Naja, Helden in Strumpfhosen, Germanen mit Bärten & Helmen und alles, was mich zwingt, einem als Chinesen verkleideten Italiener beim Herumstehen zuzusehen, während er "nessun dorma" singt.

Wer soll das bezahlen - Opernsubvention versus Privatfinanzierung
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Warum sollte denn das Niveau der Met gut sein? Ich schließe mich Alberich an, denn ich kenne kein anderes so genanntes A-Haus, wo derart langweilige, nichtssagende Inszenierungen gemacht werden - und das seit Mitte der 1980er Jahre. Wenn mir Met-Aufführungen als DVD angeboten werden, meide ich diese inzwischen.
Musikalisch hat sich auch einiges verändert. Über Levine kann man streiten, aber nicht über das, was sich Stars wie Villazón oder Netrebko Anfang des Jahres geleistet haben. Ein Bekannter von mir sah eine Aufführung der Lucia in New York: Villazon brach an mehreren Stellen die Stimme weg und Netrebko sang permanent falsch. Es muß furchtbar gewesen sein.Ich glaube, daß gerade aus diesen Fehlern auch der Geist des amerikanischen Sponsoren-Systems spricht: Gebt ihnen, was beliebt und schön anzusehen ist. Ob die Inszenierung Sinn macht oder die Sänger singen können, scheint demgegenüber zweitrangig zu sein.
M. -
OK, lieber Alberich, auch ich generalisiere manchmal ganz gerne.
Aber auch die "Helden in Strumpfhosen" sind gloriose Vergangenheit.
Wenn Du Inszenierungen z.B. Don Giovanni oder Nozze (nur Staubi-Inszenierungen !) aus den 1950er mit 1970ern ober 1990ern vergleichst, siehst Du den Wandel, der sich immer weiter fortsetzen wird.Oper ist keine tote Kunst !!! sondern höchst lebendig.
Liebe Grüße -
vom Operngernhörer
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Mengelberg
Was heisst hier langweilig und nichtssagend? Sind wir wirklich mittlerweile so weit, alles als langweilig und nichtssagend zu bezeichnen, das das Libretto ernst nimmt und sich bemüht Kostüme und Bühnenbilder zu gestalten, welche das Werk erkennen lassen.
Noch kurz zur besagten Lucia: Villazon war wirklich grässlich, aber das ist bei diesem Tenor nicht erstaunlich; ohne fundierte Technik ist er seit Beginn seiner Karriere dank seines schönen Timbres in einem ihm nicht zuträglichen Fach tätig gewesen (dies kennen wir schon von Di Stefano und Carreras). Aber: Ab der zweiten Vorstellung wurde seine Partie von Beczala übernommen, der eine Leistung ablieferte, die schon beinahe an diejenige eines Alfredo Kraus heranreichte. Wenn man Künstler dieses Ranges haben will (und ich will sie!), dann muss man ihnen auch mit der Inszenierung entgegenkommen. In einem Interview mit Beczala, das der ORF letzten Sonntag ausgestrahlt hat, hat der hochintelligente Sänger angemerkt, das er viele Engagements infolge der der abstrusen Inszenierungen nicht eingehe... Für mich sind es eben immer noch die Leistungen der Sänger, des Chors und des Orchesters, die einen Besuch der Oper erst interessant machen. -
Zitat
Original von m.joho
Wie ich schon in einem anderen Thread bemerkt habe, sehe ich keinen anderen Weg mehr, um der unseligen und publikumsfeindlichen Dominanz der Regietheatervertreter zu entkommen, als die Subventionen der öffentlichen Hand einzuschränken und vermehrt private Mäzene mit enstprechenden steuerlichen Vergünstigungen (siehe Amerika) anzusprechen.
Das Argument der kulturellen Vielfalt sticht nur im Hinblick auf Werke die abseits vom Mainstream liegen (übrigens werden die Barockopern ja immer mehr aufgeführt und von einem beachtlichen Teil des Publikums gefordert), aber nicht in der Darstellung. Da haben wir wirklich eine absolute Einigkeit der Regisseure (mag die individuelle Handschrift noch so verschieden sein), die alles immer noch auf Brechts Verfremdungstheater zurückführen; es scheint mir auch nicht zufällig, dass ein grosser Teil von ihnen aus der ehemaligen DDR stammt, die die Brechtschule immer für das Mass aller Dinge hielt. Hier in Zürich habe ich immer noch das Glück, dass Leute wie Del Monaco und Assagaroff inszenieren, aber reden Sie zum Beispiel mal mit Leuten aus Stuttgart über kulturelle Vielfalt. Diese Bühne war bis in die 70er Jahre eine der führenden Deutschlands und was ist davon geblieben: Durch das ausschliessliche Engament von einer bestimmten Sorte von Regisseuren sind kaum mehr Sänger von Weltruf bereit, sich dort engagieren zu lassen.
Um wieder auf das eigentliche Thema zurückzukommen:
Die Salzburger Festspiele in der Ära Karajan haben einen Weg gezeigt, der für die Zukunft massgeblich sein könnte. Private Mäzene, geringe öffentliche Subventionen und so eine verkürzte Saison mit einer beschränkten Anzahl Vorstellungen mit erstrangigen Sängern. Dies würde nach langen Jahrzehnten endlich das Ende der abstrusen Experimente mit sich bringen und auch in den Ländern des "Eurotrash" die Oper wieder auf eine wünschenswerte Höhe bringen.
Mit freundlichen GrüssenIch wollte es noch mal zitieren, weil Sie mir aus der Seele sprechen. Danke!
@Lullist: Talibans? Das kommt auf den Standpunkt an. Man könnte auch die Regietheater-Riege als solche bezeichnen. Dieses aggressive Bekämpfen von traditionellen Inszenierungen und Werten unter dem Deckmäntelchen der Zwangsbeglückung halte ich für wesentlich gefährlicher als die verzweifelten Defensive der "Staubi"-Liga. Davon abgesehen, halte ich aber grundsätzlich nichts von solchen Vokabeln.
@ dreamhunter: Welche Regietheater-inszenierungen empfinden Sie als sehr, sehr gut? Das ist jetzt wirklich nicht polemisch gemeint. Es interessiert mich, da mir keine einfällt. Auch nicht der Chereau-Ring. Vielleicht könnte die Konkretisierung, diese Diskussion etwas beleben?
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Zitat
Original von Knusperhexe
@ dreamhunter: Welche Regietheater-inszenierungen empfinden Sie als sehr, sehr gut? Das ist jetzt wirklich nicht polemisch gemeint. Es interessiert mich, da mir keine einfällt. Auch nicht der Chereau-Ring. Vielleicht könnte die Konkretisierung, diese Diskussion etwas beleben?- Romeo & Juliette an der STOP (soweit man das als "Regietheater" bezeichnen kann)
- mir hat auch (mit Ausnahme des Autodafés) der Konwitschny-Don Carlos gut gefallen
- und ich finde den Chereau-Ring großartig
- Teile des Mielitz-Parsifals (2./3.Akt)
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Zitat
Original von Knusperhexe
@Lullist: Talibans? Das kommt auf den Standpunkt an. Man könnte auch die Regietheater-Riege als solche bezeichnen.
Lieber Christoph,Die sind es auch. Beide extremen Standpunkte sind falsch. Ein anderes Wort kann ich dafür nicht finden.
LG, Paul
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Darf ich bitten zum eigentlichen Thema zurückzukehren? Einen weiteren Thread über pro und contra "Regietheater" und wer was wofür hält brauchen wir -glaube ich- nicht. Danke fürs Verständnis.
Thomas -
Geehrter Herr Pape,
Es war leider zu befürchten, dass sich dieser Thread in besagte Richtung entwickeln würde. Denn jeder, ich betone jeder andere Finanzierungsvorschlag der Oper wird den Anhängern des Regietheaters ihr Steckenpferd wenn nicht verunmöglichen so doch die Aufführungsmenge gewaltig verringern. So scheint es mir nur logisch, dass sie sich mit Händen und Füssen gegen eine Änderung des Giesskannenprinzips sträuben. Die momentane Wirtschaftskrise lässt aber schon heute die Finanzen nicht mehr munter weiter sprudeln und eigentlich besteht künftig (wenn nicht immer mehr Häuser geschlossen werden sollen) keine Alternative zum Zürcher-Modell von Perreira, d.h. eine durch die öffentliche Hand unterstützte Zuwendung von Sponsoren. Dies wird sein Nachfolger Homoki (Seufz!) auch noch erfahren... -
Das Problem ist nur, daß das amerikanische Modell die Oper zum bequemen Hochglanz-Popspektakel macht - egal, wie man es dreht und wendet. Die Anhänger des konservativen Modells scheinen leider nicht zu verstehen, daß genau das dem vielbeschworenen Werk noch härter zusetzt als das schlimmste Regietheater.
Es wird wie in den Postings von M.Joho nur immer dogmatisch festgestellt, daß Inszenierungen der Met-Machart das Werk respektierten. Das ist für mich eine falsche Prämisse, weshalb alle Folgeargumente leider in sich zusammenfallen.
Privatfinanzierung, die auf Profitmaximierung aus ist, hat einen negativen Einfluß auf die künstlerische Qualität, weil sie sich nach dem Geschmack der Massen richten muß.
M. -
Ihr Argument, werter Mengelberg, geht deshalb daneben, weil die Oper nie ein Produkt für die Masse war und es hoffentlich auch nie sein wird. Es war ja eben die Absicht der 68er die Oper durch Aktualisierung tauglicher für Leute zu machen, die sich vom Bildungsbürgertum abgrenzen wollten, und sie dadurch eben massentauglicher zu machen. Dieser Versuch ging bekanntlich grausam daneben und raubte ihr dadurch alles, was die Oper einst ausmachte: Schönheit, Aesthetik, Gefühlstiefe. Wenn durch die private Finanzierung diese Attribute zurückkämen, wäre dies so schlimm? Wer würde denn so elitär sein, zu behaupten, dass nicht sogar in Hollywood heutzutage Filme gedreht werden, die zwar dem Massengeschmack entsprechen aber vielen Darbietungen des Sprechtheaters überlegen sind (Capote, Walk in the line etc. etc.): D.h. Profitmaximierung schliesst Kunst und Kultur nicht aus, wie Sie hier genauso apodiktisch behaupten.
Mit freundlichen Grüssen -
Zitat
Original von Mengelberg
Privatfinanzierung, die auf Profitmaximierung aus ist, hat einen negativen Einfluß auf die künstlerische Qualität, weil sie sich nach dem Geschmack der Massen richten muß.
M.Das sehen wir ja bei den Dornröschens, Nussknackern und Zauberflöten, die von Tourneeveranstaltern auf die Reise geschickt werden.
Nun mag auch die jeweilige regionale Herkunft und das dort übliche Sponsorenverkommen und -verhalten bei der Argumentation der Diskutanten eine Rolle spielen.
Ich komme aus einer recht strukturschwachen Stadt, die durchaus von dem Zweistädtestatus der Rheinoper profitiert. Was bin ich froh, dass es subventioniert wird! Viele begeisterte Opernbesucher (Junge und alte engagierte begeisterte Menschen) könnten sich sonst keinen Eintritt leisten.
Die wenigen florierenden Firmen, die es sich zur Ehre gereichen lassen, als Mäzen (uneigennützig fördernd) aufzutreten, sind hier äußerst rar gesäht, andere, die kulturelle Erzeugnisse nutzen, um damit für ihre Firma zu werben, gibt es auch nur wenige. Allerdings gilt in diesem Fällen das Motto, das platt ausgeprochen bekanntlich so lautet: Wer zahlt, bestimmt die Musik. Das kann es für mich auch nicht sein! -
Zitat
Original von m.joho
Ihr Argument, werter Mengelberg, geht deshalb daneben, weil die Oper nie ein Produkt für die Masse war und es hoffentlich auch nie sein wird.
Ich hoffe, daß einmal die Oper doch etwas ist, daß durch die Masse geliebt wird. Auch hoffe ich, daß dafür nicht nötig ist, daß die Inszenierung immer bizarrer wird.LG, Paul
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wenn man mich schon zitiert, dann bitte richtig.
Da dies aber wohl nicht möglich zu sein scheint, übernehme ich das selbst:Zitatlangsam komme ich mir hier vor, als versuchte ich bei "Kultur - Talibans" um Toleranz zu flehen.....
Der Begriff stand allein im Zusammenhang mit der hier geäußerten Intoleranz - ich habe dabei keine Seite besonders angesprochen - aber wie heißt es so schön: getroffene Hunde...
Da gibt es keinen Standpunkt, Intoleranz bleibt Intoleranz, egal auf welcher Seite man steht.
Mir geht es allein darum, das man einfach andere Denkweisen, Ansichten und Vorstellungen akzeptiert - nichts weiter, die Grundregel eines jeglichen friedlichen Miteinander - warum ist das nicht zu verstehen ?
ZitatIhr Argument, werter Mengelberg, geht deshalb daneben, weil die Oper nie ein Produkt für die Masse war und es hoffentlich auch nie sein wird.
dieses Statement geht an der musikhistorischen Gegebenheit meilenweit vorbei und wird hoffentlich von niemamden ernst genommen ...oh je, oh je.....
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Zitat
Original von Mengelberg
Privatfinanzierung, die auf Profitmaximierung aus ist, hat einen negativen Einfluß auf die künstlerische Qualität, weil sie sich nach dem Geschmack der Massen richten muß.
Lieber Mengelberg,Wie willst Du die "Peter Moore Foundation" nennen?
Sie subventioniert Aufnahmen von seltene Opern, die dadurch bei Opera Rara ausgebracht werden können.
Billig sind sie nicht, aber dafür bekommt man auch noch ein gutes, informatives Textbuch. Auch wenn das Libretto nur Englisch als Übersetzung bietet.LG, Paul
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Sorry Lullist, "Ihr mahnt micht da gar recht"...
Ich hätte schreiben sollen, "spätestens seit ihrer Revolution im 19. Jahrhundert". Ich bedaure zutiefst die Anfänge ausgeklammert zu haben, aber wenn ich hier über Oper schreibe gehe ich von einer gewissen Orchstergrösse und für einen Tenor mit Bruststimme gesungenen hohen C's aus... -
ja es ist chade, dass man eben diese andere Seite so oft unter den Tisch fallen lässt, Oper war nie etwas elitäres, sie wurde vielleicht als elitäres Vergnügen geboren (Camerata Fiorita) aber innerhalb weniger Jahre vom Volk annektiert.
Dabei ist doch das gerade faszinierend, dass die Oper der Treffpunkt der gesamten Gesellschaft war.
Ich war auch überrascht, als ich davon gelesen hatte, dass selbst ganz normale Bürger ins Theater, ins Konzert oder in die Oper gehen konnten.
Man denke nur an Venedig wo es gleich zu Beginn schon über mehrere Opernhäuser gab.
Soldaten hatten sogar freien Eintritt in den meisten Häusern Europas, gut das normale Bürgertum musste dann eben im Parkett stehen - aber sie wurden nicht von der Veranstaltung ausgeschlossen.Mit Sicherheit war es auch so, dass einfache Knechte und Dienstpersonal und Bauern soetwas weniger in Anspruch nahmen, weil es die Arbeitszeit nicht erlaubte, aber ausgeschlossen ist das nicht - ich denke wenn die Oper nur für den Adel oder das gehobene Bürgertum da gewesen wäre, dann wären die damaligen Häuser kaum überlebensfähig gewesen.
Die Hamburger Oper z.B. war ja eine rein städtische Institution ohne jeglichen adligen Förderer.Und selbst bei höfischen Festen war zumindest im 17. Jahrhundert das normale Volk auch immer der Zutritt gewährt worden.
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Ich finde es ziemlich bedenklich, wenn gegen Privatfinanzierung mit dem Argument vorgegangen wird, dann müsse man sich der "Masse" anpassen. Jedoch steht in meinen Augen niemand über der "Masse", um ihr ein bestimmtes ästhetisches Empfinden zu diktieren.
Letztlich wird es ohnehin auf den jeweiligen Mäzen ankommen, der dann die entsprechenden künstlerischen Funktionäre einsetzt (oder zumindest ein Wort mitreden wollen wird), ähnlich wie es derzeit städtische Verwaltungen tun. Ob das nun so viel schlimmer ist, wage ich zu bezweifeln. Aufgrund der massiven neu aufgenommenen Staatsschulden, Steuerausfällen usw. ist doch die Frage, ob irgendwo anders eine Zukunft für die vielen städtischen Theater zu sehen ist, geschweige denn eine Hoffnung für evtl. Neugründungen.
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Bin ich hier eigentlich der Einzige, der es zumindest bedenklich findet, mit welcher Leichtigkeit hier Einige von "Masse" sprechen?
Zitatweil die Oper nie ein Produkt für die Masse war und es hoffentlich auch nie sein wird.
Entschuldigt bitte, aber wenn ich so etwas lese, frage ich mich wirklich, woher der Schreiber dieser Zeilen sein Selbstverständnis nimmt.
Gruß, Heliaster
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Es ist ja auch schon gang und gäbe, daß Produktionen von großen Unternehmen gesponsored werden. Die Beito-Inszenierung der "Entführung" in Berlin vor ein paar Jahren fällt mir da ein; Sponsor war Daimler-Chrysler. In Köln ist jahrelang der Betrieb des Museum Ludwig maßgeblich von Phillipp Morris unterstützt worden. Die "Meesterkoncerten" in Amsterdam haben einen ganze Pulk an Sponsoren, damit es bezahlbare Karten gibt.
Sponsoring greift mittlerweile auch schon bei CD-Produktionen: Die GA der Schostakowitsch-Sinfonien unter Kitaenko wurde unterstützt vom Exelsior Hotel Ernst und REWE. In der Kulturbranche wird unglaublich viel Geld gedreht, privates wie öffentliches. Das muss man sich immer vor Augen halten.
Und nur so am Rande bemerkt: auch ich, lieber Herr Joho, bin Steuerzahler und melde selbstverständlich mein Recht darauf an, eine Oper auch von Christoph Schlingensief inszeniert zu sehen oder wie jüngst in Köln von Tilman Knabe.
Warum ich das alles schreibe? Der Staat ist längst nicht der mehr Gatekeeper für Kulturvermittlung, wie sich das hier so als Wunsch oder Vorstellung liest. Unser Kulturangebot in Deutschland würde erheblich zusammenschnurren wäre dem so. Und es gibt ihn schon, den gesunden Mix an unterschiedlichen Angeboten. Man muss halt nur ein wenig zu reisen bereit sein.
Liebe Grüße vom Thomas
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Zitat
Privatfinanzierung, die auf Profitmaximierung aus ist, hat einen negativen Einfluß auf die künstlerische Qualität, weil sie sich nach dem Geschmack der Massen richten muß.
Leider kann ich erst jetzt anworten, da soeben nach Hause gekommen:
Nicht JEDE Privatfinanzierung ist auf Profitmaximierung aus, mancher der sein Geld durch den Verkauf von irgendwelchen Textiolien, Fastfood etc verdient - oder duch Spekulationen - ist ials Privatmann ein Schöngeist, der SICH seine Vorstellungen von "Oper verwirklichen will -gleichzeitig aber für sein Produkt wirkt, wodurch ein Doppeleffekt entsteht, Abschreibbarkeit seines Hobbys von der Steuer, bei gleichzeitigem Werbeeffekt. Hier wird der "Profit" nicht so eng gesehen...
Angeblich hat sich an der Met ein Netzwerk gebildet, das Geld in etliche Projekte pumpt, gleichzeitig aber Einfluß auf den Spielplan nimmt - und der ist dann "konservativ"
mfg aus Wien
Alfred -
Da kann ich ALfred nur rechtgeben:
Der Kölner Rosenkavalier war seinerzeit auch gesponsort und punktete mit festlichem Barock. Der Regisseur Michale Hampe sagte seinerzeit, eine dermaßene Opulenz sei ohne private Geldgeber nicht mehr zu finanzieren. Hmm, vielleicht sollte man doch wieder zu gemalten Kulissen zurück
Wie auch immer: Wir waren alle entsetzt, als diese Inszenierung nach knapp 15 Jahren verschrottet wurde und durch einen Bambuswald und ein blinkendes "Wiener Wald"-Schild ersetzt wurde. Doch: Er wurde gar nicht verschrottet, sondern nach Amerika verkauft, wie ich jüngst zufällig auf Youtube feststellte. Siehe hier.
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Zu dieser Art des Sponserings - eine Art Kofinanzierung - ist die zwangsläufige Voraussetzung, dass wir eine charismatische Persönlichkeit haben, die ein solches Konzept potenten oder potentiellen Geldgebern schmackhaft machen kann.
Leider sind diese Leute in den heutigen Kulturbürokratien rar gesäht.
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Zitat
Original von der Lullist
Mit Sicherheit war es auch so, dass einfache Knechte und Dienstpersonal und Bauern soetwas weniger in Anspruch nahmen, weil es die Arbeitszeit nicht erlaubte, aber ausgeschlossen ist das nicht - ich denke wenn die Oper nur für den Adel oder das gehobene Bürgertum da gewesen wäre, dann wären die damaligen Häuser kaum überlebensfähig gewesen.
Hm.
Wieviel Prozent machten denn Adel und Bürger und Soldaten aus und wieviel Prozent Bauern, Knechte, Mönche, etc.?
War wirklich "die Masse" in der Oper?Wobei ja eigentlich schon der Bauer in gewissem Sinne "Oberschicht" war (sofern der Hof nicht am Hund war). Jedenfalls ist das so mein Eindruck, wenn ich "bürgerlichen Realismus" aus dem 19. Jahrhundert lese - vielleicht hat das im 17. Jahrhundert anders ausgesehen.
Jedenfalls ist wohl die Masse des Landes kaum in die Oper gekommen (Schnellbahn gab es nicht so). Wer war die mengenmäßig dominierende Unterschicht in den Städten?
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Zitat
Original von Mengelberg
[...] hat einen negativen Einfluß auf die künstlerische Qualität, weil sie sich nach dem Geschmack der Massen richten muß.
Das ist zwar schon mehrmals kommentiert worden, aber ich bin mir immer noch im Unklaren, ob das mit "den Massen" so hinhaut.Allerdings kenne ich mich gesellschaftlich nicht ausreichend aus, um eine deutliche Meinung Hieb- und Stichfest deklamieren zu können.
Wenn "die Massen" mindestens mehr als die Hälfte der Bevölkerung sein soll, gehe ich einmal davon aus, dass die Massen nie in der Oper waren - weder im 17., noch im 18., noch im 19., noch im 20. Jahrhundert. Wobei der Kulturmuffelanteil der Oberschicht wohl auch nicht unterschätzt werden sollte, und die Unterschicht wohl nur zum verschwindenden Teil Möglichkeit und/oder Lust hatte, Oper zu konsummieren.
Dass sie keine Lust gehabt hätte, schließe ich betreffend des 17. Jahrhunderts auch aus der Schwierigkeit der gesungenen Texte - für geistige Höhenflüge ist nach weiß nicht wievielen Stunden Schwerarbeit kein Platz. Und im 17. Jahrhundert müssen mehr Leute schwer gearbeitet haben als heute (in Europa), da es noch nicht so viele Maschinen gab.
Dass heute die Massen nicht in die Oper gehen, scheint mir auch klar zu sein, warum auch immer. Also braucht sich die Oper sowieso nicht an der Masse zu orientieren.
Oder geht es da um "die Masse" als stärksten Anteil der Opernbesucher? Sozusagen 3% der Bevölkerung macht die Masse der 4% aus, die in die Oper geht? (Zahlen fiktiv)
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Zweierlei kann gar nicht oft genug betont werden:
- Selbstverständlich fließen im "amerikanischen Modell" staatliche Subventionen, wegen der steuerlichen Absetzbarkeit der Spenden. Das einfach zu unterschlagen, ist schlicht unredlich. Und ebenso selbstverständlich waren einige der bekanntesten Mäzene Förderer der Avantgarde, z.B. Paul Sacher (das Bild ist freilich schief, weil nur die Mäzene überhaupt im Bewußtsein bleiben, die erfolgreiche Künstler gefördert haben.)
(Auch Stiftungen sind steuerlich begünstigt, was in D seit einigen Jahren mit fragwürdiger Wirkung von der Mohn-Dynastie ausgenutzt wird.)- Kunst ohne Subventionen ist in ihrer gesamten Geschichte die absolute Ausnahme gewesen. Nur daß früher Unterstützung durch Hof, Adel, Kirche erfolgte, die die notwendigen Mittel bekanntlich nicht selten den schuftenden Massen, die wenig von dem höfischen divertissement hatten, abgepreßt hatten, oder gar gleich die Landeskinder als Söldner verkauft. Es gab überhaupt erst seit ca. Händel (und selbst der ist bekanntlich zweimal pleite gegangen, trotz großzügiger adliger Unterstützung) und dann vorübergehend eine Zeitlang im 19. Jhd. einen wirtschaftlich selbsttragenden Operbetrieb (hauptsächlich in der populären italienischen Oper, unter so angenehmen Umständen für die Komponisten, daß Verdi von "Galeerenjahren" sprach). Aber fast immer sind auch hier öffentliche Mittel geflossen, wenn auch in viel geringerem Maße. Kein Werk von Berlioz oder Wagner hätte jemals ohne Sponsoring eine Chance gehabt. Man wird wohl nicht allzu ungerecht gegenüber Donizetti &Co urteilen, wenn man die Werke Wagners oder des späten Verdi höher einschätzt als die Galeerenproduktionen. Auch außerhalb der teuren Oper hatten fast alle Musiker eine Festanstellung als Dirigenten, Konservatoriumslehrer u.ä. oder traten als Musiker auf, auch im 19. Jhd. Brahms, der ab dem mittleren Alter nur vom Erlös seiner Noten leben konnte, war eine große Ausnahme.
Ich werde nie verstehen, warum eine sich sonst als "elitär" gerierende Gruppe, die "Klassik" und Oper für etwas der Populärkultur überlegenes hält, meint, daß Kunstförderung nicht aufgrund des Urteils der Experten, sondern aufgrund des Votums der bloßen Mehrheit oder durch aus welchen Gründen auch immer zu zu viel Geld gekommene Individuen geschehen sollte (die berühmten blauhaaarigen Milliardärswitwen). Wenn ich mir ansehe, wie sich z.B. die Damen Schaeffler, Schickedanz und Klatten in den letzten Jahren so angestellt haben, möchte ich nicht, daß von denen irgendwas abhängt.
Der konsequente Subventionsverzicht würde zu einem Opernbetrieb führen, der dem der kommerziellen Musicals (wobei da im Einzelfall auch wieder Subventionen geflossen sind) ähnelt. Das wird wohl kaum irgendjemand wollen... :wacky:
JR
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Zitat
Original von Johannes Roehl
Ich werde nie verstehen, warum eine sich sonst als "elitär" gerierende Gruppe, die "Klassik" und Oper für etwas der Populärkultur überlegenes hält, meint, daß Kunstförderung nicht aufgrund des Urteils der Experten, sondern aufgrund des Votums der bloßen Mehrheit oder durch aus welchen Gründen auch immer zu zu viel Geld gekommene Individuen geschehen sollte (die berühmten blauhaaarigen Milliardärswitwen).
Zumindest "die Mehrheit" wird sowieso nicht bestimmen.
Ich verstehe doch ansatzweise, dass manche die Möglichkeit größerer Vielfalt (zumindest Inszenierungen betreffend) für möglich halten, wenn unterschiedliche Finanzierer je nach Gusto ihre Experten aussuchen.
Andererseits neige ich eher dazu, Reduktion der Subventionierung (von wo auch immer) mit Reduktion der Vielfalt und Qualität einhergehend anzunehmen.
Wobei ich mir schon eine Reduktion des Starkultes wünsche, was auch billiger käme. Aber das hat womöglich mit der Finanzierungsform gar nichts zu tun. Damit die Bude voll wird, braucht man den Star.
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Das Begriffspaar Oper und Masse hat nichts damit zu tun, ob nun Massen in die Oper strömen. Es geht hier doch um die Masse der Opernbesucher.
Der Vergleich des historischen Sponsorings (Wagner-Ludwig) ist schief, da die Situation der Oper damals nicht mit der von heute vergleichbar ist. Wer Wagner Geld gab, sponsorte etwas Neues und unerhört Modernes und investierte nicht mit Hinblick auf Wirtschaftlichkeit. Heute wird i.d.R. nicht Neues gesponsert sondern die Pflege eines bestimmten Repertoires in einer bestimmten Machart, damit so viele Eintrittskarten wie möglich verkauft werden. Das ist etwas fundamental anderes.
Am Beispiel Fernsehen kann man den Einfluß der Privatisierung ganz gut nachvollziehen. Eine Privatisierung der Opernbühnen wird genauso wie im Falle gewisser Sender auf Marketing, Kommerz, Profitmaximierung, Werbung - kurz: Wirtschaftlichkeit hinauslaufen. Ein Stück, eine Inszenierung, ein Bühnenbild, Sänger wo auch nur der leiseste Verdacht aufkommen könnte, daß sich ihr Einsatz nicht auszahlt, wird abgelehnt werden.
Und dann haben wir im schlimmsten Fall RTL, das Super-Model und Hollywood auf der Opernbühne.
Gegenbeispiele, wie oben von Thomas Pape angeführt, lassen allerdings hoffen, daß es nicht zwingend so kommen muß. Die bisherigen Entwicklungen, besonders in den USA, stimmen mich aber ein wenig pessimistisch.
M. -
Zitat
Original von Kurzstueckmeister
Zumindest "die Mehrheit" wird sowieso nicht bestimmen.Gewiß nicht. Ich glaube ja auch nicht an die "gefühlte" Mehrheit derer, die sich hier immer so Talibanmäßig äußern, ebensowenig an linke Verschwörungen, die den braven Steuerzahlern ihre geliebte Oper vergällen wollen. Wie schon mehrfach gesagt, waren gerade Skandalinszenierungen wie Bieito rappelvoll.
Zitat
Ich verstehe doch ansatzweise, dass manche die Möglichkeit größerer Vielfalt (zumindest Inszenierungen betreffend) für möglich halten, wenn unterschiedliche Finanzierer je nach Gusto ihre Experten aussuchen.Wenn die "Experten" eh alle kommunistisch unterwandert sind, hat man leider Pech gehabt, dann gibts keine anderen mehr. Aber es ist ja gar nicht so, daß es keine Vielfalt gäbe. Ich wage nicht zu beurteilen, ob die bei anderen Finanzierungsmodellen noch größer wäre. Vor 50 Jahren (beim selben Finanzierungsmodell) war sie es ziemlich sicher nicht.
Da gab es Wieland Wagners vielbespottete "leere Bühne" in Bayreuth und sonst vermutlich hauptsächlich teutschen Eichenwald, Bärenfell und Flügelhelm. Lest doch Asterix, wenn ihr so was wollt!
Zitat
Wobei ich mir schon eine Reduktion des Starkultes wünsche, was auch billiger käme. Aber das hat womöglich mit der Finanzierungsform gar nichts zu tun. Damit die Bude voll wird, braucht man den Star.Das war auch schon bei Händel so. Die Operngesellschaften waren nicht zuletzt wegen der horrenden Gagen der Diven und Kastraten ständig von der Pleite bedroht. Oper ist halt nur Kunst, wenn alles paßt. Allzuhäufig ist es eher ein zirzensisches Spektakel, das sich nicht zufällig für trashige Inszenierungen so gut eignet...
Überdies ist Starkult auch eine Möglichkeit sich zu begeistern, ohne sich allzusehr mit den Stücken auseinandersetzen zu müssen. Davon könnte man ja Überlastungskopfweh kriegen...JR
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Zitat
Original von Mengelberg
Das Begriffspaar Oper und Masse hat nichts damit zu tun, ob nun Massen in die Oper strömen. Es geht hier doch um die Masse der Opernbesucher.
OK, war mir nicht klar.ZitatAm Beispiel Fernsehen kann man den Einfluß der Privatisierung ganz gut nachvollziehen. Eine Privatisierung der Opernbühnen wird genauso wie im Falle gewisser Sender auf Marketing, Kommerz, Profitmaximierung, Werbung - kurz: Wirtschaftlichkeit hinauslaufen.
Und gerade deshalb sähe ich da eher als Horrorvision die Verdrängung von Oper durch das Musical - um eben "die Massen" ins Haus zu bekommen - und zwar nicht "die Massen der Opernbesucher" sondern ein paar mehr.
ZitatUnd dann haben wir im schlimmsten Fall RTL, das Super-Model und Hollywood auf der Opernbühne.
Was offenbar heißt, dass auch Du doch nicht nur die Masse der Opernbesucher meinst - oder wie soll man das jetzt verstehen? Das passt jetzt nicht mehr zusammen. Super-Model auf der Bühne haben wir ja schon.