Was ist Kunst?

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    weshalb offenbar die überwältigenden Empfindungen nicht zur Kunstdefinition taugen.


    Sag ich doch...


    Zitat

    Die unübersehbare Diskrepanz zwischen der physikalischen Welt und dem geistig-geistlichen Erleben des Menschen eben dieser Welt schreit geradezu nach der 'großen Vereinigungstheorie'.


    Zitat

    Wieso schreit das nach einer Vereinigungstheorie? Es schreit eher nach gar keiner Theorie oder danach, gefälligst zu akzeptieren, dass wir die "Welt" nicht erklären oder erleben können in einem umfassenden Sinne.


    Na, möglicherweise würden wir mit der Einstellung immer noch auf den Bäumen hocken...


    Zitat

    In dem Sinne sind wir möglicherweise - hoffentlich! - durch die Kunst wie durch die empirische Wissenschaft auf dem Weg zu diesem Einssein.


    Zitat

    Und hier sind wir in unserem Denken wieder so weit voneinander entfernt, dass ich nur sagen kann: Wie kommt man zu solchen kuriosen Gedankenkonstruktionen?


    Weiß ich nicht, daher Gegenfrage: wenn wir die Welt nicht in einem umfassenden Sinne erklären oder erleben können, erscheint sie uns doch genauso kurios, oder?


    Zitat

    PS: Wir sind jetzt schon SEHR nahe der Tabuzone.


    Aber ER hat es noch nicht gemerkt... :D

  • Dann könnten wir Kunst so definieren:


    Zitat

    Original von helmutandres


    Aber ER hat es noch nicht gemerkt... :D


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Guten Morgen.


    Bei der interessanten Kunst-Definitions-Frage wundert mich nur eins: Dass dem subjektiven Aspekt hier nicht so besonders viel Bedeutung beigemessen wird.
    In meinen Augen ist Kunst vor allem der originäre Selbstausdruck eines Menschen. Worauf er sich bezieht, worauf er reagiert, ist dabei egal. Ich denke auch nicht, dass ein Künstler überhaupt auf irgendeine Allgemeingültigkeit oder dergleichen schielen kann oder sollte.


    :hello:


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Alles tiefschürfende Interpretationen die ohne weiteres, den Begriff Kunst einkreisen können.Ich bin jedoch der Meinung, dass man den Begriff Kunst nicht allumfassend beschreiben kann.
    Es wird bereits schwer fallen, die Musikkunst zureffend zu definieren.Kunst hat zu viele verschiedene Facetten.
    Wenn wir es dennoch versuchen, beschreiben wir oft nur einen Teilbereich, etwa Schreibkunst, Malkunst, Baukunst u.ä.
    Wir müssen zunächst einmal die Kunst des Lebens und damit in erster Linie die Kunst des Liebens lernen.
    Erich Fromm schreibt u.a. in seinem Buch, Die Kunst des Liebens:"Der erste Schritt auf diesem Weg ist , sich klarzumachen, dass Lieben Kunst ist, genauso wie Leben eine Kunst ist; wenn wir lernen wollen zu lieben, müssen wir genau so vorgehen, wie wir das tun würden, wenn wir irgendwie andere Kunst, zum Beispiel Musik, Malerei, das Tischlerhandwerk oder die Kunst der Medizin oder der Technik lehrnen wollen"
    Fromm geht nicht soweit, einen umfassenden Kunstbegriff zu definieren, da bereits die Kunst des Lebens aus vielen Facetten besteht, die es schwer machen, einen verbindlichen Begriff zu definieren.


    Padre :hello:

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  • Zitat

    (Amateur) Dann hätte ich gerne eine Widerlegung zu dieser Definition:Kunst ist Kommunikation, welche die Grenzen des Alltäglichen zu überschreiten sucht.


    Was sind die Grenzen des Alltäglichen? Soll sie nur versuchen, die zu überschreiten, oder ist sie mißlungen (d.h. entweder gar keine oder wenigstens schlechte Kunst), wenn es bei dem Versuch bleibt und die Überschreitung nicht gelingt? Überschreiten die Kommunikationsmittel diese Grenzen oder der kommunizierte Gegenstand oder beides?
    Ich stimme zu, dass Kunst eine Form der Kommunikation ist. ABER, damit fangen die Schwierigkeiten erst an. Sie ist nämlich eine in vieler Hinsicht außergewöhnliche Form der Kommunikation. Ein Kunstwerk ist z.B. normalerweise unübersetzbar; es ist nicht in gewöhnlicher Sprache auszudrücken, was es kommuniziert, sondern der kommunizierte Inhalte kann eben nur durch das Kunstwerk vermittelt merden usw.
    Nun könnte man freilich sagen, dass gerade diese Besonderheiten die Kommunikation per Kunst auszeichnen. Das kann aber nach hinten losgehen, denn diese Seltsamkeiten lassen ernste Zweifel aufkommen, wie weit das Kommunikationsmodell überhaupt trägt. (Ich bin hier jedoch im Grunde auf Deiner Seite, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie man all diese Schwierigkeiten lösen kann)


    Zitat


    Am Beispiel der religiösen Kunst kann man besonders gut beobachten, wie sich der Kunstbegriff mit der Aufklärung gewandelt hat. In einem geschlossenen religiösen Weltbild gibt es keine zweckfreie Kunst, da man sich ja in einem sinnvollen Ganzen zu befinden glaubt und jede Kunst letztlich nur den Schöpfer und seine Schöpfung widerspiegelt und verherrlicht. In einer Welt, wo alles Existierende als Abbild einer göttlichen Ordnung galt, war es deshalb auch nicht so wichtig, zwischen Kunst und Kunsthandwerk zu unterscheiden. Aus dem gleichen Grund hatte man auch weniger Probleme mit Plagiaten, denn das schöpfende menschliche Individuum stand nicht im Zentrum der Bewertung.


    Das sind gewiß alles berechtigte und schwierige Fragen. Man könnte dagegen z.B. vorbringen, dass in einem geschlossenen religiösen Weltbild (wobei man vermutlich zweifeln darf, ob es das je gegeben hat) Kunst "nicht zu sich selbst gekommen ist", sondern das erst der Fall ist, wenn ihre zweckfreie Dimension anerkannt wird. Man könnte auch sagen, dass bei Kunst, die über religiöses Kunsthandwerk hinausgeht, diese Dimension da ist, auch wenn das zu ihrer Entstehungszeit nicht offensichtlich war oder nur geahnt wurde. Dein Hinweis, dass autonome Kunst Gefahr läuft, als Teufelszeug verdammt zu werden, deutet m.E. auf ihre Tendenz hin, sich eben nicht einfach kunsthandwerklich einspannen zu lassen. Sie ist immer latent subversiv, weil sie eigenen Regeln folgt, nicht den sozial vorgegebenen und der Künstler ist latent blasphemisch, weil er (als Mensch) erschafft, wenn auch nicht ex nihilo; das im Christentum ja gewöhnlich mißachtete Bilderverbot dürfte auf ähnliche Befürchtungen zurückgehen.


    (Es gibt BTW schon Kunst- und Kunsttheorie lange vor der Aufklärung, nämlich in dem keineswegs religiös geschlossenen Weltbild der Antike. Auch wenn die Tragödie natürlich kultische Wurzeln hat, ist Aristoteles Dramentheorie nicht religiös)


    Zitat

    Original von KurzstueckmeisterDer Zweck der Kunstdefinitionen ist, von Künstlern widerlegt zu werden.


    Wenn der Künstler K1, der die Definition D1 widerlegt, jedoch wieder Kunst schafft, könnte man eine Definition D2 versuchen, die das widerlegende Werk von K1 berücksichtigt. Dann kommt K2, dann D3 usw. :D
    (Das ist fast dasselbe Spiel wie bei der Gödelschen Unvollständigkeit: Ein System enthält Sätze, die in diesem System unentscheidbar sind. Die können aber in ein weiteres System eingebunden werden, in dem sie entscheidbar/ableitbar sind. Das neue System hat nun aber wieder neue unentscheidbare Sätze usw.)


    Dass etwas Empfindungen des Erhaben (oder Schönen) auslöst, ist nicht hinreichend für Kunst (vielleicht aber immerhin notwendig?), denn auch Naturerlebnisse lösen solches aus und "Natur" ist erstmal ein klassischer Gegensatz zur Kunst.
    Ich fürchte, Erkenntnis ist hier weniger durch (m.E. vorschnelles) Einreißen von Unterschieden zwischen Kunst, Wissenschaft, Alltagserkenntnis, Religion zu gewinnen, sondern durch Beachten bestehender oder das Einziehen feinerer Differenzen...


    Das Ganze ist das Unwahre.... ;)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Kunst kommt von Können, käme sie von wollen, so würde sie Wulst heißen.
    Max Liebermann (1847-1835)

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Was die Unterscheidung zwischen Unterhaltung und Kunst betrifft, so hat der Komponist Wuorinen gesagt:


    Zitat

    Well look. It's a very simple matter. As I've said a million times, there has been an attempt, largely successful, to confuse what you might call art and what you might call entertainment. I think there's a very simple distinction, and it doesn't diminish entertainment in any way because we all want it and we all enjoy it. Entertainment is that which you receive without effort. Art is something where you must make some kind of effort and you get more than you had before.


    Ich stimme dieser Auffassung nicht zu, denn demnach wäre Mozart weniger kunstvoll als Schönberg (bpsw.).
    Was haltet ihr von meiner Definition: Kunst ist das, was auch diejenigen beindruckt, die dessen Handwerk beherrschen.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould

  • Zitat

    Kunst kommt von Können, käme sie von wollen, so würde sie Wulst heißen.



    einer der größten Irrtümer :D



    "Kunst" kommt von "künstlich" (so jedenfalls die Meinung unserer Professoren, denn die hassen diesen Spruch von Liebermann)

  • Zitat

    Original von der Lullist
    "Kunst" kommt von "künstlich" (so jedenfalls die Meinung unserer Professoren, denn die hassen diesen Spruch von Liebermann)


    Lieber Matthias,


    alles was Recht ist - von Sprache scheinen Deine Profs nichts zu verstehen. Wörter mit der Endung -lich sind Ableitungen von den Wörtern ohne die Endung -lich ... Das Adjektiv künstlich ist erst im 13. Jahrhundert erstanden, vorher stand ahd. kunstig. Kunst ist tatsächlich eine Bildung von "können" her, ein sog. ti-Abstraktum. Die Einengung auf (das Produkt) "künstlerische[r] Tätigkeit" ist noch jünger, sie prägt sich erst im 18. Jahrhundert aus (und damit das Gegensatzpaar Natur - Kunst).


    vgl.. Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (23. Aufl. 1999)



    Liebe Grüße Peter

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  • Und was ist mit der Meinung des Herrn Observator?


    Zitat

    Was haltet ihr von meiner Definition: Kunst ist das, was auch diejenigen beindruckt, die dessen Handwerk beherrschen.


    Schwere Frage. Muß Schönberg Mozarts Handwerk beherrschen und von Mozart beeindruckt sein? Was, wenn er es nicht ist oder war...? Ganz zu schweigen von Mozarts Meinung über Schönberg... und wenn es jemand vergessen hat, festzuhalten?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Und was ist mit der Meinung des Herrn Observator?



    Schwere Frage. Muß Schönberg Mozarts Handwerk beherrschen und von Mozart beeindruckt sein? Was, wenn er es nicht ist oder war...? Ganz zu schweigen von Mozarts Meinung über Schönberg... und wenn es jemand vergessen hat, festzuhalten?


    Ich halte von dem Kriterium nicht sehr viel. Natürlich hat ein so traditionsbewußter Komponist wie Schönberg Mozarts Handwerk (wenn auch vielleicht Bach, Beethoven und Brahms wichtigere Vorbilder oder Einflüsse sind) geschätzt (und beherrscht, sofern das in der Spätromantik möglich war, vgl. seine Bearbeitungen von Monn, Händel, Bach).
    Das spricht vielleicht irgendwie für Schönberg, aber nicht notwendig gegen radikale "Bilderstürmer", die keinen Pfifferling auf die Tradition geben bzw. sich nur negativ von ihr abgrenzen wollen.


    Und es müssen gewiß nicht alle beeindruckt sein. Man findet immer einen Künstler, der sein Handwerk beherrscht, aber Stücke eines Zeitgenossen (der das vermutlich auch beherrscht) verabscheut. Strawinsky hat über Messiaens "Turangalila" gesagt, daß das einzige, was man benötige, um solch ein Werk zu schreiben, eine ausreichende Menge Tinte sei. (Ob das jetzt heißen soll, es sei gar keine Kunst oder nur ziemlich miese, sei mal dahingestellt...) Und wenn jemand nicht nur ein Handwerk, sondern genug für eine ganze Innung beherrschte, dann wohl das Stilchamäleon Strawinsky. Dennoch gilt die Turangalila-Sinfonie verbreitet als ein durchaus gelungenes Werk und die Musiker, die so urteilen, sind ja kaum alles Dummköpfe.


    Man könnte als Innungsmeister außerdem durchaus anerkennen, daß das Handwerk ausgezeichnet beherrscht wird, aber doch entscheidendes fehlt.
    Es gibt von Wagner bekanntlich eine ganze Oper über das problematische Verhältnis von Kreativität und kunsthandwerklicher Tradition...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von der Lullist
    um eine "Ableitung" ging es bei diesem Spruch auch gar nicht.


    Lieber Matthias,


    das habe ich schon vermutet, aber


    Zitat

    "Kunst" kommt von "künstlich" (so jedenfalls die Meinung unserer Professoren, denn die hassen diesen Spruch von Liebermann)


    wenn man "kommen von" gebraucht, geht es um Etymologie. Darum ging es Deinen Professoren natürlich nicht - aber dann darf man nicht "kommen von" gebrauchen ...


    Sprachliche Unfertigkeit hat nicht wenig mit mangelnder Denkschärfe zu tun ...


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Sprachliche Unfertigkeit hat nicht wenig mit mangelnder Denkschärfe zu tun ...


    wie ich sehe hast Du einige Vorurteile gegen Kunstprofessoren bzw. Künstler :D




    Aber wahrscheinlich sind wir alle nicht sonderlich helle auf der Uni, dass uns solche Feinheiten der Sprache in diesem Kontext entgehen :pfeif:

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  • Hallo Ulli, JR,


    so war das von mir nicht gemeint. Schönberg muss nicht Mozarts Handwerk beherrschen und schon gar nicht von seiner Musik beeindruckt sein.


    Wenn man das Ganze aber umdreht, kommt man meiner Definition näher: Würde Schönberg Mozarts Handwerk perfekt beherrschen und würde ihn Mozarts Musik nicht beeindrucken, wäre es keine Kunst. Aber da dies eine zu subjektive Entscheidung wäre, habe ich den Plural verwendet. Mit "nicht beeindruckt sein" meine ich übrigens kein launisches Urteil - wenn jemand an einer Musik in einem Stil, den er selbst perfekt beherrscht und in dem er selbst tausende Werke anfertigen könnte, dennoch noch Beeindruckendes findet, ist dieses Beindruckende das, was über das bloße Handwerk hinausgeht - Kunst.

    "Das Große an der Musik von Richard Strauss ist, daß sie ein Argument darstellt und untermauert, das über alle Dogmen der Kunst - alle Fragen von Stil und Geschmack und Idiom -, über alle nichtigen, unfruchtbaren Voreingenommenheiten des Chronisten hinausgeht.Sie bietet uns das Beispiel eines Menschen, der seine eigene Zeit bereichert, indem er keiner angehört." - Glenn Gould


  • Lieber Matthias,


    ich werde mich hüten, etwas über mir Unbekannte zu sagen. Allerdings werden Gedanken üblicherweise über Sprache vermittelt. Mit der Schärfe des Denkens pflegt auch die Genauigkeit im Sprachlichen zuzunehmen (mein leuchtendes Beispiel: Lichtenberg). Und bei Leuten von der lehrenden Zunft darf man doch von einer exzellenten Fähigkeit ausgehen, sich sprachlich verständlich zu machen. Was nun Künstler damit zu tun haben, wirst Du mir sicher noch erklären.


    Mein Bild von der Uni ist durchaus geprägt von der Vorstellung, dass man da in der Regel "helle" ist. Für Deinen Fachbereich kann ich allerdings nicht sprechen ...



    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von der Lullist
    alle Professoren für Bildende Kunst sind bildende Künstler - ohne Ausnahme.


    Das pflegt in anderen Fachbereichen nicht der Fall zu sein, vielleicht liegt da das Problem :D


    Liebe Grüße Peter


  • Da darf man nicht vergessen, daß sich der Wortgebrauch im Lauf der Jahrhunderte eben wandelt - wo man im Barock "künstlich" sagte, müßte man heute "kunstvoll" oder "kunstfertig" sagen.


    Der Einschätzung über den Spruch von Liebermann stimme ich zu - wie viele wollen, können aber nicht, und wie viele können, wollen aber nicht. Die technische/kunstfertige Dimension, die das Wort "können" anspricht, ist notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Gute Technik allein genügt nicht. (Meiner Ansicht nach auch das Problem vieler Kritiken, die sich zu schnell auf die - oberflächliche - Dimension der technischen Darbietung zurückziehen, aber ob jemand schnell und sauber spielt, kann jeder Dummkopf beurteilen ...)


    Was meiner Ansicht nach Kunst zur Kunst macht, ist das Ansprechen einer höheren Dimension des Seins, denn bei der Beschäftigung mit kreativen Prozessen, rezeptiv wie aktiv, ist man als Mensch den Kräften der Schöpfung am nächsten, was eine sehr heilsame Sache sein kann - Grundlage aller Therapien mit kreativen Medien. Daher kommt auch der Ursprung der Kunst aus dem Ritual - nicht umsonst beklagen heutzutage etliche Künstler den Verlust dieser spirituellen Dimension, der Erfolg von Komponisten wie Arvo Pärt und die Rezeption z.B. der Musik Bachs quasi als Religionsersatz sprechen hierfür. Das Ansprechen von seelischen Anteilen im Menschen ist von zentraler Bedeutung - und die sind stark individualisiert in unserer Zeit, was das Diskutieren dieses Themas so komplex macht.

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  • Zitat

    Original von pbrixius


    Das pflegt in anderen Fachbereichen nicht der Fall zu sein, vielleicht liegt da das Problem :D


    Der Gerechtigkeit halber muss hier aber auch die andere Seite erwähnt werden ;): Höchst sprachgewandte Wissenschaftler, in deren Büro seit Jahren dasselbe Bild hängt, sind völlig hilflos, wenn man sie an anderem Ort fragt, was auf ebendiesem Bild eigentlich dargestellt ist. Wenn man sich erkundigt, welches Muster die Tapete in ihrem heimischen Wohnzimmer hat, in dem sie sich noch vor wenigen Minuten aufgehalten haben, geraten sie ebenfalls schwer ins Grübeln...


    Hier tun sich Sprach- und Literaturwissenschaftler besonders hervor, noch schlimmer sind nach meinen Erfahrungen aber Historiker... :D


    Allerdings wird visueller Analphabetismus in unserer Gesellschaft meist ohne weiteres akzeptiert, oft auch gar nicht wahrgenommen, gerade in der akademischen Sphäre.



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Der Gerechtigkeit halber muss hier aber auch die andere Seite erwähnt werden ;):


    Lieber Bernd,


    die ALL-Sätze kamen von Matthias, nicht von mir. Von den sprachlichen Unfertigkeiten eines Vertreters einer Fachrichtung würde ich nie auf den Fachbereich schließen. Aber wenn da jemand mit "wir" und "uns" operiert und gleich noch ein "ohne Ausnahme" nachschiebt, kommen die Dinge leicht in die falsche Kehle.


    Das gilt nun auch für die "andere Seite".


    Der Ausgangspunkt war aber eine sprachliche Äußerung, nicht ein visuelles Gedächtnisproblem. Das ist auch ein interessantes Thema, aber ein anderes ...


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von pbrixius
    Der Ausgangspunkt war aber eine sprachliche Äußerung, nicht ein visuelles Gedächtnisproblem. Das ist auch ein interessantes Thema, aber ein anderes ...


    Lieber Peter,


    ich gebe Dir in dem meisten, was Du gesagt hast, ja völlig Recht.



    Ich hatte mich eher auf diese Passage bezogen:


    Zitat

    Original von pbrixius
    Allerdings werden Gedanken üblicherweise über Sprache vermittelt.


    Über diesen logozentrischen Ansatz könnte man streiten, denn "visuelle Alphabetisierung" beinhaltet nicht nur ein visuelles Gedächtnis, sondern auch die Vermittlung und Wahrnehmung von Gedanken durch Bilder. Aber das ist in der Tat ein anderes Thema... ;)



    Viele Grüße


    Bernd

  • Kunst ist, auf die Frage "Was ist Kunst?" eine Antwort zu finden.


    :beatnik:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Kunst ist, auf die Frage "Was ist Kunst?" eine Antwort zu finden.


    :beatnik:


    Lieber Ulli,


    ich halte es für (fast) unmöglich :) Aber das macht ja auch Kunst aus. Einfacher ist die Frage "Was ist Kunst für uns heute" - da hat man nämlich einen konkreten Zeitpunkt und eine konkrete Bezugsgruppe. Und dann kann man auch - wie Matthias' Proffs sagen: Für uns ist heute Kunst Künstlichkeit. Da muss man halt nur noch das "uns" ein wenig eingrenzen ...


    Liebe Grüße Peter

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  • Hallo,


    nach meiner Meinung ist es auch Kunst, die Talente, die jemand in die Wiege gelegt worden sind, so an andere weitergeben zu können, dass sie Freude daran haben.


    Insofern kann diese Kunst dazu beitragen, nicht nur Kommunikation zu bewirken, sondern sehr viel mehr für andere Menschen zu tun.


    Ich schreibe das nicht nur so, sondern aus eigener Erfahrung.


    Viele Grüße
    :hello:
    Belkanta

  • Uli, welcher Teufel hat Dich geritten, dieses Thema anzuschneiden ?


    Also denn, "Kunst" aus der Sicht eines bekennenden Banausen...


    - die "paßt-zur-Tapete" - Definition hat mir hervorragend gefallen!


    - ich glaube nicht, daß eine Stradivari reines Handwerk ist - sie ist Kunst, niemand anders KANN ein solches Instrument bauen, "Können" ist wohl nicht nur semantisch Teil der Definition


    - es gibt sprachliche Kunst - Schillers Bürgschaft ist wohl kaum zu überbieten
    - es gibt bildgebundene Kunst, "Der Mann mit dem Goldhelm" gehört wohl dazu
    - umso höhere Kunst muß die Kombination aus beiden sein, Bild und Sprache: Fix & Foxi !! Nein, nicht ? Zu banal?? Woran gemessen? Zahl der Striche pro Bild, Zahl der Wörter pro Sprechblase?
    - wenn nicht Fix & Foxy, dann vielleicht Uderzo & Goscinny ?? Schon eher ?? Wie wird das Verdikt denn operationalisiert ?


    Die Versuche von Definitionen bieten wenig Schwarz und Weiß und ganz viel Grau, die Ausnahmen überwiegen die Regeln, kaum etwas kann sicher eingeordnet werden, und das Wenige ist dann auch noch angreifbar...lol


    Ergo - keine Theorie, keine intersubjektiv überprüfbare Objektivität, keine Chance, den Gegenstand außerhalb der immer möglichen Rückzugsposition "ICH halte für Kunst...., also "Tapete", auch nur ansatzweise zu umreißen.


    Mal wieder eine klassische Bankrotterklärung der Theoretiker! Aber sie versuchen es doch immer wieder - schauen wir ihnen amüsiert zu....


    Ach ja - kann man auf diesem Hintergrund noch ein wenig ablästern - klar keine Kunst ist "4,33", das könnte sogar ich !

  • Zitat

    Original von m-mueller


    Ach ja - kann man auf diesem Hintergrund noch ein wenig ablästern - klar keine Kunst ist "4,33", das könnte sogar ich !


    Glaube ich Dir sogar ;) Deshalb kommt Kunst auch nicht von Können - wie viele Kunststudenten, wie viele Straßenmaler können einen Da Vinci bzw. einen Rembrandt so kopieren, daß es Dir als Laie gar nicht auffällt? Zählst Du die Kopie auch als Kunst? Klar, sie mag gefallen, sie ist aber ein Abbild - vom Original. Ist das nicht egal, was ich sehe, das sehe ich? Nun, ja und nein würde ich sagen. Wenn Du die Ehre Rembrandt und nicht dem Straßenmaler gebührst (daß letzterer nicht auch ein großer Künstler sein kann, sei hiermit nicht gesagt!), könnte es fast - aber eben nur beinahe - einerlei sein, ob Du die Kopie bestaunst oder das Original. Letzeres hat Rembrandt SELBST angefertigt.
    Kunst kam schon vor Jahrhunderten von Jahren nicht von Können, sondern von Müssen, wie Adorno so schön sagt. Da Vinci mußte die "Schlacht von Anghiari" so gestalten, wie er sie schließlich malte. Aus einem inneren Bedürfnis. Dieses bis heute wohl rätselhafte Myterium - Seracini war ihm mit kriminalistische Spürnase" auf der Jagd, war in seiner realistischen, fast expressionistischen Darstellung einer Schlacht mit Pferden, die nie in der Form stattfand, mit Sicherheit keine Auftragsarbeit. Mit hässlichen Fratzen werden Mensch und Tier dargestellt, unzensierte, ungeschönte Grausamkeit. "Die Anbetung der heiligen drei Könige" hat sich als Fälschung erwiesen. Da Vincis wesentlich gewagteres, kühneres Bild wurde von einem wohl recht stümperhaften Maler mit gar nicht feinen Strichen überdeckt.
    Nun, die ganzen Meister beherrschten ihr Handwerk - doch das alleine tun noch viele mehr.


    Ob 4'33 Kunst ist, sei mal dahingestellt und wirft genau die Frage auf, was Kunst IST und was sie soll. Wer sich mit den Hintergründen des Werkes auseinandersetzt, der mag vielleicht bei der Meinung bleiben, daß dies keine Kunst sei, der kann aber nicht mehr umhin festzustellen, daß die bis dato gültigen Kunstkriterien . v.a. des Müssens - nicht auch hier erfüllt sind. In einem wesentlichen Punkt unterscheidet sich Cage von dem, was davor kam: in der Revision des Künstler-Begriffs. Für ihn konnte jeder ein Schaffender sein.
    Insofern ein strittiger Punkt, aber ich denke es sollte klar sein, daß Kunst nicht (nur) von Können kommt.


    :hello:
    Wulf

  • Zitat

    Original von Barbirolli
    wenn du dich schlau machen willst, und doch "genauso schlau sein willst als wie zuvor", empfehle ich folgende Lektüre:




    Ich darf, lieber Barbirolli, das gleiche Buch empfehlen. Es ist ausgezeichnet geschrieben und vermittelt einen guten Überblick über "die Positionen der Ästhetik von Platon bis Danto" (so der Untertitel), Ich teile nur nicht Deine Meinung, dass man hinterher so schlau ist wie zuvor. Man ist deutlich schlauer, wie immer, wenn man ein gutes Buch gründlich liest.

    Zitat

    Zitate satt, Definitionen bis zum Abwinken (Meine liebste, weil ironisch-entlarvendste: "Kunst ist, was zur Tapete passt!" - Lili Fischer). Das Buch ist ein Musterbeispiel dafür, dass Kunst alles und nichts sein kann, je nach Blickwinkel.


    Wir haben da wohl ein unterschiedliches Exemplar im Bücherschrank stehen. Das Buch gründet wie jede vernünftige Abhandlung auf den Erfahrungen anderer, die in kommentierter Zitatform herangezogen werden. Wenn ich auf 104 Seiten 125 Anmerkungen finde, habe ich nicht den Eindruck, dass dies "Zitate satt" sind, es sind genauso viel Zitate, wie die brillant geschriebenen Essays (hier stimme ich dem Waschzettel zu) brauchen, um all das zu belegen, was dargestellt wird. Das angeführte (ein wenig törichte) von Lili Fischer finde ich nicht im Buch. (Warum es töricht ist? Nun, es setzt voraus, dass es keine Kunst gab, als es noch keine Tapete gab. Es ist eine ziemlich arrogante Auffassung der Kunst der Antike, der Baukunst (wie bekomme ich die Akropolis in die Wohnung, selbst wenn sie zur Tapete passt? Es zeigt sich, dass Frau Fischer hier vornehmlich Werke der bildenden Kunst meinte, die man an die Wand einer Wohnung hängen kann. Wenn sich darin der Umfang dessen erschöpft, was man unter Kunst versteht, hat man eine sehr beschränkte Auffassung in jeder Hinsicht.)


    Selbst wenn man in aller Ungeschicklichkeit alle Aspekte dieses Buches in einen Topf gießt und wie alle Farben des Regenbogen undifferenziert zusammenmischt, ergibt sich kein "alles oder nichts", sondern nur ein undifferenziertes Farbengemisch. Wenn man aber das Buch aufmerksam liest, so wird man erkennen, dass jede neue Definition, die den Fortgang der Geschichte der Ästhetik abbildet, sich eigentümlich zu den früheren verhält. Die Positionen der Antike (Platon, Aristoteles) werden ja nicht einfach negiert, sie werden im Gegenteil in eine neue und umfassendere Auffassung miteinbezogen. Es vollzieht sich also ein dialektischer Prozeß der "Aufhebung im dreifachen Sinne, des Fortbestands der alten Theorie, deren Begrenztheit erkannt wird und die auf eine neue Stufe gehoben wird. Wenn man Dialektik nur als einfache Gleichzeitigkeit von Ja und Nein begreift, hat man mit einer geschichtlichen Darstellung der Ästhetik seine Probleme.


    Zitat

    Ein Beispiel auch dafür, dass selbst weltweit anerkannte Künstlerpersönlichkeiten vergangener Jahrhunderte völlig konträre Meinungen hatten.


    Seit wann waren Platon und Aristoteles Künstlerpersönlichkeiten? In der Abfolge der Kapitelüberschriften wird man allenfalls zweieinhalb "Künstlerpersönlichkeiten" ausmachen, dagegen findet man jede Menge Philosophen von Rang (nur Schiller wird heute als Dichter mit dem Nebenberuf Philosoph angesehen, Adorno allenfalls als Philosoph mit dem Nebenberuf Komponist). Die Meinungen sind nur auf der Oberfläche konträr, es ist alles andere als ein beliebiges Hin- und Herzucken, das uns Hauskeller hier vorführt, sondern ein wohlüberlegter Argumentationsgang, der uns von der einen zur nächsten Position führt.


    Wenn man genauer hinsieht, wird ja nicht 16mal dieselbe Frage beantwortet, sondern die Fragen sind durchaus verschieden. Wenn Benjamin sich mit dem Kunstwerk im Zeitalter der Möglichkeit untersucht, es zu reproduzieren, kann sich so eine Frage bei Hegel noch nicht stellen. Mit der neuen Herausforderung an die Kunst, die etwa die Photographie für die Malerei bedeutete, scheinen neue Aspekte der Kunst auf, die es selbstverständlich auch schon vorher gab, die aber nicht aktualisiert wurden. Es ist wie mit dem Menschen. Biologisch hat sich nur wenig von seiner Steinzeitausgabe verändert, aber der Stellenwert des einzelnen Menschen und die Selbstsicht haben im Laufe der Geschichte eine Vielzahl von Wandlungen erfahren, deren Verlaufskurve ich auch nicht als ein beliebiges Hin- und Herspringen, sondern als eine Spirale sehen würde, die Kontinuität und Fortschritt in einem birgt.


    Was Hauskeller überzeugend darlegt: Die Gedanken von Platon und Aristoteles gelten auch heute noch, aber es braucht einen gewissen Aufwand, sie heute zu verstehen. Bei aller Brillanz der Darstellung - dieses Buch braucht auch eine umfangreiche Anstrengung, es zu verstehen. Es braucht nicht zuletzt die Bereitschaft, sich auf die Auseinandersetzung mit der Menschheitsgeschichte einzulassen. Dass sich der Gültigkeitsbereich der Gedanken mit den komplexeren Ideen der Neuzeit verbreitet (etwa aus einer eurozentristischen Blickweise in eine globalere), macht die Lektüre nicht einfacher. Aber schon der Kreis jener, die eine Grammatik der deutschen Sprache verstehen, ist nicht so groß. Wenn ich nun eine indoeuropäische Grammatik schreibe, werden nicht Fachleute mir nur glauben können. Wenn ich nun eine Grammatik schreibe, die alle bekannten Sprachen der Welt umfasst, werde ich schon Probleme habe, die Ergebnisse dieser Arbeit zu vermitteln. Sie sind deshalb nicht weniger aktuell und wichtig, wie ein ganzer Forschungszweig in der Linguistik beweist.

    Zitat

    Und wer hat nun recht?


    Alle in dem Buch zitierten Autoren. Sie antworten nur nicht - das schrieb ich schon - auf diesselbe Frage.


    Zitat

    Ich habe zwar auch meine eigene Anforderung an das, was Kunst sein und erreichen sollte, doch wartet die Welt sicher nicht darauf, die 11778. Auslegung zu hören.


    Wenn sie denn intelligent und überzeugend ist, nur her damit! Mit der "eigenen Anforderung" instrumentalisiert Du die Anforderung für Dich. Damit wird noch einmal klar: Eine solche Frage impliziert Frageglieder, die nicht genannt wurden, aber implizit gelten: wann? für wen? etwa.


    Die Schwierigkeit ist eben die, dass man um eine hohe Komplexität der Antworten nicht herumkommt, will man nicht die Stammtische bedienen. Die ästhetische Kommunikation hat als ein entscheidendes Treibmittel das Innovative - das heißt: jede neue Kunstschöpfung verhält sich zu den anderen im Sinne des oben dargestellten Aufhebens.


    Eine andere Schwierigkeit besteht darin, was man zur Kunst rechnet - da unterscheiden sich auch heute noch die Geister. Aber eben diese Unsicherheit ist ein Konstituens von Kunst.


    Liebe Grüße Peter

  • Lieber Wulf,


    zwischen Kopie und Original ist nur scheinbar leicht zu unterscheiden - hier im Forum wurde ja bereits oft angesprochen, wie sehr der eine oder andere Komponist durch Werke weiterer Komponisten inspiriert wurde, Bach hat ganze Themengruppen von Vivaldi verarbeitet, Mozart Fugen von Bach etc.


    Rembrandt hat immerhin noch selbst gemalt, von Rubens z.B. weiß man, daß er eine Malerwerkstatt hatte, er hat im Alter die Bilder nur noch vorskizziert und sie dann von seinen Schülern ausmalen lassen - also wohl so ein frühes "Malen nach Zahlen".


    Malt ein Pflastermaler den Goldhelm in Silber, mag es vielleicht schon eine wertvolle Bearbeitung sein, ein eigenständiges Kunstwerk auf dem Hintergrund der Ideenwelt, daß nur wenig Gold ist, was Gold gennant wird (müßte doch Marketing-Kritikern wie Öl runtergehen).


    Daß Kunst vom "Müssen" kommen soll, ist wohl eher der Versuchung Adornos zu danken, ein Bonmot produzieren zu wollen. Zu behaupten, da Vinci hätte genauso malen müssen, wie er es getan hat, ist ja nicht ganz untautologisch. Man kann auch behaupten, das Gerät zur Ziehung der Lottozahlen, von dessen tadellosem Zustand sich der Aufsichtsbeamte ja immer wieder überzeugt, habe genau diese Zahlen ziehen müssen, einem "inneren" Zwang nachgebend. Oder in den nüchternen Worten der BWL: man wirft einen Pfeil und malt einen Zielkreis drumrum.


    Natürlich gibt es großartige Kunst, wenn ich das bestreiten wollte, wäre ich nicht hier und würde keine Klassik hören. Bach gehört dazu, da Vinci mit fast allem, was er gemacht hat, Dan Brown gehört NICHT dazu, Schiller ist die Spitze auf Deutsch, Picasso mit der Reduktion des Stieres auf drei Striche ein Genie... die Aufzählung könnte beliebig verlängert werden. Aber sie ist "Tapete". ICH erzähle, was ICH für Kunst halte. Eine Theorie ist das nicht. Andere können andere Kriterien anlegen und zu ganz anderern Urteilen kommen.


    Und zum Glück gibt es keine Theorie, die ja vermutlich nur Geschmacksdiktate produzieren würde.


    In Bezug auf 4,33: inspiriert durch ein in einem Kunstmuseum unter Glas ausgestellten Notizblockausriß, auf dem einige vorgedruckte Karos mit Bleistift nachgefahren wurden mit dem Titel "Bleistift auf Papier" habe ich (nicht im Kunstmuseum) ein weißes Blatt Papier aufgehängt mit dem Titel "Nichts auf Papier" und fand es außerordentlich tiefgründig.


    Da ich sowas aber nicht öfters mache, hält mich niemand für einen Künstler. Schade!

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