Einleitung
Heute möchte ich * hier einen, im Tamino-Klassikforum bislang wenig beachteten, Komponisten vorstellen. Er ist (wenn man Björk und Sigur Ros als Unterhaltungsmusik jüngerer Tage außen vor lässt) der bekannteste Musiker Islands: Jón Leifs
Biographie
Jón Leifs wurde am 1. Mai 1899 in Island gebohren. Nachdem er dort seine Kindheit verbrachte, ging er 1916 nach Deutschland, wo er nach Leipzig an der Musikhochschule Klavier und Komposition studierte und 1921 abschloss. In den kommenden Jahren profilierte er sich in Deutschland nicht nur als Komponist, sondern auch als Dirigent. Er heiratete die jüdische Pianistin Annie Riethof, mit der er zwei Töchter hatte. In dieser zeit lebte er in wernigerode (Harz) und zeitweise in Baden-Baden.
Nach der Machtergreifung der Nazis wurde es für Leifs und seine Familie immer schwerer in Deutschland. Seine Werke wurden den Kritiken verrissen, es gab Anfeindungen wegen seiner jüdischen Frau und Kindern. 1944 schließlich konnte er mit seiner Familie nach Island auswandern. Dort lebte er bis zu seinem Tod am 30. Juli 1968.
Seinem Leben und wirken ist der Film Tears of Stone von Hilmar Oddsson aus dem Jahr 1995 gewidmet.
Werke
Leifs schrieb insgesamt über 150 Werke. Die wichtigsten sollen im folgenden genannt sein:
Sinfonien
- Saga-Sinfonie
Orchesterwerke
- Trilogia piccola op. 1
- Gudrunarkvida [Gudrunslied] op. 22
- Reminiscence du Nord op. 40
- Paintures abstaites op. 44
- Geysir op. 51
- Dettifoss op. 57
- Hekla op. 52
- Fine I op. 55
- Fine II op. 56
- Nott op. 59
- Hlega kvida Hundingsbana op. 61
- Grogaldr op. 62
Orgelwerke
- Orgelkonzert op. 7
Ouvertüren
- Iceland op. 9
- Loftr op. 10
Lieder
- 2 Lieder op. 14a
- Lullaby op. 14b
- The Lay of Gu Ä'run op. 22
geistliche Werke- MesseRequiem op. 33b
- Oratorium 'Edda'
Streichquartette- Streichquartett Nr. 1 op. 21
- Streichquartett Nr. 2 op. 36
- Streichquartett Nr. 3 op. 64
somstiges
[list] - Elegie op. 53
- IntermezzoConsolation op. 66
- Iceland Cantata op. 13
- Lofts-Suite op. 6a
- Night op. 59
- Drift Ice op. 63
- TanzIsländische Volkstänze op. 11
- Variationen nach Beethoven op. 8
Beschreibung seiner Musik
Die Musik von Jón Leifs kann mit Fug und Recht als einzigartig bezeichnet werden. Es gibt keinen Komponisten, dessen Werke man mit denen von Leifs so recht vergleichen könnte.
Leifs war stets sehr auf seine isländischen Wurzeln bedacht und verwendete daher sehr häufig musikalische Elemente der isländischen Volksmusik wie Tvísöngur (Zwiegesänge) oder Rímur (Reimweisen). Oft klingen, für westeuropäische Ohren eher ungewöhnliche, hohle Quinten. Die Musik wirkt dadurch oft sehr archaisch und ausgesprochen isländisch. Gekünzelte Phrasen sind ihr eher fremd.
Auffällig sind die vielen Vertonungen von Naturerlebnissen und -phänomenen. Hier sind vor allem Geysir (der Name sagt bereits alles), Dettifoss (ein bekannter riesiger Wasserfall in Island), Hafís und Hekla (ein isländischer Vulkan) zu nennen. Diesen überaus gewaltigen, geradezu beängstigenden Naturphänomene nähert sich Leifs musikalisch auf seine ganz eigene Art.
Zunächst erweist sich hier die erwähnte spezielle, archaisch wirkende Harmonik (die häufig in den extremen Höhepunkten im Sinne einer Steigerung den tonalen Raum verlässt) als sehr passend. Des weiteren lässt Leifs die Instrumente in extremen Lagen spielen. Orgel und Holzblasinstrumenten müssen häufig an der Grenze ihrer Möglichkeiten aggieren. Und schließlich verlangt Leifs oft wahnwitzige Besetzungen.
In dem Werk Hekla wird ein Vulkanausbruch verton, den Leifs selbst miterlebte. Um die ungeheure und beängstige Gewalt und Kraft zu verdeutlichen, setzt er eine massive Schlagwerkgruppe ein. Insegsamt 19!!!!! :faint: Schlagwerker spielen dabei gleichzeitig auf Instrumenten, die nach eigens Leifs Vorgaben hergestellt werden müssen. Dazu zählen u.a. riesige Stahlröhren, Kannonen, Steine, Glockenplatten oder Hämmer auf Holzböden. Die Aufführungen sind derart laut, dass sich viele der Musiker über die Lautstärke beschweren und nur mit Ohrenschützern spielen können. Diese Schlagwerkbesetzung, gepaart mit einem massiven Einatz von Blechbläsern, Orgel, Chor und allem sonstigen, was laut ist, lassen Hekla aberwitzig wirken. Gewaltig, archaisch, regelrecht brutal. Es ist ein echtes Erlebnis, die Musik zu hören, ebenso wie es ein Erlebnis sein muss, einen Vulkan beim Ausbruch zu beobachten.
Einspielungen
Viele Werke von Jon Leifs sind bei dem schwedischen Label BIS erschienen. Diese Einspielungen sind uneingeschränkt zu empfehlen:
Ganz neu erschienen ist Ende letzten Jahres der erste Teil des Oratoriums Edda
Schlussbetrachtungen
Jedem, der die Musik von Jón Leifs noch nicht kennt, sei eine Beschäftigung sehr empfohlen. Der Musik erzielt mit ihrer tiefen, ehrlichen Ursprünglichkeit eine große Wirkung und vermittelt wie kaum Werke andere Komponisten große Naturerlebnise auf beeindruckende Weise.
Liebe Grüße, der Thomas.
Nachtrag
Ein sehr interessanter Artikel zu Leifs Leben und Werken kann man hier finden:
http://www.musikmph.de/rare_mu…sers/f_l/jon_leifs/1.html
*) zur Feier meines 400sten Posting bei Tamino