Alle Wetter!!! - Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr 6 "Pastorale"

  • Die Pastorale scheint hier bei einigen leider nicht so beliebt zu sein, für mich ist es aber ein Werk das mir in gewisser Weise schon viel bedeutet.
    Zwar dürfte das hier wohl sicherlich nicht die vielschichtigste, tiefgründigste Sinfonie Beethovens sein aber gerade die eingängige, fliessende, bildhafte Klangsprache ist es die mir gefällt und mir eine gute Alternative in den Momenten bietet wo ich mal nicht die Konzentration auf jedes Detail legen möchte und gerade mal keine Überflut an Raffinessen und Überrschungen brauche - wobei diese Sinfonie hier auch ein paar eher subtile Überraschungen und Feinheiten bietet (ich mag zB sehr gerne manche überraschend harmonische Wendung die bei 1.maligem hören so nicht vorhersehbar wäre), kann mir aber durchaus vorstellen das man sich auch bei zu oftem hören an ihr übersättigen kann wie meist bei Werken die von prägnanten Motiven und Themen geprägt sind.


    Wie beim Eröffnungsposting geschrieben war sie zuerst bei der Uraufführung als 5. betitelt was aber nach heutigem Wissensstand chronologisch eigentlich nicht korrekt wäre da er die Schiksalssinfonie
    schon etwa März 1808 komplettierte während diese erst später (wahrscheinlich wenige Monate) ganz abgeschlossen war.


    Komponiert hatte er sie ungefähr im Raum des heutigen Nußdorf/Grinzing, letzte Forschungsergebnisse führen anhand der Skizzenbücher Dornbach als den Ort an wo er mit den Arbeiten begonnen haben soll. (erste Skizzen wurden ja schon Sommer 1807 angefertigt, die hauptsächliche Arbeit daran fand im Frühjahr/Sommer 1808 statt)
    Vielleicht mag es daran liegen das ich nicht unweit dieser Gegend lebe die Beethoven damals wohl dazu inspiriert hat oder es ist Zufall, jedenfalls trifft Beethovens Vorstellung der Natur exakt auch meine (vor allem wenn ich mich dazu noch ungefähr in dieses Jhdt. hineinversetzen würde) und finde es schade das ich nicht mehr die Möglichkeit hätte diese Sätze mal im Blindtest hören zu können um zu testen auf welche Bildsprache ich kommen würde (da müßte ich schon dieses Werk und dessen Bezeichnung schon komplett aus meinem Gedächtnis löschen was selbst ein Vollrausch nicht zustande bringen würde ;) )


    Trotz allem habe ich aber nur 3 Einspielungen mit denen ich vergleichen kann, vielleicht auch deswegen weil ich mit einer davon schon so zufrieden bin das ich irgendwie kein Verlangen habe hier weiter zu suchen.
    Meine Einspielungen sind unter Zinman, Bernstein sowie Abbado (die Version mit den Wienern)
    Letzte ist es dir mir am Besten gefällt, sie mag zwar vielleicht an manchen Stellen nicht so transparent wie diese unter Zinman sein, mag sich überhaupt nicht korrekt an die Metronomvorgaben halten und dennoch finde ich viele gute Vorzüge darin.
    Komischerweise wurde sie bislang hier noch nicht erwähnt, vielleicht habe ich ja auch einen ganz merkwürdig extravaganten Geschmack? 8o



    In Immereel möchte ich aber auch noch aufgrund manch hier euphorischer Bekundung reinhören wenn nur meine Wunschliste nicht schon so lange wäre - ich glaub dazu werde ich erst nächstes Jahr kommen.
    Ein Wunsch an die 2 Ullis oder an irgendjemanden der noch die Box besitzt, könnte jemand mal die Zeiten zu den hier einzelnen Sätzen aufschreiben? Tempimäßig vergleichbar mit Zinman?


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Zitat

    Original von âme
    In Immereel möchte ich aber auch noch aufgrund manch hier euphorischer Bekundung reinhören wenn nur meine Wunschliste nicht schon so lange wäre - ich glaub dazu werde ich erst nächstes Jahr kommen.
    Ein Wunsch an die 2 Ullis oder an irgendjemanden der noch die Box besitzt, könnte jemand mal die Zeiten zu den hier einzelnen Sätzen aufschreiben?


    Gerne:


    [01] 10'23
    [02] 11'59
    [03] 04'43
    [04] 04'00
    [05] 09'15


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)


  • Danke!


    Zum Vergleich Zinman:


    1) 10'29
    2) 12'05
    3) 04'53
    4) 03'37
    5) 09'08


    Also großteils ziemlich in der Nähe, bei Immerseel kommt man jedoch länger in Gewittergenuss bzw. ein langsameres grollen während bei Zinman nur ein flüchtiger Blitz vorbeischaut, wie mans sieht. ;)


    Eines freut mich zusätzlich - hiermit sei der Beweis angetreten das zum. einer meine Beiträge sogar bis zum Ende liest...juhu!


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Soeben habe ich mich mit einem größeren Interpretationsvergleich der Pastorale beschäftigt.


    Nur die zum Schluss übriggeblieben sind, waren in meinen Ohren empfehlenswert, wenn auch mit starken Differenzierungen, dh. je nach Satz verschieden.


    Es sind also folgende:
    Barenboim 1999



    Abbado 1986 mit den Wiener Philharmonikern


    Karajan 1961


    Karajan 1982


    Harnoncourt 1990


    Mazur


    Wand 1986


    Bernstein


    Böhm mit den Wiener Philharmonikern
    [AM] B000001GQL[/AM]


    Bertrand de Billy



    Da man ja nicht ständig Satz für Satz die CD wechseln will, ist man natürlich bestrebt, eine Interpretation zu finden, mit der man insgesamt am besten leben kann.
    In diesem Fall finde ich das aber wirklich sehr schwer, und ich denke auch, dass gerade die Interpretation dieser Symphonie für einen Dirigenten keine leichte Aufgabe sein muss.


    Satz 1: Den Eindruck des Erwachens heiterer Empfindungen kann man m.E. nicht mit einem zu schnellen, sportiven Tempo erzeugen. Tempo ist jedoch beileibe nicht alles, und deswegen kommt es gerade in diesem Satz auch auf gewisses rhetorisches Verständnis ( L. Bernstein hat in einem Vortrag an der Harvard-Uni einmal überzeugend nachgewiesen, wie eng gerade dieser Satz mit Sprache und Rhetorik verknüpft ist), warme Klanglichkeit und eine Gesanglichkeit, die den von Beethoven sehr direkt und auf Deutsch beschriebenen Affekt unterstützt.
    Weiterhin ist aber auch Klarheit, Deutlichkeit und ein schönes orchestrales Zusammenspiel immens wichtig, weil die Motive oft von verschiedenen Instrumentengruppen mitten im „Satz“ ( ich meine das jetzt im Vergleich zur Sprache, nicht den ganzen Kopfsatz) weitergereicht und übernommen werden.
    Insgesamt muss vor dem geistigen Auge des Hörers eine ländliche Idylle dadurch auftauchen, dass er durch die Spielweise innerlich bewegt wurde. Ja, er sollte sich durch die Musik ab und zu liebevoll in den Arm genommen fühlen.


    Sehr gut gefallen mir in hier z.B. Abbado 1 (Wiener Version), Böhm, Harnoncourt, Barenboim, Mazur und Wand.
    Interessant ist auch noch Bertrand de Billy, vor allem weil man die Bläser, insbesondere die Hörner besser als sonst hört.
    Sie setzen hier und dort musikalische Akzente und betreiben nicht nur klangliche Untermalung. Allerdings ist mir das Tempo schon etwas zu schnell und ich vermisse auch einen gewissen poetischen Unterton, den ich bei den vorgenannten mehr ( Barenboim, Abbado, Böhm, Wand) oder auch etwas weniger ( Harnoncourt, Mazur) immer noch höre.


    Jede Einspielung hat seine Vorteile und Besonderheiten, die schwer zu verbalisieren sind.


    Bei Böhm wird vor allem auf Klarheit und Deutlichkeit Wert gelegt, doch sind die anderen Aspekte auch natürlich auch vorhanden. Abbado, im fast gleichen Tempo ( nur sehr geringfügig langsamer) und mit dem gleichem Orchester klingts eine Spur „wärmer“ und weniger analytisch, dafür wird die Partitur einem auch nicht derart deutlich vor Ohren geführt. Müsste ich die Symphonie abhören, weil ich keine Noten hätte, dann wäre Böhms Version dafür am besten geeignet.
    Böhms Stil zu dirigieren könnte man als klassische Klassik bezeichnen. Das angestrebte Ideal der Balance, aber auch eine gewisse Scheu vor allzu romantischen Anwandlungen gehört hier wohl dazu. Man fühlt sich nostalgisch in Zeiten versetzt, in denen man glaubte, dass Klassik genauso klingen müsse und kann das auch heute noch nachvollziehen, denn es hat auch etwas für sich, so zu spielen. Man sieht schon geradezu die schwarze LP sich mit dem gelben Label in der Mitte auf dem Thorens oder Dual-Plattenspieler drehen…


    Bei Harnoncourt bestechen das Verständnis der Klangrede und die Artikulationsdetails. So hört man ab dem Takt, indem die Oboe das Thema übernimmt, das ein Staccatopunkt nicht unbedingt „so kurz wie möglich“ heissen muss, sondern es kann auch einfach nur Non-Legato, also z.B. ein Portato sein. Beim ersten Tutti-Forte hört man das bei Harnoncourt sehr schön. Die Linie wirkt dadurch zielgerichteter, lieblicher und gesanglicher. Nur aufgrund der Tatsache, dass man es von jedem anderen kürzer artikuliert kennt, kann es einem als „gewollt“ oder aufgesetzt vorkommen. Wenn man etwas über die Töne nachdenkt, dann finde ich schon, dass es so sehr natürlich und logisch klingt. Der Klang des COE ist eine Art Brücke zwischen den HIP-Formationen mit alten Instrumenten und den „modernen“ Orchestern. Deren wärmerer Klang ist vielleicht nicht richtiger, aber für dieses Stück möglicherweise etwas angenehmer, weil „herzerwärmender“ anzuhören.


    Besondere romantische Wärme und klangliche Fülle verströmt dahingegen Kurt Masurs Aufnahme mit dem Gewandhausorchester Leipzig. Die ganz große Klangidylle (Wahnsinn, wie man von dem Streichern "umarmt" wird) geht ein bisschen auf Kosten der Durchhörbarkeit sowohl vertikal (was findet gleichzeitig statt) als auch horizontal (Artikulation).
    Diese Interpretation ist sehr solide und klangschön, vor allem auch sehr angenehm zu hören. Es steckt ein bisschen Karajansches „Legato- nach- vorne –Ziehen“ drin, allerdings spielt er bei weitem nicht das viel schnellere Tempo Karajans. Wagnisse, starke Persönlichkeitsprofilierungen oder neue aufführungspraktische Erkenntnisse gibt es bei Masur erwartungsgemäß keine. Ob man die für diesen Satz allerdings wirklich braucht und haben will, ist eine andere Frage. Das Tempo ist etwas schneller als bei den zuerst besprochenen, geht m.E. aber gerade noch.


    Deutlicher ausformuliert und gleichzeitig klanglich warm klingt Günter Wands Aufnahme. Mit dieser Interpretation des ersten Satzes kann man wirklich sehr gut leben. Die ebenfalls warmen Streicher tragen auch hier den Gesamtklang, und die Oboe klingt m.E. um Einiges runder und voller als etwa bei den Wiener Philharmonikern.


    Sportlich schnell und klanglich strahlend erklingt der erste Satz in jeder mir bekannten Karajan-Version. Sein Konzept, Melodien und dramatische Entwicklungen durch große Bögen zu verdeutlichen geht bei z.B. bei der Fünften Symphonie voll auf (gerade auch in der 82er-Fassung), scheint hier aber an seine Grenzen zu stoßen. Hier sind m.E. mehr Poesie und auch die Einbeziehung des „Redens in Tönen“ vonnöten.
    Entweder sah er einen komplett anderen Grundaffekt als die ländliche Idylle oder er hatte zu diesem ersten Satz irgendwie keinen Zugang. Vielleicht mochte er auch eher das Berliner Stadtleben und konnte dem Landleben wenig abgewinnen….? ;)


    Poetisch, klangschön und warm und doch deutlich ausformuliert erklingt die Musik in Barenboims Fassung. Sein Tempo und seine Akzentsetzungen der Detaildynamik gefallen mir sehr gut.


    Eher enttäuschend finde ich im Vergleich zur früheren Aufnahme mit den Wienern das m.E. schon zu schnelle Tempo bei Abbado 2 mit den Berliner Philharmonikern und vergleichsweise eingeebnete Dynamik.
    Es geht mir zu sehr in Richtung „Perfekt aber Nichtssagend“.
    Alles ist da, aber es fehlt mir das Magische, das einen sogähnlich in die Musik hineinzieht.


    Bernsteins Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern ist mir im ersten Satz zu schnell und vor allem zu undeutlich ausformuliert, was im Vergleich etwa zu Wand oder Böhm besonders auffällt.
    Obwohl ja ausgerechnet Bernstein sich sehr viel mit der musiksprachlichen Komponente des ersten Satzes beschäftigt hat, höre ich bei ihm in dieser Aufführung nicht so viel davon.



    Satz2 klingt bei Abbado 1 sehr natürlich und angenehm unangestrengt. An poetischer Grundstimmung mangelt es nicht. "Es" spielt sozusagen von selbst…


    Bei Böhm wirken die Begleitfiguren der tiefen Streicher vielleicht ein wenig zu sehr offengelegt, zu ausbuchstabiert ( wodurch sie in Gefahr stehen, als banal verstanden zu werden), während die Melodielinien der Violinen wirklich wunderbare Bögen schwingen, die Anmut und Zielgerichtetheit zugleich verströmen. Ein klares, festes Timing und eine ausbalancierte Statik gehören ebenfalls zu den Aktiva dieser Interpretation, ebenso -wieder einmal -die vielleicht schon übertriebende Durchhörbarkeit.


    Mit einem warm-romantischen Schleier versehen hört man die Bachszene bei Kurt Masur. Lässt er da mit Dämpfern spielen oder erzielen sie den Effekt auf normalem Wege? Vielleicht hat er damit nicht Unrecht, denn die in dieser Symphonie ohne Zweifel vorhandene Naturverbundenheit ist ja bereits ein gewisser Vorgriff auf die Romantik und weist in diese Richtung.
    Wieder einmal sehr angenehm und behaglich zu hören, vielleicht klanglich aber auch schon ein wenig topfig.


    Bei Wand spielen die Streicher eindeutig ohne Dämpfer, trotzdem wirkt alles so, wie es sein soll.
    Poetisch, berührend und allein auf die Wirkung der Komposition vertrauend hört man hier viel Beethoven und möglichst wenig Wand. Klanglich ist es wesentlich offener als bei Mazur.


    Mit Dämpfern und sehr deutlicher barocker Detaildynamik und Artikulation erklingt die Bachszene bei Harnoncourt.
    Besonders romantisch wirkt das nicht, aber es kann gut sein, dass es eher in die Richtung geht, die Beethoven eigentlich vorschwebte, vor allem von der Bogensetzung her. Allerdings muss man auch sehen, dass man hier die starke Eigenpersönlichkeit des Interpreten sofort und in jedem Takt hören kann. „Wie von selbst“ hört es sich also nicht an. Nach einigen Takten hat man sich auch hier eingehört und kann Beethoven durchaus in vielen Details neu erleben und genießen, wenn man bereit ist, das zuvor Gehörte nicht ständig vermissen zu wollen. Gerade gewisse leise Akzente der begleitenden Blechbläser wirken reizvoll. Die hört man sonst nicht.


    Karajans Ansatz wirkt geradezu Gegensätzlich hierzu.
    Statt die Strukturen der Klangrede aufzudecken malt er sie mit dem Legatopinsel und einer eher flächigen Detaildynamik zugunsten der großen Linie zu. Sein Tempo ist mir einfach zu schnell. Verglichen mit seiner grandiosen Fünften oder der ebenso begeisternden Eroica ( 1982) scheint es mir so, als ob ihm hier der innere Zugang zu diesem Landidyll irgendwie fehlte. Es hört sich so an, als wenn er salopp gesagt froh ist, wenn er mit seinem Sportcabrio durch die sicherlich schönen, aber doch auch für ihn etwas langweiligen ländlichen Gegenden mit wehender Mähne endlich hindurch gebraust ist. Wahrscheinlich hätte er dies als Unterstellung zurückgewiesen, aber man kann schon diesen Eindruck beim Zuhören bekommen.


    Barenboim gelingt das seltene Kunststück, die Erkenntnisse der (hinter vorgehaltener Hand gesagt wahrscheinlich Harnoncourt-inspirierten) Klangrede (Artikulations-Bogensetzung, Detaildynamik) mit der Furtwängler-inspirierten romantischen Poesie und einem schönen, warmen Klang zu verbinden.
    Das was er hier macht, passt einfach. Da Barenboim früher als Interpret nicht gerade zu meinen Favoriten gehörte, überrascht es mich umso mehr, wie viele Positiva ich in seiner Beethoveninterpretation als Dirigent bisher finden konnte.


    Bei Bernstein geht es sehr emotional zu. Trotzdem werden die Details nicht zugedeckt sondern liegen offen und hörbar vor. Bei Akzenten lässt er die Wiener Geiger ein zusätzliches inniges Vibrato spielen. Der zweite Satz gefällt mir viel besser als der erste.


    Bertrand de Billy ist eindeutig HIP- und Harnoncourt beeinflusst, mir im zweiten Satz irgendwie aber zu seelenlos, obschon er eigentlich alles richtig macht.


    Abbado 2 mit den Berlinern geht es italienisch schnell an, macht nicht wirklich etwas falsch und artikuliert auch richtig. Seine frühere Interpretation hat mir aber mehr zu sagen.


    Barenboim, Abbado 1, Wand und Böhm sind für diesen Satz meine Favoriten. Harnoncourt muss man auch haben, vor allem als Alternative.



    Satz 3 wird bei Barenboim im ausgewogenen, flüssigen Tempo und mit Liebe zu Details bei perfektem orchestralen Zusammenspiel musiziert.


    Bei Böhm stört mich diesmal wirklich der hervorstechende Klang der Wiener Oboe und auch ein bisschen das zu bellende Staccato.
    Das soll wohl so sein, um den unbeholfenen Charakter der Landmusik darzustellen (die extra bollerig spielenden Hörner tun mit ihrem schneller scharf werdenden Wiener Klang ihr Übriges...) Obwohl das ja durch die Partitur motiviert ist, vermisse ich hier doch eine gewisse klassische Eleganz.
    Positiv ist wieder einmal die perfekte klangliche und rhythmische Transparenz. Möglicherweise würde ich bei längerem Hören meine Meinung revidieren.


    Abbado 1 ist etwas schneller und flüssiger. Die vorher genannten Merkmale seiner Interpretation gelten auch hier. Die Hörner dürfen ihre Akzente schön „rotzen“…


    Harnoncourt lässt das Dorforchester schneller spielen und man hört interessante Details. Der ganz große Wurf scheint es mir hier dennoch nicht geworden zu sein.


    Masur macht keine Experimente, aber seine Interpretation ist in sich so gelungen, dass man sich diese auch nicht wünscht. Der Klang ist dunkel-warm, auch die Bläser klingen rund und voll.


    Wand lässt es m.E. etwas zu ruhig angehen, wodurch manchmal in Kombination mit den übrigen Merkmalen seines Interpretationsansatzes der Eindruck einer gewissen Konventionalität nicht immer von der Hand zu weisen ist. Trotzdem ist es eine uneitle und deutliche Vermittlung der Partitur. Vielleicht begeistert es mich bei längerem Hören doch.


    Karajan 1 ist spannender musiziert als Karajan 3, bei der es allerdings perfekter zugeht. Der Satz scheint ihm wohl schon etwas mehr zu liegen als die vorhergehenden…


    Abbado 2 überzeugt mich wieder nicht so recht.
    Irgendwie scheint es mir allein schon von den inneren Temporelationen her nicht zu passen. Es sagt mir ungefähr so wenig, wie der HIP-Ansatz Bertrand de Billys. Das ist schön federnd und alles wird richtig gemacht. Aber irgendetwas fehlt.


    Satz 4 geht in Barenboims Fassung durchaus unter die Haut. Es klingt nicht nur nach Gewitter, sondern nach großer Klassik. Wesentlich gewaltiger donnert es aber bei Abbado 1 und man hört auch mehr wichtige Details heraus.


    Bei Karajan 1 und 3 wird es zum besonders gewaltigen und heftigen Gewitter. Das liegt ihm hier offensichtlich mehr als die Idylle… Sein Tempo ist schneller als bei den vorgenannten und bei der 61er-Version muss man in leisen Passagen ein leichtes Bandrauschen in Kauf nehmen.


    Harnoncourt lässt die Einleitung zum Gewitter für mich zu wenig angsterfüllt spielen, zu banal. Da hilft es dann auch nicht, wenn die Figuren mit den drei Noten unter einem Bogen am richtigsten detaildynamisch ausformuliert werden. Auch das Gewitter ist eher enttäuschend „normal“. Gerade bei Harnoncourt hätte man ggf. etwas mehr „Schmackes“ erwartet.


    Masur schlägt Karajans Tempo an, doch wirken die Einschläge hier nicht so gefährlich wie bei HvK.


    Wand geht es zupackender und durchhörbarer an, ohne sein Konzept der Verleugnung des Interpretenstempels aufzugeben (wodurch er dem Ganzen – zum Glück- ja doch seinen Stempel aufsetzte)


    Bei Bernstein kracht es auch ziemlich heftig. Besonders der Pauker muss sich ins Zeug legen…


    Böhm lässt das Gewitter zwar voll ausspielen aber bleibt trotzdem dem klassischen Ebenmaß treu. Man kann es mögen, aber vielleicht muss man ja gerade hier nicht jede Note unbedingt deutlich heraushören können. Wie gesagt, hier möchte ich einmal ausführlich zuhören.


    Satz 5 hört sich bei Harnoncourt so an, als ob er sich vor allzu traditionellem Schmelz oder gar Schmalz fürchtet und hier aufräumen will. Sicher ist dieser Gedanke bestechend, aber es überzeugt mich noch nicht so ganz, was ich da höre.


    Barenboim wirkt „herkömmlicher“ , vielleicht auch etwas „bekömmlicher“.


    Bei Abbado 1 höre ich endlich die frische Luft und die Dankbarkeit nach dem Gewitter. Es klingt ergreifender als bei den vorgenannten Dirigenten.


    Bei der Themenvorstellung in den ersten Geigen kommt der Satz Karajans Stil m.E. eher gelegen. Die weiten Bögen schwingen und das Umarmende, das Humanistische an Beethovens Charakter kommt hervor. Nach dem Crescendo wird es dann aber schneller und es erinnert wieder etwas an das Heldisch-Strahlende der Fünften, was hier aus meiner Sicht nicht so ganz passend ist.


    Da trifft Masur schon eher auch im Forte den richtigen Ton.
    Es ist auch hier eine zu Herzen gehende, romantisch angehauchte Interpretation. „Einfach schön“ wäre vielleicht eine banale, aber doch irgendwie auch passende Beschreibung.


    Wand, um Treue gegenüber dem Geist der Partitur bemüht, erzeugt schwebende Atmosphären, scheint „den Ton“ hier sehr gut getroffen zu haben, Bernstein auch. Ländlicher klingt es durch seine Bläserbehandlung aber bei Wand.


    Bei Böhm hört man wieder die Einzelnoten der Partitur am besten. Im Forte schmettern die Wiener Blechbläser stärker als bei den anderen Aufnahmen.


    Abbado 2 bezieht seine Harnoncourtschen Hörerfahrungen ebenso ein wie seinen Sinn für das italienisch Leichte. Sicherlich nicht schlecht, aber…ich weiß nicht so recht.


    Ich kann auch hier bei de Billys Einspielung nichts beanstanden aber auch nichts besonders Ansprechendes erwähnen.


    Mein Fazit:


    Es fällt mir sehr schwer, insgesamt eine befriedigende, favorisierte Aufnahme zu finden. Nach längerem Überlegen fiele meine Wahl wahrscheinlich auf Abbado 1, Barenboim oder Wand. Hier zu entscheiden viele mir sehr sehr schwer, weswegen es ja am besten ist, wenn man sie alle hat…Man kann hier aber nicht viel falschmachen.
    Vielleicht sollte man auch den analytischen Böhm hier noch miteinbeziehen.
    Seine Sechste wird ja vielfach gepriesen, und das nicht unbedingt zu Unrecht. Bei ihm fehlt mir vielleicht etwas die „Wärme“, die man etwa bei „ehrlichen“ Wand oder besonders auch beim „romantisierenden“ Mazur deutlicher hören kann. Diese angenehm zu hörende Aufnahme kann man sich ohnehin „nebenbei“ zulegen, da sie ja so preiswert ist.


    Abbado 2 fand ich insgesamt nicht so sehr überzeugend, auch nicht de Billy.
    Bernstein mag ich zwar, aber ich höre bei den anderen teilweise doch noch mehr Dinge heraus, die mich mehr gefangen nehmen.


    Harnoncourt finde ich im ersten Satz sehr gut, im zweiten wichtig, aber vielleicht zu gewollt, und beim Rest ist es m.E. nicht ganz so „der Bringer“.


    Für Karajan ist die sechste vielleicht nicht die allergeeignetste Symphonie. Das Gewitter ist sehr schön, aber z.B. die ersten beiden Sätze sind mir zu schnell darüber hinweg gefahren.


    So habe ich es heute gehört und empfunden. Das kann sich im Laufe der Zeit sehr ändern, auch durch noch längeres Zuhören und noch mehr Hörerfahrung. Ich kann z.B. nicht ausschließen, dass mich irgendwann auch Abbado 2 fasziniert.
    Diese Symphonie ist allerdings das Stück Musik, mit dem ich als Kind überhaupt zum ersten Mal mit klassischer Musik in Kontakt kam. Damals übrigens in einer Furtwängler-Aufnahme…


    Ich hoffe, Lust aufs Selberhören und -vergleichen gemacht zu haben, denn Worte sind ja sehr begrenzt, wenn es um Musik geht.


    Gruß :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Danke für die ausführliche Vorstellung und Beurteilung.
    Ich kenne leider nur einen Teil der von dir herangezogenen Einspielungen. Nach wie vor ist mir die wie schon weiter oben erwähnte Abbado-Wiener die Liebste. Die von dir ebenso geschätzten Barenboim und Wand-Pastoralen kenne ich aber nicht.
    Für die Bernstein-Version kann ich mich auch nicht richtig begeistern, mir oftmals ein wenig zu oberflächlich. De Billy habe ich mal bei einer Live-Übertragung v. Radio gehört. Ich glaube die Ähnlichkeiten zu Harnoncourt die du erwähnt hast kommen wohl auch vorwiegend dadurch das wohl Beide versuchen sich möglichst nah an den Metronomvorgaben Beethovens zu halten. (ich hab jetzt aber keine Vergleichszeiten zur Hand) Am Ende kommt halt eine wenig verinniglichte, gefühlsintensive sondern mehr beschwingte, etwas heiterer wirkende Pastorale heraus. Ich persönlich hab lieber Interpretationen die den Schwerpunkt auf Ersteres legen, mehr in die Richtung eines aufwühlenden, intensiven Naturerlebnisses als einer eher alltäglichen Beobachtung während eines Spazierganges gehn.
    Deswegen finde ich bei der Pastorale die HIP-Versionen weniger interessant, wenn ich da Zinman oder Immerseel heranziehe die zwar trotzdem eine gute Alternative bieten wenn man gerade nicht Lust auf breit angelegte Tempi, größere Besetzungen, voll Legatibögen strotzend und dergleichen hat. Aber es geht für mich ein gewisser Effekt verloren, vor allem in den letzten beiden Sätzen die mir dann im Vergleich dazu etwas zu mikrig geraten. Wenn ich HIP bei Beethoven höre dann lieber bei seinen ersten 4 Sinfonien und vielleicht noch die 7. und 8. die hier meiner Meinung nach nicht unbedingt eine konservative
    Interpretation benötigen.
    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von âme
    Live-Übertragung v. Radio gehört. Ich glaube die Ähnlichkeiten zu Harnoncourt die du erwähnt hast kommen wohl auch vorwiegend dadurch das wohl Beide versuchen sich möglichst nah an den Metronomvorgaben Beethovens zu halten. (ich hab jetzt aber keine Vergleichszeiten zur Hand)


    Harnoncourt ist ziemlich langsam (etwa wie in der Tradition üblich) im ersten Satz, sehr weit von der Metronomisierung entfernt. Ich habe die lange nicht gehört (da ich das Stück nicht besonders mag, es ist die von mir am wenigsten geschätzte Beethoven-Sinfonie), empfand den Kopfsatz als eher langsam, aber ziemlich "rustikal", durch die von Glockenton teils schon angeführte Artikulation, durch die deutlichen Bläser und die Borduntöne.


    Zitat


    Deswegen finde ich bei der Pastorale die HIP-Versionen weniger interessant, wenn ich da Zinman


    Zinman läßt nach der sehr zügigen MM-Zahl im Kopfsatz spielen, erheblich schneller als Harnoncourt, ebenso liegen in etwa Norrington, Gielen, Mackerras, der schnellste, oder jedenfalls (unangemessen) hektischste ist mal wieder Scherchen.
    Bei Orientierung an 2/4-Takte= 66 dauert der Kopfsatz mit Wdh. 10-11 min., ohne etwa 8 min! Üblich sind eher ca. 10 min ohne Whd. und 12-13 mit.


    Nur mal so als unverbundene, wenig aussagekräftige Fakten :)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich hatte mal eine Böhm - Aufnahme auf Schallplatte. Dann habe ich mir so Ende der 1980 Jahre die Kegel-Aufnahme auf CD gekauft. Irgendwie gefällt mir die noch besser als Böhms Dirigat, sodass ich ihr bis heute treu geblieben bin.


    Mal was Interessantes am Rande:


    Ich habe mal diese HERRLICHE Musik einen in Sachen Symphonik nicht so bewanderten Freund vorgespielt... Es war fast schon unheimlich, mit welcher - ja - Präzision er zumindest sinngemäss von Satz zu Satz mehr als passende Bilder vor seinem geistigen Auge sehen konnte.


    Für mich spricht auch DAS für die perfekte Genialität dieser überirdisch schönen Musik!

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Zitat


    Original von âme
    Wenn ich HIP bei Beethoven höre dann lieber bei seinen ersten 4 Sinfonien und vielleicht noch die 7. und 8. die hier meiner Meinung nach nicht unbedingt eine konservative Interpretation benötigen.


    Hallo Thomas,


    mit Ausnahme der 3. und 7. sehe ich das genauso.
    Bei der Eroica kann ich mich nur vor der Karajan-Interpretation verneigen ( vor allem Karajan 3) und bei der Siebten weiss ich noch nicht so recht. Die ideale Einspielung muss ich mir noch "erhören". Es wird ja immer von Carlos Kleiber + WPO geschwärmt. Ausgerechnet die habe ich immer noch nicht.


    Aber für die Erste und Zweite ist ein HIP-Ansatz nahezu Pflicht ( mit oder ohne alte Instrumente), oder wenigstens eine Einbeziehung der Erkenntnisse aus der HIP.


    Das ist ja überhaupt interessant. Für mich steht Beethoven an der Schnittstelle von der einen zur anderen Ästhetik. Man kann bei ihm das eine, klangrednersische Element überall sehen, aber eben auch seine Funktion als Wegweiser in andere Klangwelten, in denen eine allgemeinere Verständlichkeit, ein breiteres emotionales Mitnehmen ( siehe z.B. Schlusschor 9 Symphonie, aber nicht nur da) gewollt waren.


    Kann man die Frage, bis wann HIP einen Sinn macht, schon anhand seiner Symphonien diskutieren, oder ist das viel zu früh, wie manche Hardcore-Hipper meinen und auch praktizieren?
    Die Frage würde sicher zu Kontroversen führen, und kann, da sie vom Thema wegführt, nicht hier diskutiert werden.


    Doch ist mir durch diesen Vergleich wieder einmal aufgefallen, dass man schon bei so einem naturverbundenen Werk wie der Pastorale als Anhänger der HIP auf einmal ehrlicherweise zugeben muss, dass einem "herkömmliche" Interpretationen in ihrer Gesamtheit mehr zu sagen haben.


    Woran es liegen kann?
    Zwar hat Beethoven den bekannten Satz
    "Mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerey"


    hinterlassen. Es gibt auch diesen Ausspruch des Meisters:
    "Jede Mahlery, nachdem sie in der Instrumentalmusik zu weit getrieben, verliert"


    Das heisst doch, dass er es mit der Malerei zwar nicht zu weit treiben wollte, diese aber dennoch enthalten war. Man denke nur an die Bachszene, an die Vogelstimmen, das ungelenke Dorforchester, etc..
    Das alte Prinzip, mit Hilfe sprachrhetorischer Mittel die Empfindung auszudrücken, ist vielleicht eher im ersten Satz zu erkennen.


    Einfach, ja zu vereinfachend ausgedrückt: Man erkennt einen vorsichtig angedeuteten Übergang von der aus dem Barock herkommenden Klangrede zur Klangmalerei der Romantik.
    Weil das so ist, wirkt Satz 1 z.B. bei Harnoncourt sogar noch sehr überzeugend, aber spätestens bei den anderen Sätzen schiebt sich der eine oder andere Interpret nach vorne, der vornehmlich im traditionell romantischen Stil zu Hause ist und wenig bis nichts mit der Barockmusik zu tun hat.


    Das ist jedenfalls meine These - Ausnahme bestätigen natürlich immer die Regel.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat


    Original von Johannes Roel
    Harnoncourt ist ziemlich langsam (etwa wie in der Tradition üblich) im ersten Satz, sehr weit von der Metronomisierung entfernt.


    Hallo Johannes,


    Harnoncourts Meinung hierzu ist ja, dass die Metronomangaben zwar stimmen, sie aber "Kopftempi" sind. Wenn man die Partitur liesst, oder sich die Musik im Kopf vorstellt, kommt demnach immer ein schnelleres Tempo zustande, als wenn man es von einem realen Orchester spielen lässt. Da gibt es ja auch noch andere Faktoren, z.B. die Länge der Hallfahne usw.
    Dies sei der Grund, dass einem die Metronomangaben als zu schnell vorkämen, wenn man sie wirklich umsetzt.


    Je weiter man in Beethovens Werk kommt, muss man ja wirklich von "Kopfmusik" sprechen, denn wirklich gehört hat er ja zum Schluss nichts mehr.


    Ich finde, Harnoncourts These hat etwas für sich, und ich halte es für richtig, dass er den ersten Satz "traditionell" im gemessenen Tempo angeht.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Kann man die Frage, bis wann HIP einen Sinn macht, schon anhand seiner Symphonien diskutieren, oder ist das viel zu früh, wie manche Hardcore-Hipper meinen und auch praktizieren?


    Hallo!


    Das kommt ja drauf an, was man unter HIP verstehen will: Die einen meinen, es sei 'nur' die Verwendung alten Instrumentariums, die anderen (ich BIN ansders) bestehen zusätzlich auf möglichst viel Nonvibrato, wieder andere gehen an die Auszierungs- bzw. Artikulationstechniken heran.


    Letztgenannte spielen wohl primär beim Barock-HIP eine speziellere und heute nicht mehr wegzudenkende Rolle - und damit ist klar, daß HIP nicht gleich HIP ist - oder HAP, wie Ulrich Kudoweh dies einst darstellte (leider unauffindbar!). Beethovensinfonien mit Barockverzierungen oder nachgedrückten Streicherbögen wären schier unerträglich (wenn nicht komisch). Unbestritten scheint die Aufführungspraxis natürlich auch dem Wandel der Zeit unterlegen und man sollte schon sehr genau eruieren, was wann wie bei welchem Werk Anwendung findet.


    Historische Instrumente ohne bzw. mit sehr wenig Vibrato sind für mich bei Beethoven absolute Pflicht (bei allen neuen, spätestens ab der 3. könnte ich das sonst nicht ertragen).


    Aber es mag durchaus sein, daß der spieltechnische Ansatz irgendwo ab der 7. dann ein anderer war oder wurde.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Harnoncourt ist ziemlich langsam (etwa wie in der Tradition üblich) im ersten Satz, sehr weit von der Metronomisierung entfernt. Ich habe die lange nicht gehört (da ich das Stück nicht besonders mag, es ist die von mir am wenigsten geschätzte Beethoven-Sinfonie), empfand den Kopfsatz als eher langsam, aber ziemlich "rustikal", durch die von Glockenton teils schon angeführte Artikulation, durch die deutlichen Bläser und die Borduntöne.JR


    Was mich schon ein wenig verwundert - ich kenne die Harnoncourt-Einspielung nicht habe aber meine Vermutung darauf bezogen das Harnoncourt ja schon des öfteren ein Verfechter des Quellenstudiums war. Beim Kopfsatz von Mozarts KV550 meinte er ja auch wie wichtig es wäre die nachträgliche Änderung Mozarts von Allegro assai auf Molto Allegro ernst zu nehmen, bei Schubert durchwühlte er ausführlich die Originalautographen der Schubert-Sinfonien um bis hin zur Handschrift alles gründlich zu analysieren und in seine Arbeit mit einfliessen zu lassen. Das er hiermit die Metronomvorgaben Beethovens ignoriert kann ich mir nur so erklären das er sich auf die These stützt Beethovens Metronom hätte nicht exakt funktioniert - ist das eigentlich schon erwiesen oder nur eine Vermutung?


    P.S.: Jetzt haben sich die letzten Beiträge überschnitten, somit weiß ich auch warum Harnoncourt diese Tempi gewählt hat, aber diese These mit den "Kopftempi" hab ich auch noch nicht gehört.


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)


  • Klemp in Berlin entkarajanisiert :] die BP, zwingt seinen Klang auf. "Der arme Mann an der Flöte!"
    Man kann es in der Probe hören. (43 Minuten Probe der 6. werden mitgeliefert) Auch dass man sich eigentlich nicht leiden kann.
    Die Aufnahme ist göttlich. Alles stimmt. Wie schon 1956 in Amsterdam aber dennoch: Mozart 29 kommt noch besser.
    Gruß S.

  • bis zum Eintreffen der Aufnahme von Paavo Järvi, diese hier:

    und wer Dr. Willem mag, der wird auch fündig werden. Dafür gibt es hier im Forum sicherlich Hilfestellung. Ich habe ne Aufnahme von 1954 aus dem Titania Palast, leider als CD vergriffen.
    Gruß S

  • Zitat

    Original von Glockenton


    Ich hoffe, Lust aufs Selberhören und -vergleichen gemacht zu haben, denn Worte sind ja sehr begrenzt, wenn es um Musik geht.



    Lieber Glockenton,


    das hast Du - herzlichen Dank für diesen großartigen Beitrag!


    Er hat nur einen Nachteil: ich möchte mehr davon lesen ;)



    LG, Elisabeth

  • Zitat

    Original von âme


    Was mich schon ein wenig verwundert - ich kenne die Harnoncourt-Einspielung nicht habe aber meine Vermutung darauf bezogen das Harnoncourt ja schon des öfteren ein Verfechter des Quellenstudiums war. Beim Kopfsatz von Mozarts KV550 meinte er ja auch wie wichtig es wäre die nachträgliche Änderung Mozarts von Allegro assai auf Molto Allegro ernst zu nehmen, bei Schubert durchwühlte er ausführlich die Originalautographen der Schubert-Sinfonien um bis hin zur Handschrift alles gründlich zu analysieren und in seine Arbeit mit einfliessen zu lassen. Das er hiermit die Metronomvorgaben Beethovens ignoriert kann ich mir nur so erklären das er sich auf die These stützt Beethovens Metronom hätte nicht exakt funktioniert - ist das eigentlich schon erwiesen oder nur eine Vermutung?


    Das wurde vermutet, ist aber ziemlich sicher falsch. Richtig ist allerdings, daß Beethoven fast alle der Metronomangaben erst mehrere Jahre nach der Komposition (weil es noch nicht erfunden war) zugefügt hat und vielleicht schon ziemlich taub war. Das ist ein eigenes Thema.
    Harnoncourt ist (anders als viele meinen) sicher nicht willkürlich mit den Tempi. Er hält sich grundsätzlich relativ eng an die Angaben (wenn auch meistens ein wenig langsamer gegenüber Scherchen oder Gardiner), besagter Satz ist eine Ausnahme, deswegen fiel es mir auf. Ich habe jetzt noch mal hineingehört. Was sehr schön ist, ist der Eindruck des "Erwachens", der Satz entfaltet sich zu Beginn sehr allmählich. Aber das Tempo ist hoffnungslos zu langsam, statt 66 etwa 48-50 für Takte (also dann 96-100 für Viertel), das ist eher ein andante con moto oder vielleicht ein allegretto, aber kein allegro ma non troppo. Ich vermute, er wird im Satzverlauf ein wenig flotter, aber das alles anzuhören, habe ich jetzt keine Lust.
    Meine schnellsten sind Gielen mit ca. 10 min. inkl. Wdh., was fast exakt der MM-Vorschrift entspricht, Scherchen (7:45 ohne Wdh., entspräche ca. 9:40-45 mit) ist sogar schneller (eher 70 statt 66). Allerdings liegt Leibowitz, sonst ein Metronom-Folger, auch nur bei 56. Ich kann nachvollziehen, daß man das vorgeschriebene Tempo für etwas zu schnell hält, 10-15% langsamer, o.k., Leibowitz fast 20% langsamer klingt auch noch gut. NH ist mir hier mit 30% unterhalb allerdings tatsächlich etwas zu langsam und vermutlich auch an der Unterkante der traditionellen Tempi, Klemperer (EMI) und Wand brauchen auch jeweils 13 min. Furtwängler (1944) ist noch langsamer, aber mit großen Temposchwankungen, benötigt 11:30 ohne (wären ca. 14:30 mit) Wdh. Das mag idyllischer wirken und für manchen funktionieren, mir ist es viel zu gemütlich.


    NB: Diese nicht unübliche Verlangsamung um ca. 30% übertrifft bei weitem die vielbelästerte Figaro-Ouverture Harnoncourts, die nur ca. 15% langsamer ist als üblich (üblich ist hier ja so schnell wie spieltechnisch halbwegs möglich, zum schnelleren hin gibt es daher kaum Ausreißer).


    Zitat


    P.S.: Jetzt haben sich die letzten Beiträge überschnitten, somit weiß ich auch warum Harnoncourt diese Tempi gewählt hat, aber diese These mit den "Kopftempi" hab ich auch noch nicht gehört.


    Es gibt, wie gesagt, etliche Theorien. Alle haben m.E. diverse Probleme. Wenn Tempi im Kopf schneller gehört werden, warum werden dann einige Sätze fast immer so schnell wie die MM-Angabe gespielt oder sogar schneller? Das gilt für fast alle Scherzi, für das Gewitter, für die Finali der 5. und der 7. Andere Sätze wurden zwar üblicherweise oft etwas langsamer, aber doch recht nahe an den Angaben gespielt, andere wesentlich langsamer, wie vorliegender Satz oder auch die Kopfsätze der 3. und. 9, bis hin zum beinahe halbierten Tempo im Adagio der 9.
    Bei Harnoncourt sticht der Kopfsatz in der 6. deutlich heraus: 13 min gegenüber 10:30 bei Norrington, bei den folgenden 3 Sätzen liegen sie dagegen immer auf ~10 Sekunden beieinander, nur im Finale ist Norrington wieder fast eine Minute (immerhin gut 10%) schneller.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Es tut mir leid wenn ich jetzt unpassend in die Diskussion platze, aber ich muß doch feststellen, wie treffend Glockenton einige spezifische Eigenschaften der Dirigate von Böhm und Karajan beschreibt - es deckt sich das meiste mit meinem Urteil


    Zitat

    Es hört sich so an, als wenn er salopp gesagt froh ist, wenn er mit seinem Sportcabrio durch die sicherlich schönen, aber doch auch für ihn etwas langweiligen ländlichen Gegenden mit wehender Mähne endlich hindurch gebraust ist. Wahrscheinlich hätte er dies als Unterstellung zurückgewiesen, aber man kann schon diesen Eindruck beim Zuhören bekommen.


    Ich habe das in meiner Jugend als "Karajan in Turnschuhen" (gemeint waren Laufschuhe) bezeichnet.


    Gleichzeitig hat mich oft gewundert, daß nie jemand bemerkt hat, daß Karajans Gewitter das beeindruckendste der gesamten Schallplattengeschichte ist.


    Hier kommt ihm allenfalls Rattle nahe, aber während bei Rattle durch die naturalistische Darstellung des Gewitters der Klang leidet, passiert letzteres bei Karajan nicht...


    Über Böhm wurde völlig richtig geschrieben, daß wir uns in den siebzigern (und vermutlich auch früher ) kaum vorstellen konnten, dass
    man ANDERS dirigieren könne, als Böhm dies tat.


    Auch das Urteil über die Abbado-Aufnahme teile ich - wenngleich ich es vermutlich weniger freundlich formuliert habe,,,,
    Die Aufnahme ist weich, dick und harmlos.
    Schönklang ist und war mir immer ein Anliegen -


    Aber es gibt auch andere wichtige Eigenschaften.
    Diese fehlen offensichtlich auf dieser Serie....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Zitat


    Original von Alfred Schmidt
    Auch das Urteil über die Abbado-Aufnahme teile ich - wenngleich ich es vermutlich weniger freundlich formuliert habe,,,, Die Aufnahme ist weich, dick und harmlos. Schönklang ist und war mir immer ein Anligen - Aber es gibt auch andere wichtige Eigenschaften. Diese fehlen offensichtlich auf dieser Serie....


    Hallo Alfred,


    ich nehme einmal an, Du meinst jetzt "Abbado 2" mit den Berliner Philharmonikern?
    Dann wären wir uns wirklich einig, auch mit dem Karajanschen Gewitter. Das hat ihm meines Wissens noch keiner so toll nachgemacht.


    "Abbado 1" jedoch ( mit den Wiener Philharmonikern früher aufgenommen, siehe oben) empfinde ich dahingegen als ziemlich gut gelungen.
    Es ist kaum zu glauben, dass es sich bei den beiden Einspielungen um den gleichen Dirigenten handeln soll...
    Hier hat es offensichtlich in der Zwischenzeit sehr grundsätzliche Auffassungsveränderungen gegeben ( gerade auch in Tempofragen, aber nicht nur), während man z.B. bei Karajan eine Kontinuität seiner Grundauffassungen zu allen Beethoven-Symphonien, von 1961 bis 1982 beobachten kann. Im ging es bei den Neuaufnahmen vor allem um eine bessere Klangtechnik und noch mehr Perfektion. Dass bei der letzten Serie durch den Perfektionismus die inspirierte Musikalität auf der Strecke geblieben sei, wird immer wieder behauptet. Ich muss es aber hiermit sehr energisch bestreiten. Um das auszuführen, müsste man es woanders als hier im Pastoralen-Thread tun und dann sehr nach den Symphonien unterscheiden, denn sein Ansatz scheint mir für einige Werke wie geschaffen zu sein; bei anderen hingegen wirkt es eher deplatziert oder tatsächlich schon nahezu langweilig ( z.B. die Erste), wenn auch immer perfekt.


    Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich insgesamt -ohne abstufende Wertung- die für die Pastorale die Aufnahmen von Abbado 1, Barenboim, Wand, und ja möglicherweise auch von dem überraus klassisch transparenten Böhm auf einem derartigen Gesamtniveau, das man diese den Lesern gegenüber wirklich als etwas empfehlen kann, bei dem man nicht viel falsch machen kann.
    Auch die anderen genannten Einspielungen sind natürlich internationales Spitzenniveau. Wenn hier also Abstufungen und Wertungen von mir genannt wurden, dann geschieht selbst das Jammern noch auf einem sehr hohen Niveau. Provinzieller Durchschnitt oder gar Stümperei gibt es bei keiner der von mir genannten Aufnahmen.
    Die Luxussituation, dass man die Spitzen der Spitzen überhaupt so vergleichen kann, gibt es ja erst durch die technisch immer besser werdenden Tonaufzeichnungen. Das sollte man nie vergessen...


    Eine Interpretation kann in sich geschlossen sehr beglückend sein, jedoch niemals alle Aspekte eines Meisterwerks beleuchten.
    Deswegen ist es in den Fällen, bei denen man von mehreren guten Aufnahmen weiss, wohl das Beste, wenn man sie sich gleich alle holt, falls man den entsprechenden Grad an Verrücktheit hierfür erreicht hat, seine Finanzen entsprechend disponiert, und nicht zuletzt die Zeit hat, das alles auch zu hören... :pfeif:


    Elisabeth
    Vielen Dank für Deine freundliche Reaktion.
    Wenn Du dann -aufgrund solcher Anregungen wie dieser- selbst nachgehört und ggf. verglichen hast, wäre es ja einmal interessant hier zu lesen, ob Deine Eindrücke mit den in diesem Thread -nicht nur von mir- formulierten Meinungen und Hörerfahrungen übereinstimmen, oder ob Du da etwas Anderes hörst.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Auch das Urteil über die Abbado-Aufnahme teile ich - wenngleich ich es vermutlich weniger freundlich formuliert habe,,,,
    Die Aufnahme ist weich, dick und harmlos.


    Die Aufnahme mit den Berlinern oder mit den Wienern?


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Mein Urteil bezieht sich auf die Wiener Aufnahme - die Berliner habe ich mir dann gar nicht gekauft, sie soll aber angeblich die bessere von beiden sein.....



    mfg aus Wien


    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Auf eine sehr interessante Aufnahme unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler (Livemitschnitt eines Schweizer Festivalkonzerts) bin ich an diesr Stelle gestoßen:




    Im fünften Satz lässt Furtwängler in den Bläsern teils aberwitzige Steigerungen spielen, die aber dann dennoch das Stück mittragen und mir neue Einblicke und Sichtweisen ermöglicht haben. Auf jeden Fall eine Interpretation (V. Satz), die nur ein Meister wie Furtwängler wagen kann, ohne zu scheitern.


    Ungewohnt, aber dennoch :jubel: :jubel:

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

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  • Zitat

    Zitat von Frank Georg B.:
    Danke für den Hinweis auf den frühen KARAJAN , der mir am überzeugensten zu sein scheint ( ausser der 6. Symphonie ) .


    Lieber Frank und Beethoven-Freunde,


    wir haben noch eine kleine Rechnung offen. Das o.g. Zitat führtest Du kürzlich im Beethoven/Leibowitz-Thread an.


    Du nanntest als deine Favoriten Giulini und Böhm. Aber warum gefällt Dir Karajan weniger ? Auf welche seiner Aufnahmen bezieht sich Dein Zitat ?



    Bei der Durchsicht dieses Threads ist mir aufgefallen, das die Einen die letzte Karajan - Aufnahme (DG, 1984, DDD) auf höchste schätzen und als Referenz bezeichnen (ich führte diese auch im Leibowitz-Thread als eine meiner Favoriten an), --- die Anderen aber wenig bis gar nicht schätzen.


    Glockenton hatte im Sommer 2009 hier eine sehr schöne Gegenüberstellung von verschiedenen Aufnahmen vorgenommen und dort seine persönlichen Eindrücke geschildert. Karajan kommt in einigen Sätzen bei ihm auch nicht immer einwandfrei weg; aber insgesamt passabel, denn er ist einer der wenigen, die weder ganz ablehnend noch ganz zustimmend waren.


    So wie Alfred sehe ich das auch:

    Zitat

    Karajan ist einer der wenigen, wo das Gewiitter richtige "Blitze" schiesst. Da ist nichts Verbindliches mehr da, Karajans oft geprügelter "Weichspüler" kommt hier nicht zur Anwendung. Und daß die Dynamik fast alle anderen Aufnahmen (in dieser Beziehung, und an dieser Stelle) blass aussehen lässt kann man Karajan ja nicht ernstlich vorwerfen (?)


    Alfred bezieht sich auf die Aufnahme DG, 1984. Diese ist in allem Sätzen eine der Schnellsten. Ich finde angemessen und nicht überhastet wirkend.
    "Mehr Empfindung als Malerei" - so stelle ich mir das klanglich vor; bei Karajan einmal mehr zupackend und nirgendwo im Langeweile verfallend.
    An der durchsichtigen und natürlichen Klangtechnik habe ich bei meiner DG-CD-Einzelausgabe (mit dem goldenen Strahlen-Emblem) nichts auszusetzen.


    :hello: Die Frage nach Karajan bei der Pastorale ist nicht nur an Frank gerichtet.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Auch ich schätze die "Pastorale" unter Karajan außerordentlich. Wie bereits richtig angemerkt, gewittert es hier richtig. Zwischen der 70er- und 80er-Aufnahme sich zu entscheiden, ist schwierig, die 60er kenne ich nicht.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Auf youtube
    gibt es übrigens das Gewitter mit Old Klemp, hier schon "very old", aufgezeichnet im Mai 1970 live von der BBC anlässlich seines letzten Beethovenzyklusses.
    Klemp Pastorale Sturm/Gewitter


    Ansonsten empfehle ich bei der Pastorale ein genaueres Hören bei
    - Cluytens (Mono oder Stereo) mit den Berlinern
    - Klemp mit den Berlinern Live 1964 oder Live 1956 in Amsterdam.
    - Karajan 1962,
    - Vater Kleiber (Köln oder Amsterdam) und neuerdings
    - Järwi.


    Gruß S.

    Einmal editiert, zuletzt von s.bummer ()

  • Hallo,
    habe soeben mir die seit ca. 20 Jahren im Regal dahinstehende Aufnahme der Pastorale unter Jochum Concertgebouw (Philips) hervorgeholt.
    Das Orchester ist wirklich super!
    Und die Aufnahme an sich ist nicht schlecht. Nur irgendwie reißt sie mich nicht vom Hocker.
    Sondern zu dem Kommentar, dass die beiden ersten Sätze sehr betulich daherkommen, das Gewitter ganz klar in den Alpen zu lokalisieren ist, denn so knallt es bei uns im Norden nicht! Schon garnicht in Holland.
    Und zum Hirtengesang wird eher Derbes gereicht, Apfelschnaps eher als Wein.
    Aber es ist wenigstens flüssig. Und die Geigen aus Amsterdam (waren es nicht mal Tulpen??) retten die Veranstaltung.
    Dennoch kein Vergleich zu Old Klemp 1956 mit demselben Orchester.
    (Music and Arts)
    Gruß S.

  • Ein :hello: an teleton und all die anderen Gesprächsteilnehmer!


    Bestünde die Pastorale nur aus dem Gewitter, dann müsste Karajans Version ( wie ich finde: die letzte) für mich die Nr. 1-Interpretation sein.


    Da die Symphonie aber auch aus anderen Sätzen und Affekten besteht, muss ich in meine Gesamtbeurteilung ja auch alle möglichen anderen Aspekte miteinfliessen lassen.


    Vor einigen Monaten hörte ich noch einmal Wands Aufnahme ohne Unterbrechung durch



    und hatte dabei auch meinen Vergleichsbeitrag und andere Beiträge dieses Threads "im Hinterkopf".


    Ich muss ehrlich sagen, dass ich auf die starke emotionale Bewegung, die bei mir entstand, nicht vorbereitet war.
    Als ich diese Symphonie in dieser Interpretation hörte, hatte ich von vorne bis hinten das Gefühl, dass ich mich im Beethoven-Glück befinde.
    Mir fehlte nichts und gleichzeitig übererfüllte diese Interpretation in vieler Hinsicht meine hohen Erwartungen, so dass es mir niemals langweilig wurde. Das ist einfach unglaublich stimmig, was da zu hören ist.
    Mein Eindruck war, dass das, was dieses Werk wirklich aussagen möchte, durch diese wahrhaft künstlerische und seriöse Art des Musizierens sehr direkt und unmittelbar bei mir ankam.
    Ich hörte sozusagen Beethoven, nicht Wand oder sonst einen Interpreten, der sich zwischen den Komponisten und mir schob.
    Auch und wahrscheinlich gerade dadurch konnte die Musik mich derart berühren.


    Dies ist also für die Sechste meine Lieblingsaufnahme :hello:



    Es folgt dicht von der Interpretation, aber -sehr leider- nicht vom Klang her wahrscheinlich diese Furtwängler-Einspielung:



    Bei Furtwängler klingt die Pastorale herrlich dichterisch und "unsportlich", um einen Begriff Alfreds aus dieser Diskussion hier aufzugreifen, und durchaus auch romantisch. Ich finde das für dieses Werk sehr passend, ganz unabhängig von irgendwelchen HIP-Überlegungen.


    Für die Fünfte gelten da für mich andere Prioritäten: Da sollte es drängend, grossartig, formbewusst ( grosse Zusammenhänge. Spannungsbögen) und strahlend klingen - da komme ich um den im Vergleich zu anderen Dirigenten seiner Zeit "sportlichen" Karajan ( hier für mich auch am liebsten die letzte Einspielung) einfach nicht herum.
    Aber das steht ja auch schon im anderen Thread....


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Die Pastorale mit Karajan ...


    Ich möchte nicht soweit gehen und sagen er kann es nicht, aber bei 25 verschiedenen Pastorale-Aufnahmen stand nur hinter einer: Pastorale zum Mitschreiben, als hätte "er" sie für ein Musikdiktat für Konservatoristen dirigiert. An Klarheit und Genauigkeit ist diese Aufnahme nicht zu übertreffen. Kapellmeisterliches Lehrstück. Mit "er" ist nicht Karajan, sondern Prof. Dr. jur. Karl Böhm gemeint. Diesem Urteil eines Rezensenten schließe ich mich gern an. Es gibt nicht wenige, die das für den gesamten Zyklus (Aufnahme mit den Wienern 1970) so sehen. Bei der "Fünften" würde ich jedoch Abstriche machen. Die ist m.E. so wie sie mir rüberkommt, bei der Vielzahl der neueren Aufnahmen vom Zeitgeist überholt.


    Grüße aus Burgdorf


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Trotz Järvi, Herreweghe und Carlos Kleiber bleibt Böhm für mich erste Wahl bei der Pastorale. Heute mal wieder eine ganz alte Aufnahme gehört, Bamberger Sinfoniker unter Keilberth. Sehr interessant.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Trotz Järvi, Herreweghe und Carlos Kleiber bleibt Böhm für mich erste Wahl bei der Pastorale. Heute mal wieder eine ganz alte Aufnahme gehört, Bamberger Sinfoniker unter Keilberth. Sehr interessant.


    LG, Bernward



    Hallo Bernward,
    Schön für dich. Ich hhabe da mal eine persönliche Frage. Wie läuft das bei dir mit deiner Musikauswahl? Hast du eine riesen Sammlung und guckst die mal so durch, pickst dir dann eine heraus oder hörst du gezielt?



    Vielleicht schreibst du auch mal was zur Substanz der Musik, was macht die Symphonie z.B. aus? Sind es die Effekte die begeistern ? Siehst du die Symphonie als Programmmusik?



    Viele Grüße Thomas

  • Hallo Thomas,


    die Sammlung besteht tatsächlich aus rd. 6500 CD's und etwa 300 DVD's, das ist richtig. Aber nur hin und wider greife ich in die Regale, manchmal um mit sogenannten Referenzen lt. fonoforum, die Zeitschrift lese ich seit 1968, Vergleiche anzustellen. Eine Vielzahl von Aufnahmen sind inzwischen oder schon lange vergriffen, so auch die von mir im Posting erwähnte Aufnahme von Keilberth. In der Regel befasse ich mich aber nur mit dem Anhören neuer Aufnahmen, die ich mir von unseren Werbepartnern zulege. Das ist immer noch zu viel, meint meine bessere Hälfte. Zur Frage der Substanz und der Interpretation habe ich mich in der Tat kurzgefasst. Das liegt zum einen daran, das hier im forum fast alle Aufnahmen bereits auf hohem Niveau beschrieben wurden und das von Usern, die weitaus mehr als ich etwas davon verstehen. Ich kann zwar die Dauer der einzelnen Sätze anhand der Angaben vergleichen, vermag aber nicht zu sagen, ob der Komponist das genau so wollte. Die erfrischenden neuen Aufnahmen, zB. von Järvi und Herreweghe, um nur zwei zu nennen, gefallen mir wegen der Frische und weil sie so ganz anders klingen als Furtwängler und Co. Im Übrigen bevorzuge ich, auch wegen meiner Anlage, Aufnahmen, die klanglich hervorragend sind. Die Zeit der Knacker und Rumpler ist vorbei, wenngleich ich einräume, dass die LP mit einem hervorragenden Tonabnehmersystem auch seine Meriten hat. Fazit: Ich habe viel Wand in Hamburg gehört, auch HvK und Solti in Berlin. Live ist live!


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Die Böhm-Aufnahme der "Pastorale" (DG, Wiener Philharmoniker) ist leider die langweiligste und belangloseste Aufnahme, die ich von diesem Werk kenne. Wie die zu einer Lieblingsaufnahme werden kann, ist mir völlig schleierhaft. Ein derart uninspiriertes, biederes und lahmes Musizieren kommt mir selten unter - aber Böhm schaffts immer wieder!


    Aber zum Glück gibt es Cluytens, Monteux, die beiden Kleibers, Scherchen, Gielen, Toscanini, Markevitch. Da hört man, was inspiriertes, durchdachtes und spannendes Dirigieren ausmacht.



    Agon

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
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