Crossover - Ein rotes Tuch für Klassikfreaks ?

  • Hallo Alfred,


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Crossover ist der illegitime Versuch zwei nicht miteinander kompatible Musikrichtungen miteinander zu verschmelzen, wovon eine "Klassik" heisst - in der Hoffnung die Liebhaber BEIDER Stilrichungen mit EINEM Produkt (Darbietung CD etc) zufriedenzustellen.


    Inwieweit Crossover vom einzelnen Musikfreund akzeptiert, bzw toleriert wird ist individuell verschieden, Die Skala reicht von Begeisterung bis haßerfüllter Ablehnung.


    Mit der Formulierung "illegitimer Versuch" bin ich auch nicht so ganz glücklich. Aber auf jeden Fall soll sie wohl zum Ausdruck bringen, dass es einen wesentlichen Unterschied zwischen Klassik [man könnte vielleicht auch etwas allgemeiner "Kunstmusik" sagen] und populärer Musik gibt.


    Wenn es diesen Unterschied gibt, dann glaube ich allerdings nicht, dass er sich mit stilistischen Merkmalen umschreiben lässt. Ich glaube eher, Kunstmusik setzt mindestens eine bestimmte ästhetische Reflexion voraus. Allerdings denke ich nicht, dass Klassik und populäre Musik zwangsläufig inkompatibel sind. Kunstmusik kann auch Crossover oder populär sein, aber nicht alles, was Crossover oder populär ist, ist auch Kunstmusik.


    Hallo Theophilus,


    Zitat

    Original von Theophilus
    Ich würde das anders definieren: Crossover ist der Versuch von Interpreten, sich auf fremden musikalishen Gefilden zu betätigen. Es ist zum einen der Ausdruck dafür, dass sie gerne auch etwas anderes machen, und zum anderen wahrscheinlich auch der Versuch, die Fans für ein anderes Thema zu gewinnen, bzw. eventuell auch Fans von der anderen Seite damit für das eigene Gebiet zu interessieren.


    Es ist schon klar, was du ausdrücken willst, aber wenn man diese Definition ganz pingelig sieht, so passt sie auch einigermaßen auf Kunstmusik (mal abgesehen vom Wort "Fans"). Denn z. B. wollte ja Beethoven mit der Ausdehnung der Durchführung im Sonatensatz und der Zuspitzung der Kontraste in seiner Musik sich auf fremden, neuen Gefilden der Musik betätigen und sein Publikum für andere Themen gewinnen, die Mozart und Haydn noch nicht so im Blick hatten.


    Gruß, Boris

  • Zitat

    Original von Wulf


    Nein, wiiiirklich? Ein Schlagzeug??? Na dann kann es natürlich keine Klassik sein... :baeh01:


    Wieso? Bartoks Sonate für 2 Klaviere und Schlagzeug ist doch auch reinster Pop. :hahahaha:

  • OK, Schlagzeug ist natürlich ein weitgespannter Begriff. Hätte vielleicht Popbass oder so etwas schreiben sollen. Ich glaube nicht, dass man das bei Clayderman verwendete Instrument beim Hören mit einer Pauke verwechselt.

  • Hallo Beckmesser,


    ein wenig mehr als die Pauke hat die Klassische Musik schon an Schlagzeug mit einbezogen. Aber ich weiß, was Du meinst.


    Übrigens ist Clayderman für mich kein Pop, sondern ein Reizwort.... :stumm:


    LG
    Wulf.

  • Hallo beckmesser,


    Ich glaube, man kann an den verwendeten Instrumenten nicht zwangsläufig festmachen, dass ein Musikstück Pop oder Kunstmusik ist.


    :hello:

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  • Zitat

    Original von Wulf
    Übrigens ist Clayderman für mich kein Pop, sondern ein Reizwort.... :stumm:


    Also ein rotes Tuch und damit wohl, wie der Thread-Titel es nahelegt, Crossover.


    q. e. d.

  • Kurzes Offtopic, dann bin ich gleich still :stumm:
    Kontrapunkt: Ist das auf deinem Avatar der Contrappunto bestiale alle mente (ich hoffe, ich habs richtig geschrieben) von Banchieri? Ich liebe es :D Cucu!

  • Hallo Mezzo,


    zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich es nicht weiß. Ich hatte einfach "Kontrapunkt" in die Google-Bilder-Suche eingegeben und dieses Motiv hat mir dann am Besten gefallen.


    Mit herzlichem Gruß


    vom Contrapunto bestiale


  • Das wäre allerdings sehr viel pingeliger interpretiert, als ich es gemeint habe. :)

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Ich glaube, man kann an den verwendeten Instrumenten nicht zwangsläufig festmachen, dass ein Musikstück Pop oder Kunstmusik ist.


    Das habe ich auch nicht behauptet. Im Fall der Adeline sollte aber der Pop-typische Einsatz des Schlagzeugs die letzten Illlusionen, es könnte sich um Klassik handeln, beseitigen.


    Im übrigen ist das natürlich gerade der Punkt: Das Klavier allein macht das Stück nicht "klassisch."

    Einmal editiert, zuletzt von beckmesser ()

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  • Zitat

    Original von beckmesser


    Im übrigen ist das natürlich gerade der Punkt: Das Klavier allein macht das Stück nicht "klassisch."


    Ich glaube, darauf können wir uns alle einigen. :yes:

  • überhaupt nicht illegitim !


    Jaques Loussier und Pepe Romero, DER Gott der Gitarre, spielen crossover, die Swingle Singers SIND es, Deep Purple (Concerto for Group and Orchestra) ist es und Pink Floyd (Atom Heart Mother) ist es auch...


    Wie üblich gibt es auch den schmutzigen Hinterhof (Clayderman, Rieu & Konsorten), aber das sagt wie üblich NICHTS über die Schönheit der Hauptstraße aus.

  • Zitat

    Original von m-mueller
    Wie üblich gibt es auch den schmutzigen Hinterhof (Clayderman, Rieu & Konsorten), aber das sagt wie üblich NICHTS über die Schönheit der Hauptstraße aus.


    Servus m-mueller,


    vollkommen richtig, nur wird jeder seinen Hinterhof anders besetzen - bei mir gehört beispielsweise Loussier mit seinen fürchterlichen Bach-Verwurstungen in die dunkelste Ecke desselben...



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Ausgezeichnetes beispiel für crossover:


    Die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker


    Im moment das einzige, das ich außer apocalyptica und etwas filmmusik nebst der klassik höre.


    .


    .



    LG florian


    :hello:

    Gustav Mahler: "Das Wichtigste in der Musik steht nicht in den Noten."

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  • Zitat

    Original von salisburgensis
    - bei mir gehört beispielsweise Loussier mit seinen fürchterlichen Bach-Verwurstungen in die dunkelste Ecke desselben...



    naaaaaaa, das kannst Du nicht ernst meinen!! Bach wird nicht verwüstet, Bach hat swinging Music geschrieben, hätte er im 20. Jahrhundert gelebt, wäre er Jazzer geworden. Louissier verjazzt Bach seit vielen Jahren in gleichbleibend hoher musikalischer und stark steigender Klangqualität.


    Jedenfalls gehört die CD "The Bach Book" zum Kern einer jeglichen Vorführung meiner Anlage, weil sie herausragend spektakulär aufgenommen worden ist und alle Tugenden (oder Untugenden) der elekronischen Helferlein aufdeckt. Aber das gehört wohl eher in den HiFi-Thread. Ich bin jedenfalls Loussier-Fan, seit ich so mit 17 oder 18 Jahren zum erstenmal über sine Musik gestolpert bin.

  • Zitat

    Original von m-mueller
    naaaaaaa, das kannst Du nicht ernst meinen!! Bach wird nicht verwüstet, Bach hat swinging Music geschrieben, hätte er im 20. Jahrhundert gelebt, wäre er Jazzer geworden. Louissier verjazzt Bach seit vielen Jahren in gleichbleibend hoher musikalischer und stark steigender Klangqualität.


    Wir wollen aber keinen verjazzten Bach haben :P
    Wäre er in Peru geboren, hätte er wohl für Panflöte komponiert - das heißt aber nicht, dass er mir dann noch gefallen würde ;)


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Zitat

    Original von m-mueller


    naaaaaaa, das kannst Du nicht ernst meinen!! Bach wird nicht verwüstet, Bach hat swinging Music geschrieben, hätte er im 20. Jahrhundert gelebt, wäre er Jazzer geworden. Louissier verjazzt Bach seit vielen Jahren in gleichbleibend hoher musikalischer und stark steigender Klangqualität.



    Doch natürlich, siehe oben. Jeder hat eben seinen Hinterhof, den er am liebsten zumauern würde.


    Bachs Musik swingt, da gebe ich dir uneingeschränkt Recht. Und wenn die Swingle Singers badabadabachen oder Bobby McFerrin das WTK gibt, dann habe ich Spaß daran, aber vom Loussier Trio kriege ich Gehörgangkrebs. :kotz: Die Geschmäcker sind eben verschieden...


    :hello:
    Thomas

    Da freute sich der Hase:
    "Wie schön ist meine Nase
    und auch mein blaues Ohr!
    Das kommt so selten vor."
    - H. Heine -

  • Ich HASSE die permantente Bachverwüstung.
    Bach bekommt dauernd irgendwelche stilfremden Heiligenscheine umgehängt und die "Interpreten" versuchen mittels Bachmissbrauch ihren persönlichen Stil/Sound oder weiß der Teufel was, aufzuwerten.
    :kotz:


    Das Resultat ist, dass man zwar dauernd Bach hört, aber nie Bach.
    :angry:

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  • falsch, man hört Bach - die Struktur ist die Musik!


    Und im Jazz wird sie ebenso nachdrücklich dargestellt wie im Barock.


    Offbeat ersetzt den Kontrapunkt.

  • Zitat

    Original von m-mueller
    falsch, man hört Bach - die Struktur ist die Musik!


    Und im Jazz wird sie ebenso nachdrücklich dargestellt wie im Barock.


    Offbeat ersetzt den Kontrapunkt.


    :hahahaha:
    Also schlagender kannst Du Dich selbst kaum widerlegen ...

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Ich HASSE die permantente Bachverwüstung.
    Bach bekommt dauernd irgendwelche stilfremden Heiligenscheine umgehängt und die "Interpreten" versuchen mittels Bachmissbrauch ihren persönlichen Stil/Sound oder weiß der Teufel was, aufzuwerten.
    :kotz:


    Das Resultat ist, dass man zwar dauernd Bach hört, aber nie Bach.
    :angry:



    Mit Vivaldi wird das auch gemacht - aber da findet es niemand schlimm... :)

    Dem Amateur ist nichts zu schwör.

  • Zitat

    Mit Vivaldi wird das auch gemacht - aber da findet es niemand schlimm...


    Oh doch, man findet das schlimm - aber die Vivaldi-Anhänger sind nicht so dogmatisch, wie jene von Bach..... :baeh01:


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Von dem allgegenwärtigen Zeugs fühle ich mich persönlich nicht sonderlich angesprochen, oft ist es zu aufgezwungen - z.B. Rondo Veneziano - die Bearbeitungen sind eigentlich gar nicht so übel, es sind ja keine Originalkompositionen des 18. Jh. sondern am Stil der venezianischen Musik angelegte Stücke. (Mal abgesehen von den Bearbeitungen von Mozart oder Vivaldi)


    Aber warum muss man so ein lächerliches "Schlagzeug" verwenden ? Das versaut es meiner Meinung nach voll, weil es eben zwanghaft versucht wird, die Musik moderner klingen zu lassen, dabei wird sie dadurch erst so richtig altbacken.


    Irgendwo hatte ich auch mal jemanden kennen gelernt - war wohl eine Feier meiner Familie, da erzählte er mir ganz stolz "ja ab und zu höre ich auch Klassik - Rondo Veneziano"
    Ich meinte nur "Dir ist aber schon bewußt, dass das alles nur Statisten sind ?"


    :no:



    Aber es gibt auch erfreulichere Beispiele:



    Durch Zufall habe ich eine CD des Ensemble "L'Arpeggiata" entdeckt. Ist auch bei meinen Unverzichtbaren mit dabei:



    All`Improvviso



    Hier wird Musik des 17. Jahrhunderts gespielt, Cicaonnas von Bertali, Storace oder verschiedenen Folias.
    Das Ensemble besteht wie jedes gute Continuo Ensemble aus mehreren Lauten, Theorben, Cittern, Psalter, Gitarren, Gamben und was weiß ich noch.
    Dazu kommen noch 2 Zinken und eine Violine.


    Das besondere ist aber dass sich zu dem Ensemble - das ja sowieso schon für seine Ungewöhnlichen Interpretationen bekannt ist (zumindest bei den Alte Musik Hörern) - noch der Jazz-Klarinetist Gianluigi Trovesi dazu gesellt.
    In manchen Stücken ist auch noch eine zweite Klarinette mit dabei.
    Und zwei Sänger, die nicht unbedingt klassischen Erwartungen entsprechen sind ebenfalls beteiligt:
    Marco Beasly und Lucilla Galeazzi.



    Diese CD ist trotz einiger Stücke die ih nicht mag (leider gleich das erste und das Liedchen Turlurú) eine meiner liebsten CD's, die Highlights sind mit Abstand die Ciaconna von Bertali - zwar mag ich auch die Einspielungen der Musica Fiata oder dem Freiburger Barock - Consort, aber diese Interpretation ist einfach umwerfend.
    Ja und dann das grandiose Lamento in Form einer Passacaglia als Schluß.
    Das Stück basiert auf der "Cantada sobra la Passacaglia" von Giovanni Felice Sances (1600-1679) - übrigens ein keyserlicher Hofcompositeur.


    Allerdings mit einem Neuen Text, sehr ergreifend, besonders in solch einer Interpretation.
    Aber auch der Rest der Aufnahme ist wunderbar, viel Improvistation und wunderbar ausgewählte und bearbeitete Stücke.


    Das ist Crossover der erfreulichen Art - vor allem weil es eben unkonventionell ist und ohne nervigen Beat auskommt.
    Die Musik selbst hat ohnehin schon so viel Rhythmus.

  • Muss als Neuling einfach auf dieses Thema antworten.


    Da ich schon sehr oft darüber mit Freunden diskutiert habe und mir erst vorige Woche die Magensäure hochgekommen ist! Da wurde im ORF doch wirklich eine österreichische "Junggeigerin", die bei Gott lieber bei Brahms, Sibelius etc. bleiben sollte, mit einer Rockband beworben.


    Wir haben alle gesehen, wie schnell der Fall Vanessa Mae sich abgespielt hat,
    nachdem auch sie die Klassik ins nasse T-Shirt der Karibik gepackt hat. Ein Grazer Dirigent hat mir dann erzählt, das die Agentur von Frau Mae ihn kontaktierte um ein Konzert, im Stefaniensaal in Graz zu dirigieren, wo sie Brahms-Vioinkonzert mit nassen Klamotten spielen sollte, also sehr transparent!
    Gott sei Dank, gibt es genügend Musiker, die solche "Kasseneinnahmen" noch verweigern.
    Ich bin der Meinung, ein klassischer Musiker, darf sich dafür nicht verkaufen.
    Liebe Grüße, Maximilian

  • Zitat

    Original von Maximilian Schöner
    Muss als Neuling einfach auf dieses Thema Ich bin der Meinung, ein klassischer Musiker, darf sich dafür nicht verkaufen.


    Hallo Maximilian,


    freue mich, ein weiteres Mitglied willkommen zu heißen! :yes:
    Und wenn es noch so vernünftige Ansichten hat, kann ja nichts mehr schief gehen ;)


    :hello:
    Stefan

    Viva la libertà!

  • Hallo Maximilian,


    ich daf Dich auch herzlich hier begrüßen.



    Jacques Loussier hat es nicht nötig, in feuchten Hemden aufzutreten (wär vielleicht auch ein bißchen zu alt dafür), er macht einfach nur gute Musik. Und das seit 30 Jahren. Insofern kann man ihn nicht so wirklich mit Vanessa Mae vergleichen.

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