Elbphilharmonie - mein Wunschzettel an MSchenk

  • Lieber Michael, ich wünsche mir von dir zu Weihnachten eine furchtbar langen Bericht (mit vielen Bildern) von der Elbphilharmonie. Wie gesagt, ein Wunsch, keinesfalls ein Befehl!

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Danke, lieber Dieter, das ist echt der Hammer. Eins fiel mir auf: mein Leben lang habe ich in Konzerten und Opernhäusern immer vermieden, im Parkett zu sitzen. Schließlich sieht und hört man von oben besser. Die Saalarchitekten hier haben das auch bedacht und offensichtlich statt eines riesigen Parkette im ganzen Raum kleine Sitzeinheiten verteilt.

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  • Danke, lieber Dieter, das ist echt der Hammer. Eins fiel mir auf: mein Leben lang habe ich in Konzerten und Opernhäusern immer vermieden, im Parkett zu sitzen. Schließlich sieht und hört man von oben besser. Die Saalarchitekten hier haben das auch bedacht und offensichtlich statt eines riesigen Parkette im ganzen Raum kleine Sitzeinheiten verteilt.


    Lieber dottore, es gibt zwei Grundtypen von Konzertsälen: die traditionelle Schuhschachtel mit Parkett und Balkonen drumherum und den Weinberg, bei dem der Zuschauerraum terassenförmig um das Podium herum angelegt ist (auch dahinter). Die Elbphilharmonie folgt dem Weinberg-Konzept, weitere bekannte Beispiele sind die Berliner Philharmonie oder auch die in Köln. Vorteil der Weinberg-Architektur ist die bessere Sicht auf die Bühne von allen Plätzen, weswegen diese Architektur gerne auch als "demokratischer" bezeichnet wird. Dafür ist sie akustisch problematischer als die hundertfach erprobte Schuhschachtel. Dass das schiefgehen kann, sieht man am Münchner Gasteig. Aber in Hamburg haben sie den weltweit führenden Akustiker Yasuhisa Toyota engagiert, da sind Probleme mit der Akustik wohl kaum zu befürchten.


    Ich sitze übrigens sowohl in Oper als auch im Konzert meistens im Parkett im vorderen Drittel. :hello: Die einzigen Plätze, die ich in einem traditionellen Saal dem Parkett vorziehen würde, nämlich 1. Balkon 1. Reihe Mitte, sind meistens ausverkauft. Und höhere Ränge kommen gerade in der Oper für mich nicht in Frage, da kann man ohne Opernglas auf der Bühne ja kaum etwas erkennen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Doktor,
    wenn´s ein Weihnachtswunsch ist, will ich mich auch nicht lumpen lassen ... die Aufnahmen entstanden im ersten Novemberdrittel.
    Bilder gehen ja schneller als Text ...



    Die beeindruckende Fassade

    Die nicht minder beeindruckende riesige Rolltreppe, die zur Terrasse hoch führt

    Die Terrasse mittags um zwölf




    Musik habe ich da noch nicht gehört, das gönne ich mir erst Ende Mai 2017 »Das Rheingold« - natürlich nur konzertant! So ist man am besten von Verunstaltungen jeder Art geschützt, denn die Musizierenden garantieren mit ihrem guten Namen, dass das auch was wird.

  • Lieber Michael, ich wünsche mir von dir zu Weihnachten eine furchtbar langen Bericht (mit vielen Bildern) von der Elbphilharmonie. Wie gesagt, ein Wunsch, keinesfalls ein Befehl!


    Lieber dr.pingel,


    nun lautet die Gretchenfrage wohl, wie ich aus der Nummer wieder herauskomme. Inzwischen ist die kleine Geschichte für den Adventskalender schon geschrieben und sie handelt leider nicht von der Elbphilharmonie und trotzdem möchte ich deiner Bitte natürlich in irgendeiner Form nachkommen. Deshalb habe ich mich ein wenig auf den einschlägigen Seiten des NDR umgeschaut und ein paar Dinge gefunden, mit denen ich deine berechtigte Neugier vielleicht etwas befriedigen kann. Als erstes für alle, die wenig Zeit haben:


    Der Bau der Elbphilharmonie im Zeitraffer


    Dann ein paar persönlichere Eindrücke, die, wie ich finde, sehr schön die Freude auf den neuen Saal widerspiegeln:


    Das NDR Elbphilharmonie Orchester zieht um


    Und schließlich viele Informationen und Einzelheiten in gelungener Form dargebracht:


    Elbphilharmonie: Hamburg baut ein Wahrzeichen


    Was hier leider noch fehlt, ist das, was uns alle wahrscheinlich am meisten interessiert; also noch eine Gretchenfrage: Wie hält die es Elbphilharmonie mit der Musik? - Diese Frage werde ich zumindest für mich "erst" nach dem 13. Januar beantworten können, wenn ich denn dazu kommen. Immerhin habe ich im Januar und Februar den neuen Konzertsaal quasi zu meinem zweiten Wohnzimmer gemacht, wie Du in meiner Saisonplanung 2016/17 nachlesen kannst.


    Wovon ich aber doch noch ein wenig erzählen kann, ist mein erster Besuch der sogenannten Plaza am vergangenen Freitag, bevor es anschließend zum letzten Konzert des NDR-Sinfonieorchesters in die Hamburger Musikhalle ging:


    (Nachzuhören ist dieses Konzert mit Bachs Weihnachtsoratorium BWV248 übrigens hier: Kantaten I & IV und Kantaten V & VI. Auch dieses Konzert hätte eine ausführliche Würdigung verdient. An dieser Stelle nur, dass es sicher nicht nur für das Orchester, sondern auch für mich neben aller Freude und allem Genuß ein wehmütiger Moment des Abschieds gewesen ist. Habe ich doch in den vergangenen fast 30 Jahren an diesem Ort viele großartige Konzert erlebt.)


    Dank der oben von hart eingestellten sehr schönen Bilder erhält man immerhin einen kleinen Eindruck, der aber naturgemäß das echte Erleben selbst an einem kalten Dezemberabend nicht wirklich wiedergeben kann. Da ist diese unendlich lange Auffahrt durch die Tube (man denke sich das Wort wohl englisch), die uns schon etwas witzeln ließ, man hätte zukünftig endlich die Zeit, das Programmheft (welches zumeist einige Tage vorher herunterladbar ist) vor dem Konzert zu lesen. Am Ende befindet man sich in einem kleineren Raum direkt in der Spitze des Kaispeichers noch eine Etage unterhalb der Plaza. Von hier hat man einen großartigen Blick über den Hafen und die Elbe hinab. Auch befindet sich hier der Zugang zu einem Restaurant, welches in der Elbphilharmonie ansässig geworden ist.
    Weiter geht es nochmals via Rolltreppe (diesmal viel kürzer) auf die eigentliche Plaza, also den "Raum" zwischen dem alten Kaispeicher und dem neuen Glasoberbau. Der Boden aus rotem Backstein und die "Wände" aus Glaselementen sind wieder gut auf harts Photos zu erkennen. Von der Plaza führen zwei gegenüberliegende Treppen aus hellem Holz in die beiden Säle.
    Etwas schwierig war es, einen Ausgang auf die Rundum-Außenterasse zu finden. Die Glaswände sehen zwar beweglich aus, können aber anscheinend nicht durch den Besucher geöffnet werden. Ich denke, einzelne Wände werden z.B. im Sommer gedreht um einer leichten Seebrise Einlaß zu gewähren. Im Winter ist es allerdings auch im Innenraum etwas zugig. Die Garderoben befinden sich dann ja erst hinter den Treppen. Insgesamt kann die Plaza im ersten Moment etwas verwirrend wirken und man weiß nicht mehr genau, wo man sich im Raum befindet; die Orientierung fällt aber nach dem äußeren Rundgang leichter. Wider erwarten und glücklicherweise hat das Ganze nichts mit heutiger Einkaufsmeilen-Architektur zu tun. Alles ist eher protestantisch-hanseatisch aufgeräumt. Außer einem zum Restaurant gehörigen Café, dem Zugang zum Hotel, sowie einem kleinen Info- und Souvenir-Shop gibt es nichts weiter, als eben einen atemberaubenden Ausblick auf Stadt, Hafen und Fluß. Auch ist nicht zu befürchten, dass in naher oder ferner Zukunft ein Mißbrauch als Shopping-Meile mit Friseur, Backshop und Balzac o.ä. ansteht - hierfür gäbe es schlicht keine Räume.


    Insgesamt für mich ein Ort, der noch neu ist und dazu einlädt, in den kommenden Jahren entdeckt und angenommen zu werden. Wird man vor dem Konzert regelmäßig noch einen Kaffee trinken? Wo wird man sich mit seinem Freunden vor und nach dem Konzert treffen? Wohin geht man nach dem Konzert vielleicht noch zum Essen? Die Hafen-City bietet natürlich einige Möglichkeiten, aber auch das Spanier- und Portugiesen-Viertel ist fußläufig zu erreichen.


    Ja, und Wie hält die es Elbphilharmonie mit der Musik?


    So, lieber dr.pingel, ich hoffe nun, dass Dich dieser kleine Bericht wenigstens etwas erfreuen und informieren konnte, auch wenn es mit den Bildern von mir nichts geworden ist. Dafür nochmals Dank an hart, der hier schnell und unkompliziert ausgeholfen hat.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich hatte ja ein etwas schlechtes Gewissen, aber Michael hat es so akzeptiert, wie es gemeint war, nämlich als Kompliment an einen versierten Musikkenner. Auch die anderen haben mir mit den Bildern einen guten Einblick verschafft. Ich glaube, dieses Konzerthaus wird ein neues Wahrzeichen der Stadt werden und viele Touristen anlocken. Und dann kommt ja noch der eigentliche Zweck, die Musik. Thomas Hengelbrock ist für mich einer der Dirigenten (wie etwa Gardiner und Herreweghe), die von der alten Musik herkommend den modernen Sinfonieorchestern völlig neue Impulse geben konnten. Neulich habe ich bei arte oder im NDR eine Erläuterung von ihm gesehen mit anschließendem Stück (z.B. Bartoks Konzert für Orchester).
    Sehr gut hat ja Bertarido die Konzepte der Philharmonien erklärt, und da hat sich herausgestellt, dass ich ein totaler Fan des Weinberges bin, wie er ja auch wohl in der Elphie (sage ich mal) verwirklicht worden ist.
    Einmal noch, lieber Michael, werde ich dich im Sommer bemühen, denn meine Gesundheit sowie eine Bahncard (1. Klasse natürlich, man gönnt sich ja sonst nichts) erlauben mir einen Trip nach Hamburg im Sommer.

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Einmal noch, lieber Michael, werde ich dich im Sommer bemühen, denn meine Gesundheit sowie eine Bahncard (1. Klasse natürlich, man gönnt sich ja sonst nichts) erlauben mir einen Trip nach Hamburg im Sommer.


    Ich stehe, so es meine Zeit erlaubt, zur Verfügung. Mit Karten für die Elbphilharmonie könnte es allerdings schwierig werden, die Saison 2016/17 ist wohl komplett ausverkauft. Es soll aber wohl einige Konzerte im Rahmen des SHMF geben.

    mfG Michael


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  • Heute habe ich mein Arte-Heft für Januar bekommen, mit einer Sonderbeilage (22 Seiten) über die Elbphilharmonie. Vielleicht starten wir hier ein kleines Rätsel über das Programm (Arte überträgt das Eröffnungskonzert nicht live, sondern erst am 15.1., 17.40). Im Arte-Heft ist Philippe Jaroussky interviewt, der an diesem Konzert beteiligt ist. Da wette ich, dass er Händel-Arien singt. Ich darf daran erinnern, dass Thomas Hengelbrock eine Größe in der Alten Musik ist.

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  • Habe mir erlaubt, ein Statement zur Elbphilharmonie-Eröffnung hierhin zu verlagern:


    Lieber Sagitt,


    kürzer und besser konnte man es nicht sagen. Es war sicherlich ein interessantes Experiment, wenn es bei diesem einen bleibt. Berühren konnte dieses Sammelsurium jedoch wahrscheinlich nur Wenige. Und glaubst du, dass ein Großteil der geladenen Gäste, die vor allem durch Anwesenheit glänzen mussten zu dieser Musik (abgesehen vom Parsifal-Vorspiel oder dem Schlusssatz der 9. Sinfonie) eine Beziehung zu dieser Musik aufbauen konnten (soweit sie überhaupt eine Beziehung zur klassischen Musik haben)? Ich habe zwar nicht geschlafen, aber bei dem Rihm-Stück hätte man es schon können, wenn es sich noch weiter hingezogen hätte. Bewundern konnte man nur den Sänger, der für Kaufmann eingesprungen ist. Verstehen konnte man den Text leider nicht. Vielleicht war es der Trauergesang über das Zehnfache an Millionen, das hier verpulvert wurde. Ich hätte mir zur Eröffnung etwas Fröhlicheres gewünscht (muss allerdings dazu sagen, dass ich nur das Konzert und nicht den Eröffnungsakt gesehen habe)


    Liebe Grüße
    Gerhard


    Ich hoffe nicht, dass es bei einem Experiment bleibt und meine mit Blick auf die bisherigen Programmgestaltungen des NDR-Sinfonieorchesters unter Hengelbrock auch, dass es sich um eine sehr bewußte Entscheidung gehandelt hat. Im übrigen wäre es m.E. geradezu peinlich, einen solchen Saal, der natürlich sehr viel gekostet hat (im internationalen Vergleich mit ähnlichen Projekten stehen wir übrigen mit einer 10fachen Kostensteigerung noch sehr gut da), aber eben auch sehr viel kann (insofern würde ich angesichts des Ergebnisses auch nicht unbedingt von "verpulvern" sprechen), mit den "üblichen Wohlfühlstücken und Gassenhauern" zu eröffnen.
    Das Programm, dass eben nicht nur für die geladenen Gäste, sondern für alle sein sollte, wollte auch zeigen, dass Grenzen, die z.B. in der Laiszhalle, aber wohl auch in anderen Sälen überschritten worden wären, hier nicht gelten! In der Elbphilharmonie scheint Messians Turangalîla-Sinfonie ebenso zu funktionieren, wie mittelalterliche Musik in Kammermusik-Besetzungen. Zudem war das Programm auch nicht beliebig zusammengewürfelt, wie etwa Zimmermanns Photoptosis mit dem Zitat aus der 9ten Beethoven zeigte. Oder ein Stück von Rolf Liebermann, dessen Wirken eng mit dem NDR und der Stadt Hamburg verbunden gewesen ist. Auch finde ich es vollkommen richtig, hier eigens in Auftrag gegebene Werke, wie das von Wolfgang Rihm oder morgen das Widman-Oratorium zu präsentieren. - Will sagen, ein bisschen Anspruch darf bei so einem Ereignis nicht nur sein, er muß sogar sein, wenn man seine Arbeit als Musiker (und als Musikhörer) ernst nimmt.

    mfG Michael


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  • Ich bin so frei:



    Heute in der Online-Ausgabe der "Welt" ein ziemlicher Totalverriss des Eröffnungskonzerts der Elbphilharmonie in Hamburg.


    War irgendjemand unter uns tatsächlich live vor Ort?


    Ich habe via Internet-Stream kurz reingeschaut. Die Selbstbeweihräucherung mutete schon etwas merkwürdig an. Das Sinfonieorchester des Norddeutschen Rundfunks (den etwas peinlichen neuen Namen erspare ich mir) erlaubte sich einige Schnitzer beim "Parsifal"-Vorspiel, die bei so einem Weltklasseorchester eigentlich nicht vorkommen sollten. Der Rezensent schreibt dazu: "Wieder quaken die Klarinetten, hört man grausam wenig unisono einsetzende Posaunen." Hört man zumindest in Aufnahmen jetzt jeden noch so kleinen Fehler ungefiltert? Vor Ort soll die Akustik jedenfalls der Rezension zufolge ganz und gar nicht berauschend sein, zumindest nicht "direkt neben, hinter und über dem Orchester", wo fast die Hälfte der Plätze sich befindet.


    Enthalte mich aber vorerst jeden Kommentares zu Herrn Brugs Wahrnehmungen. Eventuell zum Wochenende mehr, wenn ich selbst im Saal gewesen bin.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Dass der Verriss von Manuel Brug ist (wie ich vorhin übersehen habe), sollte uns in der Tat tendenziell eher kritisch stimmen. :stumm:


    Ich freue mich schon auf Deine ganz persönlichen Eindrücke, lieber Michael. :thumbsup:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dass der Verriss von Manuel Brug ist (wie ich vorhin übersehen habe), sollte uns in der Tat tendenziell eher kritisch stimmen. :stumm:


    Sagen wir mal so: Herr Brug und ich saßen wohl schon häufiger hier in Hamburg im gleichen Konzert oder der gleichen Opernaufführung ohne anschließend im selben Konzert oder der selben Opernaufführung gewesen zu sein. Da sind in den von Herrn Brug besuchten Veranstaltungen auch gerne mal andere Dinge passiert oder es haben andere Orchestermitglieder gespielt, als in den von mir am selben Abend am selben Ort besuchten Aufführungen ... :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Dass der Verriss von Manuel Brug ist (wie ich vorhin übersehen habe), sollte uns in der Tat tendenziell eher kritisch stimmen. :stumm:


    Also ich finde, bei aller berechtigten Kritik an Herrn Brug (gerade wenn er wild spekuliert oder Tratsch über Künstler ausbreitet) muss man das schon ernst nehmen, was er schreibt, denn er war ja im Saal drin.
    Das erste Mal bei der Fernsehübertragung war ich so richtig angepisst, als dieser Intendant davon schwärmte, wie demokratisch doch diese Sitzordnung sei - Nee! Es macht einen Unterschied, ob man im Gelde schwimmt und demzufolge die besten und teuersten Plätze dort in Anspruch nimmt, wo das Orchester hinspielt, wo die Solisten (bei der "Neunten" stehen und hinsingen) oder ob man sich solche Plätze nicht leisten kann und irgendwo hinten schräg über Belch und/oder Schlagwerk sitzt und dann einen zum gedachten völlig verzerrten Orchesterklang hört, und nur klein die Hinterköpfe der Gesangssolisten sieht. Das ärgert mich auch schon in der Berliner Philharmonie, man kann dort eigentlich nur in den Blöcken A, B, C oder D sitzen, wenn man den richtig abgestimmten Orchesterklang hören will. Sitzt man in Block H, hört man natürlich direkt vor einem sitzenden Bläser und das Schlagwerk viel lauter als die vom eigenen Platz aus dahinter sitzenden Streicher. Aber ist doch egal, Hauptsache die reichen Säcke und die Vips, die immer im besten Block sitzen, haben es ideal... X(

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich habe erstmal den Festakt mit verfolgt, bis um 19.30 die Sendung vom NDR auf Lokalzeit Wuppertal umsprang (die haben den gleichen Sendeplatz). Vielleicht war das eine glückliche Fügung, Festakte muss ich nicht haben. Auch "Die Geschöpfe des Prometheus" und "Ruy Blas" erscheinen mir immer auf der musikalischen Ebene von der "Akademischen Festouvertüre" (das einzige Werk von Brahms, das - wie ich finde - er hätte wie viele andere Sachen auch verbrennen sollen). Hat Angela Merkel eigentlich auch geredet?
    Auch die Musik des Hauptprogrammes stieß bei mir überwiegend auf Desinteresse. Der schönste Teil war, das kann man sich denken, die Alte Musik. Die modernen Sachen haben mich überhaupt nicht berührt, auch das ist keine Überraschung. Die Übergänge und die Lichtregie fand ich allerdings großartig.
    Und am Schluss natürlich der vierte Satz der Neunten. Alleinstehend in einem Festakt ist er noch schwerer zu ertragen als sonst.
    Ich denke mal, vieles wird sich in der nächsten Zeit von selber einrenken. Wir werden es ja hier lesen, wenn denn unser Hamburger Michel Karten bekommt.
    Der Bau allerdings, das sieht man selbst im Fernsehen, ist eine Wucht. Wenn man bedenkt, wie viele tolle neue Konzerthäuser es gibt, besonders in NRW, kann man schon stolz sein. Vielleicht schaffen es die Stuttgarter, in den neuen Bahnhof einen Konzertsaal zu integrieren.

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  • Ich habe gestern Abend sehr spät noch im ZDF einen Bericht über die Elbphilharmonie gesehen. Hauptsächlich war ich am Raumklang interessiert und musst deshalb lange warten, bevor die Journalistenstimme (der Brahms sehr peinlich mit Bach verwechselte .... sagt schon alles) aus dem Off endlich schwieg.


    Mein Equipment: Kathrein-Sat-Receiver über HDMI mit Yamaha-AV-Receiver verbunden, der auf "pure direct" gestellt und einen Audeze-LCD-X-Kopfhörer daran betrieben. Alternativ auch etwas über meine Lautsprecheranlage mit den B&W 683 S2 gehört, siehe der Vorstellungsthread für Musikanlagen bei Tamino.


    Bevor ich meinen Fern-Klangeindruck beschreibe, schicke ich voraus, dass mir klar ist, dass dieser sehr von der Art der Mikrofonierung der NDR-Techniker abhängt, sich also sehr wahrscheinlich von dem unterscheidet, was ein Zuhörer im Saal selbst hören kann.
    Andererseits habe ich auch die klangtechnisch hervorragend übertragende Beerdigung Helmut Schmidts aus dem Michel auf diese Weise mitverfolgt, und stellte fest, dass der weitläufige und angenehme akustische Eindruck, den ich über meine Anlage hörte, sehr gut mit dem übereinstimmte, was ich als Sänger eines norwegischen Kammerchors vor einigen Jahren dort live erleben durfte, auch was die Orgel(n) angeht.


    Nun also mein Eindruck der gestrigen Übertragung:


    Enorm transparent!
    Es ist sehr einfach, die einzelnen Orchesterstimmen zu verfolgen. Mit so einem Klangbild würde man es jemanden leichtmachen, der ein Orchesterstück zu transkribieren hätte. Man sieht schon fast die Noten vor sich....


    Ausgewogen, nicht nervig!
    Die Klangbalance ist gelungen - alles ist da, aber nichts übertönt etwas anderes. Die ersten Violinen klingen auch im Forte niemals dominant oder schrill, die Bässe sind vorhanden, wummern aber nicht.


    Aber vielleicht etwas trocken?
    Hier kommt nun mein leiser Kritikpunkt, der aber eher eine leichte, stirnrunzelnde Vermutung bzw. Befürchtung ist, denn ich müsste es natürlich vor Ort selbst gehört haben. Ich mag jedenfalls von Aufnahmen und Übertragungen her einen etwas längeren Nachhall, wie ich ihn etwa von Aufnahmen aus der Berliner Philharmonie oder dem großen Saal des Wiener Musikvereins kenne.
    Nun kann es in der Tat sein, dass die NDR-Techniker lediglich ein Paar mit Raummikros hätten nehmen müssen ( oder genommen haben, aber mehr davon in die Stereosumme hätten geben müssen), um hier etwas mehr Fülle und eine rundere Atmosphäre hinzubekommen.
    Man hörte auch ein Stück von Beethoven, welches mit Orchesterschlägen und darauffolgenden Pausen begann. Der Hall kam mir da recht kurz vor...



    Das ist ja immer auch eine Geschmacksfrage, und es kann durchaus sein, dass mein Geschmack hier etwas "kirchlicher" ist.
    Ein guter Konzertsaal "klingt" aus meiner Sicht jedenfalls leer etwas zu "nass", und vollbesetzt genau richtig, d.h. ausgewogen, transparent, angenehm, aber eben auch durch den Hall zusammenbindend und luftig-atmosphärisch "größer machend".
    Irgendwann hoffe ich, selbst einmal ein Konzert in dieser von meinem Ferneindruck her hervorragenden neuen Hamburger Elbphilharmonie erleben zu können.
    Mit der Zeit werden dann wohl auch Eindrücke von Leuten im Netz zu lesen sein, die unabhängig sind und/oder nicht zu jenen A-Promis gehören, die gestern bei der Eröffnung wahrscheinlich unvermeidlich waren (...ich verstehe z.B. , warum ein Innenminister zur inneren Sicherheit befragt wird, jedoch meine ich, dass seine Einlassungen zum Raumklang ggf. doch nicht ganz so relevant sind).


    Mich würde auch ein schönes Orgelkonzert interessieren.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Der Spiegel-Artikel deckt sich mit meinen Ferneindrücken: Ein wird in Hamburg offensichtlich ein sehr analytisch-aufgefächertes und transparentes Klangbild geboten. Ich habe auch schon gehört, dass sich Orchestermusiker sich dort wie beim Spielen von Kammermusik fühlen: Man hört die anderen und kann sich selber gut hören.


    Leider liest man dort nichts zur Nachhallzeit, die mir bei der Übertragung etwas kurz vorkam.
    Bei den Teilen, in denen der Kontra-Alt alleine singt, hört man, dass es durchaus nicht "trocken" ist, aber ich finde schon (auch bei den schönen Beiträgen des Ensembles Praetorius), dass es wenigstens für Alte Musik etwas länger nachklingen könnte - vielleicht bekommt man das, wenn das Publikum nicht im Raum ist.


    Immerhin könnte man die Nachhallzeit messen - so wäre es möglich, diesen Aspekt einmal mit anderen guten Konzertsälen zu vergleichen.
    Es würde mich interessieren.


    Zum Programm: Ich mag das meiste von dem Modernen überhaupt nicht, freue mich aber natürlich sehr, wenn Brahms (gerade in Hamburg), Alte Musik oder Wagner gespielt wird. Beim Parsifal kommen die Blechbläser und die vor allem die Pauke sehr machtvoll, die Streicher und die Bläser klingen warm und schön. Es klingt für mich fast so wie in einer Opernakustik: etwas trockener, als man es von konzertanten Aufnahmen gewohnt ist. Etwas mehr akustische Umschmeichelung durch den Raum würde den Sound für mich perfekt machen.


    Man kann das Konzert hier nachhören.
    Beim Wagner wurde leider unsensibel hineingehustest, und ich hätte gerne gewusst, was Kollege Nagano so über diese Interpretation gedacht hat, der ja davon nun auch wirklich jede Note im Kopf haben dürfte.


    Es gibt ja auch schon eine Brahms-Einspielung, die in diesem Saal gemacht wurde:



    Da will ich einmal hineinhören....


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Sagitt meint: das „Häppchen“ aus Beethovens neunter Symphonie war ein vorhersehbarer Abschluss dieses Konzertes. Hochkarätig besetzt bei Solisten und Chor. Sicher alle extrem motiviert.
    Hengelbrock ist seit Jahrzehnten ein Musiker voller Leidenschaft. So kann ich gar nicht leugnen, dass ich seine Interpretation dieses Stückes meisterlich ausgeführt fand – und dennoch: die Aufführungen der neunten, die mich wirklich seit Jahrzehnten begeistern, werden durch die gestrige Aufführung nicht ansatzweise erreicht. Es wurde ausgezeichnet musiziert, aber die Magie fehlte. Die Magie eines Furtwänglers oder eines Bernsteins. Vielleicht ist es etwas, das Hängeprog nicht eigen ist.

  • Noch ein Nachtrag:


    Hierein Artikel aus der "Welt", der sich mit meinem Ferneindruck zu decken scheint: "Trockener als trocken", heißt es da.


    Wenn das wirklich stimmt, wäre es sehr sehr schade, denn von der Architektur und vom Konzept her ist das Haus meinem Eindruck nach außerordentlich gelungen. Jedenfalls neige ich im Moment dazu, diesem Welt-Autoren mehr zu glauben, als jenen Leuten mit den allseits bekannten Fernsehgesichtern, die von der allseits bekannten Barbara Schöneberger befragt werden.


    Habe soeben die JPC-Ausschnitte der Brahms-Vierten mit einer alten Böhm-Aufnahme (wohl aus Wien) verglichen, und komme immer wieder dahin: Klarheit ist schon schön, aber wenn es dabei nicht so trocken wäre, würde das Orchester größer und weitläufiger wirken und solche Sachen wie die begleitenden Pizzicati im zweiten Satz kämen dann deutlicher und luftiger hervor. Ein Orchesterpizzicato soll ja elfengleich durch die Luft schweben. Im Hamburg klingt es mir da hanseatisch nüchterner, um es nett zu sagen. Die Elfen heben da eher nicht ab.


    Doch wie gesagt: Bevor ich mich da festlege, will ich den Raum wenigstens einmal selbst erlebt haben.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

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  • Leider liest man dort nichts zur Nachhallzeit, die mir bei der Übertragung etwas kurz vorkam.
    Bei den Teilen, in denen der Kontra-Alt alleine singt, hört man, dass es durchaus nicht "trocken" ist, aber ich finde schon (auch bei den schönen Beiträgen des Ensembles Praetorius), dass es wenigstens für Alte Musik etwas länger nachklingen könnte - vielleicht bekommt man das, wenn das Publikum nicht im Raum ist.


    Das ist aber, lieber Glockenton, auch ein Problem z.B. der Tonhalle Düsseldorf. Die berühmten "Rechtecksäle" (Konzertverein Wien, Rudolfinum Prag, Concertgebouw Amsterdam) haben mehr Hall, Rundbauten klingen immer tendentiell trockener. Das wundert insofern nicht. Wenn es nicht Probleme gibt wie die Refexionen in Düsseldorf - den Ton im Diskant hörte man an gewissen Plätzen doppelt, zweimal angeschlagen! - die erst nach diversen Umbauten und einem großen Umbau in den Griff zu bekommen waren, hat das aber durchaus seine Vorzüge, auf die sich der Dirigent einstellen kann.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es wird wohl so sein, wie Du es beschreibst, lieber Holger.


    Wenn ich es mir recht überlege, dann wird mein Traumsaal, mein Klassiktempel, den ich solange meine Ohren noch gut sind, unbedingt erleben muss, von innen immer noch so und nicht anders auszusehen:



    Die berühmte Akustik, völlig ohne Computerberechnungen entstanden (2s Nachhallzeit) wäre für mich der wichtigste Anreiz.
    Danach käme aber auch gleich die nicht zu toppende Tradition ( hat nicht sogar Brahms dort dirigiert?) und die Liste der Allergrößten der Klassikwelt, die dort auftraten. Wie viele meiner hochgeliebten Referenzeinspielungen sind genau dort entstanden? Es ist eigentlich unglaublich....
    Und dann macht der Saal ja auch optisch einen wahnsinnigen Eindruck, durch die verwendeten teuren Materialien und die sich dort befindende Kunst.


    Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass ich auf der Musikvereins-Seite mir die Konzerte anschauen und danach auf irgendwelche Flug-und Hotelportale im Netz gehen sollte....
    Am schönsten wäre für mich dort Musik von Beethoven, Schubert, Brahms oder Bruckner, wenn ich es mir aussuchen könnte.


    Dennoch freue ich mich natürlich für die Hamburger, dass sie so eine schöne und repräsentative Philharmonie nun endlich fertigstellen konnten. Hamburg ist ja an sich eine wunderschöne Stadt, wozu die Hafengegend einen gewichtigen Teil beiträgt. Das viele Geld, welches man für die Kultur ausgab, scheint mir auf jeden Fall gut angelegt.


    Gruß :hello:
    Glockenton


    Nachtrag: im Deutschlandfunk hat noch jemand seine Eindrücke zur Akustik der Elbphiharmonie beschrieben.

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Ich denke, über die Akustik kann man nur wirklich gut urteilen, wenn man mehrere Konzerte mit verschiedenen Orchestern von verschiedenen Positionen aus gehört hat. Außerdem muß sich der Saal ja vielleicht auch erst noch akustisch "einschwingen", einen Lautsprecher sollte man ja auch nicht direkt nach dem Auspacken beurteilen. :D
    Und das Orchester muss sich sicher auch noch auf den Saal einschwingen.
    Leider kann man für die ganze Saison keine Karten mehr bekommen, jedenfalls nicht für Dinge, die ich hören möchte. Ich werde es bei meinen geplanten Stippvisiten halt direkt vor Ort probieren. Hat in der MET oder in Berlin auch meist funktioniert.

  • Die Kritik im MDR war ebenfalls gnadenlos negativ sowohl für die Akustik, als auch für das Orchester und die Solisten. Täusche ich mich, oder schwingt - aus welchen Gründen auch immer - ein Unterton gehässiger, schadenfroher Häme da bei manchem Kritiker mit? Dem Kritiker im Funk schien auch das Programm zu sehr "mainstream", nicht "provokant" genug. Selbst Rihm (in diese Richtung geht ja auch die "Welt") habe jeden "Biss" verloren. Ich werde mir die Aufzeichnung des Konzerts am Wochenende mal zu Gemüte führen, mir aber mit Sicherheit kein Urteil über die Akustik erlauben, bevor ich mal dringesessen habe ;) Wobei, da hat lutgra völlig recht, selbst ein einzelner Besuch kaum ein abschliessendes Urteil erlauben dürfte.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Die Kritik im MDR war ebenfalls gnadenlos negativ sowohl für die Akustik, als auch für das Orchester und die Solisten.


    Hallo Misha, magst Du sagen, wo sich die Kritik findet bzw. einen Link einstellen? Ich bin auf den Seiten des MDR nicht richtig fündig geworden.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Ich habe es heute vormittagi m Auto auf MDR Aktuell (war aber evtl. eine Übernahmevon MDR Kultur) im Auto gehört; ein Interview mit einem "Mann vor Ort". Müsste eigentlich in der Mediathek sein; die Suchfunktion dort taugt aber nicht viel, wie ich aus meiner regelmässigen Suche nach den Opern- und Gewandhauskritiken weiss.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • Ich habe es heute vormittagi m Auto auf MDR Aktuell (war aber evtl. eine Übernahmevon MDR Kultur) im Auto gehört; ein Interview mit einem "Mann vor Ort". Müsste eigentlich in der Mediathek sein; die Suchfunktion dort taugt aber nicht viel, wie ich aus meiner regelmässigen Suche nach den Opern- und Gewandhauskritiken weiss.


    Ich glaube, ich habe es gefunden: Anscheinend handelt es sich bei dem "Mann vor Ort" um Manuel Brug, der hier ein kurzes Radiointerview gegeben hat. Der Inhalt des Interviews scheint mir im Wesentlichen seinem Artikel in der Welt zu entsprechen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Der Kritiker der Süddeutschen ebenfalls nicht begeistert. Das größte Wunder vollbringt Christine Lemke–Matwey. Sie scheint über das Konzert gestern zu berichten; allenfalls die unrichtige Bezeichnung der Robe von Frau Schöneberger könnte den Verdacht erwecken, ihre Eindrücke stammen von der Generalprobe und nicht von der Aufführung gestern Abend, die ja bis 23:00 Uhr dauerte. Normalerweise erscheint die digitale Version der ZEIT aber bereits um 18:00 Uhr.

  • Dem Kritiker im Funk schien auch das Programm zu sehr "mainstream", nicht "provokant" genug.


    In welch einer Blase von möglicherweise "Verrückt-Gewordenen" lebt der eigentlich?
    Meint der wirklich, dass es außer ihm noch sehr viele Leute geben wird, die viel Geld für eine Eintrittskarte ausgeben, um sich wieder einmal so richtig provozieren und beißen zu lassen?
    Aus freikirchlichen Gemeinden nach dem Krieg ist mir bekannt, dass manche der Gemeindemitglieder enttäuscht waren, wenn der Prediger sie nicht nach Strich und Faden im Sonntagsgottesdienst fertigmachte und erniedrigte. Nichts gegen eine ernste Feuer- und Schwefel-Predigt, aber was da früher oft auch an persönlichem Herauspicken und Herunterputzen lief, war nicht immer so ganz ok, um es vorsichtig zu sagen....
    Merkwürdig fand ich jedoch, dass manche sich das geradezu wünschten, weil es sonst aus ihrer Sicht nicht so richtig "gesegnet" war.
    Aus irgendwelchen Grund kam ich jetzt auf diese vom Umfeld her sonst kaum zu ziehende Parallele.


    Meine Leidenswilligkeit bei Konzerten ist auf jeden Fall äußerst begrenzt.
    Es hat auch nichts mit platter nur-Unterhaltungssucht oder nett-gesellschaftlicher Verzierung des Alltags zu tun. Ganz im Gegenteil: Ich möchte sensibel bleiben dürfen, wenn es um Musik geht. Ich möchte die Seele öffnen dürfen, und ich will mir kein dickes Musikfell wachsen lassen müssen.


    Celibidache sah es so:
    Durch eine manchmal unendliche Schönheit lockt uns der Komponist zur Wahrheit der künstlerischen Aussage, hin zur Schwingung des künstlerisch-musikalischen Atomkerns, die wiederum in einer großen kosmischen Schwingung ihren Ursprung hat.
    Was er da philosophisch von sich gab ist keineswegs ein esoterischer Müll, sondern eine tiefe Einsicht: Leben und sogar das, was wir unter Zeit verstehen, ist Bewegung. Musik ist Bewegung pur und ihr schwingendes Medium ist die Luft. Es geht aber noch mehr um die innere Bewegung und die innere Erkenntnis, die eine große Kunst auslösen kann, als um die physisch immer notwendige Bewegung. Wer sich z.B. einmal näher mit Schubert als Ausführender beschäftigte, der weiß vielleicht aus Erfahrung, dass es seelisch geradezu gefährlich sein kann, dieser inneren Bewegung, die Schubert beim Komponieren antrieb, nahezukommen, denn hin und wieder öffnet sich für einen der Vorhang, und man erkennt, wie abgründig traurig dieser Mann doch innerlich gewesen sein muss.


    Ziel einer Kunst kann doch nur die Sensibilisierung für solche Aspekte sein. Eben die erreicht man doch niemals durch eine immer weiterführende Schocktherapien. Im Gegenteil, wie bei einer Allergiebehandlung wird man durch diese nur desensibilisiert, oder mit anderen Worten: Man stumpft zunehmend ab.
    Irgendwann kann den an Provokationen gewöhnten Konzertbesucher schon gar nichts mehr schocken, und bei Brahms oder Schubert schläft er dann eh ein, wobei ihm dann unfassbare Erlebnisse entgehen. Da wirken dann auch die sf-Akzente im ersten Satz der Vierten von Schubert überhaupt nicht mehr als die kleinen Stromstöße, als die sie gemeint waren.


    Mir ist meine musikalische Seele grundsätzlich zu schade und zu sensibel, als das ich sie solchen Wechselbädern (die fanden durchaus gestern auch statt) gerne aussetze.


    Und eines stimmt doch auch: Wer in solche Konzerte nur geht, weil er zur Gesellschaft (Prominenz, Lokalprominenz.....) gehören will und seine Anzüge, Kleider und Edelsteine meint ausführen zu müssen, den kann im Extremfall eh nichts schockieren, und den berührt wohl andererseits auch nichts Liebliches.
    Es hat aus meiner Sicht keinen Sinn, bei Menschen etwas Tieferes und Positives erreichen zu wollen, wenn man ihnen akustische Schocks vorsetzt.
    Mir ist der Anfang der Dritten von Brahms mit seinen Dur-Moll-Wechseln schon schockierend genug, oder gar der zweite Satz der Neunten von Bruckner, wenn auf einmal das ganze Orchester losdonnert. Ansonsten ist es doch so, dass man in der "Erziehung" (soll der Hörer überhaupt immer erzogen werden...?) meistens mit Liebe weiterkommt, kaum jedoch mit Provokationen.


    Falls ich hiermit etwas kulturpolitisch Unkorrektes schrieb, kann es ja egal sein, weil wir uns hier ja eh im internen Bereich bewegen.... ;)


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Der Kritiker der Süddeutschen ebenfalls nicht begeistert. Das größte Wunder vollbringt Christine Lemke–Matwey. Sie scheint über das Konzert gestern zu berichten; allenfalls die unrichtige Bezeichnung der Robe von Frau Schöneberger könnte den Verdacht erwecken, ihre Eindrücke stammen von der Generalprobe und nicht von der Aufführung gestern Abend, die ja bis 23:00 Uhr dauerte. Normalerweise erscheint die digitale Version der ZEIT aber bereits um 18:00 Uhr.


    Um der Chronistenpflicht zu genügen:


    In der SZ heißt es Ein Problem der Akustik? Oder des Dirigenten?. Bei ZEIT-Online habe ich zwar eine Themenseite zur Elbphilharmonie, aber keinen Artikel von Christine Lemke–Matwey zum Konzert gefunden; lediglich ein Interview von ihr mit Wolfgang Rihm.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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