Ich mach mal einen neuen Thread auf, da OT im 20. Jh.-Thread.
Quote Amfortas:
ZitatInteressanter Gedanke mit dem „Verstehen“. Ich antworte mal so – etwas provokant + grob thesenartig : Musikstücke, die ich verstehe, sind uninteressant, weil dann ihre Basis, nämlich (ohne h) der Rätselcharakter fehlt. ( mit dem Wörtchen Rätsel ist sicherlich auch der Moment dabei, das Werk dem Begrifflichen näher zu bringen – Rätsel wollen ja gelöst werden - , ohne dass es vom Begriff verschluckt wird) .
Was du in Klammern schreibst, ist wichtig. Der Akt des Verstehens interessiert mich, nicht das Unverständnis an sich. Wenn ich eine späte Beethovensonate spiele wie Op. 101, weiß ich, dass es da ganz viel zu verstehen gibt, sozusagen ganz viele Rätsel, die gelöst werden wollen.
Z. B. die chromatische Linie in der Nebenstimme gleich zu Beginn, die den ganzen 1. Satz durchzieht und zusammenhält (dass die sich auch über mehr als 10 Takte zu Beginn der Durchführung erstreckt - e eis fis g - habe ich erst durch Carl Dahlhaus bewusst erfahren).
Wird mir so etwas bewusst, geht mir ein Licht auf und ich erfreue mich an der Erkenntis. Bei den Noten, die ich dann spiele, weiß ich, warum es gerade diese sind.
Deswegen gefiel mir die Sonate beim ersten Hören zwar gut, aber weniger gut als jetzt, wo ich sie besser durchblickt habe - so geht es mir bei fast allen Stücken.
Aber das pure Unverständnis, ist das wirklich reizvoll? Wenn ich mit Noten überflutet werde und keine Ahnung habe, warum sie geschrieben sind, keinen einzigen Anhaltspunkt?
Dann weiß ich ja auch gar nicht, ob es überhaupt etwas zu verstehen gibt oder ob nur wahllos drauf hin komponiert wurde.
Ich vergleiche es mal mit einem Puzzle. Nach Amfortas müsste ein Puzzle gefallen, dass für den Besitzer unlösbar ist und er müsste sich an dem Chaos der einzelnen Puzzleteile erfreuen können.
Das optimale Puzzle ist für mich herausfordernd, aber lösbar. Dann erfreue ich mich am Zusammenfügen der einzelnen Teile. Am meisten Spaß macht natürlich der Weg dorthin, also das Verstehen bis zum Punkt, wo alles verstanden ist.
So bei einem Beethovenquartett: man freut sich, dass man die Logik erkennt, aber noch ein zu lösender Rest da ist. Wenn alles gelöst ist, was man für möglich hält zu entdecken, geht man weiter zum nächsten Werk. Möglicherweise - oder wahrscheinlich! - wird man zum Beethovenquartett irgendwann zurückgreifen und zufällig merken, dass es noch mehr zu lösen gibt.