Charles-Marie Widor
Messe fis-Moll für Männerchor, gemischten Chor und zwei Orgeln, Op. 36
Symphonie Antique mit Schlusschor Te Deum für Soli, Chor, Orchester und Orgel, Op. 83
Andreas Meißner (Orgel)
Paul Wißkirchen (Orgel)
Domkantorei Altenberg
Gürzenich-Chor Köln
Deutsch-Französischer Chor Köln
Total Vokal Dortmund
sowie weitere Sängerinnen und Sänger
Radio Sinfonie-Orchester Pilsen
Volker Hempfling
Aufgenommen am 28. August 1994.
Ach du Schande, was passiert hier?!?!? Diese CD hier habe ich kürzlich gebraucht erstanden, weil ich nicht nur die Orgelsinfonien von Widor haben wollte, sondern auch seine Sinfonien mit Orchesterbeteiligung. Als ich herausfand, dass er auch eine "Symphonie Antique", Op. 83 geschrieben haben soll, von der ich noch nie zuvor etwas gehört hatte, machte ich mich auf die Suche und fand obige CD, die meines Wissens nach auch die einzige Aufnahme von Op. 83 ist.
Die Messe Op. 36 ist mit knapp 14 Minuten recht schnell durchgehört und ein schöner, kurzer aber auch weitestgehend unspektakulärer erster Teil der CD. Als ich dann sah, dass Op. 83 knapp 50 Minuten dauern sollte, davon knapp die Hälfte (24:26) für den Schlusssatz, hatte ich, der ich mit langen geistlichen Werken meist nicht allzu viel anfangen kann, schon leichte Bedenken.
Die Zweifel legten sich aber schon kurz nach Beginn des Stückes. Das Ding ist ein absolutes Meisterwerk und dieses Prädikat vergebe ich nicht oft! Trotz der langen Spielzeit von 50 Minuten ist das Stück wirklich erstaunlich kurzweilig, der bombastische, knapp 11-minütige Anfangssatz verging wie im Flug! Auch der Gesang konnte mich nicht abschrecken, ganz im Gegenteil! Die beiden Mittelsätze können die Spannung aufrechterhalten und das lange Chorfinale mit gewaltig-jubelndem Ende gebührend vorbereiten.
Dass dieses Stück so unbekannt ist und nicht öfter gespielt und vor allem aufgenommen wird ist eine echte Schande!
Die Musiker sind zwar sicher nicht die besten (es gibt immer wieder leichte Wackler, etwa direkt zu Beginn des 1. Satzes nach etwa 25 Sekunden im Blech), das hat meinem Hörspaß aber absolut keinen Abbruch getan. Die beteiligten Damen und Herren spielen und singen sich hörbar die Seele aus dem Leib, dass es trotz der kleineren Fehler eine Freude ist, dem Spektakel zuzuhören. Die Pauken sind ein Traum, bis auf die erwähnten kleineren Schnitzer lässt auch das Blech kaum Wünsche offen und der Rest der zusammengewürfelten Truppe spielt/singt ebenfalls wie aus einem Guss, die Spannungsschraube quasi durchgängig am Anschlag!
Diese CD sei allen Freunden spätromantischer (Schwer-)Sinfonik sowie Freunden, aber auch Verächtern von geistlicher Musik, die glauben, geistliche Musik sei langweilig, mehr als wärmstens empfohlen. Für mich ein absoluter Best-Buy, das hätte ich vor dem Hören nie im Leben so erwartet!
Wer mal reinhören möchte:
Liebe Grüße
Amdir
P.S.: Das letzte Mal, dass ich beim ersten Hören vom ersten Ton an so gefesselt zugehört habe, war bei meinem Erstkontakt mit Sibelius über das Finale dessen 5. Sinfonie mit Bernstein/WPO - und der ist jetzt mein Lieblingskomponist und die 5. Sinfonie mein Lieblingswerk überhaupt! Der Beginn des ersten Satzes erinnert mich auch irgendwie an Sibelius Kullervo...