Opernforum: Ein Käfig voller Narren?

  • Hallo miteinander,


    auch ich finde es löblich, dass sich viele Opernhäuser bemühen, selten oder sogar seit Jahrzehnten nicht mehr gespielte Werke auf den Spielplan zu setzen. Allerdings möchte ich so eine Oper zunächst einmal so kennenlernen, wie sie ursprünglich gedacht war. Leider ist das so gut wie nie der Fall. Also bleibe ich mit Bedauern zu Hause und beschränke mich auf die Musik, so sie denn erhältlich ist und schalte das Kopfkino an. Ich wäre beispielsweise durchaus interessiert gewesen, mir im vergangenen Herbst in Berlin den "Vasco da Gama" anzusehen. Aber, abgesehen von dem bekannten Papierschiffchen, wieder moderne Klamotten, Koffer und natürlich eine Vergewaltigung, die ja heute kaum noch irgendwo fehlen darf, das alles ödet mich derartig an, dass ich letztendlich darauf verzichtet habe.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Ich hab auch schon häufig überlegt, soll ich in eine Aufführung rein gehen oder nicht . Bei vielen Opern besuchen hätte ich mich hinterher geärgert, wenn ich nicht hingegangen wäre. In NRW gibt es zum Glück einige Opernhäuser, die unbekanntes spielen. Man muss sich nur darauf einlassen. So wie für mich die Inszenierung nebensächlich ist, scheinen für einige Taminos die Sänger nebensächlich zu sein.

  • Hallo Madame Cortese, welch angenehme Überraschung, dich hier anzutreffen!


    Ich stimme dir und Operus ohne Einschränkung zu: Es ist ja inzwischen eine modische Floskel geworden, über die permanente Schrumpfung des Opernrepertoires zu jammern. Inzwischen zieht man mit Ausgrabungen dagegen zu Felde. Leider verfährt man dabei ziemlich wahllos - und erwischt dabei mehr Schrott als Juwelen. Man könnte fast meinen, das sei beabsichtigt, weil bei Stücken, die niemand kennt (und deren Musik langweilig ist), die Regie die Führung übernehmen und sich austoben kann. Die Resultate können dann als Innovation und obendrein als Event vermarktet werden.


    Wenn man das Repertoire wirklich bereichern will, muss man etwas mehr Sorgfalt walten lassen und die Stücke ans Tageslicht befördern, deren musikalische Qualitäten der Mühe wert sind. Wie wäre es denn mit wenig bekannten Opern von Donizetti oder Meyerbeer? Auch der frühe Verdi bietet sich da an, auch Janacek hat noch nicht den gebührenden Platz in den Spielplänen - und für die Barockfreunde auch manches von Händel und Vivaldi. Und, da stimme ich dir gerne zu, Madame Cortese, zum Kennenlernen bitte erst mal werkgerecht, später sieht man weiter.


    Aber mit solchen Überlegungen triften wir schon wieder ab, wenn auch nur zum Nachbar-Thread "Quo vadis, Opera?" Vielleicht ließe sich die Diskussion dort fortsetzen. Wenn es um die Zukunft der Oper geht, ist uns keine Mühe zu groß!


    Auf die Fortsetzung gespannt, grüßt herzlich Sixtus

  • Es ist ja inzwischen eine modische Floskel geworden, über die permanente Schrumpfung des Opernrepertoires zu jammern. Inzwischen zieht man mit Ausgrabungen dagegen zu Felde. Leider verfährt man dabei ziemlich wahllos - und erwischt dabei mehr Schrott als Juwelen.


    Leber Sixtus, brennend würde mich interessieren, welche Beispiele Du uns dazu nennen kannst.


    Dank & Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Von Rossini gibt es einen sehr schönen Othello. Nur braucht man dafür 3 gute Belcanto Tenöre. Von Donizetti habe ich im Concertgebouw Don Sebastian gesehen und war begeistert. Von Verdi hab ich im MIR in Gelsenkirchen i Masnadieri und von Boito Mephistophele gesehen. Oder eine schöne Oper ist Il Pirata von Belini. Oder die Hugonotten von Myerbeer würde ich gerne mal sehen. Nur wenn man eine unbekannte Oper oder selten gespielte Opern sehen möchte, muss man sich auch mal darauf einlassen, das bei der Inszenierung vielleicht nicht alles passt.

  • Oder die Hugonotten von Myerbeer würde ich gerne mal sehen.

    Nur zu, nächste Spielzeit 8x in Berlin, davon die ersten 6x mit Flórez:


    http://www.deutscheoperberlin.de/de_DE/repertoire/1079342#


    (Habe für vier Vorstellungen eine Karte, werde aber wohl nicht an allen Terminen können. Bei "Vasco" hatte ich auch für vier Vorstellungen Karten und habe es dann immerhin 3x geschafft.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Keiner hätte jedoch den Besuch des diesjährigen Künstlertreffens tangiert. Dennoch macht ein anderer, schon lange feststehender Termin meinen diesjährigen Besuch unmöglich. Am 15. Oktober starte ich mit meinem Stammchor die Rückfahrt von einer einwöchigen Chorreise von St. Malo an der französischen Atlantikküste, wobei wir noch eine Zwischenübernachtung an der belgischen Grenze machen werden.
    Es wird mir also leider unmöglich sein, dieses Jahr am Künstlertreffen teilzunehmen. Um so mehr freue ich mich schon auf 2017.


    Liebe Grüße


    Lieber Willi,


    dann kann ich Dir nur schöne Erlebnisse bei Deiner Chorreise wünschen. Wir sehen uns dann spätestens 2017 hoffentlich gesund, munter und nicht weniger aktiv am 14./15. Oktober wieder. Da gibt es es ein für uns ganz besonderes Konzert, weil wir sonst nach Möglichkeit immer mehrere junge Sänger vorstellen. Wir werden 2017 den in die Spitzenklasse aufgestiegenen Bariton Sebastian Holecek mit einem Solo- Programm "Auf in den Kampf" erleben, in dem er Höhepunkte des gesamten Baritonfachs zusammengestellt hat. Ich habe dieses Konzert in Wien erlebt und es dann unserem Präsidium vorgeschlagen und meine Empfehlung wurde akzeptiert. Übrigens bist Du der erste Musikfreund, dem diese Planung mitgetelt wird. Reserviere bitte den Termin bereits heute für den Besuch bei uns.


    Liebe Grüße
    Herzlichst
    Hans

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Rheingold,


    ich hoffe nicht, dass du mich hier aufs Glatteis führen willst, indem du mir Beispiele für Blindgänger bei der Suche nach Ausgrabungen zu entlocken versuchst. Ich muss nämlich gestehen, dass ich mir angewöhnt habe, derartigen Erfahrungen aus dem Wege zu gehen. Und wenn sich die Begegnung nicht vermeiden lassen, weil ich etwas zu rezensieren habe, dann hilft mir mein inzwischen löchriges Gedächtnis über die Runden. Das entwickelt nämlich zunehmend die Fähigkeit, Erfahrungen, die mir lästig sind, schnell wieder zu vergessen. (Überlebensstrategie!)


    Die letzte Begegnung dieser Art, an die ich unangenehme Erinnerungen habe, war Platée, die Opéra-ballett von Rameau, ein Genre, das der Amateurtänzer Louis XIV. in Paris etabliert hat - und das mich abendfüllend gelangweilt hat. Wenn Opern, die ich nicht kenne, im Radio übertragen werden, stelle ich mich dem meistens heroisch, halte allerdings selten bis zum Schluss durch. Das gilt besonders für zeitgenössische Erzeugnisse.


    Andererseits meine ich, dass Opern wie Fürst Igor, Mefistofele, Hugenotten oder Spielopern wie Weiße Dame oder auch Wildschütz zu selten gespielt werden. Aber das ist ja nur mein persönlicher Geschmack und erhebt keinen Anspruch auf Gültigkeit. Doch es könnte als Impuls für dich und andere dienen, das Thema zu vertiefen.


    Herzliche Grüße von Sixtus

  • Die letzte Begegnung dieser Art, an die ich unangenehme Erinnerungen habe, war Platée, die Opéra-ballett von Rameau, ein Genre, das der Amateurtänzer Louis XIV. in Paris etabliert hat - und das mich abendfüllend gelangweilt hat.


    Dass Du Dich bei dieser wundervollen Oper langweilst, sei Dir zugestanden, über Geschmack soll man bekanntlich nicht streiten. Ich langweile mich dafür bei "Wildschütz" und "Martha". Wenn Du dieses Juwel der Barockoper nun allerdings als Beispiel für ausgegrabenen "Schrott" anführen wolltest, dann hättest Du Dich schön zum Narren gemacht und den Titel des Threads damit aufs beste bestätigt. :P

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Ich habe schon oft genug gepostet, dass die Opernhäuser für mich Terra incognita geworden sind, schiebe das hier nur mal so en passant vorweg, damit auch Neulinge wissen mögen, dass ich nur noch hörend Opern genieße. Knuspi schrieb a.a.O., dass er dafür sein "Kopfkino" einschalte und das geht mir genauso.


    Nun zu Sixtus' Problem mit Rameaus "Platee": Das kann ich nur unter dem Gesichtspunkt nachvollziehen, dass man Barockopern entweder mag (allen Herrscher-, Götter- und Sagenthemen zum Trotz) oder man mag sie eben nicht. Ich mag die Musik dieser Epoche und habe infolgedessen keine Probleme damit (dafür würde ich vor jedem modernen Komponisten weit weg laufen! Bei mir findet sich kein Berg, Schönberg, Henze und, und, und. Brrrrr!) Im Gegensatz zu Bertarido wiederum mag ich auch Lortzing & Co.


    Und was nun den Amateurtänzer Louis Quatorze angeht, habe ich mal in einer Biographie gelesen, dass der in jungen Jahren (übrigens mit Giovanni Battista Lully) durchaus professionell ausgebildet wurde. Was aber dem Grunde nach egal ist, denn Ludwigs Untergebene - gleich welcher Coleur, also auch Musiker - waren dienstbeflissen genug, dem "Strahlenden" sozusagen jeden Wunsch zu erfüllen (frei nach dem Motto "er kriegt Zucker in den A.... geblasen und wenn er es will, auch Würfelzucker").


    Lully und Rameau haben tolle Musik komponiert - da kann ich rings um mich her alles vergessen.
    So ist das mit dem Musikgeschmack...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • Lully und Rameau haben tolle Musik komponiert - da kann ich rings um mich her alles vergessen.


    So ist es, lieber Musikwanderer - auch ich kann von diesen beiden nicht genug bekommen :jubel:


    Ich liebe allerdings auch Schönberg und Berg :untertauch: .


    Von Geschmacksfragen mal abgesehen - hier wird man es niemals allen Recht machen können - war der Ausgangspunkt doch die These, dass zu viele eher unbedeutende und vielleicht zu Recht lange Zeit vergessene Werke wieder ausgegraben und auf die Spielpläne der Opernhäuser gesetzt werden und dies zu Lasten des Standardrepertoires ginge. Ich überblicke die Opernszene nicht gut genug, um das wirklich beurteilen zu können. In Städten wie Berlin und München, in denen ich längere Zeit gelebt habe und regelmäßig in die Oper gegangen bin, hatte ich diesen Eindruck allerdings überhaupt nicht. Und bei kleineren Häusern finde ich es durchaus klug, sich mit solchen Neu- oder Wiederentdeckungen zu profilieren, statt mit der hundersten Wagner- oder Verdi-Produktion in Konkurrenz zu den großen Häusern zu treten.


    Ich würde mir sogar öfter unbekanntere Werke auf den Spielplänen wünschen (nicht nur aus dem Barock). Für mich ist das gerade ein Anreiz, in die Oper zu gehen, weil ich neugierig bin.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • dass man Barockopern entweder mag (allen Herrscher-, Götter- und Sagenthemen zum Trotz) oder man mag sie eben nicht.

    Es gibt überall in allen Epochen solche und solche - es gibt Barockopern, die ich sehr mag und immer wieder hören möchte, und es gibt andere, bei denen ich mich frage, ob man die wirklich noch spielen muss (gerade weil vieles sehr ähnlich ist und sich wiederholt), auf die ich also verzichten könnte.


    Bei mir findet sich kein Berg, Schönberg, Henze und, und, und. Brrrrr!

    Zwischen dem "Wozzeck" und den "Bassariden" ist freilich auch ein großer Unterschied, nicht nur wegen der Jahrzehnte, die dazwischen liegen.



    dafür würde ich vor jedem modernen Komponisten weit weg laufen!

    Und was hat der über 80 Jahre tote von dir angeführte Alban Berg mit "modernen Komponisten" zu tun? ;)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich hab´s befürchtet, dass ich mal wieder in ein Wespennest steche. Aber mit Barockopern, besonders mit französischen, habe ich schon immer Probleme gehabt. Sei´s drum! Das ist die alte Geschmacksfrage, die immer subjektiv bleiben wird - und damit heikel.


    Aber unabhängig davon: Ich kann mit dem schrumpfenden Repertoire gut leben. Von dem, was heute gespielt wird, hat sich das meiste über viele Jahrzehnte, teilweise über Jahrhunderte bewährt. Und das hat Gründe, vor denen ich Respekt habe. Meistens hat es auch etwas mit Qualität zu tun. Man denke nur an die beiden Barbiere von Sevilla. Der von Rossini wurde wurde von den Anhängern Paesiellos ausgepfiffen. Genützt hat es ihm nichts, weil der von Rossini um Klassen besser ist, wie ich feststellen konnte. Umgekehrt ist Rossinis Otello fast völlig im Schatten des Verdischen Otello gelandet, obwohl er seine Schönheiten hat. Aber - ich wiederhole mich: Das Bessere ist der Feind des Guten.


    Der Auswahl, die die Geschichte getroffen hat, billige ich eine hohe Trefferquote zu. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber Ausgrabungen, so berechtigt sie grundsätzlich sind, werden heute auch oft mit raffinierter Werbung hochgepuscht. Da bleibe ich lieber im Narrenkäfig der Geschichte, als in den der Moden zu wechseln.


    Trotzdem, auch an alle Andersdenkenden, herzliche Grüße von Sixtus

  • Lieber Rheingold,


    ich hoffe nicht, dass du mich hier aufs Glatteis führen willst, indem du mir Beispiele für Blindgänger bei der Suche nach Ausgrabungen zu entlocken versuchst. Ich muss nämlich gestehen, dass ich mir angewöhnt habe, derartigen Erfahrungen aus dem Wege zu gehen. Und wenn sich die Begegnung nicht vermeiden lassen, weil ich etwas zu rezensieren habe, dann hilft mir mein inzwischen löchriges Gedächtnis über die Runden. Das entwickelt nämlich zunehmend die Fähigkeit, Erfahrungen, die mir lästig sind, schnell wieder zu vergessen. (Überlebensstrategie!)


    Lieber Sixtus, nein, ich wollte Dich nichts aufs Glatteis führen. Warum denn? Wie käme ich dazu? Ich wollte nur wissen, was denn nach Deiner Auffassung und Erfahrung bei den Ausgrabungen der Schrott ist, von dem Du sprichst, Werke also, die niemend kenne und deren Musik langweilig sei. Wie ich finde, ist diese Bemerkung in Beitrag 33 durchaus einer Nachfrage wert. Du hast ausweichend geantwortet, was Dein gutes Recht ist, schließlich dann doch auf Rameaus "Platée" verwiesen. Das wundert mich nun doch. Spätestens seit der hinreißenden Gesamtaufnahme von 1990 bei Erato unter Marc Minkowski sollte doch deutlich geworden sein, dass es sich um ein grandioses Meisterwerk handelt. Das ist 26 Jahre her! Von Ausgrabung kann also keine Rede sein.


    Minkowski sollten Kränze geflochten werden, zumal er sich das Werk auch später wieder vornegnommen hat - mit neuen Erkentnissen. Davon zeugte diese DVD:


    Ich bin froh, dass auch musikwanderer und rodolfo39 bereits vor mir eine Lanze für Rameau gebrochen haben. Ob man nun Barockopern schätzt oder nicht, die Tatsache, dass es sich bei Rameau um einem Meister handelt, liegt nach meiner Übezeugung außerhalb dieser Abwägung - es ist einen Tatsache.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rheingold,


    danke für die überaus überzeugende Erklärung deiner kritischen Nachfrage, einschließlich der zartfühlenden Belehrung. Aber du hast da einen blinden Fleck bei mir aufgespürt. Weil ich mit dem Genre der französischen Barockoper immer Schwierigkeiten hatte (sie hat für mich den parfümierten Geruch höfischer Zeremonie) , habe ich mich auch nicht weiter mit dieser Musik befasst. Erst eine Saarbrücker Premiere hat mich voriges Jahr dazu bewegt, es mit der Materie doch noch zu probieren. Aber eine dämliche Inszenierung hat meine Haltung noch verstärkt. Dass ich dabei ein wenig zu sehr verallgemeinert habe, tut mir leid. Es lag mir fern, jemanden zu verletzen.


    Ich habe durchaus schöne Stellen in der Musik von Rameau gefunden, aber das Stück als Ganzes hat sich mir nicht als Meisterwerk erschlossen. Der Rest ist wohl einfach Geschmackssache. Die Bandbreite meines favorisierten Repertoires ist ansonsten ziemlich breit, und jeder von uns hat seine blinden Flecken.


    Mit herzlichem Gruß


    Sixtus

  • Lieber Sixtus, danke für die Antwort.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich bin kein großer Freund von moderner Musik. Davon hab ich auch keine DVD's im Regal oder auf meinem Notebook. Ich hab mir vor einigen Jahren in Düsseldorf die Premiere von Lulu angetan, aber auch nur wegen Anja Silja. Es war leider die 3 aktige Fassung und die Zeit ging gar nicht rum. Werde mir aber am Mittwoch auf ORF 3 aus Bregenz die Premiere von Hamlet von Franco Faccio, ein Zeitgenosse von Verdi, ansehen. Hab diese Oper vor einigen Wochen auf WRTI Radio gehört und sie hat mir sehr gut gefallen.

  • Von Rameau kenne ich selbst bisher nur "Les Indes galantes", die (ähnlich wie "Hoffmanns Erzählungen) keine zusammenhängende Oper ist, sondern aus einem Prolog und vier unterschiedlichen Bildern (Liebesgeschichten) ist und die mir musikalisch recht gut gefällt. Von "Platée" habe ich nur gehört. Vielleicht eine Idee, sich diese einmal zuzulegen.
    Was die modernen Opern betrifft, lehne ich bei weitem nicht alle ab. So hat mir z.B. von Schostakowitsch "Lady Macbeth von Mzenk" recht gut gefallen, obwohl sie wohl nicht unter meine Lieblingsopern geraten wird. Eine moderne Oper, die mit zu meinen Lieblingsopern gehört, mich in Teilen an Puccini erinnert und die ich im Opernführer beschrieben habe, ist "Marius et Fanny" von Cosma, die erst 2007 uraufgeführt wurde.



    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Was die modernen Opern betrifft, lehne ich bei weitem nicht alle ab. So hat mir z.B. von Schostakowitsch "Lady Macbeth von Mzenk" recht gut gefallen, obwohl sie wohl nicht unter meine Lieblingsopern geraten wird. Eine moderne Oper, die mit zu meinen Lieblingsopern gehört, mich in Teilen an Puccini erinnert und die ich im Opernführer beschrieben habe, ist "Marius et Fanny" von Cosma, die erst 2007 uraufgeführt wurde.


    Lieber Gerhard,


    mit Befriedigung und Freude lese ich diese Zeilen von Dir - obwohl ich Deine Haltung bisher schon kannte. Damit stellst Du klar, dass Du keinesfalls zu den Fundamental -Oppositionellen oder gar den unverbesserlichen Betonköpfen gehörst.Wenn ich dich richtig interpretiere bist Du bist durchaus offen für Neues und Modernes, wenn es gut gemacht ist und Deiner Auffassung von tragbaren Operninszenierungen entspricht.


    Herzlichst
    Hans

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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  • Die von Gerhard angesprochene Oper hab ich 3 mal an der Rheinoper gesehen. Nur grade bei dieser Oper besteht große Gefahr, daß sie verunstaltet wird. An der Rheinoper hatten wir zum Glück eine doch eher konventionelle Inszenierung. Bei Berg kann ich mich mit Wozzeck anfreunden die Oper hab ich 2 mal live gesehen und von Schönberg hab ich in Düsseldorf Moses und Aron gesehen.

  • [...] und Deiner Auffassung von tragbaren Operninszenierungen entspricht.


    Mit dieser Einschränkung kann man Dir wohl zustimmen (wenn man dabei im Hinterkopf behält, dass mir Gerhards Auffassung diesbezüglich durchaus etwas argumentationsresistent erscheint).

  • Lieber Hans,


    du siehst es richtig. Ich habe das schon öfter klar zu machen versucht, z.B. mit den Hinweisen auf die Inszenierungen von Patrice Chereau (Tristan und Isolde, Elektra) oder Harry Kupfer und nicht zuletzt mit meinen Ansichten zu der kürzlich gesendeten "Manon Lescaut", in denen die ursprüngliche Handlung unberührt blieb. Es geht mir lediglich um die in meinen Augen verunstalteten Inszenierungen, in denen die Handlung ganz oder in Teilen umgestrickt oder durch zusätzliche oder weggelassene Personen und Aktionen "bereichert" oder "entkleidet" wird. Aber auch die Komödien, die der Regisseur nicht mehr zu gestalten versteht, sondern zu albernen Shows entstellt, gefallen mir nicht.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Zum "Narrenkäfig" Oper gehört aber nicht nur die Dramaturgie (und Pathologie :D ) des Regisseurs, sondern auch die des Publikums. Ein bestimmtes Publikum glaubt nur zu gerne, die Narren seien allein die Regisseure. Es gibt aber auch - das gehört zur kompletten Opern-Narretei :D - nicht nur gute und schlechte Inszenierungen, sondern auch ein gutes und schlechtes Publikum. Da gibt es die, welche nur ihre teure Garderobe ausführen, die Konsumhörer, die lediglich ihre "Bedürfnisse" befriedigt bekommen wollen und Künstler als eine Art Dienstleister ansehen, die ihnen fürs gute Geld das entsprechende Lustquantum zu verschaffen haben um jeden Preis und noch weitere Publikums-Narreteien.


    Das musste wegen ausgleichender Gerechtigkeit auch gesagt sein.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Nur zu, nächste Spielzeit 8x in Berlin, davon die ersten 6x mit Flórez:http://www.deutscheoperberlin.de/de_DE/repertoire/1079342#
    (Habe für vier Vorstellungen eine Karte, werde aber wohl nicht an allen Terminen können. Bei "Vasco" hatte ich auch für vier Vorstellungen Karten und habe es dann immerhin 3x geschafft.)


    Wow, gleich vier mal eine Karte, was machst du damit, wenn du nicht kannst? Ich habe nur eine, das reicht mir völlig. Ich bin sehr gespannt, kenne die Oper nur von der DVD mit Stefan Soltesz, auch von der DOB. Leider arg verstümmelt, da kann es jetzt wohl nur besser werden. Ansonsten zum Thread-Thema: Da ist schon was dran. Seit Jahren die gleichen Argumente für und wider, hin und her Regietheater. Sinnvoller finde ich es, anhand spezieller Aufführungen zu diskutieren.

    Zitat

    Zum "Narrenkäfig" Oper gehört aber nicht nur die Dramaturgie (und Pathologie :D ) des Regisseurs, sondern auch die des Publikums.

    Das ist gar nicht so verkehrt. Je mehr Gaudi, desto mehr zieht es eine bestimmte Klientel an. Außerdem: Das Wichtigste ist immer noch die Musik und was die Sänger/innen daraus machen. Bei der Inszenierung meine ich, sollte man kompromissbereit sein. Sonst vergibt man sich vieles. Was nicht heißt, dass es Grenzen gibt. Ich möchte grundsätzlich keine aktuelle Politik in einer klassischen Oper haben, jedenfalls nicht vordergründig. Und: Die Salome in der Herrenboutique, was für ein Unsinn! Das ist tatsächlich ein Narrenkäfig. Ich bin gespannt, was die neue Saison in Berlin zu bieten hat, an allen drei Häusern. Leider ist barockmäßig wenig zu erkennen. Die Komische Oper beendet die Spielzeit mit dem hier schon erwähnten Rameau, kein Händel und auch kein Gluck. Ich weiß nicht, ob sich das lohnt. Die DOB zeigt immer noch die prächtige Barlog-Tosca von 1969(!), im November sogar mit der vorzüglichen Anja Harteros. Und die Staatsoper die Everding-Zauberflöte. Das ist beides nichts für Narren!
    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Was das Publikum angeht ist es am Schlimmsten, wenn ältere Damen zusammen mit ihren Freundinnen in die Oper gehen und sich während der Vorstellung lautstark unterhalten müssen oder mit dem Bonbon Papier knistern müssen. Letztens hab ich in Duisburg erlebt das mir zwei ältere Damen schon vor und während der Aufführung negativ durch lautstarkes Gerede aufgefallen sind, wie sie sich in der Pause lautstark beschwert haben, das in der Oper eine Schwarze mitsingt, das hätte es ja früher nicht gegeben. Daraufhin hab ich die Damen angesprochen ob sie Othello kennen. Als sie ja gesagt hatten, hab ich ihnen gesagt das der Othello ja auch immer von einem dunkelhäutigen Tenor gesungen wird und nur in modernen Inszenierungen ein Weißer den Othello singt :) . Da waren sie wenigstens für ein paar Minuten ruhig.

  • Was das Publikum angeht ist es am Schlimmsten, wenn ältere Damen zusammen mit ihren Freundinnen in die Oper gehen und sich während der Vorstellung lautstark unterhalten müssen oder mit dem Bonbon Papier knistern müssen. Letztens hab ich in Duisburg erlebt das mir zwei ältere Damen schon vor und während der Aufführung negativ durch lautstarkes Gerede aufgefallen sind, wie sie sich in der Pause lautstark beschwert haben, das in der Oper eine Schwarze mitsingt, das hätte es ja früher nicht gegeben. Daraufhin hab ich die Damen angesprochen ob sie Othello kennen. Als sie ja gesagt hatten, hab ich ihnen gesagt das der Othello ja auch immer von einem dunkelhäutigen Tenor gesungen wird und nur in modernen Inszenierungen ein Weißer den Othello singt :) . Da waren sie wenigstens für ein paar Minuten ruhig.

    Das ist ja Wahnsinn! Die USA mit ihrem nach wie vor unbewältigten Rassismus (was z.B. noch eine Jessye Norman über das Schicksal farbiger Opernsänger dort erzählen kann, ist für uns kaum vorstellbar) sind offenbar in dieser Hinsicht bei uns längst "angekommen" - was angesichts so mancher Zeiterscheinungen wie Pegida oder AFD mich dann aber auch nicht mehr ganz so verwundert.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Die letzten Beiträge (mein unvorsichtiges Bekenntnis eingeschlossen) zeigen einmal wieder, dass das Opernpublikum mancherlei Gesichter hat. Sicher ist nur, dass es kein einheitliches Publikum gibt. Das zeigt sich nicht nur an der Haltung zum Regietheater, sondern auch zum Repertoire. Die Aufgeschlossenheit gegenüber der Barockoper mit ihrer Priorität des virtuosen Ziergesangs bzw. der Anreicherung durch Balletteinlagen, unterstützt durch die Aufführungspraxis mit historischen Instrumenten, die in den letzten Jahrzehnten viele Anhänger gefunden hat, ist durchaus nicht nach jedermanns Geschmack. Ich kenne einige ernst zu nehmende Opernfreunde, die den vibratolosen Klang von alten Instrumenten gewöhnungsbedürftig oder gar langweilig finden.


    So hat sich eine Spaltung des Publikums ergeben: Die einen (zu denen ich mich rechne) wollen, dass der volle Klang des modernen Orchesters, wie ihn die Berliner oder die Wiener Philharmoniker repräsentieren, nicht wieder verloren geht; die anderen schwören auf die Errungenschaften der historisch informierten Aufführungspraxis und halten Vibrato für reines Teufelszeug. In ihrem Schutze konnte sich auch der Boom der Counertenöre entfalten, die das Fach der ehemaligen Kastraten erobert haben - zum Leidwesen vieler ausgezeichneter Mezzosoprane, deren Repertoire dadurch wieder geschrumpft ist.


    Es gibt noch noch mehr solcher Spaltungen in verfeindete Narrenkäfige. Aber eins nach dem anderen: Mich würde zunächst eure Meinung zu diesem Aspekt interessieren, sofern sie durch nachvollziehbare Argumente gestützt ist.


    Herzliche Grüße von Sixtus

  • So hat sich eine Spaltung des Publikums ergeben: Die einen (zu denen ich mich rechne) wollen, dass der volle Klang des modernen Orchesters, wie ihn die Berliner oder die Wiener Philharmoniker repräsentieren, nicht wieder verloren geht; die anderen schwören auf die Errungenschaften der historisch informierten Aufführungspraxis und halten Vibrato für reines Teufelszeug. In ihrem Schutze konnte sich auch der Boom der Counertenöre entfalten, die das Fach der ehemaligen Kastraten erobert haben - zum Leidwesen vieler ausgezeichneter Mezzosoprane, deren Repertoire dadurch wieder geschrumpft ist.


    Die Spaltung kann ich nicht nachvollziehen. Im Opern-Bereich ist die HIP doch bislang auf Barock und Gluck fokussiert, auch Mozart wird manchmal von HIP-Orchestern dargeboten, aber ebenso oft, wenn nicht öfter, von den "normalen" Opernorchestern. Und alles, was danach kommt, ist nach wie vor eine Domäne der traditionellen Aufführungspraxis. Wo also ist das Problem, es kommen doch alle auf ihre Kosten? Willst Du Barock-Opern mit dem Wiener Staatsoperorchester aufführen, mit modernen Instrumenten und Vibrato? Da würde ich mich allerdings schaudernd abwenden.


    Bei Countertenören scheiden sich die Geister, letztlich ist es eine Geschmacksfrage, ob man in den Kastraten-Partien lieber Mezzosoprane oder Countertenöre hört. Ich ziehe letzere vor, aber ich verstehe, dass man hier anderer Meinung sein kann.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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