La Forza del Destino-GP an der WSO

  • Es ist ja noch die Möglichkeit, wie bei der vorigen Inszenierung (zerbombte Staaatsoper 1945), dass diese Inszenierung auch so rasch verschwindet.


    Es ist nur schade ums Geld, das die Steuerzahler diesen Regieungeheuer bezahlen.


    Die Aufführung vor der vorletzten war stimmig richtig. Komischerweise bringt das nur die MET zusammen, aber da sitzen die Zahler der Produktion auch im Zuschauerraum, und können ablehnen.


    Bei uns zahlt jeder vom Neusiedlersee bis zum Bodensee.


    Verdi - Inszenierungen haben wir in Wien schon genug, entweder Nabucco im Holocaust, Don Carlo beim Ikea, jetzt muss endlich Schluss sein.


    Gerade die Oper verträgt etwas Glimmer und nicht leere Bühnen, sonst hat man in Wien bald leere Häuser.
    Sowohl in der Volksoper, Theater a.d.Wien dem Neuen Opernhaus, und der Staatsoper.

    Einmal editiert, zuletzt von oper337 ()

  • Hallo Jahnas,


    ich habe die gestrige Aufführung am TV mitverfolgt und war doch etwas erstaunt über einige Reaktionen (auch hier im Forum), denn so eindeutig negativ habe ich die Regie nicht beurteilt. Ähnlich wie severina es oben bereits formulierte, hätte ich weder "Bravo" noch "Buh" gerufen.


    Deine ausführliche Analyse zeigt objektiv und fair Stärken und Schwachpunkte der Inszenierung auf. Ich habe die "Forza" bisher noch nie live auf der Bühne gesehen, diese Inszenierung war jedoch auch für mich in großen Teilen verständlich (die Cowgirls fand ich auch überflüssig, habe sie aber unter einer grotesken Deutung des "Viva la guerra" gebucht).


    Deinem Fazit


    Zitat

    Zitat: Abschliessend mein Resumee: keine geniale, aber doch in weiten Teilen verständliche Inszenierung mit manchen diskussionswürdigen Details, sehr gut spielendes Orchester (viele Substituten und Ersatz, da Philharmoniker nicht da) und gutes Dirigat, gewohnt guter Chor, sehr gute Leonora und Carlos, rollendeckender Vater/Guardian, ein Alvaro mit Entwicklungsbedarf. Man kann nur hoffen, daß das Phänomen der "optimalen 3.Vorstellung" auch hier eintrifft.


    schließe ich mich an (bis auf den Vater/Guardian, den auch ich etwas blass fand).


    :hello: Petra

  • Zitat

    Original von pbrixius
    Die Opernfreunde tun dem Objekt ihrer Begierde mE keinen Gefallen, weil sie nicht etwa Lust darauf machen, Oper zu erleben, sondern jemandem wie mir, für den Verdis "Forza" ohnedies erst einmal interessant gemacht werden muss, für die ich gewonnen werden muss, jede Freude am Opernerlebnis nehmen.


    Kritik bedeutet nicht, dass man auch jeden Respekt vor der Leistung und der Person der Akteure - und dazu gehören auch die Regisseure - vermissen lässt.
    Zutiefst enttäuscht
    Peter


    Lieber Peter,


    grundsätzlich und in den meisten Dingen gehe ich ja gerne mit Dir konform, aber ist es wirklich die richtige Politik, für ein, zugegeben nicht einfach zu realisierendes, Stück mittels einer eher abschreckenden Umsetzung zu werben, deren krasses Scheitern man besser nicht erwähnt?


    Und ist es wirklich respektheischend, wenn der Regisseur einen solchen gegenüber seinem Publikum, vor allem aber gegenüber dem zu interpretierenden Werk vermissen lässt, dem er vielleicht gerne ein anderes vorgezogen hätte, zu dessen Realisierung man ihn aber sicher auch nicht gezwungen hat?


    Beides aber war mein Eindruck bei der gestrigen Übertragung, der ich jederzeit meine DVD aus der Kirov-Oper unter Gergiev und sogar den verstaubten MET-Mitschnitt mit Leontyne Price vorziehen würde, obwohl auch diese beiden wahrlich nicht problemlos sind. Langeweile bei einem solchen Werk (wie bei dem MET-Mitschnitt) ist schlimm, aber liebloses Anderssein um fast jeden Preis bei gleichzeitiger Absenz jeglicher erkennbarer Personenregie ist auch nicht besser - selbst wenn im weiteren Verlauf einzelne Einfälle einleuchten.


    Natürlich liegt das auch an dem Stück, oder wie sonst lässt sich erklären, dass es eine Fülle sehr guter FALSTAFF und anständiger OTHELLOs gibt, aber keine sehenswerte FORZA?


    Dem nicht auch Ausdruck zu geben (natürlich ohne gleich pauschal alle guten Vertreter des Regietheaters zu diffamieren, die wahrlich mehr Meriten haben als viele einfallslose Lordsiegelbewahrer), wäre unehrlich und auch keine Werbung für die jeweiligen Werke.


    :hello: Rideamus


  • Du plädierst also dafür, keinen Verdi mehr zu spielen?
    Hast du den "Don Carlos" (Es ist der französische!!) eigentlich gesehen?? Da sich kein einziger Einrichtungsgegenstand auf der Bühne befindet, ist dein Ikea-Hineis ziemlich unverständlich. Ich wusste bislang nicht, dass man bei Ikea leere Räume bekommt. ;) Entschuldige diese Polemik, aber Regietheaterthreads haben wir schon genug, es geht hier um die aktuelle "Forza". Was du als "stimmig" bezeichnest, ist für andere halt langweilig, und dass wir in Wien bald leere Häuser haben, ist frommes Wunschdenken von Gegnern moderner Inszenierungen.
    lg Severina :hello:


    PS: Diese "Forza" wird sicher nicht gestürmt werden, das liegt aber nicht daran, dass die Regie zu "modern" ist, sondern dass sie in den Augen vieler schlicht und einfach misslungen ist.


  • Liebe Petra,
    von einer Inszenierung erwarte ich mir ehrlich gesagt ein bisschen mehr als dass sie nur verständlich ist, das setze ich eigentlich voraus! Mir ist nach diesen drei Stunden überhaupt nicht klar geworden, WAS David Pountney eigentlich will, denn eine Deutung in welche Richtung auch immer konnte ich nicht erkennen. Dabei hatte ich im Vorfeld dieser Inszenierung ein Inteview mit ihm gehört, in dem von durchaus interessanten Ansätzen die Rede war, nur fand ich nichts davon realisiert. Dass er mit der Cowgirl-Truppe das US-Sektenunwesen anprangern will, steht offensichtlich im Programmheft, wenn ich Jahnas richtig verstanden habe, nur ist das in der Realität ziemlich missglückt. Ich will jetzt gar nicht die Frage stellen, wie das in die Forza passt, aber wenn eine Sekte SO agiert wie Preziosilla und ihre Prinzengarde, kann man sie getrost ignorieren, weil sie nicht die geringste Gefahr darstellt. Die Idee mag gut sein, die Umsetzung ist ein totaler Flop. (Für MICH zumindest!) Sehr befremdet hat mich dann das Pauseninterview mit Pountney, wo er sinngemäß meinte, der Umstand, dass Alvaro ein Mestize ist, spiele keine Rolle. Für mich ist das eigentlich der Angelpunkt der ganzen Tragödie, und ich frage mich schon, wie jemand, der sich ja mit dem Libretto befasst haben muss, zu dieser Ansicht gelangen kann.
    Der 3. Akt hat auch mir über weite Strecken gut gefallen, besonders die szenischen Lösungen. Noch einmal: Das Bühnenbild ist durchgehend OK, nur müsste eine HANDLUNG darin stattfinden, und gerade das war nicht der Fall.
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Rideamus
    grundsätzlich und in den meisten Dingen gehe ich ja gerne mit Dir konform, aber ist es wirklich die richtige Politik, für ein, zugegeben nicht einfach zu realisierendes, Stück mittels einer eher abschreckenden Umsetzung zu werben, deren krasses Scheitern man besser nicht erwähnt?


    Lieber Rideamus,


    ich glaube unmissverständlich gesagt zu haben, dass ich für Kritik durchaus zu haben bin. Nur dann muss ich einiges, was hier zu lesen stand, unter einer anderen Bezeichnung als die der Kritik fassen.


    Ich habe die Inszenierung gestern gesehen, halte mich allerdings nicht für berufen, eine umfassende Kritik zu üben, weil ich das Werk zu wenig kenne. Ich kann also nur analog argumentieren.


    Es mag sein, dass die Aufführung scheiterte - aus einem Scheitern kann man häufig mehr lernen als aus einem Gelingen. Dazu müsste man die Kritik aus der Analyse des Stückes entwickeln, hier las ich aber (wenn ich mal die Beiträge von vor allem Severina ausnehme), "Globalverisse", die mehr über die Mentalität der Schreibenden als über das Werk und seine Realisation aussagten. Wenn dann noch Produktionen von Konwitschny erwähnt werden, die ich gut kenne, werde ich erst Recht irre an dem, was hier geäußert wurden.


    Pountney hat mit seiner "Fairy Queen"-Inszenierung bei mir nicht gerade Ehre eingelegt, ansonsten kenne ich seinen "Macbeth", allerdings nicht gut genug. Ich stehe seinen Leistungen eher skeptisch gegenüber. Aber wenn er benutzt wird, um hier Konwitschny in den Schlamm zu ziehen ("unter der Gürtellinie"!), bringt man mich allenfalls dazu, das vorgebrachte Urteil skeptisch anzusehen.


    Nun ist eine gekonnte Kritik eine, die aus der Kritik des Gesehenen Einsichten in das Werk vermittelt, also aus dem Realisierten die Elemente entwickelt, die für das Werk Verdis sprechen, dabei aber auch aufzeigen, wo er missverstanden wurde und wo die Realisation das verstellte, was nun den Gehalt des Werkes ausmacht.


    Stattdessen las ich vieles, das nur auf der Oberfläche ansetzte und dann dort beharrte, verkürzte, statt erklärte, deklarierte, statt erklärte. Das mag an einem Stammtisch angehen, ist mir aber für eine Auseinandersetzung mit einer künstlerischen Leistung zu wenig.


    Denn dafür sind die Akteure von Pountney bis Mehta dann doch zu gut, dass sie nur "Mist" produziert haben. Ich habe viele mehr als durchschnittliche Aufführungen gesehen, die mir doch etwas über das Werk vermittelten - und das sollte hier nicht der Fall sein? Natürlich ist es der Fall, es sind nur die terrible simplificateurs, die nicht die Fähigkeit haben, differenziert und nuanciert die Widersprüche zu entwickeln. Noch einmal meinen Dank an Severinas Einführung in die Inszenierung. Man kann sehr wohl kritisieren - und trotzdem mehr Informationen vermitteln als "grottenschlecht".


    Zitat

    Und ist es wirklich respektheischend, wenn der Regisseur einen solchen gegenüber seinem Publikum, vor allem aber gegenüber dem zu interpretierenden Werk vermissen lässt, dem er vielleicht gerne ein anderes vorgezogen hätte, zu dessen Realisierung man ihn aber sicher auch nicht gezwungen hat?


    Woraus, lieber Rideamus, nimmst du, dass der Regisseur diesen Respekt vor dem Publikum vermissen ließ. Seine "Fairy Queen" war eine Inszenierung, die mich abstieß, aber sie hat doch einem Teil des Publikums etwas sagen können - und mich informiert, welchen Teil des Publikums er erreichen wollte. Man kann der Meinung sein, dass er den bestimmenden Teil des Wiener Opernpublikum nicht respektierte (ich halte das allerdings noch zu beweisen), es wurde aber ein Publikum angesprochen, das er respektierte.



    Zitat

    Beides aber war mein Eindruck bei der gestrigen Übertragung, der ich jederzeit meine DVD aus der Kirov-Oper unter Gergiev und sogar den verstaubten MET-Mitschnitt mit Leontyne Price vorziehen würde, obwohl auch diese beiden wahrlich nicht problemlos sind. Langeweile bei einem solchen Werk (wie bei dem MET-Mitschnitt) ist schlimm, aber liebloses Anderssein um fast jeden Preis bei gleichzeitiger Absenz jeglicher erkennbarer Personenregie ist auch nicht besser - selbst wenn im weiteren Verlauf einzelne Einfälle einleuchten.


    Da ich keine andere Einspielung (weder auf DVD noch auf CD) kenne und mehr wegen der müden musikalischen Seite keine Lust mehr auf diese Oper habe (da war für mich die Inszenierung zweitrangig), kann ich das nicht nachvollziehen. Dass aber jegliche Personenregie fehlte, würde ich in Abrede stellen, dass es möglicherweise zu wenig war, steht auf einem anderen Blatt.


    Mir sind ja solche emotionalen Ausbrüche nicht unverständlich, aber spätestens wenn man sie zu Papier bringt, sollte man doch argumentieren: ein liebloses Anderssein kann ich nicht beurteilen, weil ich bei dieser Oper nun kein "anders" kenne, ich hatte auch kein Libretto oder keinen Klavierauszug zur Hand, ich "lieferte" mich einfach einmal dieser Aufführung aus. Ich sah einiges Fragwürdiges (da, wo ich gerne weiter fragte), einiges Unverständliches, einiges Ungeschickte (wo ich weiß, dass sich im Laufe der Aufführungen vieles noch abschleift) - aber Hassenswertes ist mir nicht aufgefallen.



    Zitat

    Natürlich liegt das auch an dem Stück, oder wie sonst lässt sich erklären, dass es eine Fülle sehr guter FALSTAFF und anständiger OTHELLOs gibt, aber keine sehenswerte FORZA?


    Es gehört - so weit ich das beurteilen kann - zu den Stücken, in denen es Verdi vor allem um die Vermittlung starker Gefühle ging, eine bunte, ja grelle Abwechslung von Bildern, die am Ende einen Rausch entwickeln, die im irrsinnigen Wüten eines Don Carlos am Ende Fetzen einer Wirklichkeit aufscheinen lassen, die sich einer rationalen Durchdringung entzieht - aber eben den Irrsinn sichtbar macht, der unter dem Firnis einer aufgeklärten Welt immer wieder aufbrechen kann.


    Zitat

    Dem nicht auch Ausdruck zu geben (natürlich ohne gleich pauschal alle guten Vertreter des Regietheaters zu diffamieren, die wahrlich mehr Meriten haben als viele einfallslose Lordsiegelbewahrer), wäre unehrlich und auch keine Werbung für die jeweiligen Werke.


    Also noch einmal: Kritik ist mir immer willkommen, diese unterschiedslose Häme jedoch nicht. Du warst mit Deiner Kritik nicht gemeint, wohl aber jene, die diese Regieleistung von Pountney etwa mit Konwitschnys Don Carlos in eine Reihe stellten.


    Liebe Grüße Peter

  • Hier mein persönlicher Eindruck des Fernseh-Opernabends in 3sat:


    Anmerkung zu Beginn:
    Zerbombte Staatsoper – das war doch „Il Trovatore“ (Inszenierung. István Szabó, Dirigent Zubin Mehta)…?


    Giuseppe Verdis Oper „La forza del destino“ in 3sat live aus der Wiener Staatsoper, 1.3.2008


    Ich habe Giuseppe Verdis „La forza del destino“ erstmals am 15.4.1989 gehört. An diesem Tag wurde im Radisender Ö 1 die Aufzeichnung der Premiere der Wiener Staatsoper vom 9.4.1989 gesendet. Dirigent war damals Garcia Navarro. Eva Marton sang die Leonora, Peter Dvorsky den Alvaro, Renato Bruson den Don Carlos und Stefania Toczyska die Preziosilla. Mich nahm Verdis Psychologie der musikalischen Personencharakteristik sofort gefangen. Am 10.12.1989 konnte ich die Inszenierung von Giancarlo del Monaco (mit einem über dem Geschehen schwebenden Sargdeckel) auch in der Oper selbst erstmals sehen. Diesmal war Pinchas Steinberg der Dirigent, statt Eva Marton sang Anna Tomowa-Sintow, statt Peter Dvorsky Lando Bartolini, statt Renato Bruson Leo Nucci. Nun hat also diese Inszenierung ausgedient, die Opernpremiere, live in ORF und 3sat, bescherte uns unter der musikalischen Leitung von Zubin Mehta eine Neuinszenierung von David Pountney.


    Für mich offenbarte der Fernseh-Opernabend einmal mehr die Größe des Operndramatikers Giuseppe Verdi, sein Genie, das die Gefühle der Hauptpersonen herzergreifend mitvollziehbar macht: eine letztlich durch das Schicksal eines ungewollten, tödlichen Schusses endgültig unerfüllbare Liebe, die Verinnerlichung des Schmerzes der weiblichen Hauptperson Leonora mit dem Rückzug in ein Männerkloster, die unbremsbare Rachsucht ihres verbitterten Bruders Don Carlos, der eigentlich nur liebende, Verständnis suchende und doch (zumindest für die Außenwelt so da stehende) zweifache Mörder Alvaro, der als einziger dieser Hauptpersonen überlebt, von dem man aber annehmen muss, dass ihn das Trauma dieser Geschichte nicht mehr loslassen wird – auch an diesem Opernabend ging mir das Schicksal vor allem von Leonora und Alvaro sehr zu Herzen. Im ersten und zweiten Akt ist es eine Leonora-Oper, ehe die Beziehung zwischen Alvaro und Don Carlos zwischen Freundschaft in Kriegszeit und Herausforderung zum Rachekampf in den Mittelpunkt gerückt wird, bis die nunmehrige Einsiedlerin Leonora mit einer weiteren psychologisch unglaublich eindringlichen Arie ins Werk zurückkommt und das Geschehen den schlimmstmöglichen Verlauf nimmt (der Liebende siegt im von ihm ungewollten Duell gegen den Rächer, und eben dieser ermordet dann im Sterben die Schwester).


    Die Tragik, die Dramatik, die kompositorische Kraft auch der Szenen des Pförtners Bruder Melitone und des Priors Pater Guardian sowie der Ensembleszenen rund um die Zigeunerin Preziosilla blieben evident. Verdis Werk kann man nicht kaputt machen. Dafür sorgt schon einmal Zubin Mehta mit dem souverän aufspielenden Staatsopernorchester. Dafür sorgen auch die hörbar an Wagner-Rollen geschulte Leonora der Nina Stemme, der grimmig auf seine Rache konzentrierte Don Carlos des Carlos Alvarez, der (nach meinem Empfinden) mehr mit seiner zu Herzen gehenden Tenorstimme als durch seine Darstellung bewegende Alvaro von Salvatore Licitra, Alastair Miles als Vater von Leonora und Don Carlos wie auch als Pater Guardian, die hörbar nervöse und doch wie ich finde sich sehr engagiert ins Regiekonzept einfügende Preziosilla der Nadia Krasteva sowie Tiziano Bracci, der dem Melitone genauso wie Miles seinen Rollen doch auch Profil zu geben vermag. Die Buhrufe für Miles und Licitra konnte ich nicht recht nachvollziehen.


    Friedenszeit mit Aufbruch der unlösbaren Schicksalssituation in Akt 1 und 2, Kriegszeit mit dem schrecklichen Ende in Akt 3 und 4. Eine drehbare leichte Schräge mit einem Eingangstor am oberen Ende vor dunklem Hintergrund (in der Gelübdeszene dreidimensional zu einem Kreuz erweitert) ist der Dreh- und Angelpunkt der Bühne von Richard Hudson von Anfang bis Ende, nach der Pause (Akte 3 und 4) umgeben Gittergerüste diese Schräge, sie verdichten die Situationen zur Kriegszeit mit Hilfe der Drehbühne und mit Bildprojektionen doch auch über das Fernsehen zu einigen starken Momenten. Irgendwo hat mich das an „Les Miserables“ erinnert, und die Cowgirls rund um Preziosilla würde man auch eher in einem Musical vermuten. Sie geben der Regiearbeit zumindest eine markante Note. Am Ende der Rataplanszene fällt eine Bombe. In einem echten Musical wäre dieser „Effekt“ wohl wesentlich spektakulärer inszeniert worden. Das Requisit eines billigen Krankenhausbetts auf der Schräge verstärkt die bewusste Sterilität der Szenerie. Zu Beginn des 3. Akts hat Alvaro darauf einen Fiebertraum (zum wunderbar verinnerlichten Instrumentalvorspiel vor seiner Arie). Bei Giancarlo del Monaco hing oben wie bereits erwähnt ein Sargdeckel, bei Pountney hängen oben (nach der Pause) Tote. Ich fand einige dieser Regieeinfälle etwas zu bewusst mutwillig.


    Das Werk klingt ganz still aus. Sehr schön fand ich, wie dann Zubin Mehta gezeigt wurde. Erst als er die Arme sinken ließ, begann das Publikum zu applaudieren. Diese Sensibilität erlebt man nicht immer.


    Herzlicher Gruß
    Alexander

    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Dank an Peter, der meinem lückenhaften Gedächtnis auf die Sprünge geholfen hat - jetzt kann ich Herberts Frage nach einer mich absolut überzeugenden Pountney-Regie beantworten: Der Züricher "Macbeth"! Den finde ich wirklich gelungen, die DVD von dieser Produktion zählt zu meinen Lieblingen!
    lg Severina :hello:

  • Hallo,
    Das war der grösste Schwachsinn den ich jemals als Forza gesehen habe.
    Zu Nina Stemme,für mich hat sie überhaupt keine Verdistimme.
    Sie sollt bei Wagner bleiben!
    Die anderen Protagonisten haben mich überhaupt nicht überzeugt.


    Krastewa hat in der DOB die Preziosilla in der Neuenfelsinszenierung
    bedeutend besser gesungen.


    Rita

  • Zitat

    Original von severina
    ...
    Sehr befremdet hat mich dann das Pauseninterview mit Pountney, wo er sinngemäß meinte, der Umstand, dass Alvaro ein Mestize ist, spiele keine Rolle. Für mich ist das eigentlich der Angelpunkt der ganzen Tragödie, und ich frage mich schon, wie jemand, der sich ja mit dem Libretto befasst haben muss, zu dieser Ansicht gelangen kann.
    ...


    Nun, du solltest zum Einen genauer hinhören und zum Anderen nicht anderen Leuten mangelnde Libretto-Kenntnis unterstellen, wenn sie dieses offenbar genauer gelesen haben als du! ;)


    Pountney betonte, dass im späteren Verlauf der Handlung Alvaros Mestizentum keine nennenswerte Rolle mehr spiele! Und damit hat er vollkommen Recht! Das ist nur am Anfang der Oper ein Thema, man könnte sogar von einem vorgeschobenen Grund sprechen. Alvaro ist also nicht der Außenseiter an sich, sondern wird nur von Leonores Vater dazu gemacht, weil es ihm gerade in den Kram passt. Don Carlo hat ja später auch kein Problem, sich mit dem ihm unbekannten Mestizen anzufreunden, es geht ihm aber in der Folge sehr um recht abstrakte Begriffe wie "Ehre" und "Rache", die er über die menschliche Erfahrung stellt. Auch sonst gibt es keine thematische Hinweise, dass Alvaro irgendwelche Probleme mit seiner Herkunft hat.


    Die Forza ist also nicht primär die Geschichte eines Außenseiters sondern zeigt, wie Menschen sich von gesellschaftlichen Zwängen korrumpieren lassen und wohin es führt, wenn diese wichtiger sind als menschenwürdiges Verhalten.


    Eine Fehlinterpretation passierte Pountney aber offenbar bei Leonores Handlungsmotiven. Denn wie Walter es bereits so schön ausführte, hatte sie bessere Gründe, ein Männerkloster aufzusuchen, als dabei eine Vaterfigur zu suchen.



    Interessant war die eigentlich spärliche Beurteilung der musikalischen Leistungen. Es macht eben mehr Spass, auf nicht vorhandene oder inferior empfundene Regieleistungen zu schimpfen. :D
    Ich war mit den Sängern nicht so unzufrieden. Natürlich kennt man das besser und ich meine, dass es auch hier unklug war, die Premiere zu übertragen, anstatt die dritte oder vierte Vorstellung. Nadia Krasteva kann das besser und auch bei Nina Stemme glaube ich, dass sie mit der Zeit mehr in die Rolle hineinwachsen wird, das war gestern wirklich noch zuviel Wagner und zuwenig Verdi. Aber welche Alternativen fallen da ad hoc ein? Mir gefiel aber die ungewöhnliche Stimmung, die im Orchestergraben herrschte. Ich hörte eine eher ungewohnte Schwermut, die immer über der Musik lag und die mir gut gefallen hat. Es war nicht so hemdsärmelig, wie es des öfteren zu hören ist und das Orchester war klanglich wunderbar. Allein die Forza einmal so zu hören hat den Abend gelohnt.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Lieber THephilus,
    du gestattest, dass ich das trotzdem anders sehe! Wenn die erste Erwähnung einer Figur mit den Worten "unwürdiger Fremder" (Marchese) erfolgt, hat das für mich sehr wohl Signalwirkung für das Folgende, und Alvaros Vergangenheit bzw. Abstammung spielen sehr wohl eine Rolle für den weiteren Verlauf der Handlung!! Oder hältst du es für reine Rhetorik, dass ihm Don Carlo wiederholt seine niedrige Abkunft, sein Mulattenblut, sein unehrenhaftes Wappen usw. vorwirft?? Und wie sehr Alvaro selbst unter seiner Biografie leidet, geht doch deutlich aus seiner Arie hervor (La vita e inferno....)
    Außerdem bin ich sehr ausführlich auf die musikalische Seite eingegangen, aber bei einer Neuproduktion interessiert halt auch die szenische Umsetzung.
    lg Severina :hello:

  • Hallo zusammen!


    Es tut mir leid, aber ich verstehe nicht, wenn jemand es als Häme empfindet, wenn man eine Regie ablehnt, die sich nicht an das vom Komponisten vertonte Libretto hält, sondern z.B. aus Zigeunerinnen, Cow-Girls macht, weil es eben momentan modern ist auf Amerika mit seinen Problemen, u.a. mit Sekten hinzuweisen, oder wie Konwitschny in Wien in Meyerbeers Le Prophete, Affen einführt, die ebenfalls nicht im Libretto stehen, und deren Bedeutung mir bis heute nicht klar ist. Mir muss auch nicht mit der Holzhammermethode erklärt werden, dass Krieg grausam ist, ich kann auch ein Verwundeten-Ballett verzichten, mir muss auch genauso wenig erklärt werden, dass Kriege sehr oft religiös motiviert sind, ich möchte Verdis La forza del destino zwar modern inszeniert, aber im Kontext der Zeit sehen, in der sie spielt, ohne gedankliches und entbehrliches Beiwerk von Regisseuren, die glauben alles besser zu verstehen als der Komponist und der Librettist.

  • Zitat

    Original von Erna
    Es tut mir leid, aber ich verstehe nicht, wenn jemand es als Häme empfindet, wenn man eine Regie ablehnt, die sich nicht an das vom Komponisten vertonte Libretto hält,


    Liebe Erna,


    Häme ist nicht, dass man eine Regiearbeit ablehnt, das ist für mich eine Sache des Geschmacks - und Geschmäcker sind ja GottseiDank verschieden - sondern wie man es tut.


    LG Peter

  • Zitat

    Original von Erna
    Hallo zusammen!


    Es tut mir leid, aber ich verstehe nicht, wenn jemand es als Häme empfindet, wenn man eine Regie ablehnt, die sich nicht an das vom Komponisten vertonte Libretto hält, sondern z.B. aus Zigeunerinnen, Cow-Girls macht, weil es eben momentan modern ist auf Amerika mit seinen Problemen, u.a. mit Sekten hinzuweisen, oder wie Konwitschny in Wien in Meyerbeers Le Prophete, Affen einführt, die ebenfalls nicht im Libretto stehen, und deren Bedeutung mir bis heute nicht klar ist.
    ...


    Für den Propheten war aber meiner Erinnerung nach Hans Neuenfels verantwortlich.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Hallo Peter,


    diese harten Worte sind durchaus notwendig, weil die Inszenierungen einiger Regisseure in keinem Kontext zum Opernwerk stehen.


    Ich lasse mir so allerhand gefallen, aber irgendwo ist eine Grenze, die von einigen Regisseuren ständig überschritten wird.


    Wie viele, zähle ich derzeit zu denen, die nur noch zu ausgewählten Opern mit annehmbaren Deutungen gehen.


    Dieser Rückzug ist verbunden mit der aller entschiedensten Kritik an die Opernregisseure, die ich hier lauthals herausschreie.


    Aber es passt schon: in die Generation "Doof" gehören ja alle Bereiche der Gesellschaft, also auch die Oper und diejenigen, die den total-verblödeten Deutungsversuchern der Oper wie dem Rattenfänger von Hameln hinterherlaufen, weil sie meinen, das sei jetzt chic und im Trend, genau so wie Dieter Bohlen, Deutschland sucht den Superstar, Verona Pooth derzeit im Trend sind.



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Hallo LT,
    angesehen davon, dass diese Thema in einen anderen Thread gehört, hat die pauschale Verunglimpfung eines Regisseurs wie Konwitschny nichts mit Kritik zu tun, denn du bleibst eine Begründung immer noch schuldig, wo, wie er sich am Geist des Librettos vergriffen hat. Und ich verwahre mich ganz entschieden dagegen, indirekt als "doof" bezeichnet zu werden, weil ich mich der Auseinandersetzung mit einer modernen Regie nicht verschließe. Regietheater in einem Atemzug mit Dieter Bohlen zu nennen, diskreditiert deine "Kritik" sowieso, denn das kann ich wirklich nicht ernst nehmen. (Die von dir erwähnte Sendung kenne ich nicht, kann mir das Niveau aber ungefähr vorstellen, wenn es mit DB zu tun hat...)
    lg Severina :hello:

  • Hallo Severina,


    da habe ich mich schon über seine "Don Carlos"-Inszenierung in Hamburg ausgelassen, werde es hier also nicht wiederholen.


    Ich meinte übrigens nicht nur Konwitschny, sondern auch den Regisseur dieser Inszenierung, daher passt das schon in diesen Thread!



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:

  • Zitat

    Original von Liebestraum
    diese harten Worte sind durchaus notwendig, weil die Inszenierungen einiger Regisseure in keinem Kontext zum Opernwerk stehen.


    Hallo Liebestraum,


    ich habe nichts gegen harte Worte, wenn sie von harten Argumenten begleitet sind. Bei Konwitschnys "Don Carlos" trifft aber nicht zu, dass die Inszenierung in keinem Kontext zum Opernwerk steht. Die Produktion wurde hier genannt.


    Zitat

    Ich lasse mir so allerhand gefallen, aber irgendwo ist eine Grenze, die von einigen Regisseuren ständig überschritten wird.


    Dein Geschmack ist mir heilig, ich brauche ihn aber nicht zu teilen. Meine Grenzziehung ist voraussichtlich anders, im Einzelnen begründe ich das auch. Im Übrigen ist bei Beethoven Grenzüberschreitung thematisch. Ich etwa halte viel davon, wenn ein Werk befragt wird. Dafür muss man sich aber so intensiv mit dem Werk beschäftigen, wie es ein Konwitschny tut. Bei Pountney habe ich den Eindruck nicht. Aber bevor ich da loslege, nehme ich mir erst einmal die Partitur vor.


    Zitat

    Wie viele, zähle ich derzeit zu denen, die nur noch zu ausgewählten Opern mit annehmbaren Deutungen gehen.


    Dieser Rückzug ist verbunden mit der aller entschiedensten Kritik an die Opernregisseure, die ich hier lauthals herausschreie.


    Mein Einwand ist der, dass man mit Schreien wohl seine Befindlichkeit äußern kann, aber niemanden überzeugt.


    Eine andere - grundsätzliche - Einstellung von mir ist, dass man ausführlich über das Werk informiert und anhand dieser Information erst einmal um das Verständnis einer Interpretation ringt. Wenn man vorher alles schon besser weiß, wird man dem Werk ebenso ungerecht wie dem Interpreten. Ich werde also jeweils der Interpretation eine Chance geben, weil ich mich nicht für allwissend und unfehlbar halte. Und oft genug werde ich auch eine Interpretation, die mir nicht gefällt, trotzdem respektieren können.


    Ich sehe übrigens Produktionen unterschiedlicher Konvention, ich habe nach keiner Seite Vor-Urteile. Es gibt eben überall gute und schlechte. Die von Pountney scheint zu den schlechten zu gehören.


    Zitat

    Aber es passt schon: in die Generation "Doof" gehören ja alle Bereiche der Gesellschaft, also auch die Oper und diejenigen, die den total-verblödeten Deutungsversuchern der Oper wie dem Rattenfänger von Hameln hinterherlaufen, weil sie meinen, das sei jetzt chic und im Trend, genau so wie Dieter Bohlen, Deutschland sucht den Superstar, Verona Pooth derzeit im Trend sind.


    Den Schuh ziehe ich mir - mit Verlaub - nicht an. Als Musikwissenschaftler versuche ich gerade die Vieldeutigkeit von großen Werken und die Notwendigkeit, sie immer wieder neu zu interpretieren, auszuloten. Gäbe es die Interpretation, die Referenz sozusagen, wäre das Werk tot. Aber die gibt es nicht, und wir werden bei jeder Begegnung mit einem großen Kunstwerk neue Aspekte entdecken. Also bedeutet Kritik, sein Wissen an einer neuen Sichtweise zu erproben. Je schneller ich die Antwort habe, umso weniger Wissen habe ich investieren müssen.


    Meine Kritik an den meisten Beiträgen hier ist die, dass ich dabei nichts über Verdis "Forza" erfahren habe, nur über Urteile von Schreibenden, denen ich vertrauen kann oder nicht, denen ich folgen kann oder nicht, die mir mehr über die Schreibenden sagen als über die Aufführung.


    Deshalb habe ich etwas einzuwenden gegen das "Schreien". Es argumentiert nicht, es gibt nur eine Stimme ab. Der Wert einer Meinung ist aber nicht daran abzulesen, wie viele ihr zustimmen. Eher schon daran, wer ihr zustimmt. Für mich ist der Wert einer Meinung davon abhängig, wieviel überzeugend Neues sie mir mitteilt.


    Dass der, der sachlich bleibt, am ehesten überzeugen kann, füge ich nur der Vollständigkeit zu.


    Liebe Grüße Peter

  • ich bin überhaupt der Meinung, daß das ganze Regietheater lediglich dazu dient, das angestammte Opernforum zu vertreiben, und auf lange Sicht die Kunstform Oper zu zerstören.
    Ich hatte nicht mal Lust die Übertragung anzusehen - und habe sie eigentlich mehr nebenbei gehört- als gesehen.


    Zum Thema "doof" möchte ich sagen, daß es wie mir scheint nicht persönlich gemeint war.


    Aber ich überlege mir selbst natürlich auch was da vor sich geht, wenn einige selbsternannte "Künstler" die heiligen Werke der abendländischen Kultur verschandeln und umfunktionieren bzw bis zur Unkenntlichkeit entstellen - und sie finden noch Verteidiger.
    Daß die Inszenierung ausgebuht wird, wird von den Verursachern mit einem feixenden Grinsen fixiert - in früheren Zeiten hätten sich Männer von Ehre erschossen, wenn ihnen solche Ablehnung entgegengebracht ward.


    Verdi hat mal im Zorn einen Priester verflucht- der Blitz möge ihn treffen - was der Legende nach dann auch eintraf. Ich verfüge- so scheints - über diese Fähigkeit leider nicht....................


    Wie ich gerade nachlesen konnte, hat die Erfüllung von Verdis Fluch auch einige Jahre auf sich warten lassen (zudem handelt es sich um keine Legende, sondern um eine wahre Begebenheit) - die Chancen stehen also gar nicht so schlecht...........


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Theophilus,


    die Ansprüche einer klassischen Übertragung via TV sind mir schon bekannt. Wie aber auch einige Mithörer via 3Sat mitgeteilt haben, hatten sie augenscheinlich die gleichen Probleme wie ich.


    Meiner Meinung nach kann eigentlich nur derjenige, der im Publikum gesessen hat, den Eindruck der Liveeinspielung besser beurteilen. Hier bei uns kam leider der Eindruck zu Stande, dass die Mikrophone auf der Bühne, wie soll ich es sagen, deutlich zu Gunsten der Sänger positioniert zu sein schienen. Im Bühnenrund, gemischt mit dem Klang des Orchesters, kann und wird es anders klingen, als wir es hier gehört haben.


    Ich revidiere meine Meinung mit der orbitalen Entsorgung der Tontechniker des ORF, die ich in einem Posting gemacht habe.


    Nichtsdestotrotz musste ich die Tonstärke um 15 DB anheben, um ein Forte zu hören.

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  • Liebe Severina,


    Zitat

    Original von severina:sehr befremdet hat mich dann das Pauseninterview mit Pountney, wo er sinngemäß meinte, der Umstand, dass Alvaro ein Mestize ist, spiele keine Rolle. Für mich ist das eigentlich der Angelpunkt der ganzen Tragödie, und ich frage mich schon, wie jemand, der sich ja mit dem Libretto befasst haben muss, zu dieser Ansicht gelangen kann.


    die Herkunft Alvaros spielt meiner Meinung nach insofern eine Rolle, als er von dem Marchese nicht als Schwiegersohn akzeptiert wird, weil er nach dessen Meinung nicht ebenbürtig ist. Ob Alvaro vom Marchese akzeptiert worden wäre, wenn er kein Mestize gewesen wäre, wissen wir nicht.


    Im weiteren Verlauf ist, wenn ich mir das Libretto anschaue, für mich auch eher die Rolle Alvaros als - nach Ansicht Don Carlos - Mörder des Vaters und "Entehrer" der Schwester relevant, nicht so sehr die Tatsache, dass Alvaro Mestize ist. Carlo bezeichnet Alvaro zwar einmal als "Indo maledetto"; den Hinweis Alvaros "Giuro che illustre origine equale a voi mi rende ..." wischt er jedoch mit der Replik "D´eccelsa o vile origine, è d´uopo ch´io vi spegna" beiseite, was meiner Meinung nach zeigt, dass in erster Linie Vergeltung für den Tod des Vaters Motiv für sein Handeln ist ("carnifice del padre mio").


    Mit der Provokation "Desso splende più che gemma sangue il tinge di mulatto" versucht er ihn meiner Meinung nach aufzureizen, um ihn endlich zum Kampf zu bewegen, und da wäre ihm auch jede andere Beschimpfung, die diese Wirkung zeigen kann, recht gewesen.


    Meiner Meinung nach kann daher die Frage nach einer sinnentleerten Religion, die in einer Gesellschaft zum Fetisch degradiert wird auf der einen Seite, auf der anderen die Verherrlichung oder Verharmlosung des Krieges durch Betonung des revanchistischen Aspektes oder der Verquickung mit Entertainment ("Viva la guerra") schon in den Vordergrund gestellt und mit der Konstellation der Figuren verbunden werden. Ob man das so darstellen muss wie Pountney es realisiert hat, steht auf einem anderen Blatt. Auch mir erscheint hier mancher Hinweis auf das Gemeinte allzu plakativ in Szene gesetzt.


    :hello: Petra

  • Ich glaube, daß hier alles aus dem Blickwinkel des Zeitgeistes beurteilt wird.


    Verdi und seine Textdichter wollten keine psychologische Durchdringung der Gischichten, die sie erzählten - sondern publikumswirksame Show (das gilt übrigens für alle Opern)


    Um diesen Thread nicht abzuschießen und das EIGENTLICHE Thema zu verfälschen - werde ich einen neuen eröffnen, wo diese Dinge erörtert werden können.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Liebe Petra,
    das würde ich sofort unterschreiben, wenn ich irgend etwas davon auf der Bühne gesehen hätte! Ich sage ja, dass ich das Interview mit Pountney im Vorfeld der PR sehr vielversprechend fand und dann umso enttäuschter war, weil die szenische Umsetzung dieses Konzepts in meinen Augen völlig daneben ging. Demagogie, Manipulation, Volksverhetzung (bzw. Verdummung) - ich habe nicht einmal eine Spur davon gespürt, nur dümmlichen Jahrmarktsklamauk. Dabei fand ich die Kampfszenen sehr gut gelöst (Mit dem rotierenden Turm, der in Wirklichkeit noch viel eindrucksvoller ist als auf dem kleinen Bildschirm), denn das sonst übliche Herumgerangle wirkt meistens eher lächerlich.
    lg Severina :hello:

  • Was will man der Oper denn noch alles antun? Diese Regie-Versuche gehen mir jedenfalls mächtig auf den Geist.


    Ich habe wirklich nichts gegen das "Entstauben" bei Operninszenierungen, doch warum muss das immer in einem solchen Schwachsinn enden? Und was dann noch so alles in eine solche Aufführung von den "Experten" hineininterpretiert wird, da frage ich mich immer, haben die jetzt das Gleiche gesehen oder wovon wird hier geredet?


    Wie gesagt, ich hatte mich sehr auf einen schönen Opernabend gefreut, doch die Enttäuschung war groß.


    Gleich zu Beginn diese filmische Einspielung erinnerte mich gewaltig an die Krimi-Filme der 60iger Jahre, fehlte nur noch, dass jetzt die Stimme kommt: " ....hier spricht Edgar Wallec". ;)


    Die Buh-Rufe am Ende waren meiner Meinung nach berechtigt.

  • Hallo Peter,


    hinsichtlich des "Don Carlos" kann ich nur etwas zur Hamburger Inszenierung sagen!


    Nur 1 Beispiel:


    Konwitschny inszeniert, wie Philipp und Elisabeth in einer kleinbürgerlichen Kemenate mit schrecklicher Tapete agieren!


    Davon steht nichts im Opern-Libretto!


    Diese Szene ist auch ansonsten völlig absurd: am spanischen Königshof damals hatten sich die beiden nichts zu sagen. Und als Transponierung in die Jetztzeit hätten sich beide erst recht nichts zu sagen!


    Was soll das also??


    Hier wird suggeriert, etwas Intellektuelles zwischen den Zeilen zu lesen, was überhaupt nicht denkbar ist!


    Man wird durch diese abstrusen Einfälle für dumm verkauft, der Beitrag der Oper zur Generation "Doof"!



    Herzliche Grüße
    von LT :hello:


  • Dazu kann auch nichts im Opern-Libretto stehen, das ist doch das Ballett, wenn ich mich nicht sehr täusche, "Ebolis Traum" - ein riskantes Unterfangen überhaupt die (aber zur der Pariser Fassung gehörende) Ballettmusik zu bringen - eine (wie ich mich aus vielen Rezensionen erinnern kann) als genial aufgenommene Lösung, in der aber nicht Philipp und Elisabeth, sondern eben auch Don Carlos und Eboli im Mittelpunkt stehen. Bei einer Choreographie eines Ballettes würde ich nicht von einer Abweichung von der Partitur sprechen, vor allem weil " Ebolis Traum [...] von der Anpassung der pantomimischen Bewegungen an die Musik exzellent (!) umgesetzt" war , so operinwien.at.


    Zitat

    Diese Szene ist auch ansonsten völlig absurd: am spanischen Königshof damals hatten sich die beiden nichts zu sagen. Und als Transponierung in die Jetztzeit hätten sich beide erst recht nichts zu sagen!


    Noch einmal: es ist Ebolis Traum - und wie jeder Traum, gehorcht er einer Traumlogik - für ein eingeschobenes, die Handlung unterbrechendes Ballett eine durchaus angemessene Lösung, scheint mir. Der entscheidende Impuls für die Handlung - also das, was Verdis Musik vorschreibt - ist erfüllt: Die Illusion der Eboli über die Haltung Don Carlos' ihr gegenüber.


    Zitat

    Hier wird suggeriert, etwas Intellektuelles zwischen den Zeilen zu lesen, was überhaupt nicht denkbar ist!


    Man wird durch diese abstrusen Einfälle für dumm verkauft, der Beitrag der Oper zur Generation "Doof"!


    Nun, wäre es nicht ausdrücklich als "Traum" gekennzeichnet, könnte man Dir Recht geben - aber was ist ein Traum anders als eine "abstruse" Anordnung von Wünschen und Vorstellungen - wenn aber etwas als Traum bezeichnet wird, was auch als Traum dargestellt wird, wo wird denn da jemand als dumm verkauft?


    Eher scheint mir es doch so zu sein, dass gerade intelligente Lösungen zum Ballett (ich denke da auch an das Münchener Ballett zum "Orphée") bei der Generation "Doof" nicht angesehen sind, sie ziehen eher ein unmotiviertes, nicht zu vermittelndes und den Gang der Partitur widersprechendes Gehopse einer szenischen, den Gang der Handlung voranstreibende szenische Lösung im Sinne des Handlungsballetts vor (das war übrigens eine Neuerung von Angiolini & Noverre - eines der Marksteine der Gluckschen Opernreform).


    Dass ich jetzt noch eine Rechtfertigung eines Balletts schreiben muss ...


    Liebe Grüße Peter

  • Auch wenn mich wahrscheinlich gemeuchelt werde, fand ich diese Inszenierung genial. Die Mehrheit der Wiener Taminos und vielleicht auch Verdi werden/würden das nicht so sehen.


    Die "Traumerzählung" = Familie Philipp als charmant-biedere Gastgeber
    (ein gelungener Gag, Familie König dürfte doch nicht nur regiert haben).


    Das Autodafé als gesellschaftliches Ereignis mit Sekt und TV-Übertragung, die Gequälten wurden durch den Zuschauerraum getrieben (für mich eine durchaus gültige Übersetzung in die Jetztzeit).


    Die Kulisse waren kerkerhafte Wände mit (zu) kleinen Türen (paßt wohl zum Sujet dieser Oper).


    Cowboys mit einer indisponierten Sängerin (Preziosilla) wie bei der Macht kamen glücklicherweise nicht vor.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")


  • Ich auch! Darüber wurde im Don-Carlos-Thread schon ausgiebig geschwelgt! :]
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von monteverdi13
    Was will man der Oper denn noch alles antun? Diese Regie-Versuche gehen mir jedenfalls mächtig auf den Geist.


    Ich habe wirklich nichts gegen das "Entstauben" bei Operninszenierungen, doch warum muss das immer in einem solchen Schwachsinn enden? Und was dann noch so alles in eine solche Aufführung von den "Experten" hineininterpretiert wird, da frage ich mich immer, haben die jetzt das Gleiche gesehen oder wovon wird hier geredet?


    Diese "Experten" wirst Du hier wohl nicht finden, ich habe hier von keiner Seite eine Rechtfertigung der Inszenierung gelesen, sondern die Kritik war allgemein. Wenn hier eine für mich unbegreifliche Schärfe herein gekommen ist, so doch durch Verallgemeinerungen, die über diesen eher missglückten Opernabend hinausgreifen (und etwa versuchen, mit dieser Regie, die alles andere als das Musiktheater ist, das ich schätze, Konwitschny - im Notfall auch mit einer Neuenfels-Arbeit zu treffen). Dass sich die Wiener keinen Gefallen damit getan haben, diese Produktion auch noch im Fernsehen zu verbreiten, möchte ich anmerken. Damit kann man aber ernstgemeinte Produktionen nicht desavouieren.


    Zitat

    Wie gesagt, ich hatte mich sehr auf einen schönen Opernabend gefreut, doch die Enttäuschung war groß.


    Gleich zu Beginn diese filmische Einspielung erinnerte mich gewaltig an die Krimi-Filme der 60iger Jahre, fehlte nur noch, dass jetzt die Stimme kommt: " ....hier spricht Edgar Wallec". ;)


    Die Buh-Rufe am Ende waren meiner Meinung nach berechtigt.


    Da sag ich erst etwas dazu, wenn ich mir das Ganze noch einmal ein wenig genauer angeguckt habe, Du könntest aber Recht haben.


    Opern kann man sehr viel antun, das zeigt die ganze Rezeptionsgeschichte, nicht zuletzt auch der Verdi-Opern (da braucht man nur mal die Toscanini-Biografien aufzuschlagen, wenn man da nach Beweismaterial sucht). Meist finde ich allerdings die musikalischen Leistungen weitaus despektabler als Regie-Einfälle: Das Schlimmste ist wie eh musikalische Schlamperei, Eigenwilligkeiten der Partitur gegenüber, Sänger auf dem Egotrip ohne Rücksicht darauf, was die Noten meinen. Wenn man von einem Regisseur (und nicht zu Unrecht) Musikalität erwartet, so doch umso mehr vom "musikalischen Personal".


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von pbrixius


    Dass sich die Wiener keinen Gefallen damit getan haben, diese Produktion auch noch im Fernsehen zu verbreiten, möchte ich anmerken. Damit kann man aber ernstgemeinte Produktionen nicht desavouieren.


    [quote]Liebe Grüße Peter


    Lieber Peter, leider weiß man im Vorfeld halt nie, wie eine Neuinszenierung wird. Die Beziehung zwischen WSO und ORF ist ohnehin eine höchst problematische (Kultur bringt keine Quote :wacky: ), wir sind schon froh, wenn überhaupt einmal etwas übertragen wird, dass es dann oft das Falsche ist, steht auf einem anderen Blatt.
    lg Severina :hello:

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