Das Genie aus musikalischer Sicht

  • Hallo, Loge, und miteinander!


    Ich halte Deine Definitionen und Kategorisierungen für eine ausgesprochen hübsche scholastische Spielerei. Es gibt und gab viel derlei Buchhaltereiversuche. Vielleicht - und das meine ich jetzt gar nicht böse und fast ernst - solltest Du eine Dissertation damit bestreiten. Ich weiß, wovon ich rede - bei mir war es der Versuch, ein Spezialwörterbuch für Verben des Fragens zu erstellen.


    Als moderner Beurteilungsmaßstab ist es dennoch meines Erachtens nicht geeignet. Viele Aspekte wurden bereits genannt. Ich möchte noch einen wesentlichen hinzufügen, nämlich dass quasi strukturalistisch der rezeptive Bezug - des Hörers und des Materials, auf das ein Komponist sich rückwirkend beziehen kann - außen vor bleibt. Die vielen Nur-"Meister" und "Kleinmeister", die das 20. Jahrhundert Deiner Kategorisierung zufolge hervorgebracht hätte (du hast die meisten ja nicht genannt), stehen uns aufgrund ihrer differenzierten Klangsprache doch näher als manche "Großmeister" Jahrhunderte zuvor - vorausgesetzt, man ist offen in seinen Hörerwartungen und man ist nicht radikal spezialisiert auf bestimmte vergangene Strömungen und Epochen.


    Mit der Vorstellung, dass Stockhausen so ziemlich das einzige Genie der letzten hundert Jahre sein soll, kann ich mich jedenfalls nicht anfreunden.


    Unabhängig davon besteht der Reiz offenen Hörens gerade für den Erfahrenen doch darin, immer wieder von den "Genies" wegzukommen und neue "Kleinmeister" für sich zu entdecken --- um dann festzustellen, dass der Begriff einfach herabwürdigend ist.


    Gut, ich gestehe Dir zu, dass es Dir darum nicht ging.


    Damit wir uns nicht falsch verstehen (siehe auch oben unter Stichwort: Dissertation): Ich finde Deine Idee theoretisch höchst interessant. Man sollte nur keine praktischen Schlüsse und Anwendungen daraus ziehen und folgen lassen.


    Aber auch darum ging es Dir vermutlich nicht.


    Dennoch: Ich würde den Genie-Begriff als Museumsgegenstand gelten lassen - etwa als ein Selbstbestimmungskriterium der emotionalen Aufklärer im 18. Jahrhundert. Darüber hinaus würde ich auf ihn verzichten.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Original von Loge


    ...als vielmehr langsam mal mit einer halbwegs konkreten Gegenrede...
    oder kannst Du nicht und ziehst es vor, hier weiterhin nur den Maulhelden zu geben?


    Immer hübsch langsam mit die jungen Pferde, gell?


    Zitat

    An Bach ist u. a. erstaunlich, geradezu "dämonisch", dass er fortwährend Werke für die Gottesdienste seiner Gemeinde geschrieben hat und sich dabei - so bdeutungs- und inhaltsschwer wie er sie geschrieben hat - überhaupt nicht um die konkreten Aufführungszwecke, die Erwartungen und Fähigkeiten seiner Gemeinde oder der spielenden Instrumentalisten und Sänger gekümmert hat. Er hat die Werke einfach so gut geschrieben wie er konnte und musste!


    1. Die konkreten Aufführungszwecke haben die Textauswahl und damit erheblich auch die musikalische Konstruktion bis in die Affekte und die rhetorischen Wendungen hinein beeinflusst – von Satztypen, Instrumentierung und ähnlichen Kleinigkeiten einmal abgesehen.
    2. Es ist an den Noten sehr häufig abzulesen, welche Solisten oder besonders guten Instrumentalisten gerade zur Hand waren. Auch sonst sind die Fähigkeiten immer berücksichtigt, sonst wäre er bald aus seiner Stellung geflogen. Die Thomasschule hatte schon damals einen legendären Ruf als Musikstätte – vergiss das nicht. Jedenfalls steht in Bachs Noten nie etwas Unausführbares.
    3. "dämonisch" und "...wie er konnte und musste" sind nebulös. Wie er wollte, hätte ich noch akzeptiert.


    Dein 6. Kriterium ist nicht messbar.
    Dein 8. Kriterium schließt dann die jeweils vertraglich geregelten Kompositionstätigkeiten ein? Bach musste (!) an seinen jeweiligen Arbeitsstellen die Gattungen bedienen, für die er dann auch komponiert hat.


    Zitat

    Weder Bach noch Händel oder Haydn haben ihre größten Werke, so wie sie sie geschrieben haben, für einen Markt geschrieben.


    Was sind die größten Werke? Gibt es dafür wieder ein eigenes Metermaß?
    Bachs Clavierübung in 4 Teilen ist sehr wohl für einen Markt geschrieben worden. Er hat sogar darauf geachtet, dass sie rechtzeitig zu besonders lukrativen Anlässen fertig wurden. Und selbst die Kunst der Fuge, die ja vielleicht für die Kategorie "größte" in Frage kommt, wurde auf den Druck hin konzipiert und sollte Geld einbringen.
    Deine implizierte Hoffnung, dass "größte" Werke nur aus Idealismus, Schaffensdrang, vom "Dämon" getrieben komponiert wurden, erfüllt sich nicht.
    Überhaupt scheint aus Deinen Formulierungen oft eine romantisierende Sicht auf die bekannteren Akkordarbeiter auf, die selbst einer Betrachtung wert wäre.
    "eine innere Welt nach außen zu vermitteln" klingt mir zu sehr nach 19. Jh. und ist bei einer Betrachtung von Fakten gänzlich unangebracht.


    Zitat

    In den hinteren Kategorien (Meister, Kleinmeister) habe ich mich - schon weil ich die Werke der genannten Komponisten natürlich längst nicht alle kennen kann - auch auf wertende Anhaltspunkte in der Literatur verlassen.


    Die Worte hör ich wohl...
    Die Biografien, Partituren, zugehörige Literatur – auf dem aktuellen Stand, versteht sich – zu Deinen oberen Kategorien hast Du also freihändig parat.


    Ach Loge, nimm Dein Schränkchen und sortiere in die vielen Schubladen etwas Vernünftiges ein – Schnürsenkel, Pfeifenreiniger, solche Sachen.


    Ein Genie passt in keine Schublade und hat es auch nicht nötig, passend gemacht zu werden.


    Und wenn Du weiter insistierst, sehe ich mich gezwungen, aus Tristram Shandy zu zitieren. Ich vermute, Du weißt, welche Stelle ich meine.

  • Zitat

    Original von WolfgangZ
    Mit der Vorstellung, dass Stockhausen so ziemlich das einzige Genie der letzten hundert Jahre sein soll, kann ich mich jedenfalls nicht anfreunden.


    Lieber WolfgangZ,


    das war mir auch aufgefallen und irritierte mich. Ich weiß nur nicht, mit wem ich die Lücke schließen soll. Debussy? Mahler? R. Strauss? Berg? Varese? Bartok? Ich konnte mich bei keinem der Genannten durchringen.


    Loge

  • Hallo, Loge!


    Deine Formulierung "durchringen" klingt etwas merkwürdig, oder? Entweder handelt es sich um einigermaßen objektivierbare Kriterien, oder eben nicht.


    Aber gut: Debussy, Bartok, Mahler! Warum nicht auch Schönberg? Und warum überhaupt Stockhausen?


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

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  • Hallo, Michael!


    Otto Jägermeier! Genau!


    Auf den treffen alle denkbaren Genie-Kriterien zu. Und noch viel mehr!


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Original von Loge
    Lieber Wulf,


    viel Erfolg für Deine Abschlussprüfungen. Noch ein paar Ratschläge aus gegebenem Anlass: Immer erst einmal den Aufgabentext genau lesen und zu verstehen versuchen. Sodann solltest Du keine sachfremden Erwägungen anstellen. Auch wenn Du etwas zur Sache ausführst, solltest Du es kurz begründen. Und beruhige Dich bis zur Prüfung, Du wirkst zur Zeit sehr unkonzentriert, hektisch und gereizt. Und mach Dir keine Sorgen um Deinen persönlichen Favoriten Debussy; der steht da schon ganz richtig.


    Loge


    Lieber Loge,


    vielen Dank für Deine guten Wünsche. Ich werde Deine Ratschläge beherzigen - das genaue Durchlesen der Aufgabenstellung ist etwas, das Dir die Profs auch immer wieder gerne auf den Weg mitgeben. Und wegen meines Favoriten Debussy (der soo sehr gar nicht meiner ist) mache ich mir selbstverständlich keine Sorgen: denn er bleibt ein Genie, selbst wenn ein so gebildeter Mensch, wie Du es offenkundig bist, dies nicht erkennen mag.


    :hello:
    Wulf

  • Hallo Loge,


    Zitat


    Ein Komponist gilt als „Genie“, wenn er anfangs weniger originell als vielmehr epigonal mit den Ausdrucks- und Formmitteln seiner Vorläufer spielend auftritt, sich fortan ständig unter Assimilierung der Stile wandelt, ohne sich diesen anzupassen, dabei bis zum Ende seiner individuellen Lebensspanne ohne Nachlassen der Inspiration und wie von einem inneren Drang beseelt nach Art und Qualität heterogene Werke ganz überwiegend nicht nach Einfällen, sondern nach Werkplänen schafft, deren beste als höchste Vollendung in mindestens einer Gattung gelten und eine innere Welt nach außen zu vermitteln vermögen.



    Ich hätte aufgrund Deiner Definition wohl Arnold Schönberg unter die Genies eingeordnet und wundere mich nun, dass er nur Großmeister zweiter Klasse sein soll.
    Auch verstehe ich nicht, wieso Grieg ein Meister, Zemlinsky jedoch nur ein Kleinmeister sein soll.
    Stockhausen und Verdi hätte ich nie und nimmer vor Debussy eingeordnet, aber mein persönliches Fazit bisher ist sowieso, dass solche Einordnungen nach Belieben vorgenommen werden können, wenn man danach einen Definitionskatalog zusammenstellt, der einigermaßen zur Liste passt.
    Nehme ich etwa als Bedingung hinzu, dass sich das Geniale in verschiedenen Gattungen ausdrücken muss, ist Debussy (mit einer Oper, seinen Werken für Klavier, den Werken für Orchester und der Kammermusik) automatisch ein Genie, Verdi und Wagner aber eher nicht. Nur was ist damit bewiesen, außer das ich ebenso wie Du rein subjektiv entscheiden will?


    Myschkin :hello:

  • Lieber Myschkin,


    Zitat

    Stockhausen und Verdi hätte ich nie und nimmer vor Debussy eingeordnet, aber mein persönliches Fazit bisher ist sowieso, dass solche Einordnungen nach Belieben vorgenommen werden können, wenn man danach einen Definitionskatalog zusammenstellt, der einigermaßen zur Liste passt.


    ich habe doch beschrieben, wie es zu der Defintion kam. Nämlich über die Betrachtung der am wenigstens umstrittenen Genies Bach - Beethoven - Mozart. Zu diesen passt die Definition natürlich, da sie diese beschreibt. Die übrigens Genies sind dann nach und nach hinzugekommen, wenn sie ebenfalls (vollständig oder jedenfalls weitestgehend) mit den Kriterien der Definition kompatibel waren.


    Zitat

    Auch verstehe ich nicht, wieso Grieg ein Meister, Zemlinsky jedoch nur ein Kleinmeister sein soll.


    Mit Zemlinsky (insbesondere im Verhältnis zu Grieg) dürftest Du recht haben. Aber mir ging es ja primär nur um die ersten beiden Klassen (nämlich Abgrenzung "Genies" zu "Großmeister 1. Klasse") und da gehört Zemlinsky wohl auch nicht hin.


    Zitat

    Ich hätte aufgrund Deiner Definition wohl Arnold Schönberg unter die Genies eingeordnet und wundere mich nun, dass er nur Großmeister zweiter Klasse sein soll.


    Schönberg wird doch zwischenzeitlich wieder mehr als ein großer Lehrer und folgenreicher Theoretiker denn ein Schöpfer von hohem Rang gesehen. Er wurde seit jeher immer viel mehr diskutiert als aufgeführt. Auch hat er sich doch im Verkauf und zum Ende seines Schaffens nicht wesentlich gewandelt bzw. weiterentwickelt, sondern die von ihm entwickelte Dodekaphonie nur variiert.


    Zitat

    Nehme ich etwa als Bedingung hinzu, dass sich das Geniale in verschiedenen Gattungen ausdrücken muss, ist Debussy (mit einer Oper, seinen Werken für Klavier, den Werken für Orchester und der Kammermusik) automatisch ein Genie, Verdi und Wagner aber eher nicht. Nur was ist damit bewiesen, außer das ich ebenso wie Du rein subjektiv entscheiden will?


    Universalität ist kein Kriterium für das Genie. Zwar sind die von mir genannten Genies allesamt Universal gewesen (die Dramatiker bilden eine Ausnahme). Die Genies teilen das Merkmal der Universalität aber mit einer ganzen Reihe von Nicht-Genies (Dittersdorf, Spohr, Loewe, Bruch, Graun etc.), weshalb es kein Genie-Kriterium sein kann.


    Loge

  • Lieber Loge,

    Zitat

    Aber mir ging es ja primär nur um die ersten beiden Klassen (nämlich Abgrenzung "Genies" zu "Großmeister 1. Klasse") und da gehört Zemlinsky wohl auch nicht hin.


    Bist Du Dir wirklich sicher?
    Und warum?


    Zitat

    Schönberg wird doch zwischenzeitlich wieder mehr als ein großer Lehrer und folgenreicher Theoretiker denn ein Schöpfer von hohem Rang gesehen.


    Bist Du Dir wirklich sicher?
    Und warum?


    Zitat

    Er wurde seit jeher immer viel mehr diskutiert als aufgeführt.


    Bist Du sicher?


    Wir sollten diesen Thread ruhen lassen.
    RIP


    Warum?
    Dieses Großmeister erster Kajüte mit Sternchen oder nicht bringt doch nichts.


    Beste Grüße,
    Michael

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
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  • Warum erinnert mich dieser Quatsch an den Film "Der Club der toten Dichter", in dem der Direktor der Schule die Qualität von Gedichten mathematisch berechnen wollte?


    LAAAAAANGWEILIG.....



    Dabei hatte das Forum das Problem der Rangordnung unter den Komponisten bereits mit juristischer Gründlichkeit in Form einer Rechtsverordnung gelöst (Wiedergabe in der derzeit geltenden Fassung):


    Verordnung über die Dienstgrade von Komponisten (KomDgrVO) in der Fassung des Gesetzes zur allgemeinen Reform der Musikkultur vom 06.11.2007 (KukGBl I, Seite 2345)



    §1
    Komponisten führen zur besseren Unterscheidung ihrer künstlerischen Bedeutung folgende Dienstgrade:


    Wirklich Geheimer Großer Generalkomponist, Großer Hauptoberstabskomponist, Oberster Hauptstabskomponist, Hauptstabskomponist, Oberstabskomponist, Stabskomponistenanwärter, Oberkomponist, Oberkomponistenanwärter, Komponist, Unterkomponist, Komponistenanwärter, Musikus.



    §2
    Nach bestandener Komponistenprüfung ist der Komponistenanwärter berechtigt, den Zusatz "mbL" (mit bestandenem Lehrgang) zu führen.



    §3
    Vor jeder weiteren Beförderung hat der Komponist eine staatliche Prüfung abzulegen. Die kuk-Staatsregierung überträgt das Recht zur Abnahme der Prüfung auf das Tamino-Klassikforum unter der Leitung des kuk-Oberhofmusikkammerpräsidenten Alfred Schmidt, das die näheren Einzelheiten der Prüfung regelt. Eine Beförderung ist nur zulässig, wenn das Forum mit einfacher Mehrheit der Teilnehmer die Prüfung für bestanden erklärt. Ist der Komponist bereits verstorben, wird die Prüfung durch eine allgemeine Abstimmung unter den Mitgliedern des Forums ersetzt.




    §4
    Komponisten an fürstlichen Höfen dürfen den Zusatz "Hof-" an geeigneter Stelle ihrem Komponisten-Dienstgrad anhängen.



    §5
    Bei Komponisten der Marine heißt es Admiralkomponist bzw. es wird das Präfix "Kapitäns-" vor das Wort Komponist gesetzt (zB. Hauptstabskapitänskomponist)



    §6
    Überschreiten Komponisten das 35. Lebensjahr, führen sie den Zusatz "der Reserve", überschreiten sie das 45. Lebensjahr den Zusatz "der Landwehr" zu ihrem Dienstgrad.



    §7
    Komponisten, die Werke für Klavier komponiert haben, werden durch ein Ärmelschild mit der Abbildung eines Flügels gekennzeichnet, das auf dem rechten Oberarm des Dienstanzuges für Komponisten (Frack, Cutaway, Stresemann) anzubringen ist. Komponisten, die Werke für Blechbläser komponiert haben, erhalten ein Ärmelschild mit der Abbildung einer Tuba.



    §8
    Komponisten, die gleichzeitig eine Stellung als Dirigent oder Chef eines Opernhauses innehaben, haben unabhängig von ihrem Dienstgrad Anspruch auf die Anrede "Mein Maestro".



    §9
    Komponisten zeitgenössischer Musik nach 1918 sind verpflichtet, zur besseren Kennzeichnung und zur Warnung des Publikums einen Ohrenschutz zu tragen.

  • Ich finde die alpenländischen Komponisten nicht berücksichtigt.
    Sie sollten den Zusatz "Gebirgsjäger-" erhalten und zusätzlich ein miniaturisiertes Alphorn als Abzeichen vorne am Zylinder tragen. :yes:

  • Keine schlechte Idee, Edwin hatte in seiner Eigenschaft als kuk Wirklich Geheimer Oberhofkanzleirat h.c. damals noch weitere Ergänzungen vorgeschlagen.... 8)

  • Zitat

    Original von Robert Stuhr


    Verordnung über die Dienstgrade von Komponisten (KomDgrVO) in der Fassung des Gesetzes zur allgemeinen Reform der Musikkultur vom 06.11.2007 (KukGBl I, Seite 2345)


    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    zu schön, Robert - vielen Dank dafür!


    Und dann behaupte noch einer, unsere Juristerei sei staubtrocken und langweilig...

    :D


    Elisabeth

  • Ein Mensch schuf manch Großes, doch nie
    hatt' die leiseste Ahnung er, wie.
    Ihm war's auch egal, schnurz,
    bis hin zum Final- Flatus.
    Die Nachwelt doch haucht: "Ein Genie!"



    Gruß,



    audiamus, Oberkomponierender der Meerwacht



    .

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  • Jetzt hab ich mir doch für einen längeren Bruchteil einer Sekunde gedacht: Mon Dieu, der audiamus lässt nach - schnurz reimt sich allenfalls auf Flaturz ... oder so :beatnik:


    Schönen Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Verordnung über die Dienstgrade von Komponisten (KomDgrVO) in der Fassung des Gesetzes zur allgemeinen Reform der Musikkultur vom 06.11.2007 (KukGBl I, Seite 2345)


    :jubel:Loriot läßt grüßen :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Wie sieht das mit der Genie Defintion eigentlich bei Jacopo Peri aus, der ja auch nicht in der Auflistung vorkommt ?


    Oder ist der "Erfinder" der Oper nur ein Kleinmeister den man nicht zu beachten braucht ?


    :beatnik:

  • Können wir nicht folgern, daß es eigentlich unmöglich ist eine Definition für den Begriff "Genie" zu entwerfen?
    Wir wissen, was damit gemeint ist, sind nicht verschwenderisch mit der Zuerkennung, aber werden vermutlich nie sagen können, was ein Genie ist bzw. was einer zu einem Genie macht.
    Ja, er unterscheidet sich von anderen Menschen, weil er besser leistet als "normal" zu erwarten wäre, wenn man seine Leistungen vergleicht mit denen von Kollegen.


    In der Physik kennt man dem Begriff Elektrizität. Man beschreibt diesen Begriff. Aber genau sagen, was Elektrizität ist, daß kann man nicht. Dennoch arbeiten wir mit Elektrizität.
    Könnte das nicht auch gelten für den Begriff "Genie"?


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Wie sieht das mit der Genie Defintion eigentlich bei ...


    Kaum ist ein bisschen zartes Gras über die Sache gewachsen, kommt garantiert irgendein :stumm: daher und frisst es wieder ab. :D :untertauch:

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  • Prinzipiell finde ich es gut in solchen herrlich sinnlosen Diskussionen, wenn eine Liste einen ersten Schritt zur Konkretisierung des vergnüglichen Streitens tut.
    Wenn ich mir Loges Liste ansehe, so vermute ich einmal, daß sie subjektiv aus dem Bauch heraus aufgestellt ist - genau so, wie ich es auch machen würde. Da objektive Kriterien fehlen, geht es auch gar nicht anders. Vielmehr kommen mir Loges scheinbar objektive Kriterien ebenfalls subjektiv vor.


    Wenn ich sie dennoch für einen Moment übernehme, habe ich allerdings ein paar Verständnisprobleme.


    - Stockhausen etwa: Wie passt er (der meiner Meinung nach zurecht als Genie eingereiht ist) in die Kriterien 5 und 9?


    - Vergleicht man unter Beachtung der Kriterien Stockhausen und Nono, scheint mir, dass Nono in derselben Gruppe aufscheinen müßte wie Stockhausen.


    - Welches der Kriterien schließt Strawinskij aus dem Kreis der Genies aus?


    - Wieso figuriert Schönberg nur als "Großmeister 2. Klasse" auf der Stufe eines Samuel Barber? (Nichts gegen Barber, aber zwischen dem Komponisten von "Erwartung" und dem von "Vanessa" scheint mir ein gewisses Niveaugefälle zu bestehen.
    Auch die Einordnung Weberns stimmt mich nachdenklich: Ohne Webern kein Stockhausen (dessen Musik sich aus Ansätzen eben bei Webern und bei Messiaen speist).


    Auf diese Weise könnte man noch zahlreiche Einordnungen diskutieren - aber das bliebe aus subjektiven Gründen letzten Endes immer ein Streit um des Kaisers Bart.


    Ich frage mich hingegen, ob die Kriterien wirklich alle kumulativ zutreffen müssen und ob es nicht eine Wertigkeit dieser Kriterien gibt.


    Meiner Meinung nach ist die Frage, ob ein Künstler am Anfang seines Schaffens epigonal arbeitet (wie Wagner) oder bereits mit individueller Sprache hervortritt (wie Mahler) relativ peripher. Ich glaube, daß das Hauptwerk eines Komponisten zählt, das von Früh- und Nebenwerken gleichsam kommentiert (aber nicht abgewertet) wird. Aus dem gleichen Grund scheint mir auch ein eventuelles Nachlassen der Inspiration nicht wesentlich: Der Wert von Ives' Werk wird nicht dadurch gemindert, daß Ives zu komponieren aufgehört hat. (Wobei mir übrigens die Einreihung von Ives auf gleichem Niveau wie Bruch und Elgar diskutabel erscheint.)


    Abgesehen davon frage ich mich, ob man diese Kriterien, die ja von einem Komponisten-"Mainstream" abgeleitet sind, überhaupt auf klare und teilweise mit Absicht eingenommene Außenseiterpositionen anwenden kann.


    Insgesamt aber scheinen mir diese Kriterien eine hervorragende Grundlage für eine dieser nie endenden Genie-Diskussionen.


    :hello:

    ...

  • Edwin:


    Zitat

    Insgesamt aber scheinen mir diese Kriterien eine hervorragende Grundlage für eine dieser nie endenden Genie-Diskussionen.


    Hallo Edwin: mal davon abgesehen, daß, von einem gewissen temporärem Unterhaltungswert, diese Debatten sich schnell erschöpfen, scheinen sie mir letztendlich doch überflüssig wie ein Kropf, zumal dann besonders, wenn sie jemand in Szene setzt, der mit großer Wahrscheinlichkeit ein Konzert Gabrielis
    kaum von einer Motette Lassos unterscheiden kann, bei dem Strawinski, den ich für eines der grössten "Original-Genies" der Musikgeschichte halte, (und ich könnte auch begründen, weshalb), sozusagen in der "2ten Garnitur" auftaucht und ein Großmeister vom Rang Messiaens garnicht vorkommt:


    Wie pflegte meine verehrte Lehrerin Grete von Zieritz (1899-2002) immer zu sagen:


    Zitat

    Wovon wir nichts verstehn, darüber halten wir besser die Goschen !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Eigentlich wollte ich mich ja nicht mehr zu Wort melden - hatte ich zumindets versprochen. Es sind mir aber noch zwei Gedanken durch den Kopf gegangen. Daß jetzt der thread wieder eine Fortsetzung gefunden hat, motiviert mich nochmal auf die Tube Senf zu drücken.


    1. Ich stelle mir folgendes vor: Nehmen wir einmal an, a) ich akzeptiere die von Loge aufgestellen Kriterien und b) ich akzeptiere den kumulativen Charakter.
    Selbst nach diesen Kriterien könnte ich recht leicht zu ganz anderen Schlüssen kommen als Loge: nämlich daß Debussy ein Genie war, Roussel mindestens ein Großmeister 2. Klasse, Webern (wie Edwin schon erwähnte) ebenfalls mindestens 1. Klasse etc. Und das schönste ist: Wenn wir nur diese "phänomenologische" Liste nehmen, könnte mir Loge noch nicht einmal vernünftig widersprechen. Ich ihm auch nicht. Irgendwann würde man sich so lange nerven, bis einer sagt: das ist halt so, das fühlt man doch. Und schon ist das Dilemma da. Ansermet macht es einem in seinem Buch "Die Grundlagen der Musik im menschlichen Bewußtsein" etwas schwerer. Er hantiert ebenso mit dem Geniebegriff erklärt ihn aber werkimmanent. er redet wie selbsverständlich von rhythmischer Kadenzführung etc. - also von der "Logik" gewisser musikalischer Parameter - und ihrem Mangel bei dem einen und ihre Stärke bei den anderen Komponisten. Er redet vom Hörbewusstsein und von der Möglichkeit und Unmöglichkeit gewisse musikalische Parameter wahrzunehmen. Die Prämissen, die Ansermet in seine Ausführungen reinsteckt sind wesentlich schwerer auszumachen - vor allem für jemanden, der nur die Oberfläche kratzt.


    Aber nur so macht IMO eine Annäherung, wenn man denn überhaupt will, Sinn: werkimmanent.



    2.

    Zitat

    Original von Myschkin[/i]
    Nehme ich etwa als Bedingung hinzu, dass sich das Geniale in verschiedenen Gattungen ausdrücken muss....


    Zitat

    ]Original von Loge
    Universalität ist kein Kriterium für das Genie. Zwar sind die von mir genannten Genies allesamt Universal gewesen (die Dramatiker bilden eine Ausnahme). Die Genies teilen das Merkmal der Universalität aber mit einer ganzen Reihe von Nicht-Genies (Dittersdorf, Spohr, Loewe, Bruch, Graun etc.), weshalb es kein Genie-Kriterium sein kann.


    Hier mal etwas Prädikatenlogik für Anfänger: Myschkin behauptet, Universalität sei eine Bedingung (Voraussetzung) für Genie: mathematisch übersetzt bedeutet dies: aus Genie (A) folgt Universalität (B). Loge versucht sein Kriterium zu entkräften, in dem er einen aus seiner Sicht (und wohl aus jeder Sicht) nicht gültigen Umkehrschluss (aus B folgt A) formuliert und Myschkin indirekt unterstellt, er hätte somit eine Äquivalenz zwischen Geniebegriff und Universalität hergestellt. Hat er aber nicht: Myschkin hat nicht behauptet, Genie sei eine Bedingung für Universalität.
    Daß er sich auf eine solche (bewußte oder unbewußte) Unterstellung noch nicht gewehrt hat, liegt wohl vermutlich in seinem seltenen Erscheinen im Forum.


    :hello:
    Wulf


  • Hallo BigBerlinBear,
    das ist es ja eben (für mich) - der Unterhaltungswert. Für kurze Zeit macht es Spaß, willkürlich aufgestellte Kriterien anhand von Listen auf ihre Tauglichkeit abzuklopfen und draufzukommen, daß hinten und vorne nichts stimmt. Mehr ist sowieso nicht dran.
    Spätestens, wenn Barber, Varese, Mascagni und Satie gleichwertig nebeneinander stehen, muß jedem, der deren Werke wirklich kennt, klar werden, daß entweder die Kriterien nicht stimmen oder irrtümlich angewendet werden.
    :hello:

    ...

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  • Zitat

    Original von der Lullist
    Wie sieht das mit der Genie Defintion eigentlich bei Jacopo Peri aus, der ja auch nicht in der Auflistung vorkommt ?


    Oder ist der "Erfinder" der Oper nur ein Kleinmeister den man nicht zu beachten braucht ?


    :beatnik:


    Jacopo Peri die Erfindung des Monsters Oper „anzulasten“ und sich dabei am besten noch – damit auch deutlich wird, was er da erfunden habe! – den „Don Giovanni“, den „Falstaff“ oder den „Parsifal“ vor dem inneren Ohr zu vergegenwärtigen, erscheint mir schon ein bisschen verstiegen:


    Peri gehörte neben anderen Künstlern der Camerata Fiorentina an. Dieser Gruppe ging es darum, die antike Tragödie wieder zu beleben. Hierzu experimentierte man gemeinsam an der Verbindung von antikem Text und dem stile nuovo. Neu daraus entstanden ist allenfalls das Rezitativ. Die Musik zu den ersten „Opern“ wurde wohl auch nicht von Peri allein geschrieben. Große Teile der Musik sind überdies verloren gegangen. Daneben existieren von Peri noch ein paar strophische Lieder, die ebenfalls brav im monodischen Stil geschrieben sind. Ich habe noch nicht gelesen, dass ein ernst zu nehmender Rezensent über sie aus dem Häuschen geraten wäre. Was Peri & Co. als Zufallsprodukt aus ihren durchaus zeitgemäßen Bemühungen um die antike Tragödie anlegten, bedurfte eines Vollenders, eines Genies, dass wir getrost in Monteverdi erkennen können.


    Ich würde ihn in die dritte oder vierte Gruppe einordnen. Mehr ist für ihn wohl nicht drin – selber schuld :baeh01:


    Loge

  • Nach all den karnevalesken Beiträgen, die uns hier zuletzt geboten wurden (Edwin Baumgartners ausgenommen!), ist es beruhigend zu lesen, dass jedenfalls Harnoncourt auch so ein „Schränkchen“ (Hildebrandt) wie ich zu Hause stehen hat und durchaus noch zu differenzieren versteht.


    Im Spiegel vergangener Woche haben ihn die Redakteure, als hätten sie diesen Thread gelesen, hartnäckig zu „musikalischen Genies“ und bloßen „Ego-Komponisten“ befragt. Die Einordnungen, zu denen sich Harnoncourt „bewegen ließ“ (dazu sogleich), stimmen mit den von mir oben ausgeführten phänomenologischen Feststellungen zum „Genie“ und den infolgedessen vorgenommenen Kategorisierungen überein. Harnoncourt differenziert deutlich zwischen Komponisten wie Bach, Mozart, Schubert einerseits (bei mir „Genies“) und Berlioz, Mahler, Rossini, R. Strauss, Schönberg andererseits (bei mir „Großmeister“). Interessant ist dabei das von ihm im Vergleich von Schubert und Berlioz exemplarisch genannte Kriterium:


    "Und ein Komponist [Berlioz], der immer nur von sich erzählt, das ist ein totaler Ego-Brüller; das interessiert mich überhaupt nicht. Schubert erzählt auch von sich, aber er vermittelt mit seinen Erfahrungen Allgemeines. Das betrifft jeden. Er hatte ein großes Erlebnis, fasst es in Musik, und plötzlich erkennen wir alle dieses Erlebnis, von dem er erzählt, wieder. "


    Harnoncourt bringt hier mit anderen Worten auf den Punkt, was ich oben mit den Worten „eine innere Welt nach außen zu vermitteln vermögen (10. Kriterium)“ zu definieren versuchte. Dieses 10. und auch schon die vorangegangenen 8. und 9. Kriterien sind dabei für das „Genie“ ganz entscheidend und – um auf Edwin Baumgartners Punkt einzugehen – aus meiner Sicht viel wesentlicher als z. B. das 1. Kriterium. Dabei bleibt aber das Faktum interessant, dass gerade die Komponisten mit dem international höchsten Ansehen (Bach, Mozart, Beethoven, Schubert, Wagner, Verdi etc.) alle ausgesprochen epigonal waren. Im Hinblick auf das von Harnoncourt genannte Kriterium nehme ich vorweg, dass unser lieber Hildebrandt natürlich auch den Harnoncourt nicht wird verstehen bzw. ihn mit dem Hinweis auf fehlende notariell beglaubigte Urkundsbeweise vor sich wird hertreiben wollen.


    Höchst aufschlussreich an dem Interview mit Harnoncourt ist außerdem folgendes: Nachdem Harnoncourt von den Spiegel-Redakteuren zu gegenüber Bach, Mozart & Co. relativierenden Aussagen über Berlioz, Mahler und Rossini veranlasst worden war und herausfordernd gefragt wurde, ob seine Liste (der nachrangigen Komponisten) noch nicht zu Ende sei, antwortete Harnoncourt:


    "Wissen Sie, es ist gefährlich, das zu drucken, was ich jetzt sage. Da bekomme ich Ärger. "


    Anschließend nannte er nur noch R. Strauss.


    Von wem bekommt er Ärger? - Ich meine, er meinte wohl nicht seine Frau, sondern eher seine Vertragspartner aus der Plattenindustrie. Die finden es vermutlich wenig amüsant, wenn eine Autorität wie Harnoncourt mal eben den Mahler oder den Rossini oder den R. Strauss oder den Mendelssohn abqualifiziert, wo sie doch die Regale mit teuer produzierten Konserven voll stehen haben. Die müssen doch verkauft werden! Und wie lässt sich z. B. ein Rameau besser verkaufen, als wenn die Mär von dem verkannten Genie, vom Operngigant im Format eines Mozart, Verdi, Wagner, den es (obwohl er in der musikwissenschaftlichen Forschung natürlich nie vergessen war) vom Massenpublikum neu zu entdecken gilt, unwidersprochen in den Medien erhalten bleibt. Was soll denn der gemeine Hörer denken, wenn da einer kommt und uns erklärt, dass sich der unglückliche Schumann über seine Lebensspanne hinweg von genialen Anfängen zum respektablen Talent heruntergearbeitet hat, weil ihm letztlich das „Genie“ fehlte, eine passende künstlerische Antwort auf das erdrückende Erbe zu finden? Wir wollen uns doch der Gewissheit hingeben, Größtes und Erhabenstes zu hören, wenn wir uns schon mit den ollen romantischen Kamellen auseinandersetzen. Und wohin soll der Markt denn expandieren, wenn da ganz oben doch nur Bach, Mozart, Beethoven & Co. zu finden sind? - Nein, eine derart informierte und differenzierte Debatte, so mein Eindruck, darf allenfalls in marktfernen, wissenschaftlichen Zirkeln stattfinden. Und so findet man kritische und wertende Aussagen auch nur noch in musikwissenschaftlichen Periodika. Das Feuilleton und die marktnahen Medien kennen dagegen nur noch gleichermaßen großartige klassische Musik, die allenfalls im Rahmen einer gewohnt subjektiven Interpretationsästhetik gewürdigt wird. Und jedes Jahr kommt neue gleichermaßen großartige Musik hinzu, die man (mal besser, mal schlechter interpretiert) unbedingt gehört haben muss, weil’s ja nicht besser oder schlechter als Mozart ist, welcher Gedanke!, nur anders eben. Und der Markt nimmt diese Speisungen (Gehirnwäsche inbegriffen) dankend entgegen. Wer – auf diese Weise medial heran- oder umerzogen – erschrickt oder sich wundert, wenn doch einmal (quasi als Betriebsunfall) Wertungen und Abstufungen vorgenommen werden, wird von der überwältigenden Masse gleichgeschalteter Konsumenten sogleich wieder auf Betriebstemperatur reguliert, indem ihm versichert wird, dass der ganze Humbug um die wahre „Größe in der Musik“ doch nicht messbar sei und ins 19. Jahrhundert gehöre. Ach ja, da gab es noch keine Tonträger zu verkaufen…


    Loge

  • Lieber Edwin Baumgartner,


    endlich kommt jetzt hier mal ein bisschen Salz in die trübe Suppe!


    Zitat

    Wenn ich mir Loges Liste ansehe, so vermute ich einmal, daß sie subjektiv aus dem Bauch heraus aufgestellt ist - genau so, wie ich es auch machen würde. Da objektive Kriterien fehlen, geht es auch gar nicht anders. Vielmehr kommen mir Loges scheinbar objektive Kriterien ebenfalls subjektiv vor.


    Meine Genie-Kriterien sind ja phänomenologisch zusammengestellt. Sie sind also letztlich beschreibend für die genannten Komponisten und sollten deshalb halbwegs objektiv zustande gekommen sein. Nur in den hinteren Klassen ist die eine oder andere Nennung aus dem (erfahrenen) Bauch heraus getroffen worden. Das dient eigentlich nur dem Zweck zu demonstrieren, dass ich auch an diese Komponisten gedacht habe.


    In aller Kürze zu einzelnen von Dir genannten Komponisten:


    Zitat

    Stockhausen etwa: Wie passt er (der meiner Meinung nach zurecht als Genie eingereiht ist) in die Kriterien 5 und 9?


    Kategorie 5: Ich habe nicht den Eindruck, dass Stockhausen in seiner Inspiration nachlässt. Er arbeitet nun schon über Jahrzehnte (zwischenzeitlich für verrückt erklärt und kaum mehr aufgeführt) wie ein Besessener an seinen gigantischen Projekten. Allein die Idee, nun noch die Stunden und Minuten einzeln vertonen zu wollen, verdient Genie-Status. In der Art, wie es in ihm unausgesetzt kompositorisch arbeitet, liegt ein erkennbarer Unterschied etwa zu seinem großen Zeitgenossen Boulez. Stockhausen ist ein schier unermüdlicher Neuerer und Experimentator. Da kommt ihm keiner gleich.


    Kategorie 9: Natürlich ist Stockhausen im Hinblick auf das 9. Kriterium vorsichtiger zu beurteilen, als ein Komponist aus einer abgeschlossenen Epoche. Ich meine aber, dass wir schon heute jedenfalls seine Klavierstücke als höchste Vollendung eines geschlossenen Klavierwerks der Moderne bezeichnen können. Wenn Bachs Wohltemperiertes Klavier das Alte Testament bildet und Beethovens 32 Sonaten das Neue Testament, so hat Stockhausen mit seinen über Jahrzehnte geschaffenen Klavierstücken, in denen er alle Facetten der musikalischen Moderne verarbeitet und an ihre Grenzen geführt hat, so etwas wie einen Neuen Bund für unser technisches Zeitalter vorgestellt. Ich wüsste nicht, wer hier Vergleichbares geschaffen hat.


    Zitat

    - Welches der Kriterien schließt Strawinskij aus dem Kreis der Genies aus?


    Ich meine, dass wir (2. und 3. Kriterium) klar zwischen Wandlung und Anpassung unterscheiden müssen und bei Strawinskij von letzterem ausgehen müssen. Ich habe den Verdacht, dass Strawinskij sich stets zu sehr an den Moden orientiert hat. Bezeichnend ist insofern seine (allzu) späte Hinwendung zur seriellen Schule, als diese dominant wurde. (Auch Mendelssohn hat sich übrigens entgegen anderslautender Behauptungen im Mendelssohn-Tread mit seinen Oratorien mehr dem Zeitgeist und -geschmack angepasst als gewandelt.) Zum Vergleich vergegenwärtige man sich den alten Bach oder den alten Beethoven. Beide schufen auf ihrem Weg und nur sich selbst folgend weiter und scherten sich nicht um das, was um sie herum komponiert wurde. Das ist die große geistige Unabhängigkeit, die das Genie auszeichnet.


    Zitat

    - Wieso figuriert Schönberg nur als "Großmeister 2. Klasse" auf der Stufe eines Samuel Barber? (Nichts gegen Barber, aber zwischen dem Komponisten von "Erwartung" und dem von "Vanessa" scheint mir ein gewisses Niveaugefälle zu bestehen.


    Zunächst einmal ist Nachwirkung oder die Begründung einer Schule für mich kein Geniekriterium (sonst wären Bach, Haydn, Mozart, Schubert etc. keine). Sodann bin ich der Meinung, dass Schönberg viel mehr als Lehrer und Theoretiker, denn als Schöpfer (geistiger Welten) von Bedeutung ist. Er scheitert aus meiner Sicht an den ganz wesentlichen Kriterien 9 und 10. Barber ist so eine (für mich letztlich irrelevante und halbwegs unterrichtete) Bauchentscheidung.


    Zitat

    Auch die Einordnung Weberns stimmt mich nachdenklich: Ohne Webern kein Stockhausen (dessen Musik sich aus Ansätzen eben bei Webern und bei Messiaen speist).


    Bei Webern war ich mir nicht sicher, ob er nicht vielleicht eine Klasse höher müsste. Da war aber schon Berg, der ihm schöpferisch über ist. Harnoncourt weist übrigens im gesagten Spiegel-Artikel zurecht darauf hin, dass Berg (anders als Schönberg und Webern) vielleicht das schöpferische Potential gehabt hätte, den „großen Schalter umzulegen“ und so aus Schönbergs (fehlgeleiteten) Zwölftonlehren doch noch große Kunst zu machen. (Übrigens wären Berg, Bartok und wohl auch Brahms für mich die ersten Anwärter auf den Genie-Status. Bei denen wird es wirklich knapp unter meiner Definition ;).)


    Zitat

    Ich frage mich hingegen, ob die Kriterien wirklich alle kumulativ zutreffen müssen und ob es nicht eine Wertigkeit dieser Kriterien gibt.


    Meines Erachtens sind die Kriterien 8 bis 10 wesentlich entscheidender als die Kriterien 1 bis 7. Bezüglich der Kriterien 1 bis 3 hatte ich ja selbst schon angemerkt, dass sie nicht notwendig vorliegen müssen.



    Zitat

    Insgesamt aber scheinen mir diese Kriterien eine hervorragende Grundlage für eine dieser nie endenden Genie-Diskussionen.


    Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie gut das nach all der Häme in diesem Thread tut. Man ist ja – trotz allem :D – auch nur ein Mensch.


    Loge

  • Lieber Wulf,


    Zitat

    Original von Wulf
    Daß jetzt der thread wieder eine Fortsetzung gefunden hat, motiviert mich nochmal auf die Tube Senf zu drücken...Selbst nach diesen Kriterien könnte ich recht leicht zu ganz anderen Schlüssen kommen als Loge: nämlich daß Debussy ein Genie war


    dann leg doch mal los und besprich Debussy mal in aller Kürze anhand der 10 Kriterien.


    Zitat

    Original von Wulf
    Hier mal etwas Prädikatenlogik für Anfänger: Myschkin behauptet, Universalität sei eine Bedingung (Voraussetzung) für Genie: mathematisch übersetzt bedeutet dies: aus Genie (A) folgt Universalität (B). Loge versucht sein Kriterium zu entkräften, in dem er einen aus seiner Sicht (und wohl aus jeder Sicht) nicht gültigen Umkehrschluss (aus B folgt A) formuliert und Myschkin indirekt unterstellt, er hätte somit eine Äquivalenz zwischen Geniebegriff und Universalität hergestellt. Hat er aber nicht: Myschkin hat nicht behauptet, Genie sei eine Bedingung für Universalität.
    Daß er sich auf eine solche (bewußte oder unbewußte) Unterstellung noch nicht gewehrt hat, liegt wohl vermutlich in seinem seltenen Erscheinen im Forum.


    Sancta simplicitas! Du übersiehst schon mal, dass es hier um eine Definition geht, und Definitionen sind bekanntlich weder falsch noch wahr. Die Defintion zieht nur Grenzen und beschreibt. Dabei sollte sie brauchbar sein. Als Realdefinition sollte unsere Defintion hier nach Carnap außerdem noch die Regeln der Adäquatheit erfüllen. Mit Prädikatenlogik kannst Du hier nichts ausrichten. Davon abgesehen kann ich Deiner Argumentation aber auch unter den Prämissen der Prädikatenlogik nicht folgen.


    Loge

  • Zitat

    Original von Loge
    ist es beruhigend zu lesen, dass jedenfalls Harnoncourt auch so ein „Schränkchen“ (Hildebrandt) wie ich zu Hause stehen hat und durchaus noch zu differenzieren versteht.


    Der hellsichtige Loge hat es erkannt: Wie viele andere verstehe auch ich nicht zu differenzieren.


    Zitat

    Im Spiegel vergangener Woche haben ihn die Redakteure, als hätten sie diesen Thread gelesen, hartnäckig zu „musikalischen Genies“ und bloßen „Ego-Komponisten“ befragt.


    Sieh an, der "Spiegel" als Sturmgeschütz der musikalischen Ästhetik – wer hätte das gedacht? Jetzt müssen sie da bloß noch alle ihren Dahlhaus lesen und danach bei Loge anrufen.


    Zitat

    Im Hinblick auf das von Harnoncourt genannte Kriterium nehme ich vorweg, dass unser lieber Hildebrandt natürlich auch den Harnoncourt nicht wird verstehen bzw. ihn mit dem Hinweis auf fehlende notariell beglaubigte Urkundsbeweise vor sich wird hertreiben wollen.


    So viel Hellsicht auf einmal beschämt mich endgültig. Ab jetzt glaube ich alles, was Harnoncourt im Spiegel verlauten lässt, erst, wenn Loge es zitiert hat. :jubel:


    Mal im Ernst, Loge: War das jetzt Dein Karnevalsbeitrag? Oder hast Du etwa versucht, mich zu beleidigen? :D

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