Carl Philipp Emanuel Bach wurde am 8.3.1714 in Weimar als fünftes Kind von Johann Sebastian und Maria Barbara Bach geboren, zog alsbald mit seinem Vater nach Köthen und später nach Leipzig um. Bei seinem Vater erhielt er seine erste musikalische Ausbildung (Orgel- und Cembalospiel, Komposition) und besuchte auch die Thomasschule, an der Johann Sebastian tätig war. Danach zog es ihn aber zunächst von der Musik weg und zum Jurastudium hin (zuerst in Leipzig, dann in Frankfurt an der Oder).
Aber nun zu seiner Karriere als Komponist:
Zitat1740 wurde er als Cembalist in die Kapelle des preußischen Kronprinzen Friedrich nach Ruppin berufen, der 1740 den Thron bestieg. Zu dieser Zeit war Carl Philipp Emanuel einer der berühmtesten Clavieristen Europas. Seine Kompositionen - die ältesten stammen von 1731 - umfassen rund dreißig Sonaten und konzertante Stücke für sein Lieblingsinstrument. In der kronprinzlichen Kapelle in Rheinsberg lernte er Quantz und die Brüder Graun kennen. Als Kammercembalist Friedrichs II. unterrichtete er den jungen Herzog Carl Eugen von Württemberg, der sich am Berliner Hof aufhielt. Ihm widmete Bach die sechs Württembergischen Sonaten für Cembalo (Nürnberg 1744), nachdem er zwei Jahre zuvor seine sechs Preußischen Sonaten, die bedeutendsten Zeugnisse der neuen Stilbildung auf dem Gebiet der Klaviersonate, Friedrich II. zugeeignet hatte. 1746 stieg er zum "Kammermusikus" auf.
Der sehr konservative Geschmack am preußischen Hof sowie das eher karge Salär und sein geringes Ansehen dort (seinen Bekanntheitsgrad erlangte er nicht durch seine Stellung, sondern durch Kontakte mit Berliner Künstlern und musiktheoretische Schriften) bewirkten, daß C.P.E. Bach sich dort nicht wirklich wohl fühlte. Er fand aber erst mit über 50 einen besseren Arbeitsplatz: 1768 zog er nach Hamburg. Zuvor bewarb er sich u.a. erfolglos als Nachfolger seines Vaters als Thomaskantor in Leipzig.
Büste im Schauspielhaus Berlin
Mich deucht, die Musik müsse vornehmlich das Herz rühren - diese Äußerung Carl Philipp Emanuel Bachs aus seiner Autobiographie von 1773 kann exemplarisch für die Geisteshaltung eines Künstlers der sogenannten Epoche der Empfindsamkeit stehen, die als Parallelströmung der Aufklärung im 18. Jahrhundert andere Werte in den Vordergrund stellte als diejenigen, denen die Musik seines Vaters verpflichtet war. Musik als Gottesdienst oder als Dienen weltlicher Fürsten war nicht mehr die Hauptsache in der Musik der postbarocken Zeit – ich scheue, den Begriff „Frühklassik“ oder „Vorklassik“ zu verwenden, nicht nur, weil hier kürzlich damit abgerechnet wurde, sondern auch, weil er mir nicht treffend erscheint, da wir mit Klassizität meist formale Strenge und den Bezug zu antiken Idealen assoziieren, die zu der formalen Auflockerung im Werk gerade eines Carl Philipp Emanuel Bach nicht recht passen wollen. Tatsächlich besteht ein weiterer wichtiger Unterschied zur Musik seines Vaters darin, der strengen formalen Struktur keinen vergleichbar hohen Stellenwert einzuräumen. So ist die Empfindsamkeit (den Begriff „Sturm und Drang“ meide ich hier auch) als Gegenbewegung (oder besser: Begleitbewegung) der rein rationellen Aufklärung entstanden, um auch das Gefühl des Menschen im aufgeklärten Zeitalter – als der Ratio gleichberechtigter (Selbst-)Erkenntnisvermittler - zur Geltung zu bringen.
In C.P.E. Bachs bedeutendster musiktheoretischer Schrift, dem „Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen“ (1753) werden denn auch nicht nur die technischen Fragen des Klavierspiels diskutiert, sondern auch ästhetische Betrachtungen und vor allem der musikalische Ausdruck diskutiert.
ZitatDer musikalische Ausdruck spielte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des norddeutschen empfindsamen Stils, bei dem die Vermittlung starker, genau umgrenzbarer Empfindungen an erster Stelle steht. [...] Sein Stil ist häufig rhetorisch, mit plötzlichen Pausen, jäh aufbrausenden Stellen, unvermittelten Modulationen, und im allgemeinen von einer sehr originellen und fesselnden Schreibweise. Eine seiner Fantasien – mit ihrer Gestaltungsfreiheit eine für ihn typische Form – soll Hamlets berühmten Monolog darstellen. Wenn einiges an seinen Werken im Vergleich zu denen seiner Zeitgenossen weniger geordnet wirkt, hat dies seinen Grund darin, daß er die Kraft des Ausdrucks über alles andere Stellte.
1768 wurde C.P.E. Bach als Nachfolger Telemanns (der 1714 sein Taufpate gewesen war) Musikdirektor der fünf Hauptkirchen Hamburgs und Kantor am Johanneum. In der freien Hansestadt, die auch eines der bedeutendsten kulturellen Zentren jener Zeit war, war es ihm möglich, seinen empfindsamen Stil ohne Einschränkungen, die ihm zuvor am preußischen Hof auferlegt waren, zu vervollkommnen. In seiner Autobiographie schreibt er dazu:
Weil ich meine meisten Arbeiten für gewisse Personen und fürs Publikum habe machen müssen, so bin ich dadurch allezeit mehr gebunden gewesen, als bey den wenigen Stücken, welche ich bloß für mich verfertigt habe.
Zu seinem persönlichen, freien Stil seien exemplarisch die sechs Streichersymphonien Wq 182 aus dem Jahre 1773 genannt. Diese waren zwar ein Auftragswerk (vom späteren Haydn-Texter Gottfried van Swieten), aber mit der Vorgabe, „die Werke ganz nach eigenem Wunsch und ohne Rücksicht auf technische Schwierigkeiten zu komponieren“.
Ansonsten bedeutete der Stellenwechsel auch eine Verlagerung des kompositorischen Schaffens mehr auf geistliche Musik.
Interessanterweise wurde gerade im Jahr zuvor Lessing zum Dramaturg nach Hamburg berufen. Hier entstanden bald darauf seine Schriften zur „Hamburgischen Dramaturgie“, die gegen strenge Formvorschriften im Theater gerichtet waren und ebenfalls exemplarisch für die Haltung vieler Künstlers in jener Zeit stehen.
Carl Philipp Emanuel Bach blieb bis zu seinem Tode im Jahr 1788 Hamburg treu. In den letzten Lebensjahren entstanden einige seiner heute bekanntesten Werke, z.B. die drei Quartette für Klavier, Flöte, Viola und Cello (oder Baß) Wq 93-95 oder das Doppelkonzert für Klavier (bzw. Fortepiano), Cembalo und Orchester Wq 47.
Sein Oevre umfaßt u.a. über 50 Cembalo- bzw. Klavierkonzerte, ca. 150 Cembalo- bzw. Klaviersonaten und zahllose weitere Werke für Cembalo oder Klavier (Menuette, Fantasien, Rondos, Polonaisen, Variationen, ...), 21 Symphonien, mindestens je ein Dutzend Violin-, Flöten-, Triosonaten, Klaviertrios, 23 Kantaten, sehr viele geistliche und weltliche Lieder (darunter über 50 Psalmenvertonungen).
Auf meine persönlichen Eindrücke zu den paar mir bekannten Werken möchte ich aber erst in späteren Beiträgen eingehen. Es wäre schön, wenn der ein oder andere Werke C.P.E. Bachs, die als besonders wichtig angesehen werden, näher vorstellen würde.
Das „Wq“ steht übrigens für Alfred Wotquenne, der 1905 ein Werkverzeichnis C.P.E. Bachs erstellte. Es gibt noch ein weiteres von Eugene Helm mit dem Kürzel „H“.
Zum Schluß möchte ich noch auf die enorme Bedeutung und Anerkennung C.P.E. Bachs unter seinen Zeitgenossen hinweisen:
ZitatIn der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war er berühmter als sein Vater und seine Brüder. Mit „Bach“ meinte man ihn, und in seinen Hamburger Jahren galt er als eine der großen musikalischen Autoritäten nicht nur in Deutschland, den Niederlanden und im Ostseeraum, sondern auch in England und sogar in Frankreich.
Haydn äußerte sich: Wer mich gründlich kennt, der muss finden, dass ich dem Emanuel Bach sehr vieles verdanke, dass ich ihn verstanden und fleißig studiert habe.
Viele Grüße,
Pius.
Zitate: Wikipedia; Cambridge-Buch der Musik; Klaus Häfner in einem DHM-booklet (in dieser Reihenfolge)