SCHOSTAKOWITSCH - Was macht seinen Reiz aus ?

  • Einsteigerfreundlich unter den Symphonien aus meiner subjektiven Sicht: 11 - 12 - 5 - 7 - 15.

    Je nachdem, woher man kommt, könnten 2, 3, 13 und 14 problematisch sein (ich mag sie mittlerweile indes alle).


    Mein persönliches Problem besteht mit 4, der ich jede andere vorziehen würde. Aber das verstehen wohl wenige.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Wer von der Klassik/Romantik kommt, dürfte mit Nr. 11 tendenziell am ehesten so etwas in der Art finden (vereinfacht gesagt).

    Nr. 12 finde ich sträflich unterschätzt und zu lapidar abgewertet. Dasselbe gilt für Nr. 2 und (mit leichten Abstrichen) sogar Nr. 3, die kompositorisch vielleicht seine schwächste Symphonie darstellt.


    Nr. 4 ist auf eine Art seine modernste, gewagteste, radikalste. Und genau deswegen habe ich wohl ein Problem mit ihr.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nr. 4 ist auf eine Art seine modernste, gewagteste, radikalste. Und genau deswegen habe ich wohl ein Problem mit ihr.

    Nicht nur Du. Auch der sowjetischen Führung war sie wohl zu progressiv.

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Wer von der Klassik/Romantik kommt, dürfte mit Nr. 11 tendenziell am ehesten so etwas in der Art finden (vereinfacht gesagt).

    Nr. 12 finde ich sträflich unterschätzt und zu lapidar abgewertet. Dasselbe gilt für Nr. 2 und (mit leichten Abstrichen) sogar Nr. 3, die kompositorisch vielleicht seine schwächste Symphonie darstellt.


    Nr. 4 ist auf eine Art seine modernste, gewagteste, radikalste. Und genau deswegen habe ich wohl ein Problem mit ihr.

    Danke für die Hörtipps! Wenn ich demnächst mal mit Petrenkos GA starte, nehme ich mir dann wohl die 11. zuerst vor.


    Die 2. kann ich mir immer durch die lustige Sirene/Tröte merken, da war ich beim ersten Hören maximal überrascht und dachte, es gibt einen Probealarm :hahahaha:


    An die 1. habe ich die Erinnerung, dass sie mir zu atonal war und ein Klavier hatte (mag ich nicht in Orchesterwerken, ich bin mit Ausnahme von Grieg/Schumann auch ein Klavierkonzertverächter), es ist aber ewig her, dass ich das Stück gehört habe.

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  • Die Klavierkonzerte sind beide eigentlich überhaupt nicht schräg, die würde ich dem Einsteiger empfehlen (obwohl ich das zweite nicht mag). Noch mehr das 1. Violinkonzert, das ist zugänglich und sehr ausdrucksstark. (Die Cellokonzerte dagegen spät, eher distanziert und schwierig). Letztlich höre ich vermutlich am häufigsten die Kammermusik, besonders Klaviertrio (Nr. 2), Quintett und Streichquartette (mit 3, 5, 8 oder 9 beginnen). Von den Sinfonien sind mir die meisten zu lang, selbst die beiden vielleicht besten, #4 und #8, zu anstrengend. 1, 5, 9, evtl. 11 (für Film- und Programmmusikfreunde) würde ich wohl von den Sinfonien als erstes nahelegen.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die 4. ist seit einiger Zeit meine Liebste ...vorher war es die 5., und davor die 13.

    Heute Morgen zufällig entdeckt ...





    Das Video hat natürlich keinerlei Aussagewert, deckt sich jedoch mit meinem (momentanen) Standpunkt :yes:.

  • Alle anderen Sinfonien haben sich mir leider noch nicht wirklich erschlossen, ich hoffe, dass Petrenkos GA, die noch auf dem Ungehört-Stapel liegt, mir dabei weiterhelfen kann ;)

    Lieber Amdir,


    als Schosty-Fan habe ich mir die gut klingende NAXOS_GA mit Petrenko auch zugelegt, als diese als GA verfügbar war. So richtige volle Begeistung kam dann von der Int nicht auf, weil ich klar durch Kondraschin - Roshdestwensky - Swetlanow geprägt bin, was alle Sinfonien angeht. Petrenko geht die Sache recht sachlich und zwar präzise an, aber er reisst einfach nicht so mit wie :angel: die grossen alten Russen, die die Werke absolut auf Sidehitze bringen .. eine ganz andere Liga tut sich da auf !


    Aber nicht alle Neuaufnahmen sind aber "lasch".

    *** Die GA von Ashkenazy (Decca) habe ich in der Vergangenheit immer gerne als "moderne Referenz" bezeichnet. Keine Ausreisser, alle Klasse interpretiert.


    *** Eine der neusten GA hat mir auch die Socken ausgezogen = Michael Sanderling / Dresdener PH (SONY, 2019) ... tolle Int, durchweg angemessene Tempi, durchschlagskräftig und spannend; geradezu der Gegenpol zu dem zu sauberen oft zu abgeklärten Petrenko. Bei M.Sanderling war ich nur von der 10ten enttäuscht, die mir zu wenig Power hat und gerade besonders im so wichtigen 2.Satz ohne pepp und Kraft daherkommt. Der Klang ist aktuell und astrein ... leider nicht auf SACD verfügbar, aber auf CD auch TOP.


    *** Von Dmitri Sohn Maxim Schostakwitsch hätte ich mir bei seiner GA mit den Prager Sinfoniken mehr erwartet. Er bleibt spannungsmässig fast am unteren Ende, scheint jede Effekte zu meiden und bleibt einfach zu sauber ... ganz das Gegenteil von einigen seiner früheren Einzelaufnahmen (zum Beispiel der Sinfonie Nr. 15) mit Maxim Schostakowitsch / Moskauer PH (Melodiya/Eurodisc), wo er sich als Sohn und Interpret ausgezeichnet bewährte. Ich hatte ihn auch mal LIVE in der Beethovenhalle Bonn mit der 10ten erlebt ... ein denkwürdiges Konzert, das ich nie vergessen werde. ES liegt nicht am Orchester, sonderen einfach an seiner später geänderten Sichtweise. (Auch das VC Nr.1 mit Maxim / Salerno-Sonnenberg (EMI, 1992) ... man kann es sich nicht vorstellen, aber die gehört aus meiner Sicht zu den schwächsten Aufnahmen dieses grossen (grössten aller) VC !)


    *** Dagegen schätze ich alle Aufnahmen von meinem Liebling Georg Solti (Decca), der aber leider nur die Sinfonien Nr. 1, 5, 8, 9, 10, 13, 15 im Programm hatte .. alles sehr gute Int und Aufnahmen in der gewohnten TOP-Decca-Quali !


    *** Nicht mehr ganz so neu, aber absolut russisch klingend vom Schosty-Kenner und Freund ist die ausgewogenste aller GA, die alle Vorteile einer guten Int mitbringen und die von den Neueren alleine ausreichen würde um zufrieden zu sein = :thumbup: Rudolf Barshai / Kölner RSO (Brillant) ... diese GA war viele Jahre für nen lumpigen Zwanni zu haben !!!


    :S Leider kann ich mit den GA vom Schosty-Freund, dem Cellisten M.Rostropowitsch (EMI) und genau so mit der GA von Kitaenko aus Köln (Dacapo) wenig anfangen ... die sind mir Beide einfach zu langatmig und bleiben streckenweise im viiiiel zu langsamen Tempo stecken ... entsorgt ! Die sind so ganz und gar der Gegenpol zu meinem hochgeschätzten Kondraschin !



    Habt Ihr mal die 1. oder 6. probiert? Sollten da eigentlich auch gehen ...

    Klar, die Erste war zusammen mit der Neunten meine Initialzündung für Schostakowitsch. Die Erste ist die Abschlussarbeit des 21jährigen Studenetn Dmitri Schostakowitsch ... ein Meisterwerk per Excelance. Amerikanische UA durch Eugene Ormandy, der die Pauken im 4.Satz aber noch zu harmlos behandelt.


    Bei der Sinfonie Nr.6 weicht er mal von der Form ab, indem die 3 Sätze immer schneller werden ... bis zum atemberaubenden Finale ... bei der Aufnahme mit Roshdstwensky bleibt man nur noch fertig und regungslos im Stereohörsessel sitzen und muss das gehörte erst mal verdauen ... :hail:herrrrrrlich ... der absolute Wahnsinn. Dieses Erlebnis ist aber nur bei Roshdstwensky (Melodiya/Eurodisc) in dem Umfang gegeben, denn alle Anderen bleiben (zu sehr) auf dem Teppich ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • RE: Sinfonie Nr.4

    Nr. 4 ist auf eine Art seine modernste, gewagteste, radikalste. Und genau deswegen habe ich wohl ein Problem mit ihr.

    Mir ging es zuerst auch so. Nachdem ich dann aber verschiedene Aufnahmen gehört habe, hatte ich mich an die Sinfonie gewöhnt. Die scheinbar nicht enden wollenden Extasen im Fortissimo klingen in vieeln Int fast übertrieben und ohne innere Steigerung, zu gleichförmig bleibend; auch ohne Durchhörbarkeit hat man oft den Eindruck eines Klangbreies, der nicht enden will .....

    Ganz anders mit der LIVE-Aufnahme mit Roshdestensky von 24.Mai 1987, die für mich die absolute Referenz für die Vierte darstellt ... diese befindet sich mit den weiteren Hammeraufnahmen der Sinfonien Nr. 1, 4, 7, 9, und 10 in der BRILLANT-10CD-Roshdestwensky-Box:

    ES ist unfassbar was da abgeht ... Steigerungen in den Steigerungen ! Die übertrifft auch seine Studio-Aufnahme mit der Moskauer PH (Melodiya/Eurodisc, 1988).


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    Brillant, 1987 (Schost.4), ADD


    :!:Ne ganz dolle Box, die bei mir zu den Unverzichtbaren gehört.

    Heuer teuer geworden ....

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Selten wurde in diesem Thread auf die Fragestellung, was den Reiz von Schostakowitsch ausmacht, geantwortet. Das inaktive Mitglied Melante hat wie andere Tamino-Mitglieder eine persönliche Aussage gemacht: SCHOSTAKOWITSCH - Was macht seinen Reiz aus ?


    Meine erste Begegnung mit dem Komponisten war keine musikalische. Es war im Sommer 1975 die Mitteilung im Radio, dass der Komponist Dimitri Schostakowitsch verstorben war. Da war ich ein Teenager. Ich hatte mir den Namen gemerkt. Jahre später erstand ich drei CDs: die beiden Cellokonzerte, 13. Sinfonie "Babi Yar" und die 14. Sinfonie. Ich hatte die Musik, schwere Kost, rauf und runter gehört. Sie sprach mich wie wenig andere an. Im Falle der Aufnahme der 14. Sinfonie waren alle Lieder in deutscher Übersetzung gesungen, was mir den Zugang erleichterte. Im Booklet der 13. Sinfonie las ich, dass der Bereich des Uraufführungsortes von den Machthabern abgesperrt war. Musik konnte auch gefährlich sein und für die Mächtigen eine Bedrohung. Das war neu für mich. In den Cellokonzerten war es die kompromisslose Tonsprache, die mich unmittelbar im Innersten traf. Schostakowitsch hatte eine Botschaft, die er den Zuhörern mitteilen wollte.

    Später lernte ich, dass die Doppelbödigkeit in Schostakowitschs Musik ein wichtiges Kompositionsprinzip ist. Das erzählte mir ein emigrierter russischer Jude, der bei Uraufführungen zugegen war. Dem Publikum war immer klar, worum es in Schostakowitschs Musik geht.





    * * * * *


    Bernd Feuchtner ist Redakteur der Zeitschrift Opernwelt. Er hat bisher zwei Bücher zu Dimitri Schostakowitsch veröffentlicht. Der Autor darf als grosser Kenner der Musik und des Lebens Dimitri Schostakowitschs bezeichnet werden. Er verfasste 1986 seine Dissertation zu Schostakowitsch und hat sich jahrelang mit dem russischen Komponisten auseinandergesetzt.


    Dimitri Schostakowitsch

    Und Kunst geknebelt von der groben Macht. Künstlerische Identität und staatliche Repression

    Eine Monographie


    Bernd Feuchter hat das Leben Schostakowitschs chronologisch beschrieben. In zwei Kapiteln weicht er davon ab: Er widmet sich ausführlich zwei Komponisten, die für das Verständnis Schostakowitschs zentral sind: Peter Tschaikowsky und Gustav Mahler. In der Beschreibung der musikalischen Werke Schostakowitschs nimmt der Autor Bezug auf die beiden Musiker.




    Not, List und Lust

    Schostakowitsch in seinem Jahrhundert



    Das Vorwort zu seinem zweiten Buch (in zweiter erweiterter Auflage) finde ich aufschlussreich, denn darin wird die sich wandelnde Rezeption auf das Werkes Schostakowitschs und die Person des Komponisten dargelegt.

    Das 2022 erschienene Buch ist eine Sammlung von Texten, die Werk und Person aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten. Man darf keine in sich geschlossene Analyse erwarten. Die verschiedenen Aspekte ergeben ein Mosaik, das der Doppelbödigkeit der Musik und den Brüchen und Widersprüchen in der Biographie Schostakowitschs gerecht wird.

    Walter Benjamin hatte auf seiner Flucht einen Koffer bei sich. Was würdest du in deinen Koffer packen? Meiner ist gepackt.



  • Meine erste Begegnung mit dem Komponisten war keine musikalische. Es war im Sommer 1975 die Mitteilung im Radio, dass der Komponist Dimitri Schostakowitsch verstorben war. Da war ich ein Teenager.

    Seltsamerweise war es bei mir auch 1975, obwohl ich keine Ahnung von seinem Tode hatte. Ich habe mich meistens nicht für die Biographie der Komponisten interessiert, nur für die Musik. Ein Lehrer schlug seinerzeit die Streichquartette vor. Ich war damals von den Streichquartetten Bartóks und der zweiten Wiener Schule durch den Unterricht angetriggert. Eine sehr günstige Ausgabe der Streichquartette war gerade erschienen.


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    Ich hatte mir jeweils immer Abende zum Hören reserviert und bin die Quartette sehr systematisch durchgegangen, für mich ein eher unübliches Vorgehen. Anstrengend fand ich das unüberhörbar Klagende in dieser Musik, was mit fortschreitender Opus-Zahl zunahm. Ich kann mich noch erinnern (!) wie ich nach Op. 144 aufatmete, als das Klavierquintett kam.


    Was macht seinen Reiz aus? Auch das hat sich über die Jahre sicher geändert. Seine Meisterschaft im Quartettsatz habe ich damlas sicher kaum bemerkt. Es war schon das sehr eigene Idiom (Weinberg war zu dieser Zeit überhaupt nicht bekannt) Dieses Spiel zwischen Abstraktion, Volksliedhaftem und sicher auch auskomponierten Fugen (Blick in die Vergangenheit) mit einem eigenen Ausdrucksgehalt zu verbinden. Aber auch dafür waren schon ein paar Abende nötig! :)

  • Ich möchte zunächst zu dem Threadtitel "Schoastakowitsch - Was macht seinen Reiz aus ?" ein Zitat aus dem Jahre 2006 von einem leider nicht mehr aktiven Tamino aufgreifen, der ein unglaublich hohes Verständnis und Kenntnisse über Schostakowitsch verfügt. Von Edwin finden sich somit auch unzählige überzeugende Beiträge über den Komponisten Dmitri Schostakowitsch bei Tamino.


    Kann man überhaupt genug Schostakowitsch-Threads haben? :D


    Was für mich seinen Reiz, nein: sein Faszinosum ausmacht: Eine perfekte Übereinstimmung von Emotion, Kompositionstechnik, Form und nationaler Identifizierbarkeit. Schostakowitschs Symphonien "bedeuten etwas", es sind Aussagen, die über rein musikalische Angelegenheiten hinausgehen. Wenn Mahler in seinen Symphonien quasi Welt und Kosmos beschreibt, dann berichtet Schostakowitsch von (unterdrücktem) Land und (gequälten) Menschen. Dazu kommt eine typisch russische Form der Satire - nämlich jene Satire, in der im Grunde ernste, sogar tragische Geschehnisse als Komödie erzählt werden.

    Wen es interessiert - auch interessant, was Edwin über Mahler im Vergleich schreibt --- dazu Beitrag 5 ganz lesen.



    Ich hatte es hier anderenorts bei Tamino schon mal erzählt:

    Mein Erstzugang zu Schostakowitsch waren denn auch gleich die richtigen Aufnahmen von Kondraschin, Roshdestwensky, Swetlanow, die dem Neuling nicht nur diese Sinfonien näher bringen, sondern diesen absolut vom Hocker hauen lassen !


    Die erste Schostakowitsch - Schallplatte kaufte ich in einem kleinen Schallplattengeschäft in Bonn-Duisdorf (da ist heute ein Türkischer Grill drin). Es waren die Platten mit den Sinfonien Nr. 1 und 9 + 3 mit Kondraschin / Moskauer PH (Melodyia/Eurodisc).

    :hail: Ich war derart hingerissen und begeistert, wie man solch packende Musik überhaupt schreiben kann (wie man sich denken kann weniger von der Dritten), sodass sehr schnell, ja ultraschnell alle weiteren Sinfonien folgten: die Sinfonie Nr.5 mit Kondraschin --- ich war hin und weg - der Hammer. Die Sinfonien Nr.7 mit Swetlanow und und 6 mit Kondraschin als Doppel-LP. Die Zehnte mit Swetlanow. Die Begeisterung nahm kein Ende .....

    Es folgte das VC Nr. 1 in der grossartigen, später gar nicht mehr auf CD erhältlichen Aufnahmen mit Igor Oistrach / Grosses RSO Moskau / Maxim Schostakowitsch (Melodiya/Eurodosc, 1972) ... für mich bis heute das beste VC aller Zeiten, das ich heuer in allen wichtigen verfügbaren Aufnahmen besitze !

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Da dieser Thread neulich wiederbelebt wurde, placiere ich es hier:



    Die 2016 eingespielte und von der Kritik hochgelobte Gesamtaufnahme der 15 Sinfonien mit dem Nationalen Sinfonieorchester der Republik Tatarstan unter Alexander Sladkowski (Sladkovsky) für Melodia erschien 2018 als CD-Box und ist seit längerer Zeit ausverkauft und nur mehr schwer zu bekommen. Wie ich dieser Tage entdeckte, erfolgte eine digitale Neuauflage in hochauflösendem 24-Bit/96 kHz Hi-Res, die man derzeit bei Qobuz für gerade einmal EUR 16,66 erstehen kann. Wahrscheinlich ist das der künstlerisch, idiomatisch und klanglich überzeugendste Schostakowitsch-Zyklus des 21. Jahrhunderts. Ich besaß bereits die Version in CD-Qualität, habe es mir jetzt aber auch noch in diesem hochauflösendem Format zugelegt, da ich mich künftig dieser und jener Aufnahme daraus zu widmen gedenke.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • WAs macht seinen Reiz aus - Das ist die Frage die ich selbst dem Thread als Titel verpasst habe. Vielleicht sind es vielerlei Ansatzpunkte.

    Die einen wittern versteckte Angiffe gegen die einstigen russischen Machthaber (eine Sicht die ich nicht unbedingt teile, dann auch dort gab es damals Musikwissenschafter die das hätten bemerken können. Oder man wollte es nicht bemerken ? Ich weiss es nicht. Jedenfalls war er eine schillernde Persönlichkeit - zum einen in Russland stets unterschwellig bedroht und gleichzeitig mit hoch dotierten Preisen und Orden überhäuft - zum anderen in jenen Tagen vom Westen als williges Aushängeschild des Kommunismus gesehen. War nach seiner Übersiedlung in den Westen alles anders: Seine eigentliche politische Gesinnung habe man im Westen immer schon gekannt und der mehrfach in Russland mit Preisen (die waren nicht nur symbolischer Natur sondern mit bedeutenden finanziellen Zuwendungen verbunden !!) bedachte Komponist war wurde zum unterschwelligen Widerstandskämpfer hochstilisiert, das der Betroffene noch durch eigen Aussagen gefördert hat.

    Dadurch ist er bereits fürs erste eine politsch interessante Persönlichkeit der Weltgeschichte geworden.

    Seine Musik war einerseits "modern" aber nicht wirklich verstörend - immer jedoch wirkungsvoll und interessant. Nur wenigen Komponisten des 20. Jahhunderts ist dieser Spagat gelungen.

    Ob seine Werke triumphierend -verherrlichend - oder von verzweifeltem Spott gezeichnet waren, darüber liesse sich diskutieren - Aber auch diese Ambivalenz macht ihn interessant

    Vielleicht aber ist es so, daß er unter dem "sanften Druck" seiner Partei sich nicht getraut hat so progressiv zu komponieren wie er eigentlich wollte, auch wenn er dereinst gewagt hatte zu sagen: Ich schreibe nicht für die "PRAWDA" - ich schreibe für mich") - und ihm das eine größerer Anzahl von Höreren und Bewunderern gebracht hat, als dies unter anderen Umständen der Fall gewesen wäre.(?)

    Geblieben ist seine Musik, die fünfzig Jahre nach seinem Tod noch immer einen Spitzenplatz in der Klassischen Musik des 20. Jahrhundert belegt und keine "Verschleißerscheinungen" zeigt oder Anzeichen einer "verflossenen Mode" Und das ist allein was zählt....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



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  • 2025 ist Schostakowitsch-Jahr. Im Sommer jährt sich sein Todestag zum 50. Mal. Am 9. August 1975 nämlich verstarb der Komponist im 69. Lebensjahr in Moskau. Gesundheitlich war er bereits seit längerem infolge von Lungenkrebs und Herzschwäche angeschlagen.


    Es steht einiges an. Diskographisch sind Neueinspielungen und archivarische Ausgrabungen zu erhoffen. Festivals, Konzert- und Opernprogramme weltweit werden in der jetzigen und in der nächsten Spielzeit dem sowjetischen Komponisten gewidmet.


    Neuausgabe der Sinfonien durch Boosey & Hawkes und Sikorski: https://www.boosey.com/cr/news…kowitsch-Sinfonien/102289


    16. Internationale Schostakowitsch Tage Gohrisch 26. - 29. Juni 2025: https://www.schostakowitsch-tage.de/


    Schostakowitsch Festival Leipzig 15. Mai - 1. Juni 2025: https://www.gewandhausorchester.de/schostakowitsch/


    Deutsche Schostakowitsch Gesellschaft e.V.: https://www.schostakowitsch.de/

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    – Luís de Camões

  • Ich habe bislang ja nur sehr wenig Schostakowitsch gehört - dennoch ist er einer der Komponisten des 20 Jahrhunderts - die ich akzeptiere. Und allmählich beginnte er mir sogar zu gefallen. Ich habe - annlässlich des Threads über die Sinfonie diese gehört - und war hin und weg. Mir ist nun endgültig klar geworden was seinen Reiz ausmacht...

    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Bei der Durchsicht der aktuellen Spielpläne fiel mir auf, dass Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk", fraglos eine der Opern des 20. Jahrhunderts, in dieser Spielzeit an der Wiener Staatsoper gar nicht gegeben wird. Diese großartig zu nennende Produktion (Regie: Matthias Hartmann) erlebte ich im April 2017 unter Ingo Metzmacher. Der Premierenmitschnitt des ORF vom 23. Oktober 2009 ist bei Orfeo erschienen. Ihre bis dato letzte Aufführung erlebte sie im Juni 2023. Womöglich wird sie in der Spielzeit 2024/25 wiederaufgenommen und käme noch rechtzeitig zum Jubiläumsjahr. In der entschärften Fassung "Katerina Ismailowa" lief dieses Werk übrigens zwischen 1965 und 1969 erstmals in Wien. Unser Mitglied Dr. Pingel verweist ja gerne auf das eigene Erleben dieser deutschsprachigen Erstaufführung unter Anwesenheit des Komponisten (12.02.1965).


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    – Luís de Camões

  • RE: Sladkowsky und Wigglesworth mit Schostakowitsch

    Die 2016 eingespielte und von der Kritik hochgelobte Gesamtaufnahme der 15 Sinfonien mit dem Nationalen Sinfonieorchester der Republik Tatarstan unter Alexander Sladkowski (Sladkovsky) für Melodia erschien 2018 als CD-Box und ist seit längerer Zeit ausverkauft und nur mehr schwer zu bekommen. Wie ich dieser Tage entdeckte, erfolgte eine digitale Neuauflage in hochauflösendem 24-Bit/96 kHz Hi-Res, die man derzeit bei Qobuz für gerade einmal EUR 16,66 erstehen kann. Wahrscheinlich ist das der künstlerisch, idiomatisch und klanglich überzeugendste Schostakowitsch-Zyklus des 21. Jahrhunderts. Ich besaß bereits die Version in CD-Qualität, habe es mir jetzt aber auch noch in diesem hochauflösendem Format zugelegt, da ich mich künftig dieser und jener Aufnahme daraus zu widmen gedenke.

    Lieber Josef,


    es würde mich interessieren, welche Eindrücke Du zu den einzelnen Sinfonien aufkommen. Sladkowsky mit dem Tarstan SO macht generell einen guten Eindruck auf mich. Deshalb habe ich in verschieden Schostakowitsch-Sinfonien rein gehört. Mein Eindruck war, trotz aller von Dir beschiebenen Vorzüge, ein doch recht eigenwilliger Zugang, der mich nicht so recht vom Kauf überzeugen konnte.

    Ich habe mir vor längerer Zeit die 3CD-Box mit allen Schostakowitsch - Konzerten mit Sladkowsky zugelegt - und darüber auch bei TAMINO schon mehrfach berichtet. Sladkowsky hat für die 6 Konzerte (VC, CC, KK) auch 6 verschiedene Solisten zu Verfügung ... somit ist auch das Ergebnis nicht einheitlich gut, sodass ich keine TOP-Kaufempfehlung für die Konzert-Box geben würde.

    Sehr gut gelungen für meinen Empfinden waren nur das KK Nr. 1 und das CC Nr.1 .......



    Ich möchte hier auch die Gelegenheit nutzen erste Eindrücke meines von Alfred ausgelösten Schostakowitsch - Neuzuganges der Schostakowitsch - Sinfonien mit Wigglesworth (BIS, SACD) abzugeben:

    Die Aufnahmen sind klangtechnisch erste Sahne - aber der Dynamikbereich ist fast übertrieben von pppp bis ffff auf diesen Scheiben ! Es ist nicht so, dass man bei lauten Stellen leiser machen muss, wie die Kritiken aussagen (bei mir jedenfalls nicht ;)^^), sondern die leisen Stellen aufdrehen muss. Das liegt aber nicht nur an der Aufnahmetechnik, sondern an Wigglesworth Interpretation, der Pianissimostellen ungebührlich leise und langsam interpretiert .. besonders in Moderato-Sätzen ...

    8) So steht mein Empfinden in der Beurteilung bei den Sinfonien zwischen hervorragend - bis mangelhaft !


    Ich habe noch lange nicht alle Sinfonien durch ... aber die Sinfonien Nr. 1 und 9 sind ausgezeichnet interpretiert, da kommt richtig Spannung auf und die Klangtechnik macht auch keine "Spirenzken". Die Sinfonie Nr.15 gehört zu den besten Aufnahmen, was auch der fabelhaften Klangtechnik geschuldet ist, die alles ausleuchtet.

    Bei der Sinfonie Nr.10 ist der erste Satz Moderato recht spannungsarm, viel zu langsam und die pp-Stellen viel zu leise ... dagegen ist der 2.Satz Presto absolut genial interpretiert (4:04), besser als ich es je gehört habe. Da geht keine Stimme, kein Paukenschlag verloren, Hochspannung pur, ja fantastisch !


    :( Total enttäuscht, bin ich von der meistgespielten Schostakowitsch-Sinfonie = Sinfonie Nr.5 (von der ich die meisten Aufnahmen besitze ... weit über 10) ... den ersten Satz habe ich noch nie so langatmig gehört - er bosselt den Satz auf 19:29 auf, sodass es für mich schon unerträglich wird. Schon vor Jahrzehnten habe ich Haitinks Fünte entsorgt, weil der mit über 18 Min ähnliches veranstaltete, aber das war immer noch erträglich im Vergleich zu Wigglesworth .... ( Kondraschin nimmt den 1.Satz in 13:37 :thumbup:!!!) Dazu kommt bei Wigglesworth, dass er die leisen Stellen noch leiser spielen lässt, sodass eine totale teilnahmslose Langeweile entsteht. Der 2. und 3.Satz sind ganz gut. Der 4.Satz vom Tempo mit 11:08 OK, aber er gestaltet den Mittelteil derart langweilig und überleise, sodass ist hier dem ausflippen im negativen Sinne nahe war .. erst die letzten Takte des Satzes, wo es nicht mehr anders geht, wird er wach und entwickelt die tatsächliche Sidehitze !

    Wenn ich jetzt zum Vergleich an "nichtrussische Aufnahmen" der Fünften denke, so ist bei Ormandy, Bernstein und Ashkenazy ein ganz anderer Zugang zu verzeichnen, den ich auch total schätze; da liegen Welten dazwischen ... :!: :thumbdown: das ist mit Wigglesworth die schlechteste Fünfte, die mir je in den CD-Player kam !


    Weitere Eindrücke zu Wigglesworth - GA folgen ......................

    taminologoklein03.png Gruß aus Bonn, Wolfgang

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Lieber Josef,


    es würde mich interessieren, welche Eindrücke Du zu den einzelnen Sinfonien aufkommen. Sladkowsky mit dem Tarstan SO macht generell einen guten Eindruck auf mich. Deshalb habe ich in verschieden Schostakowitsch-Sinfonien rein gehört. Mein Eindruck war, trotz aller von Dir beschiebenen Vorzüge, ein doch recht eigenwilliger Zugang, der mich nicht so recht vom Kauf überzeugen konnte.

    Lieber Wolfgang,


    im Prinzip will ich Dir beipflichten, nachdem ich nun nach und nach vermehrt vergleichend dieses und jenes gehört habe. Sladkowski ist insgesamt fraglos sehr gut und hat den Vorteil eines echt russischen Orchesterklangs, der sich in Tatarstan wohl gut konserviert hat. Einige der Sinfonien sind wirklich referenzträchtig (ich denke an die ungeliebte Nr. 2). Dieses und jenes Detail bei den übrigen ist im direkten Vergleich "recht eigenwillig", um Deine Worte aufzugreifen. Je länger ich mich (wieder) mit Schostakowitsch beschäftige, desto deutlicher wird mir, dass die wirklich ganz großen Interpretationen zumeist in der Vergangenheit gemacht wurden. Die zeitgenössische Authentizität von Interpreten wie Kondraschin, Roshdestwenski und (mit klanglichen Abstrichen, die ich heute auch höher gewichte) Mrawinski (und man müsste hier noch mindestens ein halbes Dutzend weiterer Namen hinzufügen) ist schlichtweg so nicht mehr gegeben, was der Musik oft ihre Drastik raubt. Gerade dieser Tage lauschte ich der Neueinspielung der Sinfonischen Dichtung "Oktober" (tatsächlich die einzige im vollsten Wortsinne von Schostakowitsch) unter Mikko Franck auf alpha und war doch nachhaltig ernüchtert, wie verwässert und geschniegelt das daherkam. Die Oktoberrevolution als friedliche Demonstration sozusagen, wo es am Rande vielleicht mal eins auf die Mütze gibt, aber nichts wirklich Dramatisches. Böse gesagt, könnte man das fast schon ahistorische Geschichtsklitterung nennen. Dabei würde ich gewiss keine üble Absicht unterstellen wollen. Nur kommt solch ein Ansatz für meine Begriffe an seine Grenzen, wenn man Schostakowitsch wie, sagen wir Delius aufzieht. Dann geht zumindest für mich auch der Reiz verloren, der Schostakowitsch ausmacht, um zum Titel dieses Threads zurückzukommen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Angeregt durch diesen Thread habe ich mir heute "Das Lied von den Wäldern" angehört. Ich war danach ziemlich bewegt. Es war meine erste Bekanntschaft mit diesem Werk. Es ist diese Aufnahme:


    http://www.youtube.com/watch?v=jqkxghfTuU4&t=103s


    Leider bin ich unfähig, Orchester und Sänger/Dirigent zu benennen. Aber ich bin außerordentlich angetan von der Musik. Tonal, nachdenklich bis triumphierend, sentimental bis himmelhochjauchzend. Schade, daß ich das Werk nicht eher kannte.

    Und schade, daß es offensichtlich nur selten zu erleben ist. Ich höre auch nichts von Spott oder Klage gegen politische Repressalien, ich höre nur eine tiefverwurzelte Liebe zur russischen Natur. So, wie ich die gewaltigen Wälder am Westrand des Urals selbst kennengelernt habe, so habe ich sie plötzlich wieder gesehen. Ein Liveerlebnis wäre sicher langanhaltend gedächtnisergreifend.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Mit direktem Bezug zum Threadtitel gebe ich hier ein Bekenntnis ab: Die meiste Musik von Schostakowitsch reizt mich (bisher) nicht sonderlich. Ich habe es mehrmals mit seinen Sinfonien und einigen der Streichquartette sowie einigen weiteren Werken probiert, aber so recht zünden mag die Musik bei mir einfach nicht.


    Ich frage mich, womit das zu tun hat. Der Versuch einer Antwort wäre, dass Schostakowitsch für mich weder Fisch noch Fleisch ist. Um wirklich "modern" zu sein, ist das Meiste von ihm zu konventionell, um wirkungsvoll tonal-konservativ(er) zu sein fehlt es ihm (für mich) an melodischer Prägnanz und einem gewissen Reichtum an Klangfarben.


    Natürlich war Schostakowitsch ein großer und bedeutender Komponist, aber die geradezu universelle Zuneigung, die er seit ca. 30 Jahren erfährt, wundert mich ein wenig.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Natürlich war Schostakowitsch ein großer und bedeutender Komponist, aber die geradezu universelle Zuneigung, die er seit ca. 30 Jahren erfährt, wundert mich ein wenig.

    Ich vermute, daß diese "universelle Zuneigung" zu einem nicht unerheblichen Teil politischer Natur ist.

    Der arme unterdrückte Komponist, der einen Preis nach dem anderen in Russland einheimste (was ja keine Schande ist) und auch Geldzuwendungen soll nun eine "Wiedergutmachung" erhalten, wurde er im Westen ja lange Zeit "mißverstenden" als willfähriges Opfer eines totalitären Regimes - und zeitweise sogar abgelehnt. An das erinnert man sich natürlich gern.

    Die berühmten "Ermahnungen" von Seiten des Regimes sind in verschiedener Hinsicht verständlich, abgesehen davon, daß Stalin kein musischer Mensch war, sondern eher... (lassen wird das) Man hat aber das Potential erkannt, das in diesem Komponisten steckte - war bereit dafür zu bezahlen und ihn zu belohnen - wollte aber Gegenleistungen und ihn keineswegs ideologis und musikalisch an den Westen verlieren. Um das zu erreichen arbeiteten sie mit Zuckerbrot und Peitsche. Das ist meine ganz persönliche Lesart.

    Aber diese Taktik wurde ja in Deutschland auch gehandhabt. Goebble, der ein Kenner der Klassischen Musik war ist oft über seinen eignen Schatten gesprungen und hat Kompromisse geschlossen, nur um unmögliche Aufführungen möglich zu machen. Er wollre sogar Tauber "arisieren" und seine persönliche Sicherheit garantieren (es gibt einen diesbezüglichen Brief, der hat ihm aber mißtraut und tat gut daran. Denn selbst wenn Goebbels wort gegalten hätte. Es gab andere mächtige Persönlichkeiten im Staate.

    Viel deutsch Dirigenten und Komponisten haben sich mit dem Regime "arrangiert" - nicht aus Begeisterung - sondern ihrer Karriere und persönlichen Sicherheit wegen. Im Gegensatz zu Schostakowitsch hat man es ihnen aber meist nicht geglaubt oder verziehen. Interessanterweise oft erst jahrzehnte später nicht.


    Die Musik Schostakowitsch' ist in der Tat nicht so progressiv wie jene von einigen Zeitgenossen. Gerade das mach sie vermutlich heute so anhörbar. Zitate aus "klassischen Kompositionen" stellen oft einen Rebound zur Vergangenheit dar. Und in Sachen effektvoller Orchestrierung muß man ihn wohl an die Spitze stellen.

    Ich habe persönlich sehr lange gebraucht, bis ich ihn mochte. Heute ist er einer der wenigen Komponisten des 20. Jahrhunderts die ich mag.

    Allerdings ist alles relativ: Wenn ich zwischen Mozart und Schostakowitsch wählen müsste: Die Wahl fiele mir leicht


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Ich vermute, daß diese "universelle Zuneigung" zu einem nicht unerheblichen Teil politischer Natur ist.

    Der arme unterdrückte Komponist, der einen Preis nach dem anderen in Russland einheimste (was ja keine Schande ist) und auch Geldzuwendungen soll nun eine "Wiedergutmachung" erhalten, wurde er im Westen ja lange Zeit "mißverstenden" als willfähriges Opfer eines totalitären Regimes - und zeitweise sogar abgelehnt. An das erinnert man sich natürlich gern.


    Ich nehme an, dass an dieser politischen Dimension etwas dran ist. Die Lesart von Schostakowitsch als "komponierendem heimlichem Dissidenten" ist ja mittlerweile ziemlich etabliert, und man stört sich auch nicht daran, dass diese Sichtweise an gewissen logischen Schwächen leidet.


    Die Musik Schostakowitsch' ist in der Tat nicht so progressiv wie jene von einigen Zeitgenossen.


    Ich lehne konservativere Musik des 20. Jahrhunderts keineswegs pauschal ab, finde aber, dass tonal gearbeitete Musik der Moderne z. B. bei Bartok und Strawinsky über weite Strecken weitaus interessanter ist als bei Schostakowitsch.


    Allerdings ist alles relativ: Wenn ich zwischen Mozart und Schostakowitsch wählen müsste: Die Wahl fiele mir leicht


    Mir auch! ^^


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    Die Sache mit dem insgeheimen Dissidenten Dmitri Schostakowitsch erfuhr durch die von Solomon Wolkow 1979 herausgegebenen Schostakowitsch-Memoiren ihre hauptsächliche Grundlage. Der Wahrheitsgehalt dieser Veröffentlichung war von Anfang an hoch umstritten und wurde in den Frühzeiten des Tamino Klassikforums auch heiß diskutiert. Selbst innerhalb der Familie Schostakowitsch herrscht darüber keine Einigkeit. Seine dritte und letzte Ehefrau, die mittlerweile 90-jährige Irina, lehnt das Buch als verfälschend ab. Die Schostakowitsch-Kinder Maxim und Galina halten es indes mittlerweile für authentisch. Beide Lager hatten und haben prominente Vertreter. Bis zuletzt lehnten es beispielsweise Mieczysław Weinberg, Boris Tistschenko, Kara Karajew, Karen Chatschaturjan und Weniamin Basner ab. Dagegen sprachen sich u. a. Mstislaw Rostropowitsch, Kirill Kondraschin, Rudolf Barschai, Gidon Kremer, Emil Gilels und Swjatoslaw Richter für den Echtheitsgehalt aus. Wolkow, der im April des 81. Lebensjahr vollendet, dürfte das Geheimnis wohl mit ins Grab nehmen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Die Sache mit dem insgeheimen Dissidenten Dmitri Schostakowitsch erfuhr durch die von Solomon Wolkow 1979 herausgegebenen Schostakowitsch-Memoiren ihre hauptsächliche Grundlage.


    Ich möchte hier nicht eine bereits x-mal geführte Diskussion wieder aufwärmen, aber mein Hauptproblem mit der Deutung einiger Werke in Schostakowitschs Schaffen als geheime Botschaften eines heimlichen Dissidenten ist logischer, nicht biographischer Natur. Wenn z. B. das Finale der Fünften ein hohler Jubel sein soll, der als solcher auch erkennbar gewesen sein soll, wieso haben das dann ausgerechnet die Partei-Apparatschiks selektiv nicht begriffen?


    Wie gesagt, ich möchte hier keine alten Dispute wieder aufkochen. Auch ohne eine erneute Diskussion zu diesem Thema kann man ja sicherlich vermuten, dass Schostakowitschs politische "Reinwaschung" (ob nun plausibel oder nicht) für seinen Popularitätsschub im Westen sehr hilfreich, wenn nicht vielleicht sogar essenziell notwendig war.


    LG :hello:

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  • Ich denke, diese Frage ist nach wie vor berechtigt, da sie vermutlich nie allumfassend befriedigend beantwortet werden wird. Im Œuvre Schostakowitschs gibt es Werke, die sich für "geheime Botschaften eines heimlischen Dissidenten" besser eignen als andere. Das erwähnte Finale der 5. Sinfonie dürfte hier wohl der Klassiker schlechthin sein. Die neoklassizistische und zierliche 9. Sinfonie anstatt eines Triumphalepos nach dem für die UdSSR siegreichen Kriegsende wird auch gerne angeführt. Andere Werke sind erkennbar untauglich für diese These. Sie werden nach meiner Beobachtung gerne als zweitklassig und von der Parteiführung mehr oder weniger erzwungen ("Über unserer Heimat strahlt die Sonne", "Das Lied von den Wäldern", Sinfonie Nr. 12) oder aber als Jugendsünden (Sinfonien Nr. 2 und 3) abgetan. Tatsache ist schon, dass die Aufführung von Schostakowitsch-Sinfonien im Westen zur Zeit des Kalten Krieges mitunter auf erhebliche Widerstände stieß. Auf einen Fall - ich meine, es war die "Leningrader" in Frankfurt - wurde mehrfach verwiesen. Insofern hätten die Wolkow-Memoiren eine solche Popularisierung außerhalb der Sowjetunion zumindest nicht erschwert. Gerade weil sich Schostakowitsch vom sich selbst als progressiv gerierenden Lager gut vereinnahmen lässt, wird teilweise seinen anhaltenden Reiz erklären.

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    – Luís de Camões

  • Zitat von La Roche

    Leider bin ich unfähig, Orchester und Sänger/Dirigent zu benennen.

    Konstantin Andreyev, tenorAleksei Tanovitski, bass Narva Boys Choir Estonian Concert Choir Estonian National Symphony Orchestra Paavo Järvi, conductor


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Konstantin Andreyev, tenorAleksei Tanovitski, bass Narva Boys Choir Estonian Concert Choir Estonian National Symphony Orchestra Paavo Järvi, conductor

    Danke

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Dieses Taminoforum ist immer für eine Überraschung gut. Ich habe seinerzeit beim entsprechenden Thread nicht bewusst mitgelesen, Schostakowitsch hat mich damals nicht wirklich interessiert. Seitr einigen Jahren aber - immer wenn die Rede auf das Unschuldslamm Schostakowitsch zu sprechen kam, das sich insgeheim über das Regime und - noch unglaubwürdiger - über die russischen Musikkritiker und Musikwissenschafter - lustig machte - war mir nicht klar, ob hier im Westen Naivität im Spiel war sowas zu glauben oder zu verkünden. Kommunstisch infiltiriert oder nicht - auch dort saßen Kenner, die derartiges sofort durchschaut hätten.

    Heite hab ich meine Gedanken dazu geäussert und habe einen Shitstorm auf meine Person erwartet. Und: ÜBERRASCHUNG - er blieb aus, statt dessen wurde mir - zumindest teilweise beigepflichtet.

    Aber an sich ist das HEUTE völlig belanglos. Mag manches den Bekanntheitsgrad des Komponisten gefördert haben - oder auch nicht: Er ist heute eine fixe Größe im Bereich der klassischen Musik und man ist froh dß man soche Größen hat (viele sind sowieso unschuldig unter den Tisch gefallen) Eine Ikone, deren Geburtstag, Todestag, Erstveröffentlichung von Werken etc etc man feiern und (noch wichtiger) vermarkten kann - stösst man nicht so einfach vom Thron. Seinen Durchbruch im Westen hat er noch zu Lebzeiten geschafft.....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



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