In einem anderen Thread wurde darüber nachgedacht, inwieweit klassische Musik ein unpolitisches Vergnügen sei - so wurde es natürlich nicht ausgedrückt, aber in der letzten Konsequenz kommt es darauf hin.
Caruso41 formulierte es in bezug auf das Spezialgebiet Oper folgendermaßen:
ZitatOffensichtlich ist es vor allem die Oper, die dazu einlädt, sich nur mehr unterhalten zu lassen und zu genießen.
Dr Holger Kaletha schrieb:
ZitatHeute will ein nicht unbeträchtlicher Teil des Publikums offenbar die hedonistische "kulinarische Oper", wo man sich gemütlich zurücklehnen will in seinen Sessel, sich berauschen lässt und die Wirklichkeit vergisst. Repräsentativ ist diese Haltung operngeschichtlich aber durchaus nicht. Was das Politische angeht, war das emanzipatorische Bürgertum des 19. Jhd. gerade an einer Politisierung des Theaters interessiert.
Caruso41 schrieb
ZitatAber heute denkt doch wohl nur eine recht kleine Minderheit des Publikums über die politische "Botschaft" einer Oper und über das politisch-soziale Umfeld, in dem Oper auf die Bühne gebracht wird, nach!
Caruso41 schrieb:
ZitatLies doch mal hier im Forum die Beiträge im Opernführer. Da werden oft einfach und schlicht die äußeren Handlungsabläufe, wie sie im Libretto stehen, wiedergegeben. Das mag für manchen Leser ausreichen.
Aber reicht das, um in eine Oper einzuführen? Fördert es ein tieferes Verständnis des Werkes? Geht es ohne Wissen um die Entstehungsgeschichte und die Wirkungsgeschichte? Vor allem: darf man die Zeitgenossen, die eingeführt werden wollen, ohne eine Bemerkung zur Musik lassen?
Ich habe diese Aussagen hier in diesen neuen Thread übernommen, weil der andere auf Oper beschränkt bleiben soll - wir hier aber während des Threadverlaufs auch den Konzert- und Kammermusikbetrieb unter die Lupe nehmen wollen.
Ich behaupte mal ganz ketzerisch, daß Oper generell dazu einlädt, bzw einladen sollte, sich gut zu unterhalten. Was man darunter verstand, war in verschiedenen Epochen jedoch unterschiedlich. Die Anfänge der Oper, wo man glaubte, das antike Sprechtheater wieder zum Leben erweckt zu haben, kann man getrost als wissenschaftliches Projekt beiseite schieben. Dessen Zielsetzung übrigens unerreichbar blieb. Die Barockoper sollte lediglich festlichen Prunk vermitteln und natürlich den jeweiligen Herrscher verherrlichen. Ab dem 18. Jahrhundert nähern wir uns der "unterhaltenden oper". sei es Dittersdorf, Gluck, Haydn, Galuppi, Anfossi, Piccini, Salieri, Paisiello etc. Sogar Mozart würde ich hierzu stellen. Ich glaube auch nicht, daß Rossini, Donizetti, Bellini, Paer, Pacini irgendwelche politische Hintergedanken bei ihren Opern hatten, oft wurden von der Zensur Zusammenhänge zu politischen Ereignissen vermutet, wo überhaupt keine waren. Auch bei Verdi hab ich so meine Zweifel - Er hat einfach Stoffe, die Publikumswirksamkeit und effektvolle Ausstattung vereinten, genommen und durch seine Musik veredelt.
Erst der Verismo hat dann die heile Welt ein wenig ins Wanken gebracht.
Zur Beurteilung unseres Opernführers. Er steht in der Tradition alter Opernführer (ich besitze eine Ausgabe des berühmten Standardwerkes "Führer durch die Opern" von Leo Melitz (1855-1927), welches zwischen etwa 1901 und 1927 erschien.) Dort enthielt man sich jeglicher politischer Deutung - die reine Handlung wurde erzählt.
Erst die späteren Opernführer begannen zuerst vor allem die Entstehungsgeschichte und die literarischen Grundlagen zu beschreiben. Aber Bezüge zu Diktaturen, die erst NACH der Veröffentlichung der Oper in Erscheinung traten, wurden nicht hergestellt.
Der Tamino Opernführer war an sich völlig anders geplant als er heute ist:
Es sollte einen separaten Webauftritt geben, der dann in seinen Links immer wieder auf Tamino hinwies (und umgekehrt)
Die damalige Politik von Google hätte die beiden Seiten dann mächtiger gemacht, und bei Erfolg wäre ein Netzwerk daraus geworden. Die Änderung der Google Strategien machte dieses Projekt indes obsolet und Tamino befand sich 2007 auf dem Höhepumkt seiner Medienmacht, sodaß der Opernführer in seiner EIGENTLICHEN Funktion nicht mehr benötigt wurde. Er war von seinem "Spiritus Rector" (Engelbert) verlassen worden und dämmerte ziemlich lange vor sich hin. Irgendwann erbarmten sich dann Nachfolger des Projekts, sogar Engelbert machte eine Zeitlang wieder mit und allmählich wuchs das Projekt weit über alles ähnliche hinaus. Ich finde, daß die Beschreibung des Inhalts das Wichtigste ist - wäre ich zynisch - wurde ich sagen - speziell in unseren Tagen - wo es die Einzige Möglichkeit ist, den originalen Inhalt kennenzulernen.....
ZitatOffensichtlich ist es vor allem die Oper, die dazu einlädt, sich nur mehr unterhalten zu lassen und zu genießen.
Diesem speziellen Punkt werde ich mich in den nächsten Tage hier widmen.....
mit freundlichen Grüßen aus Wien
Alfred