Literarische Empfehlungen - was lese ich gerade

  • Mal wieder: "Watership Down" von Richard Adams, die phantastische Geschichte einer kleinen Gruppe von Kaninchen, die sich mehr recht als schlecht durch ihr immer gefährdetes Leben schlagen.


    https://en.wikipedia.org/wiki/Watership_Down


    Von der animierten Netflix-Serie rate ich allerdings ausdrücklich ab, sie ist eher ein Action-Horror, die häufig süß-zärtliche Atmosphäre des Buches wird auch nicht annähernd eingefangen.

  • Alex Ross: The Rest is Noise . Trotz des englischen Titels eine deutsche Übersetzung


    Hat jemand von euch das Buch schon gelesen? Es ist ja schon eine ganze Weile (seit 2009) auf dem deutschen Markt.

    Ja, mit großer Begeisterung (im englischen Original). Auch sein "Wagnerism" ist sehr zu empfehlen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Danke für die Rückmeldung, Bertarido.

    Besonders gefällt mir die Verzahnung mit den Hörbeispielen. Ich habe schon ganz viel dazugelernt und höre mir jetzt aus den besprochenen Werken und ihren Verwandten viel mehr heraus als vorher.

  • Luigi Malerba


    Die nackten Masken


    Auf SWR 2 wurde letzen und diesen Sonntag ein Hörspiel aus dem Jahr 1997 ausgestrahlt. Ein besonderes Hörvergnügen. Es basiert auf dem Buch des italienischen Autors.


    Nach dem Tod Papst Leos X. 1521 haben die Kardinäle mehr oder weniger versehentlich einen gottesfürchtigen Papst aus dem Ausland gewählt. Während Hadrian VI. von Spanien nach Rom reist, um sein Amt anzutreten, rivalisieren zwei Kardinäle um ein besonders einträgliches Kirchenamt und schrecken in ihrer Gier nicht vor einem Mord zurück.


    Katholische Kurie in vollem Saft, als verrucht und verdorben wird sie beschrieben. Malerba schildert einen Sittenzerfall, die Schwächen der Kardinäle und wie Macht ausgeübt wird.

    Als Leser fragt man sich, ob heute die gleichen Mechanismen wirken. Ich vermute, dass sich grundsätzlich mehr als 500 Jahre später wenig geändert hat.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • …wie immer zwanzig Büchern gleichzeitig. Gut, wenn man die Gedichtbände, die zur permanenten Dekoration auf den Couchtisch gehören, nicht mitzählt, wird die Zahl etwas kleiner.


    Ich habe gerade Longos „Daphnis und Chloe“ zum wiederholten mal gelesen. Die altgriechischen Romane und Mythen waren meine ersten Lieblings-Kinderbücher, wurden zur Pflichtlektüre an der Uni und bekamen dadurch die dritte Schicht Notizen an den Rändern (Opa-Mama-ich) und vor kurzem hat die prächtige Reihe von dunklen, goldverzierten Einbänden auf dem Regal ein neues Mitglied bekommen - die Ausgabe mit den Illustrationen von Mark Chagall. Ganz ganz viele Zieglein und ganz ganz viele Schäfchen und - ah, ja - hier und da ein in der Luft schwebendes Liebespaar. Einige von diesen Bildern und auch die erste Ausgabe dieses Buches habe ich in Folkwang Museum in Essen in Herbst gesehen und mir den Wunsch, diese Ausgabe zu besitzen, zu Weihnachten erfüllt.


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    Die von Chagall Illustrierte Ausgabe findet man nur gebraucht. Das wäre die Alternative


  • Daniel Kehlmanns neuer Roman LICHTSPIEL handelt von dem erfolgreichen österreichischen Regisseur G.W. Pabst, der Greta Garbo entdeckt hat und vor den Nazis nach Hollywood geflohen ist. Nachdem er dort nicht so arbeiten kann, wie er möchte und mit A MODERN HERO nur einen Flop abliefert, kehrt er nach Österreich zurück...


    Das erste Kapitel ist beste erste Kapitel eines Romans, das ich seit langem gelesen haben, es ist wahrscheinlich eins der besten ersten Kapitel, die ich überhaupt kenne. Sehr komisch, aber auch tragisch und vielschichtig. Und auf diesem Niveau geht es weiter. Kehlmann ist zweifelsohne ein Meister!



    @Alfred: könnte Dir vielleicht auch gefallen!

  • Briefe, haben die literarische Qualität? Und die von Vincent van Gogh (1853-1890)? Unbedingt!


    Diese Ausgabe der Briefe an seinen Bruder Theo habe ich in der Taschenbuch-Ausgabe des Diogenes Verlages schon im Regal und habe ich mit Gewinn gelesen.



    Als ich von dieser gebundenen Ausgabe sämtlicher Briefe erfuhr, musste ich sie anschaffen.

    Mit Lesebändchen! 2648 Seiten



    Wenn man sämtliche Gemälde vom Taschenverlag besitzt, kann man die erwähnten Werke nachschlagen.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Komisch, "Lichtspiel" hat mich gar nicht begeistert. Mein Problem mit Büchern von Daniel Kehlmann ist vielleicht einfach, dass sie mir zu kunstvoll, zu absichtlich sind. Hier kam hinzu, dass mir der Autor unbedingt etwas sagen will, und sichergehen möchte, dass ich es auch mitbekomme. Und abschließend, dass er sich im Metier Film bewegt - und dies auch spiegeln möchte. Mir war das zu viel und zu gewollt. Ich habe das Buch verliehen. Falls ich es wiederbekommen sollte (dieses Russische Roulette namens Bücherverleihen wäre fast auch ein eigenes Thema), werde ich noch mal reingucken. Mir hat - wenn man es denn vergleichen möchte - Krachts "Die Toten" sehr viel besser gefallen. Aber ich bin auch ein Kracht-Fanboy.


    Ich lese immer mehrere Bücher gleichzeitig. "Iowa" von Stefanie Sargnagel über ihre Zeit als Gast-Doezntin an einem amerikanischen Elite-College finde ich außerordentlich unterhaltsam, und dabei keineswegs seicht; schon allein ihr Miteinander mit Christiane Rösinger (Lassie Singers), also die Kombination jüngere-ältere Frau, mochte ich. Dass Rosiger in Fußnoten immer wieder Sargnagels Text kommentiert, ist eine wunderbare Idee.

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    Ansonsten bin ich sowieso der Ansicht, dass man gar nicht genügend Clemens J. Setz lesen kann. Bei mir derzeit eines seiner früheren Bücher, "Indigo".

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    Bei Setz wird ja immer wieder von überbordender Fantasie gesprochen (und Nerdness) gesprochen. Völlig zu Recht. Auch dieser Roman wirbelt Fakten und Fiktion und Genres munter durcheinander. Das ergibt ein Leser-Erlebnis, das auf eine sehr geistreiche Art unterhaltsam und auch verstörend sein kann.


    Thomas Hettche ist für Romane wie "Pfaueninsel" oder "Herzfaden" (letzterer zur Augsburger Puppenkiste) bekannt geworden. Ich mochte sein jüngstes Buch "Sinkende Sterne" (das sind wir Männer, übrigens) außerordentlich. Auch hier geht es um einen Mix aus Fakten und Fiktion, um Kindheit, Wokeness, Dystopie. Aus hier schrammt man knapp an der (uns bekannten) Wirklichkeit vorbei, und verhandelt dabei jede Menge Themen. Ebenfalls sehr geistreich, sehr unterhaltsam.

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    Und weil mir dies so gut gefiel, habe ich mir gleich noch ein paar ältere essayistische Werke geholt. So wie das "Fahrtenbuch" (das zudem noch wirklich sehr schön aufgemacht ist).


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    "Jein".

    Fettes Brot

  • Komisch, "Lichtspiel" hat mich gar nicht begeistert. Mein Problem mit Büchern von Daniel Kehlmann ist vielleicht einfach, dass sie mir zu kunstvoll, zu absichtlich sind. Hier kam hinzu, dass mir der Autor unbedingt etwas sagen will, und sichergehen möchte, dass ich es auch mitbekomme. Und abschließend, dass er sich im Metier Film bewegt - und dies auch spiegeln möchte. Mir war das zu viel und zu gewollt. Ich habe das Buch verliehen.

    Das ist eine Einstellung, die ich unbedingt teile. Ich habe deswegen so gut wie keinen Günter Grass gelesen (außer "Das Treffen in Telgte", wo ja Heinrich Schütz eine wichtige Rolle spielt). Vielleicht liegt es auch daran, dass ich lieber amerikanische Novels lese , da ist sowas verpönt (Don deLillo, Richard Ford und vor allem Cornell Woolrich, über den ich demnächst etwas schreiben werde). Wir hatten in meiner Familie einen Ausdruck für diese Art zu schreiben. Er stammte aus einem Aufsatz meines jüngeren Bruders, der zum Thema "Kann Film Kunst sein?" schrieb: "Ja. Auf den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes wurden mindestens 10 Filme auf Kunstbasis gezeigt!"

    In der englischen Literatur gibt es das auch seltener, hier ist allerdings Somerset Maugham mein großes Idol, besonders seine Kurzgeschichten aus der Südsee zur Hochzeit des Kolonialismus.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • Komisch, "Lichtspiel" hat mich gar nicht begeistert. Mein Problem mit Büchern von Daniel Kehlmann ist vielleicht einfach, dass sie mir zu kunstvoll, zu absichtlich sind. Hier kam hinzu, dass mir der Autor unbedingt etwas sagen will, und sichergehen möchte, dass ich es auch mitbekomme. Und abschließend, dass er sich im Metier Film bewegt - und dies auch spiegeln möchte. Mir war das zu viel und zu gewollt.

    Ich melde mich dazu noch einmal, wenn ich die Lektüre abgeschlossen habe. Es kam etwas dazwischen. Das Metier Film ist für mich kein Ausschlusskriterium. Kommt immer darauf an, wie man es erzählt. Und bspw. das zweite oder dritte Kapitel mit den beiden Hollywoodproduzenten, die mit Pabst "A modern hero" drehen wollen, während der Regisseur sein eigenes Projekt verkaufen will und an "A modern hero" überhaupt nicht interessiert ist. Wie sie aneinander vorbei reden, das ist sehr komisch und sehr gut getroffen, durchaus auch in Kentniss der Branchengepflogenheiten! Mag sein, dass es gemacht ist und dass Kehlmann zeigt, was er kann. Aber er kann eben auch sehr viel. Krachts "Die Toten" habe ich abgebrochen, vielleicht werde ich es noch lesen, da ich ihn sonst sehr schätze.

  • Fjodor Dostojewski (1821-1881)


    Der Idiot


    Übersetzung Swetlana Geier

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Das Metier Film ist für mich kein Ausschlusskriterium.

    Da habe ich mich bestimmt missverständlich ausgedrückt. Auch für mich ist "der Film" als Sujet kein Ausschlusskriterium. Hier wird es mir nur mit den Stilmitteln des Films, die quasi in das Buch übernommen werden, zu viel. Schuss - Gegenschuss - Perspektiv-Wechsel, sogar Genre-Wechsel, die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion verschwimmen lassen - das ist technisch alles fein gearbeitet, aber mir im Ganzen zu gewollt.

    Das meinte ich.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Die Technik des Perspektivwechsels stammt allerdings aus der Literatur und wurde u.a. von Faulkner (As I lay dying) schon in den 30er Jahren des 20Jh. auf die Spitze getrieben. Das kann man einem Autor kaum vorhalten, allerdings muss man konstatieren, dass es wenige Autoren gibt, die über die dafür nötige Technik verfügen. (Eine recht aktuelle Ausnahme ist Eva Menasse mit „Quasikristalle“.)

  • Ein Roman, der einen so richtig fertig machen kann ....... ;(

    Ich nehme an, du meinst mit deiner Bemerkung den Inhalt und nicht den Umfang von beinahe 1000 Seiten.


    LG moderato

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Ich nehme an, du meinst mit deiner Bemerkung den Inhalt und nicht den Umfang von beinahe 1000 Seiten.


    LG moderato

    ja, ich meine die Person des Fürsten Myschkin. Das Schicksal ging mir damals an die Nieren!