Ein paar Gedanken über den "Genusshörer" und ähnliche Phänomene in der klassischen Musik

  • Hallo Glockenton ! Ja, vollkommen richtig, ich habe genau hingehört und kenne den Unterschied zwischen dem Dirigat eines Celibidache und eines Boulez. Allein, es hat mich nie wirklich glücklich gemacht, so die klassische Musik zu hören. Jetzt, wo ich mir den reinen Genuß gönne und einfach der Musik lausche, finde ich die ganze Sache wesentlich entspannender. Ich muß nicht mehr alles mitbekommen, ich darf auch einfach wegdösen.

  • Mir ist es eigentlich auch egal, ab Celi die 7. Bruckner in 1:29 Stunden (Münchner 1985) oder gar in 1:42 Stunden (wieder Münchner 1990 in Tokio, evtl mit Applaus, habs nicht angehört) dirigiert oder Karajan für die gleiche Sinfonie 1:06 Stunden bzw. Blomstedt 1:08 (Bamberger 2016) braucht.


    Der Unterschied fällt allerdings auf, manches bei Celi erscheint aufgrund der Langsamkeit plastischer, man hört (wenn man will) Feinheiten, die einem nicht auffallen, wenn die Sinfonie fast 30 Minuten schneller vorbei ist. Aber deswegen zu beurteilen, was Celi gut oder Karajan schlechter macht oder umgekehrt, das sollten sich nur Fachleute anmaßen. Dem normalen Konzertgänger wird das schlicht und einfach egal sein. Vielleicht (oder sicher) empfindet letzterer sogar mehr Genuß als der Experte, der krampfhaft danach sucht, was der eine Dirigent seiner (oft unwesentlichen) Meinung nach richtig macht und der andere falsch machen könnte.

    Wenn ich eine DVD schaue oder Live ins Konzert gehe, ist mir der Dirigent und das Orchester ebenfalls unwichtig. Natürlich freue ich mich, wenn zufällig das RCO oder die WP spielen, oder Olga Scheps sitzt am Flügel. Aber wenn ich z.B. Mahler 5 hören will und es wird gerade in Wien gespielt, dann gehe ich nur wegen Mahler 5 hin. Den detaillierten Unterschied zwischen den Dirigenten höre ich ohnehin nicht. Da gebe ich den totalen Banausen, ich will Unterhaltung pur.

    So ähnlich geht es mir auch. Musik hat nicht nur einen wissenschaftlichen Charakter, sondern auch Unterhaltungswert. Selbst Mahler 5. Und vor allem die Oper.


    Ansonsten kann ich Louis schon verstehen, nur das Wort wegdösen paßt nicht zur Brucknerschen Musik. Auch Geschmackssache. Ich könnte bei Bach dösen, aber niemals bei Bruckner, Mahler oder Strauss. Und schon gar nicht bei Wagner. Da würden mich ganz andere Dinge stören.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Wenn ein Musikstück zu vollkommener Entspannung beitragen kann, ist das nicht unbedingt schlecht!

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Wenn ein Musikstück zu vollkommener Entspannung beitragen kann, ist das nicht unbedingt schlecht!

    Auch wenn das vom Komponisten gar nicht intendiert war, und die Entspannung v.a. dadurch kommt, dass die Musik etwa durch eine entsprechende, nicht werkgerechte Interpretation verflacht wird?




    LG,
    Hosenrolle1

  • Hallo Hosenrolle 1,


    dies ist unabhängig vom Bezug Deines Beitrages, etwas Grundsätzliches:


    Was Du akustisch, hier optisch, als Deine Meinung ausdrückst und rüberbringst, muss nicht unbedingt identisch sein mit dem, was bei mir ankommt.


    Was der Komponist mit seiner Musik ausdrücken/rüberbringen will, muss im Einzelfall und Detail nicht dem entsprechen, was mich in einem Detail der Komposition anspricht (siehe meine Beiträge zu Schuberts Es-Dur-Messe D950 und Klaviersonate D894).



    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

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  • Was der Komponist mit seiner Musik ausdrücken/rüberbringen will, muss im Einzelfall und Detail nicht dem entsprechen, was mich in einem Detail der Komposition anspricht (siehe meine Beiträge zu Schuberts Es-Dur-Messe D950 und Klaviersonate D894).

    Worum es mir vor allem ging, war die Aussage, dass es nichit schlecht sei, wenn ein Stück zur Entspannung beitragen kann. Denn leider ist es tatsächlich so, dass Stücke, die eigentlich aufwühlend, erschütternd gemeint waren und im Original viel roher und aggressiver klangen, heute durch diverse Interpreten abgeflacht, geglättet und mit Zuckerguss überzogen wird, was der Zuhörer dann vielleicht als entspannend empfindet. Jedoch hat das mit dem eigentlichen Werk nichts mehr zu tun.


    Da denke ich mir, wenn man Entspannung sucht, wieso hört man sich nicht tatsächlich Musik an, die für diesen Zweck geschrieben wurde, Medidationsmusik oder ähnliches, statt klassische Stücke, die ursprünglich eine ganz andere Wirkung auslösen sollte.
    Bei Opern wird ja immer, wenn es um die Aktion auf der Bühne geht, diskutiert, was der Komponist wollte. Bei der Musik gibt es diese Diskussion leider nicht.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Bei Opern wird ja immer, wenn es um die Aktion auf der Bühne geht, diskutiert, was der Komponist wollte. Bei der Musik gibt es diese Diskussion leider nicht.


    Diese Diskussionen gibt es schon, gerade in Bezug auf die "richtige" Mozart-Interpretation. Die letzte endete allerdings in heftigem Streit, also gar nicht so verschieden von den Diskussionen um Operninszenierungen ;) .


    Es gibt hier Mozart-Hörer, die ihn mit Zuckerguss lieben :untertauch: .

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Auch wenn das vom Komponisten gar nicht intendiert war, und die Entspannung v.a. dadurch kommt, dass die Musik etwa durch eine entsprechende, nicht werkgerechte Interpretation verflacht wird?




    LG,
    Hosenrolle1


    Ja.


    Denn wer darf denn entscheiden, wie ein Werk aufzuführen ist? Jeder muss natürlich für sich eine Entscheidung treffen, ob er etwas ursprüngliches oder vielleicht eben auch etwas hören möchte, dass für ihn eben stark vereinfacht wurde. Böll hat mal gesagt, dass der Künstler mit dem Moment der Herausgabe seines Werkes jede Deutungshoheit dafür verliert.


    Und die Akzeptanz von solchen Veränderungen ist ja höher als man meint, wenn mal z.B. mal schaut, was man mit den Bruckner-Symphonien so alles gemacht hat.

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Hallo Hosenrolle1 (ich hoffe, diese Anrede kommt Deinem Verwirrspiel entgegen?),


    aus Deiner Antwort (danke) und meinen Beispielen ergibt sich, dass sich meine Höreindrücke auf einer ganz anderen Ebene abspielen, aus einer "anderen Welt" kommen.


    VG
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Denn wer darf denn entscheiden, wie ein Werk aufzuführen ist? Jeder muss natürlich für sich eine Entscheidung treffen, ob er etwas ursprüngliches oder vielleicht eben auch etwas hören möchte, dass für ihn eben stark vereinfacht wurde. Böll hat mal gesagt, dass der Künstler mit dem Moment der Herausgabe seines Werkes jede Deutungshoheit dafür verliert.

    Den Böll-Satz unterstreiche ich sofort. Den halte ich für richtig - nicht nur im Bereich der Musik oder Kunst. :) Doch in solchen Fällen der "zuckrigen" Mozart-Aufführung geht es eigentlich weniger um die Frage der Deutungshoheit des Interpreten oder Komponisten, sondern eher die einer etablierten Aufführungspraxis und deren Verbindlichkeit. Es kommt z.B. die Kritik, dass Haydn Ernst zu nehmen (Stichwort "Papa-Haydn-Klischee") "Fehl am Platze" sei oder umgekehrt hat mal ein Kritiker in seinem Provinznest seinen Job verloren, weil er über den damals mächtigen Justus-Frantz schrieb, das wäre ein verharmlosender "Schmuse-Mozart" gewesen. :D


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Wer soll denn diese Verbindlichkeit aussprechen?

    Ausgesprochen wird sie nicht, sie wird praktiziert. Ein schönes Beispiel dafür ist z.B. Chopin. Noch in der 1. Hälfte des 20. Jhd. war die Aufführungspraxis davon bestimmt, dass man Chopin zart und elegant spielen müsse. Das war so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz. Artur Rubinstein sagte man deshalb zunächst, er sollte besser de Falla oder Debussy spielen, aber von Chopin die Finger lassen. :D Später erst hat sich dann Rubinsteins männliche und kraftvolle Art, Chopin zu spielen, als Maßstab allgemein durchgesetzt und er gilt seitdem als "der" Chopin-Spieler schlechthin. Hier hat ein Interpret die Aufführungspraxis maßgeblich verändert.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Was für ein heisses Thema !!
    Es wurde - ich hatte es schon vergessen - bereits 2013 ausgiebig diskutiert.
    Da die beiden Threads sich derzeit zeitlich nicht überschneiden wäre es vielleicht nicht unmöglich sie zusammenzulegen
    Denn bei diesem Thema muß man nicht unbedingt die ersten Beiträge alle kennen, ist allerdings kein Schaden wenn man sie dennoch liest....
    Das Thema wurde mir wieder in Erinnerung gebracht als es heute um das weitgehende Desinteresse an neuen Stimmen ging und auch an Kammermusik


    Vorerst möchte ich indes auf ein Statement antwortem :


    Zitat

    Es gibt hier Mozart-Hörer, die ihn mit Zuckerguss lieben


    Ich weiß nicht, wer Mozart mit Zuckerguß überhaupt interpretiert haben sollte und sehe dies als eine bewusst manipilative Phrase an, initiiert von Leuten, die eigentlich nicht davor zurückschrecken ALLE Werte auf ihr Weltbild hinzubiegen. Sie wollen Mozart (und nicht nur ihn) als radikalen Neuerer sehen . bzw uns Glauben machen, daß er einer war. Allein das Wort "Rokoko" macht sie erschauern und sie haben es aus ihrem Sprachschatz gestrichen - und würden das mit unserem ebenfalls gerne tun.Mozart war nun aber ein Mensch des Rokoko - und auch jene in dessen Diensten er stand.


    Ich meine eigentlich nicht jenen Hörer als "Genußhörer", der Musik in einer "gefälligen" Interpretation einer "rabiaten" vorzieht - das wäre schon wieder ein Diskussionsthema und ich werde das vermutlich auch ausnutzen, sondern ein "Drauflosleben ohne jede intellektuelle Ansrengung" - sofern sie nicht Geld einbringt.


    "Ich bin nur ein Genusshörer" - ist lediglich eine Schutzbehauptung, eine Umschreibung des Satzes "Eigentlich interessiere ich mich nicht wirklich für das Thema, und habe keine Ahnung davon"


    Das betrifft natürlich alle Lebensbereiche. Im Tritsch Tratsch bereich werde ich demnächst einn Thread starten, der zeigen soll, wie ich die Welt sehe, und warum ich glaube, daß Foren über klassische Musik, aber auch generell über alle eher anspruchsvollen Themen niemals mehrheitsfähig sein werden....und ich glaube, daß es dort viel zu lachen geben wird.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mozart war vor allen ein Mensch der Aufklärung. Hätte er sich mit dem "Rokoko" zufrieden gegeben, wäre er kaum ein solch aktiver Freimaurer geworden, wie er es nachweislich war. Hätte er nur für dieses und in diesem "Rokoko" komponiert, wäre er heute vergessen. Aber er hat als Künstler hörbar seinen Beitrag geleistet, vorhandene Begrenzungen zu sprengen. Wer das nicht hört, kann ja zu Büchern greifen, um vielleicht nachlesend zu begreifen, was für ein revolutionäres Genie Mozart in der Musik seiner Zeit war. Allein, wie er die überkommenen Gattungen der Opera seria und der Opera buffa in den drei da-Ponte-Opern genial verbunden hat, indem er die Vorzüge dieser Gattungen zusammenführte und die seine Zeitgenossen bereits ermüdende Konventionen beseite ließ, war damals aufregend und ist es auch heute noch - das macht ihn singulär, weshalb er immer noch viel gespielt wird und Salieri und Dittersdorf kaum...
    (Und in der Gattung Sinfonie ist es ganz ähnlich: Was könnte sich im 18. Jahrhundert wirklich in diesem Genre mit seinen drei letzten Sinfonien messen? Einige Haydn-Sinfonien sind so gut, dass sie vielleicht in deren Nähe kommen, aber wirklich erreichen? Das dann wohl doch nicht.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich weiß nicht, wer Mozart mit Zuckerguß überhaupt interpretiert haben sollte


    Das ist zugegeben ein Ausdruck, dem eine gewisse Polemik anhaftet. „Zuckerguss“ ist, ähnlich wie „Regietheater“, „Walzerseligkeit“ oder andere Begriffe, natürlich eine starke Verkürzung für einen etwas komplizierteren Sachverhalt, über den man natürlich auch sachlich und v.a. fachlich reden kann und sollte.


    Ich würde diesen Begriff beispielsweise so definieren, dass man „rauh“, „unschön“ oder „aggressiv“ klingende Musik viel weicher und „süßer“ vorträgt, so dass es nicht mehr so ruppig klingt. Dass man vielleicht Dissonanzen, die der Komponist klar herausgestellt haben wollte, in Streicherfluten untergehen lässt. Dass man die Musik um ihre eigentliche Aussage, ihre Stimmungen beraubt zugunsten eines „das Ohr umschmeichelnden“ Klangbildes.


    Ein konkretes Beispiel dafür habe ich an anderer Stelle schon (inkl. Hörbeispiel und Noten) gebracht, nämlich die Figaro-Ouvertüren von Karl Böhm oder Leonard Bernstein, wo das schmetternde Blech und die hart klingenden Pauken sehr leise sind, der Streicherklang dafür sehr breit und dominierend. Also keine aggressiv-schmetternden Blechklänge mehr, sondern weiche „Streicherseligkeit“, wenn man so möchte. Das wäre für mich ein Beispiel für den besagten Zuckerguss. Der Beitrag,, der ein konkretes Beispiel dafür geliefert und versucht hat, das Ganze eingehender und sachlich anzugehen, ist bislang unbeantwortet geblieben …
    Man darf aber nicht „ruppige“ Klänge ausschließlich der Interpretation „anlasten“; es gibt nun einmal Werke (und dazu zählen auch die von Mozart), die so geschrieben sind, dass sie rauh, scharf oder aggressiv klingen, was sehr oft mit den Instrumenten, für die er geschrieben hat, zusammenhängt. Mozart und andere haben die „Schwächen“ ihrer Instrumente oft gezielt ausgenutzt, oder Lautstärken vorgeschrieben, von denen sie wussten, dass bestimmte Instrumente rauh klingen werden. Es gab genügend Zuschauer zu Mozarts Zeit, die mit seinen Werken nichts anfangen konnten, weil sie ihnen zu hart, zu böse oder erschütternd vorkamen.
    Diese Klänge sind also Teil des Werkes, und wenn ein HIP-Ensemble das nun wieder zum Klingen bringt, dann klingt es natürlich auch dementsprechend. Das hat dann nichts damit zu tun, dass der pöse Dirigent eigensinnigerweise alles grob interpretiert, damit es nur ja anders klingt, sondern damit, dass diese Klänge werkimmanent sind.


    Das schließt, wie gesagt, natürlich nicht aus, dass manche HIP-Interpreten vielleicht ZU brutal spielen lassen, aber dennoch: man muss hier differenzieren zwischen Interpretation und dem Werk. Entsprechendes Interesse vorausgesetzt, kann ein Blick in die Noten und die Beschäftigung mit den alten Instrumenten und ihren Eigenschaften viele neue Erkenntnisse bringen, und dann fällt es auch leichter, zu bestimmen, ob das Dirigat es zu heftig angehen lässt, oder ob es daran liegt, dass das Werk nun mal so komponiert ist. Und es fällt natürlich auch leichter, darüber zu diskutieren ;)
    Der (vielleicht berechtigte) Unmut über verkürzte Beschreibungen wie "Zuckerguss" sollte einem dann doch nicht die Sicht versperren dafür, dass es sehr wohl sachliche Argumente dafür gibt, dass es Interpretationen gibt, die die Werke um ihre bisweilen harten und ruppigen Klänge berauben.
    Am empfehlenswertesten sind m.E. die Online-NMA-Partituren, die ich auch alle verlinkt habe und auch für Anfänger leichter lesbar sind.


    und sehe dies als eine bewusst manipilative Phrase an, initiiert von Leuten, die eigentlich nicht davor zurückschrecken ALLE Werte auf ihr Weltbild hinzubiegen. Sie wollen Mozart (und nicht nur ihn) als radikalen Neuerer sehen . bzw uns Glauben machen, daß er einer war. Allein das Wort "Rokoko" macht sie erschauern und sie haben es aus ihrem Sprachschatz gestrichen - und würden das mit unserem ebenfalls gerne tun.Mozart war nun aber ein Mensch des Rokoko - und auch jene in dessen Diensten er stand.


    Du bezichtigst die Leute, die von Zuckerguss sprechen, der manipulativen Phrasendrescherei, wirfst allerdings selbst einen ganzen Haufen Vorurteile und Anschuldigungen in´s Rennen, was eine sachliche Diskussion leider erschwert.


    Ich versuche es trotzdem mal:

    Sie wollen Mozart (und nicht nur ihn) als radikalen Neuerer sehen


    Vielleicht „wollen“ sie ihn nicht so sehen, weil sie gute, fachliche Gründe für ihre Meinung haben, die sie natürlich auch mitteilen sollten. Umgekehrt kann man den „HIP-Gegnern“ auch vorwerfen, dass sie wiederum Mozart & Co. nur so sehen wollen, wie ihn die Interpreten (und vllt. die Werbeindustrie, Stichwort Mozartkugeln) des 20. Jahrhunderts zurechtgerückt haben – Anschuldigungen führen aber zu nichts.
    Als „radikalen“ Neuerer würde ich ihn nicht sehen, aber hat er natürlich Werke geschrieben, die sich deutlich von denen seiner Zeitgenossen abhoben. Allerdings bin ich bei diesem Thema zu wenig informiert; um da etwas Sinnvolles sagen zu können, müsste man sich intensiver mit der Materie beschäftigen. Da können „Stimmenliebhaber“ und andere sicher mehr dazu beitragen.



    Allein das Wort "Rokoko" macht sie erschauern und sie haben es aus ihrem Sprachschatz gestrichen - und würden das mit unserem ebenfalls gerne tun


    Das klingt mir schon arg nach Verschwörungstheorie. Wo genau will jemand den Sprachschatz anderer Hörer um das Wort „Rokoko“ berauben? Und wer konkret erschaudert bei diesem Wort?


    initiiert von Leuten, die eigentlich nicht davor zurückschrecken ALLE Werte auf ihr Weltbild hinzubiegen.


    Es kommt immer darauf an, ob es sich hier um ein uninformiertes (vielleicht gar durch bloße Höreindrücke entstandenes) Weltbild handelt, oder um eine Meinung, die man sich anhand von Sekundärliteratur, Partituren und Vergleichen gebildet hat.


    "Ich bin nur ein Genusshörer" - ist lediglich eine Schutzbehauptung, eine Umschreibung des Satzes "Eigentlich interessiere ich mich nicht wirklich für das Thema, und habe keine Ahnung davon"


    Da bin ich wiederum ganz bei dir.


    Ich wette, so manche Mozart-Hörer, die mit diesem Namen Mozartkugeln und angenehme, zierliche Musik verbinden, wären ziemlich überrascht, wenn nicht gar schockiert, wenn sie etwa in seinen "Bäsle-Briefen" solche Aussagen wie diese hier lesen würden:


    "reckens den arsch zum mund"


    "Mein arsch brennt mich wie feüer! was muß das nicht bedeüten! -- vielleicht will dreck heraus? - ja ja, dreck, ich kenne dich, sehe dich, und schmecke dich"


    "endlich sagt Meine Mama zu mir: was wette ich, du hast einen gehen lassen? - - ich glaube nicht Mama. ja ja, es ist gewis so. Ich mache die Probe, thue den ersten finger im arsch und dann zur Nase, und -- Ecce Provatum est, die Mama hatte recht."


    "PS: Scheis = dibitari der pfarer zu Rodempl
    hat sein köchin im arsch geleckt, ein andern zum Exempl;"


    "Dreck! -- o dreck! -- o süsses wort! -- dreck! -- schmeck! -- auch schön! -- dreck, schmeck! -- dreck, leck -- o charmante! -- dreck, leck! -- das freüet mich! -- dreck, schmeck und leck! -- schmeck dreck, und leck dreck!"


    :D:thumbsup:





    LG,
    Hosenrolle1

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  • Es ist m.E. kein Zufall, dass man den Stilbegriff des "Rokoko" in der Musik eher selten verwendet und wenn, dann eher für die Musik des spätbarocken "galanten Stils" der 1730er-50er oder der "Frühklassik" etwas später um die Jahrhundertmitte. Weil es eben auf die Klassik des reifen Haydn, Mozart oder gar Beethoven nicht besonders gut passt. Und es passt nicht nur nicht auf die Musik (Haydns "Abschiedssinfonie" Rokoko?), sondern eben auch nicht auf den offensichtlich "aufklärerischen" Geist z.B. der späten Mozart-Opern, die eben keine Verklärungen des Ancien Régime sind, sondern dessen Abgesang bzw. das Aufzeigen einer neuen Gesellschaft.


    Es geht darum, hörbar zu machen, dass Musik Mozarts und Haydns eben nicht in erster Linie eine Art gehobene Popmusik für Puderperücken war, sondern seinerzeit oft als kühn und schwierig empfundene Musik.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    keine Verklärungen des Ancien Régime sind, sondern dessen Abgesang bzw. das Aufzeigen einer neuen Gesellschaft.


    Das war keine "neue Gesellschaft" sondern das Aufkommen des Pöbels (erinnert mich irgendwie an heutige Verhältnisse)
    Aber irgendwann hat dann die Restauration die alte Ordnung teilweise wieder hergestellt - für ein paar jahrzehnte wenigstens.


    Allmähöich verwandelts sich danch aber die von Adel geführte Gesellschaft in eine bürgeliche, was insofern fast reivungslos verlief, als das Bürgertum nun almmählich begann "adelige" Attitüde zu entwickeln und alte Traditionen fortzusetzen, Sturm und Drang war nunmehr Geschichte. Biedermeier war tonangebend,


    Leider entfernen wir uns zusehend von Grundthema und ich weiss nicht wie ich das in die Bahn lenken soll.....


    mfg aus Wien
    Akfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe mir ja fest vorgenommen und auch in meiner neuen Signatur bekundet, dass ich nicht mehr auf alles, was ich hier absurd finde, anspringen möchte, sondern mich distanziere, sofern ist nicht in einem Antwortbeitrag der von einem anderen vertretenen Position ausdrücklich zustimme.


    In diesem Fall möchte ich den Beiträgen von "Hosenrolle1" und "Johannes Roehl" ausdrücklich zustimmen. :jubel:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    In diesem Fall möchte ich den Beiträgen von "Hosenrolle1" und "Johannes Roehl" ausdrücklich zustimmen.


    Das war ja auch nicht anders zu erwarten.


    Denn der Hörer, der hier nicht eurer Meinung ist, weil er lieber das "Schöne und gefällige" liebt und allem Verstörenden ausweicht, der meldet sich nur in seltensten Fällen in einem Internetforum an, weil er dort genau das vorfindet, dem er im realen Leben ausweicht. Es hat lange gedauert, bis ich das bemerkt kabe, bzw hat mich jemand auf diese Tatsache aufmerksam gemacht und ich musste damals die Entscheidung fällen, damit zu leben oder das Forum aufzugeben.


    Zitat

    Ich habe mir ja fest vorgenommen und auch in meiner neuen Signatur bekundet.......


    Da habe ich die (alterbedingt ???) etwas voraus - ich weiß, daß ich Vorsätze aller Art nicht durchhalte, und es den meisten anderen ebenso ergeht...und das ist vermutlich auch gut so. Ein Vorsatz ist nämlich zumeist ein Korsett, in das man sich selbst zwängt.....und das geht fast immer schief....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • O.k. Alfred, verstehe ich das richtig, dass Du dann ab jetzt Mozart, der (etwas vereinfacht ausgedrückt) den Adel im Figaro und Don Giovanni nach allen Regeln der Kunst der Lächerlichkeit preisgibt (und "vulgäre" Tänze im ersten Giovanni-Finale auf die Bühne bringt) und besonders Beethoven, der explizit anti-adlige Äußerungen von sich gegeben und Fürsten bewusst durch genialisch-trotziges Verhalten provoziert hat, nicht mehr hörst, weil sie den Aufstieg des Pöbels befördert haben :D Von einen Leierkastenmann wie Verdi gar nicht anzufangen.
    Wenn schon, dann solltest Du konsequenterweise zum "Lullisten" (oder Ramisten oder Scarlattisten) werden.


    Wichtiger ist doch, dass "für eine höfische Gesellschaft komponiert" praktisch nichts über den Charakter der Musik aussagt. Musik von Adam de la Halle, Guillaume Dufay (ein Hosenbein gelb, eins rot und 20 cm lange Schnäbel an den Schuhen), Dowland (Spitzbart und Spitzenkragen), Monteverdi, Lully (Roßhaarperücke), Rameau, Bach, Quantz, Haydn, Mozart wurde für höfische Gesellschaften komponiert, aber ebenso wie die angedeutete Mode hat sich die Musik geändert und es dürfte relativ schwer fallen, Merkmale zu finden, die Dufays, Rameaus und Quantz' Musik gemeinsam sind, aber Schumanns oder Stravinskys, die nicht mehr für höfische Gesellschaften, sondern für den "Pöbel" komponierten, nicht.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Lieber Alfred, warum ordnest Du eigentlich Zitate nicht einem Autor zu? Wo zitiert wird - ob in der Wissenschaft oder im Journalismus - ist es zwingend erforderlich, die Herkunft von Zitaten auszuweisen. Warum nicht auch in unserem Forum? Manche Beiträge sind nicht zu verstehen, wenn das Zitat auf dem sie beruhen, nicht zugewiesen ist. Es sei denn, man lernt das bisher geschriebene auswendig. Ich lese hier sehr viel, aber ich kann mich beim besten Willen nicht an alles erinnern, was plötzlich wieder als Zitat auftaucht. Also verstehe ich auch die Entgegnung nicht. ?(

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Alfred, warum ordnest Du eigentlich Zitate nicht einem Autor zu? Wo zitiert wird - ob in der Wissenschaft oder im Journalismus - ist es zwingend erforderlich, die Herkunft von Zitaten auszuweisen. Warum nicht auch in unserem Forum? Manche Beiträge sind nicht zu verstehen, wenn das Zitat auf dem sie beruhen, nicht zugewiesen ist. Es sei denn, man lernt das bisher geschriebene auswendig. Ich lese hier sehr viel, aber ich kann mich beim besten Willen nicht an alles erinnern, was plötzlich wieder als Zitat auftaucht. Also verstehe ich auch die Entgegnung nicht. ?(


    Das stört mich auch regelmäßig, und ich verstehe es nicht, weil beim Klicken auf die "Zitieren"-Schaltfläche der Autor automatisch eingefügt wird.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Das war ja auch nicht anders zu erwarten.


    Ich kann diese Äußerung leider nicht nachvollziehen. Ist es so schlimm, wenn jemand “Johannes Roehl“ oder meiner Wenigkeit zustimmt?



    Denn der Hörer, der hier nicht eurer Meinung ist, weil er lieber das "Schöne und gefällige" liebt und allem Verstörenden ausweicht, der meldet sich nur in seltensten Fällen in einem Internetforum an, weil er dort genau das vorfindet, dem er im realen Leben ausweicht.


    Dazu habe ich ja schon im (bislang leider unbeantworteten) Beitrag Nr. 135 ausführlicher geantwortet.
    Was ist „schön“? Und was wirkt „verstörend“?


    Ich habe ja in besagtem Beitrag versucht, das von dir monierte Wort „Zuckerguss“ grob zu definieren. In den Memoiren von Elisabeth Schwarzkopf wird beschrieben, wie ihr Ehemann Walter Legge, der auch der Produzent vieler Karajan-Einspielungen war, Karajans „Sound“ beschreibt. Da heißt es u.a.:


    “Der Karajan-Klang ist aufs äußerste geglättet (…), von höchster Brillanz, fortissimo, ohne daß der “Klick” eines Toneinsatzes zu hören wäre... „


    und dass dieses Klangideal


    “frei ist von allem, was das Ohr unangenehm berühren könnte”


    Das ist eine sehr gute Definition dessen, was für viele das Wort „Zuckerguss“ ausmacht, und sie stammt von jemandem, der eng mit Karajan zusammengearbeitet und diese Vorstellungen aktiv unterstützt hat.


    Mozarts Orchester ist nun aber kein passiver Begleiter schöner Gesänge, und auch die unterschiedlichen Instrumentengruppen stehen oft in dialogisierendem Verhältnis zueinander (rhetorische Figuren!, s. „Mozarts Musiksprache“).
    Der Komponist liebte es, das Ohr des Zuhörers nicht nur zu „umschmeicheln“, sondern es auch zu irritieren. Seine Werke sind reich an klanglichen und dynamischen Kontrasten, die in einer HIP-Aufführung und entsprechenden Instrumenten wieder hörbar gemacht werden. Er hielt dem Publikum gerne einen Spiegel vor, statt reine „Wohlfühlmusik“ anzubieten – er war eben Mozart, und nicht etwa Komponist meditativer Entspannungsmusik „zum Abschalten“. (Nichts gegen meditative Entspannungsmusik! :jubel: )
    Diesen Klangreichtum, diese Vielfalt an Kontrasten, an weichen, aber auch harten, schroffen, gar bedrohlichen Klängen in einer guten HIP-Aufführung zu erleben empfinde ich z.B. als „schön“, keineswegs als verstörend. So gesehen bin ich vielleicht auch ein "Genusshörer", denn ich genieße den Farb- und Klangreichtum dieser Werke, der bei adäquaten Umsetzungen hörbar wird.


    Passend dazu möchte ich René Jacobs zitieren, der schrieb:


    Zitat

    Da Ponte versicherte dem Kaiser, er werde in seinem Libretto alles weglassen, was an gefährlichem Gedankengut in dem Stück von Beaumarchais enthalten sein könnte, aber die Musik Mozarts enthüllt, was Figaro mit Worten nicht sagen darf. Und das “neoklassische” Orchester vermag das Subversive und Gewaltsame dieses Nicht-Gesagten besser wiederzugeben als der geglättete Klang des “postromantischen” Orchesters (…)


    Da frage ich mich: wenn man sich "entspannen" möchte, wieso sucht man sich dann ausgerechnet eine Musik aus, die praktisch das Gegenteil bewirken will, vom Publikum etwa aufgrund der "rhetorischen" Aussagen ein genaues, konzentriertes Zuhören verlangt? Natürlich kann man jetzt einwenden, dass man sich zu den Karajan-Aufnahmen, oder ähnlichen Vertretern, sehr wohl berieseln lassen kann - dann wäre es naheliegend sich (u.a. auch im Hinblick auf die Aussagen Walter Legges) zu überlegen, ob am Wort "Zuckerguss" nicht doch mehr dran sein könnte als man denkt ... ;)



    verstehe ich das richtig, dass Du dann ab jetzt Mozart, der (etwas vereinfacht ausgedrückt) den Adel im Figaro und Don Giovanni nach allen Regeln der Kunst der Lächerlichkeit preisgibt


    Da muss ich sofort an die Szene aus dem 2. Akt Figaro denken, wo der Graf es in seiner wilden Eifersucht an den gebotenen Manieren fehlen lässt, und Susanna (bzw. ihre Musik) dann zum Rhythmus des höfischen Menuetts dann als „einfache Dienerin“ zeigt, wie man sich richtig benimmt als Adeliger.


    Jacobs schrieb auch:


    Zitat

    In Se vuol ballare macht erstmals ein Diener (Figaro) Gebrauch von der Form eines höfischen Tanzes (einem Menuett, das hier ein wenig schneller – allegretto – gesungen wird, so daß ein Aristokrat darauf nicht tanzen könnte!), um seinen Herrn zu provozieren. Im Presto-Abschnitt seiner Arie stellt er diesem Tanz “des Ancien Régime” kontrastierend einen anderen gegenüber, den das Volk später auf den Barrikaden der Französischen Revolution tanzen sollte: L’arte schermendo, l’arte adoprando erklingt im Rhythmus eines derben Galopps, und es ist, als hörte man als Echo Ah! Ça ira, ça ira.




    LG,
    Hosenrolle1

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  • Zitat

    Das war keine "neue Gesellschaft" sondern das Aufkommen des Pöbels (erinnert mich irgendwie an heutige Verhältnisse)


    Wenn man die Wikipedia-Formulierung zugrunde legt, teile ich diese Ansicht von Alfred uneingeschränkt. Dort heißt es:

    »Mit dem Wort „Pöbel“ wird gewöhnlich ein Mangel an Kultur, Kultiviertheit, Intelligenz, Stil, Feingefühl oder „Sinn für Höheres“ unterstellt.«


    Natürlich hat Schumann weder für die höfische Gesellschaft noch für den Pöbel komponiert, lieber Johannes Roehl, sondern für Menschen, die vermutlich genussfähig waren ...


    Nach der fünften Threadseite sollte man mal wieder das Thema einblenden:
    Ein paar Gedanken über den "Genusshörer" und ähnliche Phänomene in der klassischen Musik


    Ein Klick in Wikipedia klärt uns auf:


    »Was als Genuss empfunden wird, ist subjektiv und damit individuell unterschiedlich. Voraussetzungen sind Genussfähigkeit und Hingabe. Dem Bejahen des Genusses durch den Genießer steht die Lebenshaltung der Askese entgegen, bei der es um Verzicht geht und Genuss gezielt vermieden wird.«


    Der Begriff »Genuss« ist für den aktuellen Genießer stets positiv besetzt, nicht so für den Rest der Gesellschaft, da wird der Genießer in aller Regel misstrauisch beäugt - wie kann man denn auch ... einfach nur so genießen? Wo bleibt denn hier die Tiefe?
    Kann man ein Requiem mit erstklassiger Besetzung genießen?

  • Kann man ein Requiem mit erstklassiger Besetzung genießen?


    Mit Sicherheit nicht - deshalb vermeide ich, eines anzuhören.
    Als ich mich mit ca 15 der "klassischen Musik" zuwandte, war das weil diese schöne Musik meine Aggressionen und meine Depressionen dämpfte


    Ich kann diese Äußerung leider nicht nachvollziehen. Ist es so schlimm, wenn jemand “Johannes Roehl“ oder meiner Wenigkeit zustimmt?


    Überhaupt nicht - Es gibt da aber eine verborgene Spitze, die vermutlich nur ich (und - vielleicht - ein paar andere ) verstehe.


    Apropos Spitze - das war natürlich in erster Linie an mich gerichtet

    Es gibt hier Mozart-Hörer, die ihn mit Zuckerguss lieben


    Ein konkretes Beispiel dafür habe ich an anderer Stelle schon (inkl. Hörbeispiel und Noten) gebracht, nämlich die Figaro-Ouvertüren von Karl Böhm oder Leonard Bernstein, wo das schmetternde Blech und die hart klingenden Pauken sehr leise sind, der Streicherklang dafür sehr breit und dominierend. Also keine aggressiv-schmetternden Blechklänge mehr, sondern weiche „Streicherseligkeit“, wenn man so möchte. Das wäre für mich ein Beispiel für den besagten Zuckerguss.


    Egel ob ich nun Böhm als Lieblingsdirigenten habe oder nicht - ihm ward zu Lebzeiten immer eine perfekte Auslotung der Mozartschen Werke nachgesagt.
    Aber wenn das heute als "Zuckerguß bezeichnet wird - seis drum
    Das ist der große Vorzug einer riesigen Tonträgersammlung, daß man sich um zeitgeistigen Gerschmack der Gegenwart nicht unbedingt kümmern muss. Das spricht (neben vielen anderen Aspekten) auch gegen einen "Pool" wo man sich beliebige Titel via Stream anhören kann - solange sie nämlich auf dem Server sind


    Was ist „schön“? Und was wirkt „verstörend“?


    Eine gute Frage, die sich aber von selbst beantwortet, wenn man Beispielsweise in Wien Filmaufnahmen machen möchte.
    Die meisten "Ensembles" wurden durch moderne Zubauten zerstört, die hässlichen schiefen Türme und Hochhäuser . die die Stadt verschandelm - Selbst der Status des "Weltkulturerbes" soll und wwegen eines solchen in Planung oder im Bau befindlichen Gebäudes aberkannt werden, Dazu findet man überall die Graffiti- Schmierereien des Gesindels ( das es angeblich gar nicht gibt)
    Aber - "verstört" das die Leute ? Mitnichten.


    Dazu gibt es heute noch einige Beiträge bzw neue Threads.


    Natürlich hat Schumann weder für die höfische Gesellschaft noch für den Pöbel komponiert, lieber Johannes Roehl, sondern für Menschen, die vermutlich genussfähig waren


    Der durch die französiche Revoluton kurzzeitig enporgeschemmte Pöbel wurde durch die Restauration wieder in die Schranken gedrängt.
    In Wien regierte nach wie vor der Adel (siehe Wenzel Fürst Metternich), aber das Bürgertum gewann allmählich an Bedeutung und übernahm gewisse Funktionen . vor allem auch im musikalischen Sektor. Erst das 20. Jahrhundert leitete den Niedergang dessen ein, was ich unter Kultur verstehe......


    Und nun als Geniestreich - der Bogen zurück zum Thema: Eben die relativ mangelnde Beteiligung an Kulturseiten (auch viele Klassikzeitschriften sind eingegangen) ist ein signifikantes Zeichen für das Interesse an Kunst und Kultur. Was früher Kultur hiess, heisst heute "Hochkultur" - absichtlich - um sich dagegen abzugrenzen. Ist aber gar nicht noterndig, vieles entlarvt sich von selbst, durch Kleidung, Sprache und Allgemeinwissen. Und manche Prominente sehen aus wie Türstehe vor einem dubiosen Nachlokal. Besonders lustig ist es (für mich), wenn sie sich bemühen "vornehm" oder "gebildet" zu sprechen. Eine Lachnummer oder ein Trauerspiel - je nach Sichtweise. Unf genauso dehe ich viele Wiedergaben der klassischen Musik von heute. Im täglichen Leben heisst es dann "Spaßgesellschaft" in der Welt der Klassik "Genußhörer" :hahahaha::hahahaha:

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat von »hart«

    Kann man ein Requiem mit erstklassiger Besetzung genießen?



    Mit Sicherheit nicht - deshalb vermeide ich, eines anzuhören




    Selbstverständlich kann man/ich das - und wer durch den Text von der Musik abgelenkt wird, klicke (ich) den Text aus.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Egel ob ich nun Böhm als Lieblingsdirigenten habe oder nicht - ihm ward zu Lebzeiten immer eine perfekte Auslotung der Mozartschen Werke nachgesagt.


    Dass ihm derartiges nachgesagt wurde durchaus sein, wenn man diesen Urteilen jedoch nicht blinden Glauben schenkt, dann stellt sich immer die Frage wer ihm solche Verdienste attestiert, welches Wissen um Mozarts Musik diese Leute hatten, und was für sie eine „perfekte Auslotung“ bedeutet, und inwieweit die eigenen Hörgewohnheiten ein solches Urteil beeinflussen (nach dem Motto „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht“). Dazu kommt, dass zu Böhms Lebzeiten HIP entweder praktisch gar nicht existierte, oder in den Kinderschuhen steckte und für die Allgemeinheit zu unwichtig war, noch nicht über das heutige Wissen verfügte. Wenn es keine „HIP-Konkurrenz“ gab, sondern ausschließlich "postromantische" Versionen mit modernem Orchester, man daher gar keine anderen Versionen kennt, dann entzieht das solchen Urteilen noch zusätzlich die Grundlage.
    Man kann nämlich auf fachlicher Ebene auch das Gegenteil beweisen und seine Interpretationen zerlegen. Ich habe ein klein wenig dazu gesagt (etwa was die Instrumente angeht), aber natürlich können das Spezialisten, die sich intensiv mit Mozarts Werken, ihrer Struktur, ihren Klängen, ihrer Aussagen und Klangrede beschäftigt haben als der gemeine Kritiker damals und heute, wesentlich besser.



    Zitat von »Hosenrolle1«
    Was ist „schön“? Und was wirkt „verstörend“?


    Eine gute Frage, die sich aber von selbst beantwortet, wenn man Beispielsweise in Wien Filmaufnahmen machen möchte.
    Die meisten "Ensembles" wurden durch moderne Zubauten zerstört, die hässlichen schiefen Türme und Hochhäuser . die die Stadt verschandelm - Selbst der Status des "Weltkulturerbes" soll und wwegen eines solchen in Planung oder im Bau befindlichen Gebäudes aberkannt werden, Dazu findet man überall die Graffiti- Schmierereien des Gesindels ( das es angeblich gar nicht gibt)


    Jetzt bist du geschickt meiner Frage ausgewichen ;)
    Du schriebst ja nicht über Hochhäuser in Wien, sondern über die Musik, und sprachst in diesem Zusammenhang von Eigenschaften wie „schön“, „gefällig“ und „verstörend“.
    Ich habe mich in den vorangegangenen Beiträgen um eine (keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit stellende) Konkretisierung bemüht; mich würde daher deine Interpretation dieser Adjektive bzgl. Mozarts Musik interessieren.


    Auch die Frage, warum man ausgerechnet bei Mozart reinen "Wohlklang" und "Schönheit" sucht, wäre gerade in diesem Thread eine Diskussion wert.





    LG,
    Hosenrolle1

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