Sherrill Milnes


  • Der am 10. Januar 1935 in Downer's Grove, Illinois, USA, geborene Bariton Sherrill Milnes begann seine Karriere 1960 in Boston in der Rolle des Masetto in "Don Giovanni". Nach einem kurzen Studium bei der Sopranistin Rosa Ponselle sang er an der von ihr geleiteten Baltimore Opera u. a. den Gérard in "André Chénier". Von 1965 bis 1997 trat er an der MET auf. Neben seinen US-amerikanischen Erfolgen debütierte er 1964 als Figaro im "Barbiere di Siviglia" in Mailand. Der internationale Durchbruch erfolgte 1968 durch einen Auftritt in "Luisa Miller". In den frühen 80er Jahren bewirkten gesundheitliche Probleme einen kurzzeitigen Karrierestopp, der jedoch überwunden werden konnte. Weitere Rollen Milnes' waren Jago ("Otello"), Tonio ("Pagliacci"), Rigoletto und Enrico ("Lucia di Lammermoor"). Heute unterrichtet Milnes an der Northwestern University (USA).


    Seine vielleicht beeindruckendste Leistung lieferte er als Baron Scarpia in "Tosca" ab, insbesondere in nachfolgender Verfilmung an der Seite von Kabaivanska und Domingo:



    Milnes ist hier m. E. selbst Tito Gobbi ebenbürtig. :jubel:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Sherill Milnes war in den 70er und 80er Jahren als Bariton omnipräsent - er sang in vielen MET-Übertragungen, machte viele Aufnahmen, vor allem auch mit Domingo. Ich finde, die beiden paßten auch stimmlich gut zusammen.


    Seine für mich beeindruckenste Leistung ist diese:



    Ausnahmsweise gefällt mir da mal die Tomowa-Sintow, und Vasile Moldoveanu ist für seine Verhältnisse auch ganz gut, aber die Ernsthaftigkeit, die vokale Gestaltung von Milnes' Rollenprotrait sind immer wieder am beeindruckendsten. Ich meine mich zu erinnern, daß Milnes einmal geäußert hat, der Boccanegra liege ihm ganz besonders am Herzen - man merkt's. In Zeiten, in denen so viel einfach runtergesungen wird von ageblichen Stars, ist das eine Erholung!


    In seiner Gestaltung des Scarpia kommt Milnes auch nach meiner Meinung den größten Kollegen (Gobbi, Raimondi) gleich.


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

  • Lieber Joseph,


    ja, seine Leistung als Scarpia in o.g. Tosca-Verfilmung ist ungemein beeindruckend. Alleine seine Blicke sind von solcher Schärfe, genial gespielt :jubel: :jubel:

  • Ein Thread über Sherill Milnes ist tatsächlich schon lange überfällig.


    Die Zeitschrift „High Fidelity“ beschrieb seine Stimme als groß, kraftvoll, dramatisch-ausdrucksstark und betont männlich.
    Hinzu kam, dass sich seine Stimme besonders gut für Schallplatteneinspielungen eignete.


    Geboren wurde er auf einer Milchfarm. Beide Eltern galten als musikalisch. Seine Mutter gab Klavierunterricht und war Leiterin des Kirchenchors.
    Miles spielt übrigens mehrere Instrumente unter anderem Klavier, Geige, Klarinette und Tuba.
    Eigentlich wollte er Musiklehrer werden. Sein Studium finanzierte er als Bassist in einer Jazzband.


    Seine internationale Karriere begann 1970 nach einem triumphalen Debüt an der Wiener Staatsoper als Macbeth.


    Obwohl ich ihn sehr mag, war für mich Raimondi immer der Sänger mit der schöneren Stimme.


    In meiner Sammlung, besonders auch noch auf LP´s ist Sherill Milnes häufig vertreten.





    Besonders gern mochte ich ihn auch als Jago.


    Liebe Grüße
    :hello:
    Jolanthe

  • Zitat

    Original von Jolanthe
    Obwohl ich ihn sehr mag, war für mich Raimondi immer der Sänger mit der schöneren Stimme.


    Die "schönere" Stimme hat Raimondi in der Tat. Allerdings finde ich, daß eine nicht so "schöne" Stimme grad dem Scarpia sehr gut steht.


    :hello:

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Das erste Mal hörte ich Sherill Milnes Ende der siebziger Jahre als Luna in diesem Trovatore - ich war sofort in Bann geschlagen von dieser Stimme:



    Giuseppe Verdi (1813-1901)
    Il Trovatore


    Domingo, Milnes, Price, Cossotto, Riley, New PO, Mehta
    Label: RCA , ADD, 69





    Leider hatte ich nie das Glück, ihn live zu erleben, aber ich besitze einige großartige Aufnahmen mit ihm, zB seinen unvergleichlichen Germont:


    Giuseppe Verdi (1813-1901)
    La Traviata


    Domingo, Milnes, Cotrubas, Malagu, Foiani, Bayr. Staatsorchester, Carlos Kleiber


    Label: DGG , ADD, 1977



    seinen Macbeth:


    Giuseppe Verdi (1813-1901)
    Macbeth


    Milnes, Raimondi, Cossotto, Carreras, Raimondi, New Philharmonia Orchestra, Muti


    Label: EMI , ADD, 76





    oder seinen edlen Posa:


    Giuseppe Verdi (1813-1901)
    Don Carlos


    Domingo, Caballe, Raimondi, Milnes, Royal Opera House Covent Garden Orchestra, Giulini
    Label: EMI , ADD, 70




    den willensstarken, aber wandlungsfähigen Gerard:


    Umberto Giordano (1867-1948 )
    Andre Chenier



    Domingo, Scotto, Milnes, Ewing, Killebrew, National PO, Levine
    Label: RCA , ADD, 77




    oder den empfindsamen Michonnet in der bereits genannten Adriana Lecouvreur.



    LG, Elisabeth

  • Erstaunlich, dass dieser Sänger hier im Forum doch noch einen eigenen Thread bekommt!


    Bisher hat es doch hier fast nur negative Berichte über Sherrill Milnes gegeben (bestes Beispiel ist sein Don Giovanni!). Deshalb habe ich, obwohl ich hier schon über 100 Sänger-Threads aufgemacht habe, darauf bisher verzichtet. Mein Thread über meinen Freund Karl Ridderbusch sollte mir eine Lehre sein!


    +++++++++++++++


    Zwar bin ich auch Fan, habe ihn aber live nie auf der Opernbühne erlebt, besitze allerdings eine unüberschaubare Menge an Aufnahmen.


    Auf dem Konzertpodium habe ich ihn vor vielen Jahren erleben dürfen, allerdings mit einer etwas spröden Musik:


    Arnols Schönberg: Ein Überlebender aus Warschau op. 46


    Schönbergs selten gespieltes Werk gibt es von ihm auch auf Platte, die ist aber meist gestrichen:



    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich halte Milnes für eine der ganz großen Bariton-Stimmen der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts im italienischen Fach. Verdi und Puccini, das waren vielleicht seine größten Partien, aber auch viel anderes, wie einen dieser Thread belehrt.


    Danke, Harald, für den Hinweis auf den "Überlebenden aus Warschau". Das ist ja toll, daß er dieses Werk auch eingespielt hat.


    Und in der Beethoven-Neunten unter Leinsdorf, die ich bisher gar nicht kannte, ist er auch dabei. Wow, die Besetzung verspricht ja Großartiges!


    :hello:

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    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Kesting schreibt nicht sehr viel Positives über Milnes - ich finde, er ist da ein bißchen hochnäsig gegenüber einem Naturtalent. Wahrscheinlich leidet Milnes' Bekanntheit (und Beliebtheit) im Forum auch etwas unter dem Umstand, daß er seine Bühnenkarriere ganz überwiegend nicht in Europa hatte und daher bei uns eher auf Schallplatten/CDs präsent ist, wo man von seinem großen Schauspieltalent halt nicht so viel mitbekommt.


    Ich bin jedenfalls auch dankbar für diesen Thread und werde noch einmal meine Milnes - Bestände sichten und ergänzen.


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

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  • ich habe milnes anfang der neunziger öfter als scarpia in wien erlebt. er hatte eine unglaubliche bühnenpräsenz. stimmlich war er damals schon merkbar über dem zenit, seine grandiosen schauspielerischen qualitäten machten das aber mehr als wett. besonders lebhaft erinnere ich mich an die mordszene, in der er sich immer rückwärts mit dem sessel umfallen ließ. das kam sehr spektakulär rüber - er dürfte auch noch mit sechzig recht fit gewesen sein.


    greetings, uhlmann

  • Wenn ich in meine CD-Sammlung schaue, dann sind viele, viele Gesamtaufnahmen mit Plácido Domingo und Sherrill Milnes zu sehen....einfach deshalb weil ich beide Stimmen sehr schätze und beide Herren eben echte "Opernsänger" sind. Das darstellerische Talent und das Talent zum "plastischen" Singen eint sie und daher ist das die von mir seit jeher bevorzugte Tenor-Bariton-Kombination gewesen. Sie klingen auch einfach wunderbar zusammen und waren (sind?) privat befreundet, da passte einfach immer alles.
    Milnes wird oft unterschätzt weil er, so schätze ich es ein, Amerikaner ist und z.B. die "Met" ja gerne mal als bloßes "Star-Vehikel" verunglimpft wird. Ein wenig europäische Hochnäsigkeit ist da durchaus im Spiel!


    LG
    Fides :hello:

    La vita è bella!

  • Ja, schon erstaunlich, daß hier länger kein Tamino mehr geschrieben hat. Bei einem so bekannten Sänger geht man davon aus, daß ein ellenlanger Thread existieren muß. Auch ich besitze eine ganze Reihe von Aufnahmen mit Sherrill Milnes. Von mir auch hier die allerherzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag!




    :jubel:
    Wolfgang

    W.S.

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  • Ja, schon erstaunlich, daß hier länger kein Tamino mehr geschrieben hat. Bei einem so bekannten Sänger geht man davon aus, daß ein ellenlanger Thread existieren muß. Auch ich besitze eine ganze Reihe von Aufnahmen mit Sherrill Milnes. Von mir auch hier die allerherzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag!


    Lieber Wolfgang,


    ja, es stimmt. Kaum ein Bariton dürfte eine derartige Präsenz auf Platten- bzw. CD-Aufnahmen besitzen wie Sherill Milnes. Umso erstaunlicher ist es, daß "sein Thread" über fünf Jahre brach lag...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich schließe mich den Glückwünschen zum 80. an.


    Liebe Grüße


    Willi :jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auch ich gratuliere sehr herzlich. Sherill Milnes war für mich immer einer der besten Bariton-Sänger; nicht nur ein eindrucksvoller Scarpia und Rigoletto, auch im französischen Fach hat er einige tolle Aufnahmen hinterlassen:



    Da singt er fulminant und spielt sein unvergleichliches Timbre aus. Auch in Andrea Chenier von Umberto Giordano singt er mitreißend:



    Herzlichen Glückwunsch und alles nur erdenklich Gute!

  • Kaum ein Bariton dürfte eine derartige Präsenz auf Platten- bzw. CD-Aufnahmen besitzen wie Sherill Milnes.

    Naja, Fischer-Dieskau war auch Bariton! ;)


    Und im italienischen Fach ist etwa ein Tito Gobbi mit Aufnahmen auch nicht wirklich unterrepräsentiert.


    Ich muss zugeben, dass ich das "goldene Zeitalter" der Verdi-Baritone doch früher ansetze, also bei Warren, Gobbi und Bastianini - und immer bedauert habe, dass diese (mich) umwerfenden Sänger schon zu alt waren, um als Bariton-Partner für Domingo und Pavarotti noch zur Verfügung zu stehen (selbst wenn es doch noch den einen oder anderen Mitschnitt gemeinsamer Auftritte geben sollte).


    Milnes war ein hochsolider, sehr zuverlässiger Sänger ohne stimmliche Mühe, zu seiner Zeit einer der ersten und allerbesten, keine Frage, aber der große "Wow"-Effekt stellt sich bei mir leider doch nicht ein. Das ist eine völlig subjektive Anmerkung und ich möchte seine objektiv große sängerische Lebensleistung damit keinesfalls schmälern.


    Als ich ihn erst- und letztmals 1993 live erlebte, als Scarpia an der Staatsoper Berlin, war das vermutlich schon zu spät, als dass sich noch ein "Wow"-Effekt hätte einstellen können. Ich erinnere mich, enttäuscht von seiner Gesangsleistung gewesen zu sein, spektakulär war freilich, wie er bei der Erdolchung rücklings mit seinem Stuhl umflog. Allerdings: Ich habe vor wenigen Jahren einen Mitschnitt einer Vorstellung (die ich selbstnicht besucht hatte) dieser Serie gehört (die mit Casapietra als Tosca) und ich muss sagen, dass das stimmlich aller Ehren wert war.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ad multos annos, Sir! :hail:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • 2009 berichtet Sherrill Milnes in einem Interview über seine Kindheit und Jugend auf der Farm seiner Eltern:


    "Es war ziemlich heruntergekommen. Dünger. Kleinfamilie. Alles. Kühe melken. Milchwirtschaft ist härter als Getreide oder Fleisch. Zweimal am Tag müssen die Kühe gemolken werden. Du bist krank? Zu dumm. Du musst es tun. Dein Knöchel ist verstaucht und geschwollen? Zu dumm. Du musst es tun...Ich glaube, dies hat eine gewisse Arbeitsmoral erzeugt, die nicht zu leugnen war."


    “It was down and dirty. Small family. Manure. Everything. Milking cows. Dairy is tougher than grain or beef. Twice a day the cows have to be milked. You’re sick? Too bad. You have to do it. You sprained your ankle and it’s swollen? Too bad. You have to do it….I suppose it created a certain work ethic that was undeniable”


    Als er begann, sich auf den Gesang zu konzentrieren, sang er sogar den Kühe vor bzw. während er Traktor fuhr:


    "Ich war am Anfang meiner Karriere und übte das unterschiedliche Gelächter der verschiedenen Opern-Charaktere ein...und einmal schaute ich dabei zur Seite und bemerkte ein Auto, das angehalten hatte, etwa vier Leute reckten die Köpfe aus dem Fenster nach diesem Verrückten, der Traktor fuhr und dabei lachte (imitiert das unterschiedliche Gelächter.) Nun, danach habe ich das tagelang nicht mehr gemacht—ich habe mich immer wieder umgeschaut, ob auch keine Autos kommen."


    “I was in the early stages of my career and practicing the different laughs of the various operatic characters…and, at one point, I looked over and there was a car stopped with about four heads sticking out the window looking at this insane person, driving a tractor, laughing [makes the different laughs]. Well, I didn’t do that for days—I kept looking around to see if any cars were coming.”


    :D


    Auszug aus “A conversation with Sherrill Milnes” von Leslie Holmes (Journal of singing LXVI [September–October 2009] pp. 97–101).

  • Wie sein großer und oftmaliger Tenor-Partner ergriff auch Sherill Milnes den Taktstock:


    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Aber doch im Gegensatz zu Domingo nicht regelmäßig bei kompletten Opernaufführungen, oder?


    Nein, soweit ich weiß, wohl nicht. - Und wer auf der oben abgebildeten Aufnahme tatsächlich dirigiert, sei einmal dahingestellt. Als "PR-Einfall" jedenfalls ist die Idee ja durchaus tauglich.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Aber doch im Gegensatz zu Domingo nicht regelmäßig bei kompletten Opernaufführungen, oder?


    Lieber Stimmenliebhaber,


    ich weiß nur, dass er 1997 seine Dirigentenkarriere mit Mendelssohns Elias in New York begonnen hat (eine Rezension findet sich hier:)
    http://www.nytimes.com/1997/05…s-debut-as-conductor.html


    Inwiefern er diesen Weg dann weiterverfolgt hat, weiß ich auch nicht genau; aber ich nehme schon an, dass er auch ansonsten hin und wieder dirigiert.


    Außerdem habe ich diese Meldung gefunden:


    http://www.musicalamerica.com/…2&categoryid=5&archived=0


    Dort wird berichtet, dass er als Regisseur in Prag den Don Giovanni im Rahmen eines Festivals inszeniert hat, welches vor allem für Nachwuchskräfte gedacht ist; die Sänger erhielten bei ihm auch zusätzliche vokale Betreuung (als Gesangslehrer ist er ja schon lange tätig).

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