Billig, billiger, am billigsten

  • Zitat

    Im Grunde zeigt doch der starke Preisverfall bei Klassik-CD´s, dass die Grosse Kunst nicht mehr so geschätzt/und unterschätzt wird, wie noch vor wenigen Jahren.

    Manchmal sehe ich das auch so - Aber wahrscheinlich ist es falsch.
    Um 1962, als Karajan seine Beethoven-Sinfonien in Stereo auf den Markt brachte, gab es nicht allzuviel Konkurrenz. In Österreich kannte man vielleicht noch die Aufnahmen unter Konwitschny - aber ich bin mir nicht mal sicher ob sie in Stereo verfügbar waren (ich rede hier nicht davon ob sie stereophon AUFGENOMMEN wurden - sondern ob man sie in Stereo KAUFEN konnte) und natürlich jene unter Bernstein. Fricsays Aufnahme war zumindest nicht komplett in Stereo- damals ein Todesurteil für eine Aufnahme. Mag sein - daß es da noch ein paar weitere Aufnahmen am Markt gab, Relevanz hatten sie indes nicht. HEUTE- mehr als 50 Jahre später gibt es ZIG Aufnahmen des Zyklus am Markt - inklusive der ganz alten Einspielungen, wobei die Karajan Aufnahme noch immer einen bedeutenden Marktanteil stellt - eigentlich sollten wir ja alle 3 DGG Aufnahmen erwähnen - und bei EMI gibts eine weitere. Da ist es klar, daß der Preis verfällt - Das Angebot ist einfach riesig, bzw höher als die Nachfrage.....
    THEORETISCH sollten die Konsumenten den neuesten Aufnahmen den Vorzug geben, aber die derzeitige Generation kann mit einem Personenkult nicht mehr wirklich viel abfangen. Die neuen Aufnahmen sind einfach nicht "LEGENDÄR" - eine Lichtgestalt wie Herbert von Karajan nicht wirklich in Sicht.....



    Zitat

    Die Nachfrage ist einfach nicht mehr so gross. Das sieht man auch daran, wieviel Klassikabteilungen und Klassik-CD-Geschäfte verschwinden.

    Auch hier ist der Preisverfall hauptsächlich schuld. Elitäre Produkte verlangen einfach eine Hochpreispolitik.
    Wenn die Klassikkunden heute dieselbe Menge an Musik einkaufen, wie vor 30 Jahren, so bleibt natürlich auf Grund des Preisverfalls weniger hängen - bei hohen Mieten und stets steigenden Gehältern (die dennoch zu niedrig sind)


    Dazu kommt noch, daß die Industrie heute andere Erwartungen an Gewinne hat, als vor 30 oder 40 Jahren.
    Man möchte "Schnelldreher" im Sortiment - und möglichst eine Verdoppelung des eingesetzten Kapitals pro JAhr. Das kann und will der Klassikmarkt einfach nicht bieten.........


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Schallplatten waren schon in den 1960ern ein Massenprodukt. Eine Klassik-CD ist genauso ein Massenprodukt wie ein Pop-CD, auch wenn sie vielleicht mal 20% mehr kostet.


    Ein "elitäres" Produkt ist ein getuntes Auto, ein Maßanzug, ein Logenplatz an der Scala oder ein persönlich angefertigtes Schmuckstück. Bei solchen exklusiven Gütern kann man Preise vielleicht (künstlich) hochhalten. (Es kann hier den seltenen Effekt geben, dass ein Gut je teurer, desto nachgefragter wird, eine Art Umkehrung der normalen Angebot/Nachfrage-Dynamik.)


    Bei Produkten dagegen, die einmal relativ hohe Produktionskosten haben, bei denen dann aber jedes weitere Exemplar (wie die zehntausenderste gepresste CD einer Aufnahme) kaum weitere Kosten verursacht, muss man versuchen, so viele Exemplare wie möglich loszuschlagen.
    Das genau ist ja heute das "Problem". Spätestens bei Downloads sind die Kosten eines weiteren Exemplars annähernd null (es gibt natürlich Fixkosten wie Server usw., aber die gibt es im Ladenvertrieb ebenfalls, dort normalerweise höher). Daher sieht der Kunde nicht ein, dafür so viel zu bezahlen wie früher, obwohl damals natürlich auch die Produktionskosten höher waren als Herstellung, Vertrieb usw.


    Bei Tonträgern ist eigentlich erstaunlich, dass das überhaupt so lange gelungen ist, den Preis hochzuhalten. Mal abgesehen davon, dass LPs (und später CDs) in den USA schon immer erheblich günstiger waren (vermutlich ein Skaleneffekt). Die Käufer haben Mitte der 1980er mehr oder minder klaglos akzeptiert, dass ein Tonträger plötzlich beinahe doppelt so teuer (30-40 DM statt ca. 20) sein sollte. Das ging etwa 10-15 Jahre lang gut, dann war es vorbei und seither sinken die Preise nicht nur inflationsangepasst.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Was elitär ist oder besser: vorgibt, elitär zu sein, wird ja auch in einem nicht zu gering einschätzenden Maße von der Werbung mitbestimmt. Heute wird einem durch die Werbung suggeriert, ein VW Phaeton sei elitär. Noch vor 30 Jahren hätte man einen ausgelacht für den Versuch, einen Volkswagen (nomen est omen) als Luxusklasse-Auto anpreisen zu wollen. Das war im deutschen Raum einzig und allein Mercedes-Benz (sieht man mal vom Sonderfall Porsche ab; BMW und Audi waren erst im Kommen), ansonsten Rolls-Royce, Bentley und Jaguar/Daimler. Gehen wir weiter. Heutzutage scheint es in Deutschland auch ein Faktum zu sein, dass man Anzüge von Boss als das Nonplusultra ansieht. Das ist natürlich sehr geschickte Vermarktung, durch welche diese oft kastenförmigen und schlecht sitzenden Mittelklasse-Anzüge künstlich aufgebauscht werden. Von Savile Row haben die meisten Leute vermutlich in ihrem Leben noch nichts gehört. Sog. "modische" Schnitte, die drei von 100 Männern wirklich passen, dominieren das heutige Straßenbild: viel zu kurze und eng taillierte Sakkos mit fürchterlich mickrigen fallenden Revers; dazu Hosen, deren Bund sich fast schon unterhalb des Gesäßes befindet. Die Jugend fliegt aber drauf und meint, in einem schwarzen Boss-(Tages-)Anzug (am besten noch mit "passendem" schwarzem Hemd) elitär auszusehen. Jeder Kenner wird darüber nur schmunzeln können. Das könnte man jetzt fortsetzen bei Düften von Gucci oder Armani, die natürlich keine Chance haben gegen klassische Herrendürfte, etwa von Geo. F. Trumper, ein Name, der den heutigen echten und angeblichen Neureichen, die elitär sein wollen, vermutlich im Leben noch nie begegnet ist. Weitere Beispiele wären Schuhe oder Uhren, wo man wieder Boss und natürlich Rolex anführen könnte. Wiederum Marken, die ein wahrer Kenner der Materie höchst kritisch bis überaus ungnädig beurteilen dürfte. Billig sind diese neumodischen "Eliteprodukte" im übrigen oft gar nicht, ganz im Gegenteil. Aber soll ein jeder nach seiner Façon selig werden. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Werter Joseph II.,


    wahrlich, ein echter Arbiter elegantiarum! Die Ausführungen treffen sehr gut die Differenz zwischen "Style" (im Ruhrgebiet gerne: Schteil) - und Stil.


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Da es sich um Papphüllen handelt, würde mich allerdings ziemlich wundern, wenn ein professioneller Händler so etwas machen würden.

    Mich hat das - ehrlich gesagt - auch gewundert, aber sie machen es. Ob es sich hierbei um Reklamationen handelt z.B. wg. fehlender oder falscher CD weiß ich natürlich nicht, aber das müsste dann ziemlich oft vorkommen. Derzeit bieten sie mindestens 5-6 Boxen in Einzelteilen an. Die Papphüllen werden noch mit Softbags versehen.

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  • Bei Ebay gibt es jedenfalls einen, der seit Monaten einzelne aus den RCA living stereo, Sony Vivarte und noch ein paar eher labelzentrierten Boxen anbietet. Wie gesagt, habe ich den Fricsay noch nicht gesehen; diese Box ist aber auch noch relativ neu.


    Die besagte Box aus den 90ern wird übrigens gebraucht immer noch angeboten:


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zum Thema "Elitärer Artikel Schallplatte" - Ich rede natürlich von KLASSISCHER Schallplatte. Und ich rede von VOLLPREIS Schallplatte. Was anderes hats es ja - von Samplern nicht gegeben. Eine Opern-Gesamtaufnahme (3 LPs) kostete damals etwa 20 % eines Brutto- Monatsgehalts eines kleinen (jungen) Angestellten, eine mit 4 LPs natürlich entsprechend mehr.
    Die Karajan Box mit den Beethoven Sinfonien war ein beliebtes Weihnachtsgeschenk und üblicherweise in dieser Jahreszeit nur sicher zu haben, wenn man sie vorbestellte.
    Die Preise waren deshalb so stabil, weil man als Konsument keine Wahl hatte, wenn man die Aufnahmen eines bestimmten Künstlers haben wollte, die man hatte mit den "ganz Großen" natürlich Exklusivverträge abgeschlossen. Diese Gepflogernheit hat man später als zu teuer wieder aufgegeben. Heute kehren manche Plattenfirmen reumütig wieder zu dieser Strategie zurück...



    Zitat

    klassische Herrendürfte, etwa von Geo. F. Trumper,

    OT-Anfang: ...kenne ich nicht nur, sondern habe jahrelang deren Duftnote "Wellington" benutzt - der seit 1876 erzeugt wird.
    Die Legende, daß der Duft für Lord Wellington selbst kreiert wurde ist somit widerlegt und als solche zu betrachten.
    OT -Ende


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ach, wenn wir schon dabei sind: auch hier lässt uns der Werbepartner nicht im Stich! :D




    http://www.amazon.de/Geo-F-Tru…ton-Cologne/dp/B001N9O3RI

    wobei sich auch da die Frage stellt, ob ein Duft, wenn er bei amazon erhältlich ist, noch elitär ist, oder durch diesen Vertriebsweg profanisiert wird... :pfeif:


    Dazu noch eine Anmerkung genereller Art: ich schaue gerne auf Qualität, lege jedoch keinen Wert darauf, aus Prestige-Gründen als elitär gelten zu wollen - ich will auch gar nicht ein einsamer, elitärer Mensch sein - im Gegenteil, je mehr andere Menschen ich für Gehaltvolles begeistern kann, desto besser ist es doch.

  • wobei sich auch da die Frage stellt, ob ein Duft, wenn er bei amazon erhältlich ist, noch elitär ist, oder durch diesen Vertriebsweg profanisiert wird... :pfeif:.


    Ja, das Wellington kenne und liebe ich auch, es gibt aber noch drei andere Sorten (Astor, Curzon, Marlborough), die ich mal in Miniproben hatte. Alle sehr empfehlenswert, aber das Wellington halt primus inter pares für mich. (Es gibt scheinbar noch die [mittlerweile eingestellten?] Linien Wild Fern und Silvester.)


    Was das mit Amazon anbelangt: Das geht nicht direkt über Amazon, sondern hier hat ein deutscher Herrenduft-Anbieter offensichtlich in großer Stückzahl importiert und vertreibt es nun über Amazon. Der Preis von 51 EUR ist, nebenbei gesagt, sehr günstig: Bei Trumper selbst ist es mit 45 Pfund (z. Zt. ca. 56,81 EUR) gelistet.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Alfred Schmidt: Zum Thema "Elitärer Artikel Schallplatte" - Ich rede natürlich von KLASSISCHER Schallplatte. Und ich rede von VOLLPREIS Schallplatte. Was anderes hats es ja - von Samplern nicht gegeben. Eine Opern-Gesamtaufnahme (3 LPs) kostete damals etwa 20 % eines Brutto- Monatsgehalts eines kleinen (jungen) Angestellten, eine mit 4 LPs natürlich entsprechend mehr.


    Als ich noch in jugendlichem Leichtsinn regelmäßig zum Plattenkauf ins Kölner SATURN fuhr, bezahlte ich im Schnitt für eine Gesamtaufnahme mit 3 LP um die 60 Euro (z. Bsp. DECCA, RCA Import). Waren es dann mehr als eine Box, wurde es richtig teuer.

    W.S.

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  • Ich gebs auf. Dass LPs anfangs deutlich teurer waren (spätestens in den 1970ern gab es auch preiswertere) Reihen, hat nichts damit zu tun, dass im Verhältnis die meisten Kosten bei der Produktion anfallen und jede zusätzliche LP die Gesamtkosten kaum mehr erhöht. Das ist bei CDs noch viel extremer, weil sie inzwischen weit preiswerter in der Herstellung sind als es LPs waren. Die Produktionskosten sind aber eher gestiegen, weil Gehälter im Verhältnis höher sind als vor 50 Jahren.
    Wie man sich weiter einreden kann, man sollte CDs als "Luxusgut" verkaufen und dann würde man auch mehr damit verdienen, ist mir schleierhaft. O.g. Mechanismus kann man so nicht außer Kraft setzen.
    Wir erleben gerade eine Kombination aus diesem Mechanismus und einer Marktsättigung. Letztere wegen eines Überangebots, nicht zuletzt aufgrund des Backkatalogs und eines stagnierenden oder sogar leicht schrumpfenden Interesses der Käufer an klassischer Musik. Deswegen gibt es diese preiswerten Boxen. Mich wundert eher, dass Vollpreis-CDs noch so viel kosten; hier sieht man es allerdings bei Mehrfachsets, die fast immer auch bei Neuerscheinungen deutlich billiger sind.

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    (Bob Dylan)

  • Es ist ja auch nicht so, dass es grundsätzlich einen Preisverfall bei CDs gibt. Das trifft ja nur auf diese Multi-CD-Boxen zu, mit denen uns letztendlich nur Dinge verkauft werden sollen, die wir eigentlich schon haben (s. Callas Remastering). Wenn mir noch 5 oder 6 Fricsay CDs fehlen, dann bin ich bei einem Preis von € 85 vielleicht bereit, noch mal diese Box zu kaufen, obwohl ich die anderen 60 CDs schon habe, weil ich sonst nicht an diese fehlenden CDs komme oder sie einzeln für teures Geld mühsam zusammensuchen muß.


    Wo der Markt doch recht stabil ist, ist bei neuen Einspielungen von neuem Repertoire. Firmen wie BIS, Hyperion, Ondine etc halten ihre CDs sehr lange im Hochpreissegment (mal von einigen kurzfristigen Aktionen beim Werbepartner abgesehen). Dass das bei der 367. Aufnahme des Mendelssohn Konzertes nicht funktioniert, sondern dass das Teil verschleudert wird, nachdem die unmittelbare Fangemeinde des Künstlers bedient wurde, ist nachvollziehbar.

  • Klar, bei den Riesenboxen kommt dazu, dass die, wie oben gesagt, ihr Geld schon lange eingespielt haben müssen und keine Produktionskosten mehr anfallen. Für Neuproduktionen gilt das nicht.
    Aber die sind, da die Preise seit bestimmt 15 Jahren sich nominal kaum verändert haben (es sind schon ewig ca. 16-21 EUR) real auch günstiger geworden. Und sie fallen sehr oft viel schneller in günstigere Preisbereiche, sei es auch nur für vorübergehende Sonderangebote. Neue Boxen sind meistens erheblich günstiger als früher. Buchbinders Beethovensonaten kosten ca. EUR 40; noch vor 15 Jahren hätte eine neue 9-CD-Box vermutlich umgerechnet 80-100 EUR gekostet (wenn auch keine 150 wie 9 einzelne Vollpreis-CDs)
    Es gibt doch schon ziemlich krasse Fälle. Die Beethovenquartette mit dem Belcea Quartett kamen gleich als Teilboxen zum "midprice" heraus und nach nicht einmal zwei Jahren kostet die Komplettbox so viel wie die einzelnen (35-40), also liegt sie im Niedrigpreisbereich mit nur EUR 4/CD.


    Als ich 1990 meine erste GA der Beethovenquartette kaufte, gab es an neuen Digitalaufnahmen im wesentlichen zwei Optionen: Das ABQ auf EMI kostet knapp 300 DM für 9 oder 10 CDs und das Melos-Quartett auf DG kostete DM 150 für 9. Das war eine Art Dauer-Sonderangebot wegen des 25jährigen Bestehens des Ensembles. Sonst hätte die auch mindestens 250 gekostet. Vermutlich hätte es eine ältere Aufnahme noch günstiger gegeben, aber ich weiß keine; es war auch kein so großer Plattenladen und die Verkäuferin sehr überrascht, dass ein 18jähriger überhaupt so etwas kauft (sie fragte mich, ob ich selbst Quartett spielen würde, was nicht der Fall war).
    Klar, damals konnte man die Preise für das noch neue Medium nehmen, dazu kam, dass vieles noch nicht auf CD erhältlich und so die Auswahl insgesamt geringer war.

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  • Wie auch immer - wer eine Furtwängler-CD für 99 Cent ersteht, hat etwas inhaltlich sehr Hochwertiges ergattert. Was man in der Regel von dem Wein, für den Menschen in Deutschland durchschnittlich 2,99 Euro pro Flasche investieren (siehe http://blogs.stern.de/easydrinking/geiz-ist-ungeil/), wohl eher nicht behaupten kann. Aber das Wein-Pendant zu einem Furtwänglerkonzert wäre auch deutlich älter und preislich in ganz anderen Gefilden angesiedelt. Na dann - wohl bekomms!


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Ich habe schon manche hochwertige Aufnahme zum Schnäppchenpreis im An- und Verkauf oder sogar auf dem Flohmarkt erstanden und sehe darin keine Abwertung dieser Aufnahmen. Sicherlich hat der Verkäufer häufig keine Ahnung von dem wahren Wert der Aufnahme, aber die gewinnt doch dadurch an Wert, dass sie in die Hand eines Liebhabers gerät. Wo kommen denn diese Aufnahmen häufig her? Sie stammen doch häufig aus Haushaltsauflösungen verstorbener Musikliebhaber, deren Erben selbst keine Beziehung zu den Werten haben. Da werden sie häufig zu geringen Preisen verramscht - und der echte Liebhaber freut sich.
    Ich selbst war bis vor noch nicht allzu langer Zeit froh, auf diese Weise meine Sammlung an CDs ergänzen zu können und hätte mir eine Sammlung von nahezu 1000 CDs mit eigenen finanziellen Mitteln kaum zulegen können, wenn ich immer den echten Preis hätte bezahlen müssen.
    Bei uns gibt es z.B. in der Kirchengemeinde ehrenamtliche Helfer, die für eine Jugendtagestätte sammeln und dafür einmal in der Woche den ganzen Tag in einem Verkaufskeller sitzen und die ihnen von Gemeindemitgliedern übergebenen Sachen (Kleidung, Geschirr, Bücher, Schallplatten) für kleines Geld wiederverkaufen und so das Geld für Aufbau und Erhaltung zusammenbringen. Da findet man manche hochwertigen Sachen, die durch den Verkauf an Liebhaber dann doch aufgewertet werden.
    Wie wir z.B. von der Familie Harald Krals, der ein großer Sammler war, gehört haben, hat er viele Tausende CDs noch in Originalverpackung zu Hause liegen. Er selbst hat vor seinem Tode noch weniges davon verschenkt oder zu kleinen Preisen (etwa auch für 1 €) verkauft. Die Familie kann den gesamten Schatz noch garnicht überblicken. Und was fängt die Familie - auch wenn sich darunter ein Liebhaber befindet, der solche Sachen - wie z. B. ich - zweckentsprechend verwenden will, mit solch einer Sammlung an, die wohl niemand in seinem ganzen Leben vollständig hören kann, abgesehen davon, dass wohl jeder auch seinen eigenen Musikgeschmack hat. Ein Großteil davon wird dann auch wohl zu kleinen Preisen verkauft werden. Schmälert das - wie Rheingold meint - deren Wert?
    Für mich hat manches dieser Schnäppchen auch noch einen besonderen Wert gehabt. Ich habe dadurch manchen Komponisten oder manches Werk kennen gelernt, das ich mir wohl zum Normalpreis nicht gekauft hätte und meinen musikalischen Horizont dadurch erheblich erweitern können.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

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  • Auch wenn das etwas zynisch klingen mag: Nachlässe dürften eine weitere Quelle sein, die den Gebrauchtmarkt für Privatverkäufer frustrierend und für Schnäppchenjäger attraktiv macht. Nicht wenige Sammler haben in den 1980ern LP-Bestände durch CDs ersetzt bzw. CD-Sammlungen aufgebaut und kommen jetzt in ein Alter, in dem die Wahrscheinlichkeit des Ablebens oder jedenfalls des Umzugs in eine kleinere Wohnung, Seniorenheim o.ä. steigt. Die Erben haben in vielen Fällen weder Platz noch Sinn für diese Sammlungen; es freut sich der professionelle Aufkäufer, der erstklassig erhaltene CDs zu hunderten oder tausenden en gros billig ankaufen kann...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
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    (Bob Dylan)

  • (...) Nicht wenige Sammler haben in den 1980ern LP-Bestände durch CDs ersetzt bzw. CD-Sammlungen aufgebaut und kommen jetzt in ein Alter, in dem die Wahrscheinlichkeit des Ablebens oder jedenfalls des Umzugs in eine kleinere Wohnung, Seniorenheim o.ä. steigt. Die Erben haben in vielen Fällen weder Platz noch Sinn für diese Sammlungen (...)

    Was ist das für eine lebensnahe Aussage? Kannst Du in meinen Kopf gucken? Meine Gedanken lesen?


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    .


    MUSIKWANDERER

  • Was ist das für eine lebensnahe Aussage? Kannst Du in meinen Kopf gucken? Meine Gedanken lesen?

    Na, dieser Gedanke kommt mir in der letzten Zeit auch öfters, obwohl ich (hoffentlich) noch ein paar Jährchen Zeit habe mit dem Umzug. CDs kann man ja auch noch recht viele mitnehmen in eine kleine Wohnung, aber was ist mit LPs?

  • Es ist ja so - und das geht auch aus dem vorher gesagten - auch wenn es manchmal hart am Rande des OT war - gut hervor, daß eben die nächste Generation oder eine andere alte von "Gesellschaft" (der ich dieses Attribut nicht mal zubilligen würde) Werte nicht als solche betrachtet, für sie sind Klassikaufnahmen a priori "Schnee von gestern" - notabene solche die in steinzeitlicher Tontechnik aufgenommen wurden. Wir erleben es ja sogar hier im Forum. Viele Aufnahmen - gar nicht mal so alt - damit meine ich aus dem Stereozeitalter - werden von Forianern abgelehnt, weil sie mit "HIP" oder sonstwas sind. Und das passiert unter "Insidern". Wie soll man von der "breiten Masse" wo zahlreiche "Opinion-Leader" eher bescheidene Ansprüche an Kunst, Kultur, Musik haben - und wenn man sie nach "guter Musik" fragt einen uns unbekannten Interpreten nennen, den wir weder kennen, noch - nach Anhören eines Kurzen Samples - einen Platz in unserem CD-Regal gönnen würden. Insofern hat Rheingold1879 schon recht, wenn er den Niedergang der Kultur beklagt. Aber es gibt immer ein kleines Häufchen von Kennern, das die Fahne hoch hält. Der Rest - auch der Klassikhörer ist eher indolent solchen Entwicklungen gegenüber und nimmt den Niedergang mit einer gewissen Gleichgültigkeit hin - weil das alles ja nicht so wichtig ist.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Insofern hat Rheingold1879 schon recht, wenn er den Niedergang der Kultur beklagt. Aber es gibt immer ein kleines Häufchen von Kennern, das die Fahne hoch hält. Der Rest - auch der Klassikhörer ist eher indolent solchen Entwicklungen gegenüber und nimmt den Niedergang mit einer gewissen Gleichgültigkeit hin - weil das alles ja nicht so wichtig ist.

    Ach, das ist mir alles viel zu elitär und kulturpessimistisch gedacht. Fakt ist, dass heute mehr Menschen den je einen Zugang zu klassischer Musik haben können, wenn sie dies wollen - ohne Klassen- und sonstige finanzielle Schranken - das ist erst einmal ein großer Gewinn!


    P.S.: "Rheingold1879"? Hat der Administrator entschieden, die Eröffnung der Bayreuther Festspiele drei Jahre nach hinten zu verschieben? :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Fakt ist, dass heute mehr Menschen den je einen Zugang zu klassischer Musik haben können, wenn sie dies wollen - ohne Klassen- und sonstige finanzielle Schranken - das ist erst einmal ein großer Gewinn!


    Das mag faktisch ja korrekt sein, doch was nutzt all' dieser paradiesische Zugang ohne Klassenschranken, wenn die Proletarier (und zunehmend leider auch die gebildetern Schichten) aller Länder gar nichts mit dieser klassischen Musik zu tun haben wollen? Wenn das Interesse immer mehr erlahmt? Das Problem ist doch, dass in den Schichten, die einst die Hochkultur quasi schichtenintern an die jeweils nächste Generation weitergaben, dieser Weitergabeprozess zu erheblichen Teilen zusammengebrochen ist. Und die anderen, die den einst 'unterbürgerlich' genannten Schichten entstammen, die haben blöderweise auch nicht plötzlich ihr Herz für die klassische Musik entdeckt, um die zunehmend ausfallenden bürgerlichen Schichten zu ersetzen.


    Grüße
    Garaguly

  • enn die Proletarier (und zunehmend leider auch die gebildetern Schichten) aller Länder gar nichts mit dieser klassischen Musik zu tun haben wollen?

    Abgesehen davon, dass auch "Proletarier" in früheren Zeiten gerne in die Oper oder ins Konzert gegangen sind (teilweise schon in den Zwanzigern alljährlich zu Silvester in Beethovens "Neunte" - gerade Beethoven war bei vielen "Proletariern" sehr beliebt, die Arbeiterkampflieder waren durchaus an seinen Duktus angelehnt und sorgten dafür, dass selbst viel gesungen wurde; es gab auch Arbeiterorchester, vorrangig Blasorchester, es wurde also selbst auch viel musiziert), glaube ich nicht, dass heute so viele Menschen gar nichts mit klassischer Musik zu tun haben wollen. Es war immer eine Minderheit, die das wollte. Trotzdem ist es mir ein Anliegen, möglichst viele Menschen mit klassischer Musik zu erreichen und für klassische Musik zu begeistern. Ob die Verwendung von Begriffen wie "Proletarier" heute wirklich noch sinnvoll ist, sei mal dahingestellt...



    Und die anderen, die den einst 'unterbürgerlich' genannten Schichten entstammen, die haben blöderweise auch nicht plötzlich ihr Herz für die klassische Musik entdeckt, um die zunehmend ausfallenden bürgerlichen Schichten zu ersetzen.

    Ob die "bürgerlichen Schichten" wirklich ausfallen, sei ebenfalls mal dahingestellt, auch wenn das klassische Bildungsbürgertum sicher im Aussterben begriffen ist. Die Gesellschaft ist sicherlich "klassenloser" geworden und der Kulturkonsum wird wie alles andere auch immer fragmentierter, die Gesellschaft ist im Wandel begriffen. Das kann man bedauern (insbesondere dann, wenn man sich einer "höheren Klasse" zugehörig wähnt...), aber nicht ändern!
    Und ob dieser Wandel automatisch das Ende der klassischen Musik bedeuten muss? Ich wage das zu bezweifeln und hoffe und glaube, dass das nicht so ist. :yes:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Die 'Proletarier' waren eine kleine Reminiszenz an längst vergangenes Vokabular - ansonsten gilt: Dein Wort in Gottes Ohr.


    Grüße
    Garaguly

  • Also meine Herren,


    selbstverständlich gibt es das Proletariat noch, genauso, wie es die Bourgeoisie gibt. Und wenn auch dem Proletariat das Klassenbewußtsein ausgeredet worden ist, die Bourgeoisie hat 's noch und wie. Nur gehören halt die meisten, die sich der Bourgeoisie zugehörig wähnen, dieser nicht an, sondern dem Kleinbürgertum und sind damit dem Proletariat wesentlich näher als es ihnen lieb ist. :D


    Nur hat das alles nichts mit Musikgeschmack und Liebe zur Kultur zu tun, denn wenn auch das Kleinbürgertum und die Bourgeoisie auf Grund von Bildung einen besseren Zugang zu den diversen Kulturgütern haben, machen doch nur die wenigsten Gebrauch davon. Warum? Weil sie den gleichen medialen Einfliüssen ausgesetzt sind, wie das Proletariat auch und ihre Klassenzugehörigkeit nicht mehr über den Bildungs-, sondern nur noch über den Kontostand definieren. Ein fetter BMW erwirbt sich halt müheloser, als die Kenntnis und Wertschätzung des Bachschen Kantatenwerkes, man sieht ihn und leichter verständlich ist er auch noch. :D


    Von dem her nun ist es absolut begrüßenswert, dass Tonträger billiger werden, weil sie dadurch klassenübergreifend für mehr Leute erschwinglich werden und dadurch auch eine gewisse Risikobereitschaft unterstützt wird. D.h. Barschais GA der Schostakowitsch-Sinfonien war eine zeitlang eine der meistverkauften Boxen von Brilliant. Meiner Meinung nach hat 's da manch einer erstmal riskiert und ist dann erst auf den Geschmack gekommen.


    Der niedrige Preis nun, so schön er auch ist, kann aber ein ganz ein anderes Problem beinhalten, nämlich die Verfügbarkeit, bzw. Erhältlichkeit: gleich, ob es sich um eine lizenzierte Aufnahme handelt oder um eine Neueinspielung: gibt es davon noch weitere Auflagen oder ist sie weg, wenn sie abverkauft ist?
    In der Regel ist sie dann weg und es bleibt einem nur noch die Hoffnung, sie irgendwann gebraucht zu bekommen (wie es mir mit den Händelschen Orgelkonzerten in der Interpretation von Richter geht, eine alte Teldec-Aufnahme). Und natürlich die Erkenntnis, dass sich Kunst und Kultur im Grunde genommen nicht mit der freien Marktwirtschaft vertragen.


    Abschließend möchte ich noch bemerken, dass ich meinen Lebensunterhalt ausschließlich durch den Verkauf meiner Arbeitskraft bestreite und somit der ehrenwerten Klasse des Proletariats angehöre (schließlich muss ja irgendwer auch noch die Arbeit machen!)


    Viele Grüße
    John Doe
    :hahahaha:

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  • Die These, dass Billigangebote gemacht werden für "Proletarierschichten", halte ich für ziemlich abwegig. Erst einmal kostet eine Udo Jürgens-CD oder die irgendeiner Popgröße bei Neuerscheinen nicht weniger als eine Klassik-Neuproduktion. Zweitens sind Popkonzerte in der Regel sogar erheblich teurer als das staatlich subventionierte Symphoniekonzert. Die These, dass Klassik nur etwas ist für Menschen mit Geld und die große Masse ihr deshalb fernbleibt mangels finanzieller Ressourcen, hat mit der Wirklichkeit nicht das Geringste zu tun. Lieschen Müller ist gerne bereit, für die "leichte Muse" viel Geld auszugeben. Was ist mit den Musical-Tempeln in Hamburg usw., wo gleich die Karte mit Bahn und Hotel angeboten wird für 300 Euro? Das gönnt sich Lieschen Müller gerne, weil es ein Event ist. Auf die Idee, für 12.50 Euro eine Karte fürs örtliche Symphoniekonzert zu kaufen, käme sie dagegen nicht.


    Nein, dass es ein großes Angebot mit Billigboxen gibt, hat keine sozialen, sondern rein ökonomische Gründe. Der Markt ist gesättigt, die Verkaufszahlen sinken. Hochpreis-CDs sind nur noch in seltenen Ausnahmefällen in großen Stückzahlen abzusetzen. Historische Aufnahmen namhafter Interpreten in preisgünstigen Komplettausgaben verkaufen sich dagegen ausnehmend gut. Und sie haben den entscheidenden Vorteil, dass man keine hohen Produktionskosten mehr einholen muß. Die sind alle längst abgezahlt. Man braucht nur ins Archiv zu gehen und die Bänder kopieren und macht Reingewinn. So banal es klingt, mehr steckt einfach nicht dahinter.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Und natürlich die Erkenntnis, dass sich Kunst und Kultur im Grunde genommen nicht mit der freien Marktwirtschaft vertragen.


    Ein sehr wichtiger Satz. Ich vereinfache jetzt mal grob: Wir hatten in der Bundesrepublik mal eine Zeit, die war geprägt von der 'sozialen Marktwirtschaft' (die Neoliberalen geben sich immer alle Mühe, jede Erwähnung dieses Begriffes gleich mit Hohn und Spott zu übergießen, um ihn zu diskreditieren). In dieser Zeit wurde ebenso nach kapitalistischen Gesichtspunkten gearbeitet, gehandelt und gelebt und die Reichen verdienten auch damals ihr gutes Geld - aber es gab in dieser Zeit die Erkenntnis, dass nicht alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens dem 'freien spiel der Marktkräfte' zu überlassen seien, die besonderen Schutzes durch Staat und Gesellschaft bedurften - und dazu zählte der Bereich "Kunst & Kultur". Diese so wichtige wie richtige Erkenntnis gerät heute - nach vielen Jahren marktradikaler Gehirnwäsche - zunehmend in Vergessenheit: Die Ergebnisse in Form von Orchesterfusionen und Theaterschließungen und Kürzungen der Finanzmittel haben uns hier schon oft genung aufgeregt. Auch wenn die Bundesrepublik im Bereich der Kultur noch weit entfernt ist, ein marktradikales Land zu sein, so sind doch Angriffe aus allen Richtungen festzustellen. Was soll werden, wenn erst einmal eine Generation im Land die Macht übernimmt, die weitgehend von diesem Denken durchdrungen ist, der man (auch mittels zusammengestrichenem Musik- und Kunstunterricht schon in der Schulzeit) beibrachte, dass alles, was über den Krämerseelen-Tellerrand hinausreicht, nichts wert ist und somit auch nicht überlebenswert ist?


    Grüße
    Garaguly

  • Die These, dass Billigangebote gemacht werden für "Proletarierschichten", halte ich für ziemlich abwegig.


    Selbstredend sind sie nicht für die 'Proletarier' gemacht, sondern sie sind einzig und allein dazu da, den weniger werdenden Klassikliebhabern (die in aller Regel eben nicht dem sog. 'Proletariat' entstammen) Geld aus der Tasche zu ziehen. Sollte zufällig mal ein 'Proletarier' eine Beethoven-Billig-Box kaufen, wird er natürlich nicht am Kauf selbst gehindert, aber er kommt garantiert gar nicht erst an das Regal heran, in dem diese Boxen stehen, weil er bereits dann, wenn er das Wort "Klassik" über dem Regal liest, einfach weiter geht, da dieses Wort in ihm nichts auslöst als ein unbewusst wahrgenommenes Gefühl der Fremdheit.


    Grüße
    Garaguly


    ANMERKUNG: Die meisten Teilnehmer, die sich zu diesem themenkomplex äußern, verwenden das Wort 'Proletarier' stets in Anführungszeichen (wie ich auch) - das ist ein deutliches Zeichen dafür, wie merkwürdig uns dieser Begriff mittlerweile erscheint.

  • Zwar vermute ich, dass es auch allgemeinere kulturelle Gründe hatte, aber meines Wissens war Begeisterung für klassische Musik "im Volke" bzw. bei einem erstaunlich hohen Prozentsatz der "klassenlosen" Gesellschaft in Staaten wie der Sowjetunion sehr verbreitet. Jedenfalls hat der Sozialismus nicht zu einer Verschlechterung der russischen Pianisten geführt (zusammengebrochen ist da einiges erst nach dessen Ende).


    Ein eher trivialer Punkt ist natürlich, dass die Show-Musicals in den letzten 30 Jahren einen großen Aufschwung erlebt haben und in gewisser Hinsicht vielleicht der Oper Publikum wegnehmen. Für viele in der Generation meiner Eltern stand My fair lady in den 1960ern gleichberechtigt neben der Fledermaus und diese Sachen wurdem im selben Theater gespielt wie die Zauberflöte und Aida. Es gab kaum oder keine Spezialtheater, in denen jahrelang dasselbe Stück lief, zu dem gepilgert wurde. Dass eine bestimmte Klientel sich für diese Sachen (wie Cats, Starlight Express etc.) begeistern lässt, kann man verstehen. Es ist nur inzwischen völlig von der Oper, sogar der Operette oder komischen Oper entkoppelt, daher kein "Einstieg", sondern im Gegenteil eine leichtgängige Konkurrenz für Klassik und Oper!


    Das Problem der Erhältlichkeit scheint theoretisch mit Downloadangeboten gelöst zu sein. Solange man ein halbwegs akzeptables Internet hat. Freilich sind Bezahldownloads noch zu teuer und Streamingangeboten erfordern schnelles Internet (und halten auch gerade bei älteren Aufnahmen nicht alles vor). Aber wenn man etwas sucht, findet man gerade ältere Aufnahmen oft als "graue" private LP-Überspielungen zum Download.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Selbstredend sind sie nicht für die 'Proletarier' gemacht, sondern sie sind einzig und allein dazu da, den weniger werdenden Klassikliebhabern (die in aller Regel eben nicht dem sog. 'Proletariat' entstammen) Geld aus der Tasche zu ziehen.

    Das verstehe ich nicht. Ich ärgere mich eher über überteuerte Einzel-CDs von historischen Aufnahmen, aber doch nicht über preisgünstige Sammlungen von wirklich Bedeutendem (wie Friscay oder zuletzt Abbado), wo man als Sammler froh ist, die Sachen endlich komplett zu bekommen zu einem günstigen Preis und in guter Qualität. Wie lange habe ich auf die DGG-Berman-Box gewartet? Für 40 Euro sind da alle DGG-Aufnahmen (10 CDs) zusammen, von denen etliche vorher gar nicht veröffentlicht waren (Chopin, Prokofieff, Schostakowitsch). Wenn das Angebot meinen Bedürfnissen als Sammler entgegenkommt und fair ist, kann man doch nicht von "Geld aus der Tasche ziehen" reden.



    Zwar vermute ich, dass es auch allgemeinere kulturelle Gründe hatte, aber meines Wissens war Begeisterung für klassische Musik "im Volke" bzw. bei einem erstaunlich hohen Prozentsatz der "klassenlosen" Gesellschaft in Staaten wie der Sowjetunion sehr verbreitet. Jedenfalls hat der Sozialismus nicht zu einer Verschlechterung der russischen Pianisten geführt (zusammengebrochen ist da einiges erst nach dessen Ende).

    Als Horowitz damals nach Moskau kam, standen ganz "einfache" Leute in der Schlange, eine ältere Dame, die unbedingt endlich einmal im Leben Horowitz hören wollte. In Rußland gehört offenbar klassische Musik zur nationalen Identität, besonders die Pianistenschule. Es gab dort auch ein sehr verzweigtes und gut organisiertes Fördersystem zur Zeit der SU, was die klassische Musik wohl breiten Schichten erschlossen hat.


    Schöne Grüße
    Holger

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