Hallo Taminos,
für viele heute sicher unbekannt dürfte der Dirigent Hermann Scherchen sein, der 1891 in Berlin geboren wurde und 1966 in Florenz starb.
Scherchen begann ursprünglich an der Bratsche, erlernte dann aber autodidaktisch das Dirigieren (schrieb später selber Lehrbücher zum Dirigieren). Eines seiner entscheidenden Erlebnisse war sicher die Begegnung mit Arnold Schönberg und die gemeinsame Zusammenarbeit anlässlich der Uraufführung von Pierot Lunaire. Prägend sicher auch die hautnahe Teilnahem der Oktoberrevolution, die er 1917 als Kriegsgefangener in Russland miterlebte.
Im weiteren Verlauf seines Lebens machte sich vor allem einen Namen als Sachwalter moderner Musik, dirigierte viele Uraufführungen, gründete diverse Musikzeitschriften, und beschäftigte sich neben theoretischen und aufführungspraktischen (Musik-)Themen auch mit elektro-akustischen Aufführungsproblemen. Aber natürlich dirigierte er auch das Repertoire der Wiener Klassik.
Richtig populär war er in Deutschland nie, galt er doch als politisch ausgesprochener linker, ausgesprochen penibler und ausgesprochen schwieriger Mensch (alles Eigenschaften, die im Deutschland der 50er Jahre nicht so gut ankamen - auch gut nachzulesen bei Elias Canetti - Das Augenspiel, wo er seine Begegnung mit Scherchen beschreibt).
Scherchen hatte er ein äußerst modernes Musikverständnis, das sich mit der damaligen vorherrschenden Klangästhetik nicht wirklich deckte.
Hinzu kommt, dass er oft mit zweit- bis drittklassigen Orchestern zusammenarbeitete. Trotzdem erzielte er oft beste Ergebnisse. Sein Ideal war allerdings, wie oben schon angedeutet, nicht der damals übliche dunkle oder hochglanzpolierte Klang, der alles verschwimmen lässt, Kontraste aufweicht und Spannungen abschwächt, sondern er strebte ein sehr transparentes, durchhörbares Klangbild, das alle musikalischen Vorgänge durchleuchtet und aufzeigt. Alles in allem also ein Vorreiter des modernen Musikverständnisses.
Seine Aufnahmen sind derzeit recht gut verfügbar (war schon mal schlimmer) - aber das ist immer eine Zeitsache.
Zu seinen wichtigsten Aufnahmen.
Dazu zähle ich eine sehr, sehr gute Beethoven Eroica und so ziemlich die beste Mahler 1., die ich kenne. Und natürlich Bachs Kunst der Fuge in einer eigenen Instrumentation.
Aber ich will hier nicht alles vorwegnehmen - später mehr.
Grüße aus Hamburg
Uwe