. 1920 gewesen; alles andere irgendwie Kneifen oder regressiv/pseudomodern. Wobei selbst einer, der genau das mehr oder weniger vehement und polemisch propagierte, wie Adorno, wohl eigentlich die freie Atonalität vorzog und 12-Ton zu strikt fand.
    Schönberg war also in wenigstens zweifacher Hinsicht konservativ: einmal in der Bindung an die Tradition überhaupt, bei beiden Schritten. Besonders dann aber beim 2. Schritt, den man als "neoklassizistische" Bewegung verstehen kann.


    Kontraste und Parallelen zu der alternativen Richtung, für die gemeinhin Strawinsky steht, sind deutlich. Hier hat man zunächst eine große Distanz zur "deutsch-östereichischen" Tradition und den o.g. Kriterien der Durchorganisation. Die Anknüpfungspunkte sind besonders Mussorgsky, Rimsky, Debussy. Aber auch hier findet eine ähnliche "konservative" Bewegung, bald nach Ende des Weltkrieges statt, die stark mit den wilden Experimenten der Zeit davor kontrastiert: Nämlich der ausdrücklich so benannte Neoklassizismus. Nur ist der Unterschied zwischen "Le Sacre" und "Pulcinella" vielleicht deutlicher zu hören als der zwischen "Erwartung" und dem Bläserquintett. Und auch wenn die Distanz durch die äußerliche Adaption traditioneller Formen gemildert wird; so besteht sie jedenfalls zur Hoch/Spätromantik noch immer. Strawinsky polemisierte noch in den 30ern gegen Wagner und zog Verdi bei weitem vor.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo,


    Da sich für mich bis dato kein wirklicher „Erstzugang“ über die „Gefühlsebene“ herstellen lässt, muss ich dieses über die „Verstandesebene“ versuchen zu erreichen (…so weit mein Potenzial dieses zulässt…).


    Deshalb folgende Fragen:


    1.
    Verlässt man bei einer Komposition einer 12-Ton-Reihe automatisch immer den tonalen Rahmen (zumindest nach der ersten und/oder zweiten 12-Ton-Reihe)?


    2.
    Ist es folgerichtig, eine Technik Brahms’, nämlich die „Konstruktion“ aus wenigem Ausgangsmaterial über die Form der Variationen, zu „Größeren“ zu gelangen, ebenfalls als reine Konstruktionstechnik zu bezeichnen? Warum führt dann z. B. diese Technik zu diesen Ergebnissen und die 12-Ton-Reihen-Konstruktion zu derart anderen melodischen Ergebnissen?


    3.
    Kann es sein, dass das Regelwerk Schönbergs – wenn vielleicht gar nicht so komplex – dennoch sehr stark einengt?


    4.
    Hat Schönberg den Mangel an Melodie oder wie Edwin so treffend formuliert „Anker“ durch die Regelmilderungen der „Repetition“ und der „Sequenzierung“ versucht zu kompensieren oder hatte die Regelerweiterung andere Gründe?


    5.
    Ist die Wiederholung in der Musik nicht ein allgemein anerkanntes wichtiges stilistisches Mittel (Wiederkennungseffekt, „Anker“ etc.) und die Nichtanwendung in der 12-Ton-Reihen-Komposition ein Problem?


    6.
    „Musik ist immer Konstruktion“ (vgl. Edwin). Aber ist Konstruktion nicht Mittel zum Zweck, während sich der Eindruck aufdrängt, dass die 12-Ton-Reihen-Komposition mit ihrem engen Regelwerk Zweck an sich darstellt?


    7.
    Betrifft die 12-Ton-Reihen-Komposition lediglich den tonalen Rahmen und damit verbunden die Harmonik oder ist die Rhythmik ebenso direkt von Regeln betroffen?


    Wenn diese Fragen – zugestanden – überkritisch wirken; so ist dieses nur Ausdruck meines unbeholfenen Herantastens an diese Musik (neben dem Hören selbstverständlich)!


    Bis dann.

  • Hallo keith,
    Ich versuche mal, ein paar deiner Fragen zu beantworten :hello: Wenn ich irgendetwas falsch darstellen sollte, wird mich sicherlich jemand korrigieren. :)


    1. Was meinst du denn genau mit "tonaler Rahmen"? Funktionstonale Strukturen des Werkes? (Und wieso erst nach dem ersten bzw. zweiten Zwölftonreihenablauf?) Wenn ja, sei hier Edwin zitiert:

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Musik wird auch dann als "tonal" empfunden, wenn eine tonale Melodie von atonaler Harmonik oder eine atonale Melodie von tonaler Harmonik gestützt wird. Soll heißen: Wenn man aus dem zwölftönigen Satz eine Melodie herausdestilliert, die tonale Merkmale hat, und diese in Oktaven ausführt, ist es ziemlich egal, was sich harmonisch tut: Der Zuhörer wird das Gefühl einer tonalen Musik haben.
    Das ist nicht Ziel und Zweck der Zwölftontechnik. Aber es ist eine ihrer Möglichkeiten.


    Solche tonal klingende Zwölftonmusik gibt es (Edwin führt bereits im ersten Beitrag zum Thread zwei Beispiele an), sind aber eher die Ausnahme. Schönberg selbst hat keine Musik dieser Art komponiert; die Musik von Alban Berg geht, glaube ich, schon eher in diese Richtung (wobei auch da extrem dissonante Passagen vorkommen).


    2. Muss dir jemand anders beantworten, bei Brahms kenne ich mich nicht aus :)


    3. Ja! Und nein! Einengt, in Bezug auf was? Sie engt in der Motivik ein, da in der Regel nur eine Zwölftonreihe pro Werk benutzt wird (doch auch da gibt es, auch schon bei Schönberg, Ausnahmen). Die Zwölftonreihe ist so etwas wie das Hauptthema deines Werkes, auf das sich alles beziehen soll. Das heißt aber nicht, dass kein Ideenreichtum seitens des Komponisten mehr möglich wäre. Immerhin hat er 48 Variationen (die Reihe, ihre Umkehrung, ihr Krebs, die Krebsumkehrung und jede dieser Reihenformen auf alle zwölf möglichen Anfangstöne transponiert) einer Zwölftonreihe zur Auswahl, die er beliebig rhythmisch strukturieren, instrumentieren, auf die Instrumente verteilen kann.
    Im Grunde wurde ja die Zwölftontechnik erfunden, weil dadurch Bezüge (zumindest theoretisch) viel klarer zu hören sind; man fühlt (ebenfalls theoretisch, zumindest in meinem Fall bei den meisten Werken auch praktisch), dass sich Alles (oder zumindest Vieles) auf ein Grundthema bezieht, das sich durch die gesamte Komposition zieht. Besonders bei Reihen, die nur wenige verschiedene Intervalle benutzen - eine Zwölftonreihe, die vor allem aus Quarten und kleinen Sexten besteht (wie in Schönbergs Suite, Op. 29) wird die viel eher thematische Anhaltspunkte bieten können als eine Allintervallreihe (eine Zwölftonreihe, die alle elf möglichen Intervalle benutzt).
    Eigentlich müsste frei pantonale Musik dem Hörer viel eher Schwierigkeiten bereiten als zwölftönige, da sich in der frei pantonalen Musik ja keine Anker finden müssen (aber können).


    4. Soweit ich weiß (warte lieber aber noch Edwins nächsten Beitrag ab), hat Schönberg die Sequenzierung weder erfunden noch angewandt. Die Repetition verwendet er (meines Wissens) sehr spärlich und beschränkt sich dabei auf Gruppen von nur zwei oder höchstens drei Tönen (die in der Reihe sowieso aufeinander folgen).
    Was Schönberg in seinen späteren Werken verwendet hat, waren (wie Edwin bereits erwähnte) Oktavverdopplungen (wodurch Melodien klarer hörbar werden); außerdem war es ihm nicht mehr wichtig, Anklänge an tonale Musik (zufällige Dreiklangsbildungen) zu vermeiden, da er diese nicht mehr als Gefährdung der thematischen Einheit und der Gleichberechtigung der Töne ansah.


    5. Siehe meine Antwort zu Frage 3 :) Zwölftontechnik kann (und soll ja auch!) sehr wohl Anker bieten.
    Und die direkte Wiederholung war gar nicht so verboten, wie oben dargestellt; Schönberg selbst hat sie schon in einem seiner ersten Zwölftonwerke angewandt (die gesamte Exposition des ersten Satzes seines Bläserquintetts, Op. 26 steht zwischen Wiederholungszeichen), aber auch in seinen späten Zwölftonwerken teilweise angewandt (bspw. in seinem Streichtrio, Op. 45, wo in der Reprise die ersten paar Takte auch exakt wiederholt werden).


    6. Siehe abermals meine Antwort zu Frage 3: Zwölftontechnik stellt durchaus nicht "Zweck an sich" dar, und so eng ist das Regelwerk (wie auch schon von Edwin dargestellt) ja nun auch nicht :)


    7. Lediglich den tonalen Rahmen (jetzt weiß auch, was du damit meinst... wodurch ich den Sinn deiner ersten Frage jetzt leider aber noch weniger verstehe...). Musik, die auch die Rhythmik(, Dynamik etc.) einschränkt, nennt man seriell. Serielle Musik wurde nicht von Schönberg erfunden :) (Und nebenbei, die Zwölftontechnik betrifft die Harmonik ja nur in relativ geringem Maße, da der Komponist ja immer frei entscheiden kann, welche Töne hintereinander, und welche gleichzeitig als Akkorde erklingen sollen. Dadurch ergeben sich eigentlich so viele verschiedene verwendbare Akkorde, wie du dir nur vorstellen kannst. Wenn die Harmonik immer gleich wäre, würde das Ganze ja sehr langweilig ausarten.)




    In der Hoffnung, wenigstens ein bisschen geholfen zu haben grüßt
    Philipp :hello:

  • Zitat

    Original von keith63
    1.
    Verlässt man bei einer Komposition einer 12-Ton-Reihe automatisch immer den tonalen Rahmen (zumindest nach der ersten und/oder zweiten 12-Ton-Reihe)?


    Tut man nicht, nur rät die strenge Lehre Schönbergs dem Komponisten, keine Intervallfolgen in der Reihe zu verwenden, die einen Grundton suggerieren. Ziel der Reihe war es ja für Schönberg, die Tonhierarchie aufzugeben (Kommunismus der Töne sozusagen). Das heißt aber nicht, dass andere Zwölftonkomponisten das genauso gesehen haben.


    Zitat


    2.
    Ist es folgerichtig, dass eine Technik Brahms’, nämlich die „Konstruktion“ aus wenigem Ausgangsmaterial über die Form der Variationen, zu „Größeren“ zu gelangen, ebenfalls als reine Konstruktionstechnik zu bezeichnen? Warum führt dann z. B. diese Technik zu diesen Ergebnissen und die 12-Ton-Reihen-Konstruktion zu derart anderen melodischen Ergebnissen?


    Nunja, ich würde sagen, Schönbergs hat die kompositorischen Ansätze bei Brahms ins Extrem getrieben. Vielleicht gibt es aber auch in der Musik den goldenen Mittelweg?


    Zitat


    3.
    Kann es sein, dass das Regelwerk Schönbergs – wenn vielleicht gar nicht so komplex – dennoch sehr stark einengt?


    Ich glaube Einengung ist nicht wirklich ein Problem. Die Funktionsharmonik dürfte genauso einengen (aber sie orientiert sich am Gehör).


    Zitat


    4.
    Hat Schönberg den Mangel an Melodie oder wie Edwin so treffend formuliert „Anker“ durch die Regelmilderungen der „Repetition“ und der „Sequenzierung“ versucht zu kompensieren oder hatte die Regelerweiterung andere Gründe?


    Ich glaube es sind eher unverzichtbare Gestaltungsmerkmale, was wohl auch Schönberg wusste. Man kann bestimmt auch ohne Repetitionen und Sequenzen einprägsame Melodien bauen.


    Zitat


    5.
    Ist die Wiederholung in der Musik nicht ein allgemein anerkanntes wichtiges stilistisches Mittel (Wiederkennungseffekt, „Anker“ etc.) und die Nichtanwendung in der 12-Ton-Reihen-Komposition ein Problem?


    Glaube ich auch. Wiederholungen gibt es von den ersten musikalischen Versuchen der Menschheit bis hin in die erfolgreiche E-Musik des 20./21. Jahrhundert. Wenn man sich eine noch so komplexe späte Beethovensonate anschaut: fast jedes Objekt erscheint zweimal, und zwar meist direkt hintereinander! Und niemand wird deswegen deren Komplexität leugnen! Bei Bach genauso: in der französischen Suite in E, die ich gerade spiele, sind bereits die ersten beiden Takte identisch.
    Dasselbe in einer der (vielleicht u. a. wegen solchen Dingen?) berühmtesten Klaviersonaten des 20. Jh., der 6. von Prokofjew.
    Die Liste ließe sich ewig fortführen. Da es aber "in" war und ist, alle Prinzipien in der Kunst als vergänglich anzuzehen, kommt eben auch so mancher auf die Idee, einfach mal strikt darauf zu verzichten.


    Zitat


    6.
    „Musik ist immer Konstruktion“ (vgl. Edwin). Aber ist Konstruktion nicht Mittel zum Zweck, während sich der Eindruck aufdrängt, dass die 12-Ton-Reihen-Komposition mit ihrem engen Regelwerk Zweck an sich darstellt?


    Ähnliche Antwort wie bei Punkt 3, dann wäre Funktionsharmonik auch Zweck an sich...


    Zitat


    7.
    Betrifft die 12-Ton-Reihen-Komposition lediglich den tonalen Rahmen und damit verbunden die Harmonik oder ist die Rhythmik ebenso direkt von Regeln betroffen?


    Zur Übertragung der Reihe auf die Notenwerte kommt es erst später (sog. "serielle Musik")

    [/eigene Meinung]


    edit: oh Mist, zu spät..

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Original von A. Philipp Maiberg
    ...
    1. Was meinst du denn genau mit "tonaler Rahmen"? Funktionstonale Strukturen des Werkes? (Und wieso erst nach dem ersten bzw. zweiten Zwölftonreihenablauf?)


    Hallo,
    hallo Philipp,


    Mit tonalem Rahmen ist die Dur-Moll-Systematik gemeint. ?(


    "...tonale Melodie von atonaler Harmonik oder eine atonale Melodie von tonaler Harmonik gestützt..."


    Dieses leuchtet mir ein, und ich habe es gehört.


    Wenn es aber lediglich bei einer 12-Ton-Reihe in der Melodie bleibt, ohne (!) tonale oder atonale Harmonik, ergibt sich dann automatisch spätestens nach der ersten oder zweiten Reihe der Weg in die Atonalität? ?(


    Bis dann.


  • Versuche Dir bei Gelegenheit die weiter oben genannten Werke von Martin (Petite Symphonie concertante) oder Liebermann (Konzert f. Jazzband etc.) anzuhören; die haben durchgehend ein ziemlich tonales "feeling". Anscheinend sind die Tonsatzregeln so, daß das geht, bei entsprechender Wahl der Reihe.



    (NB mir sind diese Aufnahmen nicht bekannt, aber sie sind preiswert und die, die ich habe, sind anscheinend nicht lieferbar..., der erste Anspieltrack der Liebermann-CD ist "Furioso", angeblich auch ein 12tonstück)


    Zitat

    (Rappy)
    Nunja, ich würde sagen, Schönbergs hat die kompositorischen Ansätze bei Brahms ins Extrem getrieben. Vielleicht gibt es aber auch in der Musik den goldenen Mittelweg?


    Wenn man von "Ahnenreihen" oder Bezügen zu Bach, Brahms etc. spricht, meint man ja nicht, daß die alle gleich oder sehr ähnlich komponiert hätten.
    Und selbstverständlich haben auch welche erfolgreich komponiert, die nicht immer alles auf die Spitze getrieben haben. Aber grob gesagt hat Beethoven Ansätze von Haydn auf die Spitze getrieben und Brahms solche von Beethoven. Insofern ist nachvollziehbar, was Schönberg (und in gewissem Maße auch Komponisten wie Reger oder Zemlinsky) als "logische Fortsetzung" empfunden haben.


    Zitat

    (Rappy)


    Glaube ich auch. Wiederholungen gibt es von den ersten musikalischen Versuchen der Menschheit bis hin in die erfolgreiche E-Musik des 20./21. Jahrhundert.
    [...]
    Da es aber "in" war und ist, alle Prinzipien in der Kunst als vergänglich anzuzehen, kommt eben auch so mancher auf die Idee, einfach mal strikt darauf zu verzichten.


    Wie gesagt, es ist historisch und systematisch völlig unhaltbar, eine Entwicklung wie die 12-Tontechnik mit einem Revoluzzer-Zeitgeist, der "ewige Prinzipien" leugnet, zu erklären. Im Gegenteil ist das ebenfalls eine logische Fortführung einer unstreitigen historischen Entwicklung. Wiederum gilt, daß es bei Brahms sehr viel weniger wörtliche Wiederholungen gibt als bei Mozart und bei Wagner weniger als bei Verdi. Selbst bei Strauss ;) gibt es weniger als in der Wiener Klassik.
    Wagner und alle Zeitgenossen, die meinten, die klassizistischen Formen aufgeben zu müssen, waren bereits sehr kritisch gegenüber Wiederholungen, wie sie in der Wiener Klassik. selbst beim späten Beethoven, stilistisch unvermeidlich sind. (Aber selbst innerhalb der Klassik läßt sich, etwa beim späten Haydn und bei Beethoven, ganz klar die Entwicklung feststellen, daß Abschnitte, die früher wörtlich wiederholt worden wären, teils erheblich abgewandelt werden.)


    Das Kind war also um 1900 schon längst in den Brunnen gefallen. Ich vermute, daß die 12-Ton-Methode mit den Transfomationsregeln auch ein Versuch war, das Wiederholungsverbot zu erfüllen, ohne es ganz aufzugeben.


    Es ist aber sicher richtig, daß am wirkungsvollsten Kunstwerke sind, die platt gesagt, eine gute Mischung aus Wiederholung bzw. leicht erkennbaren Regularitäten und eher überraschenden Wendungen bringen.
    Binsenweisheit. Es hängt eben vom Zeit- und Personalstil, sowie auch vom Ausdrucksinhalt des Stücks ab, ob man auch sehr repetitive oder eher prosaisch-rhapsodische Stücke geschrieben werden.


    :hello:


    JR

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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Gurnemanz


    Wenn ich mich da einmischen darf: Ein Ton darf erst dann wieder auftauchen, wenn alle Töne der Reihe erklungen sind (hintereinander, ineinander oder wie auch immer, Hauptsache, sie waren da und die Reihe ist durch). Wieviele Takte der Komponist dazu benötigt, ist seine freie Entscheidung.


    Stimmt so eher nicht. Wenn 2 Reihen gleichzeitig laufen, kümmern sich die Bestandteile der einen Reihe nicht so um die andere. Außerdem sind mancherlei Freiheiten erlaubt, die doch Edwin am Anfang beschrieben hat, oder?
    :beatnik:

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister Wenn 2 Reihen gleichzeitig laufen, kümmern sich die Bestandteile der einen Reihe nicht so um die andere.


    (Außer, es ergäben sich dadurch Prim- oder Oktavparallelen, die zumindest anfangs mehr oder weniger verboten waren... Und wenn sich einzelne Töne durch parallel ablaufende Reihen wiederholen, dann sollen sie (müssen sie aber nicht) schon relativ weit auseinander auftauchen.)

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