Hans Hotter - Der ewig Kritisierte

  • Über den Baßbariton Hans HOTTER (1909-2003) wird im Forum selten ein gutes Wort abgelassen.
    Im legendären Ring von Solti wird er oft als einziger Makel bezeichnet.


    Hans Hotter


    Einige Auszüge aus dem Ring-Thread.


    Zitat

    Wie schon wiederholt geschehen: Ich rate von Solti wg. des unsäglich nuschelnden Hotter als Wotan ab - ohne guten Wotan kein Ring!


    Zitat

    Neben dem "wobble" kommt bei Hotter in dieser Zeit noch eine sehr gaumig-nasale Tongebung hinzu, so dass sich die Wort teilweise wie in Watte gepackt anhören.


    Zitat

    Ich weiß, ich krieg Hiebe: Adam. Zwar nicht in Hochform, aber gegen Hotters Genuschel eine Sensation!


    Zitat

    Der Solti-Ring hat meiner Meinung nach in der Tat das Problem, das man nach dem Rheingold mit George London die drei "Hauptteile" des Werks mit Hotter als Wotan nicht so richtig genießen kann. Man trauert hier dann fast zwangsläufig dem Rheingold nach, das eine Ahnung gibt was aus der gesamten Produktion hätte werden können...


    Auf der anderen Seite sang gibt es aber auch lobendere Worte über ihn:


    Zitat

    Wikipedia
    Zwischen 1952 und 1966 wirkte er regelmäßig bei den Bayreuther Festspielen mit. Insbesondere als Holländer und Wotan, aber auch als Gurnemanz (Parsifal) und Hans Sachs erreichten seine Interpretationen Referenzcharakter.
    [...]
    Noch im hohen Alter verlieh seine charismatische Gestalt ambivalenten Figuren wie Schigolch (in "Lulu") (bis 1992 !) imponierende Bühnenpräsenz (letzte Bühnenrolle; München, Februar 2001: Prinzregent in "Der Opernball" von Heuberger).
    [...]
    Sein machtvoller, unverwechselbarer Bariton paarte sich glücklich mit einer verfeinerten, dem Liedgesang entsprechenden Technik. Hinzu kam eine Darstellungskraft von großer Intensität und Intelligenz.


    Kommt es am Ende also doch auch auf den eigenen Geschmack an?


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Natürlich hatte Hotter eine Glanzzeit. Die liegt, rein stimmlich in den 30er und 40er Jahren. Wer also Hotter in Bestform haben möchte, der muß den Falstaff von 1939, den Holländer von 1944 und die Winterreise von 1943 hören. Außdrucksmäßig war er natürlich später auch immer überzeugend, aber er zog sich ganz auf seine Technik zurück, das heißt, nasales Singen und Verfärbung der Vokale in die, ihm stimmlich, am besten liegenden Vokale.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Dann zitiere ich mich auch mal selbst - über Hotter im dritten Parsifal-Akt der 62er-Knappertsbusch-Aufnahme:



    Zitat

    Original von Zwielicht
    Sodann und vor allem Hans Hotter als Gurnemanz: Ich weiß, dass sich hier die Geister scheiden - aber für mich verkörpert niemand diese Figur so sehr wie Hotter. Gerade das oft kritisierte gaumige, nasale Timbre empfinde ich als Entsprechung zum einzigartigen abgedämpften orchestralen Tonfall des dritten Aktes. Der Oberlehrer Gurnemanz kommt nur noch da zum Vorschein, wo er wirklich gebraucht wird ("Ja! Wer bist Du denn?") - ansonsten verinnerlichte Leiderfahrung bis hin zur Unverständlichkeit, zum Verstummen. Diesen tiefen Pessimismus fernab aller Erlösung hört man in keiner anderen Aufnahme so unverstellt. Im Gegensatz dazu dann das extrovertierte Leiden von George London als Amfortas, der auf seine Art genauso großartig ist wie Hotter.


    Stimmlich "gesündere" Gurnemanz-Interpreten wie Weber oder Frick sehe ich dagegen vor meinem geistigen Auge immer mit einem Kellerbier am fränkischen Wirtshaustisch sitzen (Ausnahmen: Franz Crass, Kurt Moll).



    Und über Hotter im zweiten Walküre-Akt der Solti-Aufnahme:


    Zitat

    Original von Zwielicht
    Bezüglich Hotter habt Ihr zwar alle recht - aber trotzdem: Wenn er am Schluss des zweiten Akts gegen Hunding sein zweites "Geh!" (bzw. "Gääh!") herauskeucht, kann ich wenigstens nachvollziehen, warum der Unsympath auf der Stelle tot umfällt. Stimmlich gesunde Wotan-Sänger sind da meist einfach nur laut.



    Die unterschiedlichen Urteile lassen sich m.E. nicht nur auf die vielbeschworene "Geschmackssache" zurückführen, sondern auch auf unterschiedliche Kriterien bei der Beurteilung von Stimmen/Sängern. Rein gesangstechnisch stelle selbst ich als Laie Defizite bei Hotter fest - und ich kann auch jeden verstehen, der das gaumige, nasale Timbre nicht mag.


    Trotzdem - und das sollte den angeführten Zitaten zu entnehmen sein - schätze ich Hotter als einen Sänger, der mit der Stimme Charaktere zeichnen kann; bzw.: der die Einschränkungen seiner Stimme produktiv umbiegt, um einen "gebrochenen" Charakter wie den Walküre-Wotan (zumindest nach der Auseinandersetzung mit Fricka) oder eben den alten Gurnemanz des dritten Parsifal-Akts vor dem inneren Auge/Ohr unvergleichlich entstehen zu lassen.


    Auch Kurt Moll bei Karajan und (noch schöner) bei Kubelik zeichnet einen sehr verinnerlichten Gurnemanz. Aber so wunderschön das klingt - manchmal denke ich dabei nur: Was kann Moll doch für ein fantastisches piano singen! - und nicht wie bei Hotter: Was für eine Figur zwischen totaler Resignation und letzter (zweifelhafter) Glücksverheißung!



    Viele Grüße


    Bernd

  • Also ich verliere oft gute Worte über Ihn. ;)


    Zitat

    Original von Felipe II.


    Kommt es am Ende also doch auch auf den eigenen Geschmack an?


    :hello:


    Ja, aber nicht nur oder auch: so einfach ist es nicht. :D



    Hotters Leistung im Solti-Ring ist in der Tat anfechtbar. Allerdings muß man feststellen, dass wir es mit einem gealterten Sänger zu tun haben, der zudem an einer schweren Asthmaerkrankung litt. Diese Aufnahme ist also nicht repräsentativ für seine Paraderolle und in der Tat nur bedingt geeignet, seinen Ruhm zu begreifen.


    Eine seiner herausragenden Fähigkeiten, nämlich den feinen Nuancen der wagnerischen Texte solche des Klanges passend zuzuführen, hört man auch dort.
    Die Aufnahme dokumentiert aber auch zwei seiner größten Schwächen, nämlich einerseits eine unstetige Tonproduktion, die sich bis zum schmerzhaften Wobble steigern konnte. Und andererseits Defizite in der Artikulation. Sie beruhen bei Hotter allerdings nicht auf Textindifferenz des Interpreten, sondern sind aus meiner Sicht ein Produkt aus mehreren anderen Faktoren: Einerseits ist da der für einen Heldenbariton untypisch wattig-weiche Stimmklang bei einer ungemein voluminösen Stimme. Hinzu kommt die nasale Tonproduktion, wohl immer schon angelegt, aber im Zuge der späteren Krankheit wohl noch weiter gesteigert. Dazu ein Singen, dass auch immer dem Wohklang verpflichtet war. Alle dies ergab eine Interpretation, die Wagners Textverständlichkeit nicht immer gerecht wurde, was ein nicht zu leugnender Makel ist, wenn man bedenkt, wie hoch der Meister die Maßstäbe hier legte.



    Andererseits, dies mein Argument pro Hotter, hat er sein Singen immer vom Text her aufgebaut und an Subtilität wie Intensität alle zeitgenössischen Kollegen übertroffen. An stimmlichen Dimensionen übertrifft er aus meiner Sicht alle Interpreten bis auf Schorr und London. Und als Interpret sehe ich eigentlich nur Schorr und Thomas Steward auf einem ähnlich hohen Niveau.


    Aber: Wie Herbert schon schreibt, hat er in seiner besten Zeit eigentlich keine Aufnahmen wegen des Krieges machen können. Da hätten ansonsten vermutlich mabstabsetzende Aufnahmen von Holländer, Sachs und Wotan entstehen können.


    "Geschmack" mag vor allem Hotters stimmliche Signatur haben: Das etwas (alt)väterlich wirkende Timbre ist so manchens Sache nicht, der den Wotan gerne mit einem eher dunklem Metall hören möchte, wie es in nahezu idealer Form George London bot.


    :hello:
    Sascha

  • Ich denke, dass auch jeder, der Hotter gerne hört, kaum in die Versuchung geraten wird, das problematische an seinen Aufnahmen schönreden zu wollen.


    Die Kritikpunkte sind dazu doch zu klar nachvollziehbar, auch bei früheren Aufnahmen, die aber doch Zeugnis von der Ausdruckskraft des Bass-Baritons geben.


    Das Urteil wäre ja vernichtend, wenn man sich auf Soltis "Ring", den Pogner aus München oder auch den Gurnemanz 1962 beschränken müsste.

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  • Lieber Felipe II


    Danke für den Start dieses Threads.


    Bei Lektüre der von Dir zitierten Anmerkungen zu Hotter stehe ich vor der bangen Frage, ob ich alle meine Aufnahmen dieses nuschelnden, wobbelnden, wortundeutlichen Sängers entsorgen soll.
    Verfügte ich über das gleiche Musikgehör wie die Leserbriefschreiber, hätte ich mir beispielsweise folgende Anschaffungskosten erspart.


    Schubert: Winterreise, Schwanengesang
    Wagner:
    Ring (nicht Solti, sondern Clemens Krauss - Wotan)
    Die Meistersinger (Sachs)
    Der Fliegende Holländer (Holländer)
    Parsifal: (Gurnemanz)
    Tristan: Kurwenal
    Beethoven: Fidelio (Pizarro)
    Einem: Der Besuch der alten Dame (Lehrer)
    Mozart: Le Nozze di Figaro (Clemens Krauss – Almaviva)
    Mussorgsky: Boris Godunov
    Orff: Der Mond (Petrus)
    Pfitzner: Palestrina (Borromeo)
    Strauss:
    Capriccio (La Roche)
    Arabella: Mandryka
    Salome: Jochanaan
    etc.


    Fazit: Es kommt am Ende doch auf den eigenen Geschmack an.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Wenn ich mich Rienzis Beitrag anschließen darf, muß ich noch zusätzlich aus meiner Sammlung entsorgen:


    Beethoven, 9. Sinfonie
    Borodin, Fürst Igor
    Brahms - Deutsches Requiem
    Mozart - Zauberflöte
    Rossini - Barbier von Sevilla
    Verdi: Aida und Falstaff


    und natürlich jede Menge Liederaufnahmen.


    Hätte ich gewußt, was für ein schlechter Sänger er war, hätte ich mir die Käufe ersparen können.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Jessas, danke Harald für die Ergänzung,


    Beethoven, Brahms und die Zauberflöte habe ich übersehen. Aber die Mülltonne war eh schon voll.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Schuberts Winterreise habe ich in Hotters Aufnahme mit Gerald Moore aus den 50'er Jahren kennen und schätzen gelernt. Den Kauf des Schwanengesangs in der gleichen Kombination neulich habe ich nicht bereut.


    Viele Grüße


    :hello:


  • Diese Logik - und noch weniger die Polemik - erschließt sich mir ehrlich gesagt nicht wirklich. Das Hotter "nuschelte", worunter die Wortdeutlichkeit litt und auch auf vielen Aufnahmen vor allem in seiner Spätphase von einem mehr oder minder ausgeprägten Wobble geplagt wurde, ist schlicht eine Tatsache, die sich vollkommen geschmacksunabhängig feststellen lässt, und wenig mit dem musikalischen Hörvermögen zu tun hat.
    Einer unterstellt ungerechten Fixierung auf die Fehler des Sängers eine polemische Bagatellisierung entgegen zu stellen, dürfte in der Sache wenig Überzeugungsarbeit leisten.


    Was ich dabei persönlich immer nicht verstehe: Jeder kann doch gerne zu sich sagen: Alles Scheiße und mich interessierts auch nicht - hauptsache, es gefällt mir. Nur, warum postet man dann in einem Diskussionsforum ?


    Gruß
    Sascha

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  • Lieber Antracis,


    Wenn Du Dein subjektives Hörempfinden als Tatsache siehst, dann stimmt das natürlich. Das ist Deine Tatsache.


    Deine Logik, warum in einem Diskussionsforum postet, kann ich auch nicht nachvollziehen.


    Aber was soll's. Wir werden uns beide nicht überzeugen.

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Zitat

    Original von Antracis
    Das Hotter "nuschelte", worunter die Wortdeutlichkeit litt und auch auf vielen Aufnahmen vor allem in seiner Spätphase von einem mehr oder minder ausgeprägten Wobble geplagt wurde, ist schlicht eine Tatsache, die sich vollkommen geschmacksunabhängig feststellen lässt, und wenig mit dem musikalischen Hörvermögen zu tun hat.


    Genau so würde ich das auch beschreiben. Die Frage, was man dann selbst noch goutiert, mag auch mit Dingen zusammenhängen, die etwas mit dem persönlichen Geschmack zu tun haben.


    Oder aber, man entdeckt hinter den eher problematischen Seiten an Hotters Gesang noch etwas anderes - Bernd und Sascha haben da anschauliche Beispiele für benannt.


    Ich selbst mag Hotter sehr gerne - es ist eine jener Stimmen, die man sofort am Klang erkennt, eine Stimme mit Charakter - und natürlich besitze ich auch entsprechend zahlreiche Aufnahmen mit diesem Sänger, auch seine Liedaufnahmen werden von mir geschätzt.


    Trotzdem finde ich vieles, was auch im rein gesanglichen Bereich Anlass zu kritischen Anmerkungen bietet, wo es andere Sänger gibt, die das besser machen - oder Rollen, die Hotter einfach nicht liegen, Kurwenal, z. B.


    Sich über solche Fragen auszutauschen - bleiben wir bei Hotter - fand ich in Bezug auf den Wotan im entsprechenden Thread spannend und interessant.

  • Ich möchte mich ganz kurz in die kleine Auseinandersetzung zwischen Sascha (Antracis) und Rienzi (Rienzi) einmischen, weil mir der formale Sachverhalt, um den es mir dabei zu gehen scheint, am Herzen liegt und ich sonst keinen geeigneten Platz weiß, dies alternativ und allgemeiner anzubringen.


    Zunächst einmal wäre es schön, wenn Beiträge vor oder auch nach dem Absenden noch einmal rasch auf Flüchtigkeitsfehler überlesen werden würden - man ersparte anderen dann unnötiges Stocken, machmal gar die Notwendigkeit philologischen Scharfsinns...


    Saschas größere Äußerung vom Achtundzwanzigsten enthält, ebenso wie die toll formulierte von Bernd, Argumente, lieber Rienzi. Du hast bisher versäumt, mit solchen aufzuwarten. Aufzählungen ersetzen nicht die Stützung des meinungshaft Vorgetragenen.


    Auch mir gefällt nicht gerade Saschas verbale Nachlässigkeit, wenn er sagt:


    Zitat

    Was ich dabei persönlich immer nicht verstehe: Jeder kann doch gerne zu sich sagen: Alles Scheiße und mich interessierts auch nicht - hauptsache, es gefällt mir. Nur, warum postet man dann in einem Diskussionsforum ?

    .
    Aber es schwer von der Hand zu weisen, Rienzi, daß


    Zitat

    Deine [Antracis´] Logik, warum [man] in einem Diskussionsforum postet, kann ich auch nicht nachvollziehen.


    keine adäquate Entgegnung darstellt. Wenn Ihr beide gestern abend zusammengesessen und das bereits durchdiskutiert haben solltet, will ich nichts erinnert haben. Wenn aber nicht, dann ist Deine flapsige Bemerkung nur schwer mit erstens Deiner Tätigkeit des (versuchten) Diskutierens hier und zweitens mit dem Selbstverständnis eines Forums als echter Austauschplattform zur Deckung zu bringen. Wer nach dem zweiten hingeschluderten posting schon "weiß", daß keine "Einigung" erzielbar sei (was, nebenbei bemerkt, auch gar nicht mal als letztes Ziel angestrebt werden muß), dem muß man mangelnde Bereitschaft unterstellen, einmal hinsichtlich eines Bemühens, das Niveau der Unterredung selbständig zu heben, sodann im Blick darauf, die Kompetenzen des Partners vor sich selbst zur Geltung kommen zu lassen. Immerhin hat Sascha von


    Zitat

    eine[r] Tatsache


    gesprochen,

    Zitat

    die sich vollkommen geschmacksunabhängig feststellen lässt, und wenig mit dem musikalischen Hörvermögen zu tun hat.


    Dies mag sogar anfechtbar sein, mit dem Hinweis, lieber Rienzi,


    Zitat

    Wenn Du Dein subjektives Hörempfinden als Tatsache siehst, dann stimmt das natürlich. Das ist Deine Tatsache.


    ist es indes kaum getan. Du wirst schon deutlicher werden müssen und Gewichtigeres beizubringen haben, um eine Auffälligkeit, die von fast allen Hörbeteiligten gleichermaßen wahrgenommen wird, ihrer Bedeutung zu entsetzen...


    Als absolute Randnotiz muß bitte dieses jetzt betrachtet werden, ich bitte dafür gern und inständig um Nachsicht:


    Das Wort "Logik" ist immer eines der ärmsten im gesamten Abendland gewesen, im zwanzigsten Jahrhundert aber hat sich eine küchenlateinartige Verwendung bis in wissenschaftliche Publikationen (unphilosophischer Provenienz) breitgemacht, die nicht einmal mehr die entlegenen Merkmale des Begriffes zu assoziieren weiß, geschweige denn zentralere.
    Ohne hier auszubreiten, was Logik als Fachdisziplin in etwa meinen könnte, möchte ich auf Knien bitten, vom Gebrauche dieses Wortes gütig abzusehen. Das macht mich alle. Nur das Kompositum "Firmenphilosophie" kann jene üble Wirkung auf die Kennerschaft noch überbieten...


    "Argumentationsstruktur" oder, warum nicht, "Beweisführung" reichen völlig hin für das, was sich gemeiniglich und bestenfalls dann unter diesen labels auch ereignet.


    Jeder, der mag, bekommt von mir gerne Literaturempfehlungen in dieser Sache. Das ist gar nicht gönnerhaft gemeint. Nicht alle können alles gleichgut kennen. Doch gibt es nuneinmal Errungenschaften, die bereits da sind und nur noch nicht zum gros der potentiellen Interessenten durchgedrungen - zum Teil natürlich, weil sie schon mit etwas Aufwand verbunden sind. Kenntnisse im saubren Argumentieren dürften allerdings niemandem gänzlich unersprießlich scheinen...


    Ich habe hier bewußt einmal stark Allgemeines und dem armen Hotter nun wirklich nicht mehr Zugehöriges angesprochen, weil an unwirklich vielen Stellen im Forum ähnlich borniert und hilflos Threads zerpflückt wurden, bisweilen durch die Schwierigkeit, danach wieder inhaltliche Anknüpfungspunkte zu finden, gar stillgelegt. Wer davon ausgeht, daß die letzte Weisheit im unentscheidbaren Gegeneinanderhalten unterschiedlicher Meinungen (gr. doxai) bestehen müßte, hat die Pointe menschlicher Kommunikationsfähigkeit nicht recht verstanden, denn wo wären wir, wenn nicht auch Entwicklung möglich wäre in Diskussion und Diskutanten...? Daß wir innnerhalb der meisten unserer Zusammenhänge hier im Forum im technischen Sinne nicht von "Wissen" (gr. episteme) sprechen können, verhindert nicht, daß sowohl Konsens wie auch, ungleich bedeutsamer, eine Annäherung an das Wesen eines Sachverhaltes im Rahmen unsrer Möglichkeiten liegen.


    Wer dieses, womöglich dann mal wortgewandt und gar unter Rekurs auf angeblich "postmoderne" anything goes-Attitüden und Wissenschaftsverneinungsgesten wegwischt, nun, der mag dort bleiben, wo er sich befindet.


    "Wer nicht mit uns gehe, bleibe hinter uns" (Liszt an Wagner)



    Der heute schwer abstrakte Graf

  • Ich habe den alten Hotter noch auf der Bühne des Münchner Nationaltheaters erlebt und natürlich waren die kritisierten stimmlichen Beeinträchtigungen nicht wegzudiskutieren. Aber welch eine Persönlichkeit stand da auf der Bühne, beispielsweise als Großinquisitor im Don Carlos.
    Auch ich zähle mich zu den Kritikern im Solti-Ring. Und doch kann es ja nicht von ungefähr kommen, daß Hotters Paraderolle der Wotan war, daß in aller Welt seine Interpretation des Wotan als maßstabsetzend anerkannt und gefeiert wurde. Zeitweise galt er als d e r Wotan schlechthin. Verständlich wird dies erst, wenn der Darsteller Hotter dem Sänger Hotter gleichgestellt wird. Es muß von dieser Wotan-Bühneninterpretation eine künstlerische Wirkungskraft ausgegangen sein, der sich, wie mir Zuschauer der 50er und frühen 60er Jahre glaubwürdig versicherten, niemand entziehen konnte. So bleibt zumindest im Falle Hotter die Reduktion auf die Schallplatte immer mit Einbußen verbunden.


    Es kommt nicht selten vor, daß man Sängern, die auch bedeutende Schauspieler sind, allein über die Schallplatte nicht gerecht wird. Dies gilt auch für Hochdramatische wie Martha Mödl und Astrid Varnay, Künstlerinnen, die noch jenseits der 70 in kleinen Rollen eine Bühnenaufmerksamkeit erzwangen, um die sie mancher Hauptdarsteller nur beneiden konnte. Oder man denke an Anja Silja, deren Stimme selbst in jungen Jahren (ich hörte sie damals oft in Frankfurt) gewöhnbedürftig war, die aber in der Verbindung mit ihrer Darstellungskunst höchst beeindruckende Rollenporträts vorstellte.


    Florian

  • Uiuiui,


    jetzt existiert bereits eine Meta-Ebene der Diskussion mit kostenloser terminologischer Reflexion, Literaturhinweisen und Kampfrichterbewertungen der Beiträge. Gibt es im Editor auch eine Fußnotenverwaltung?
    Also bitte, in Zukunft wird etwas Rücksicht auf humanistisch und philosophisch Vorgebildete genommen. Sonst gibt's gleich mal ein Höhlengleichnis!


    LG,


    Christian

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  • Zitat

    Original von florian
    Ich habe den alten Hotter noch auf der Bühne des Münchner Nationaltheaters erlebt und natürlich waren die kritisierten stimmlichen Beeinträchtigungen nicht wegzudiskutieren. Aber welch eine Persönlichkeit stand da auf der Bühne, beispielsweise als Großinquisitor im Don Carlos.
    Florian


    Mir berichtete mal jemand so schön von den Aufführungen mit Frick als Philipp. Wenn der relativ kleine Frick auf den Hünen Hotter zuging und mit der Hand eine drohende Geste vollführte, hatte dies schon etwas unfreiwillig Komisches...

  • Hallo Herr Graf,


    Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    Zunächst einmal wäre es schön, wenn Beiträge vor oder auch nach dem Absenden noch einmal rasch auf Flüchtigkeitsfehler überlesen werden würden - man ersparte anderen dann unnötiges Stocken, machmal gar die Notwendigkeit philologischen Scharfsinns...


    von anderen philologischen Scharfsinn fordern, damit man ihn selber nicht aufbieten muss? Ich fürchte, dass ist ein unlösbarer Konflikt.


    Viele Grüße


    :hello:

  • Alle Wetter,


    da schiesst aber jemand gewaltig übers Ziel hinaus - wo kann ich so einen Waschzettel bekommen, auf dem draufsteht, was ich bitte alles beachten möge, damit meine Beiträge hinfort in neuem Glanze strahlen?


    Einen Punkt möchte ich aber unterstützen: es ist schade, dass weder Harald, noch Rienzi versucht haben, die Kritik aufzugreifen und ihr etwas entgegenzusetzen - hätte doch spannend werden können.

  • "Se vuol ballare
    Signor Contino,
    Il Chitarrino
    Le suonerò".


    Das hat anscheinend genau so wenig mit Hans Hotter zu tun,
    wie das, vom Herrn Grafen geschriebene. :D


    (Allerdings hat Hotter ja den Grafen gesungen).


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Adelige Schlechtwetterfronten können mit reichlichem Genuss von vergorenem Obst zu tun haben.
    Das geht vorüber. Ich weiß leider, wovon ich rede.


    Ich maße mir nicht an, über Hotters stimmlichen Fähigkeiten richten, deshalb:


    2 Zitate in zeitlicher Entfernung geschrieben:


    Schubert: Winterreise
    Dass Tränen nicht immer nur nach Weltschmerz klingen müssen, sondern sich auch mit nobler Größe mischen können, dass Würde inmitten von Trauer möglich ist, hat niemand so glaubhaft dokumentiert wie Hans Hotter. Es ist ein unglaublich ehrlicher, bescheidener Gesang, der beim Hörer Erschütterung und Rührung gleichermaßen weckt. Etc….
    Quelle: Fonoforum II/2008 – Seite 60


    Wagner: Der Ring des Nibelungen – Clemens Krauss
    Rheingold: „Ein insgesamt vorzügliches Ensemble wird dominiert von Hans Hotter…“
    Die Walküre: „Die Varnay und Hotter machen aus der Finalszene einen erschütternd menschlichen Dialog“
    Siegfried: „Hotter als Wanderer: Herrisch und sorgenvoll, wuchtig und doch differenziert..“


    Quelle: Hermes Handlexikon – Opern auf Schallplatten – 1. Auflage 1983


    Frägt jetzt einer der Mitstreiter, ob ich nicht auch eine eigene Meinung habe, o ja:


    Für mich war Hotter einer der Größten seiner Zunft, wobei ich keinen Gegensatz zu George London etc. konstruieren will.


    Ich hoffe, dass meine Ordogravie, die Struktur des Beitrages und die Argumente Gnade vor dero fürstlichen Augen finden.



    Gerwald

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

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  • Zitat

    Original von Rienzi
    Frägt [...]


    Ich hoffe, dass meine Ordogravie, die Struktur des Beitrages und die Argumente Gnade vor dero fürstlichen Augen finden.


    Mon trés chér Riennevapluszi,


    man kann sich immer verbessern... überdenk's noch mal... :pfeif:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Für mich war Hotter einer der Größten seiner Zunft, wobei ich keinen Gegensatz zu George London etc. konstruieren will


    Dem kann ich mich nur anschließen. :jubel: :jubel: :jubel:


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • der Vergleich ist originell. So habe ich es noch nie betrachtet.


    Zu Hans Hotter, mir hat eigentlich Hans Hotter als Holländer in der Staatsoper immer gefallen, besonders beim großen Duett mit Gottlob Frick habe ich kein Nuscheln gehört.


    Da ich aber eher kein Wagnerianer bin, bleibe ich nur bei der Partie.

  • Lieber oper337,


    ich bitte, nicht Hotter und Plato in wilder Hermeneutik zu verbinden. Allein der Graf bedurfte eines gewissen philosophischen Antikenbezugs, der von Beginn an komplett OT (schreckliche Abkürzung) war...


    Ganz LG,


    Christian

  • Joa, der Graf hat sich leider seinen eigenen Auftritt kaputtgemacht, indem er völlig überflüssig in einen schulmeisterhaften Stil abgedriftet ist ...


    Seiner Kritik kann ich im Kern zustimmen, jedoch eine Belehrung von oben herab lässt sich hier keiner gefallen.


    Noch eine Bemerkung in Richtung des Grafen: Nominalstil klingt zwar toll, ich empfinde ihn jedoch als solchen bereits unangebracht für eine Forendiskussion.


    Wenn Du schon solcherlei Attacken startest, dann komm wenigstens aus der Deckung des Nominalstils und zeige dich.

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  • Chapeau bas, Tribunus plebis, Gerwald,


    elegante Wendung auf dem Absatz, sauber, souverän und abgeklärt, Deine Replik! Zudem noch mit so angenehmer Ironie versehen!


    So muß das sein, das sieht doch wieder wie ein offener Schlagabtausch auf internationalem Niveau aus! Mein faires, aber konsequentes tackling hat also niemandes Spielfreude ernsthaft beeinträchtigt, wie schön. Obwohl der eine oder andre (selbsternannte) Linienrichter ja recht finster dreingeschaut hat...


    Und jetzt werde ich auch nicht mehr mein hochwohlgebohrnes Näschen in die Stallungen fremder Besitztümer halten... Aber immerhin gibt es mit meinem O-O-OT-Beitrag nun einen Ort, auf den ich werde verweisen können, falls es einmal Not tun sollte. Das war der einzige Grund für meine Einmischung, ansonsten wird das niemand jemals mehr erleben hier.


    Und nun doch noch rasch zum hilligen Hotter. Ich möchte, da außer seinen Eckdaten noch nichts zu seinem Lebenslauf geschrieben wurde, gern den Artikel aus meinem verläßlichen „Oxford Dictionary of Opera“ (Aufl.1992/94) wiedergeben, der sich, wie auch die dürftigen beiden Wikipedias (D u. GB), zuletzt in überschwenglichen Bewertungen ergeht:


    „Hotter, Hans (b Offenbach, 19 Jan. 1909). German bass-baritone. Studied Munich with Roemer. Debut Opava (Troppau) 1929 (Sprecher, Zauberflöte). Prague 1932-4; Hamburg 1934-7; joined Munich, Staatsoper, 1937 and subsequently Vienna, Staatsoper; London, Covent Garden, from 1947; New York, Met, from 1950; Bayreuth from 1952. Also Milan, Scala; Paris, Opera; Chicago; etc. Produced The Ring at London, Covent Garden, 1961-4. Retired 1972.


    Created Kommandant (Friedenstag) and Olivier (Capriccio); also Jupiter in the abortive first production of Die Liebe der Danae, 1944.


    A famous Pizarro, Graf Almaviva (Mozart), Sarastro, Philipp and Amonasro, and the dominating Wagner Heldenbariton of his day, celebrated as Amfortas, Kurwenal, Sachs and above all Wotan. Possessed a warm, eloquent voice and a powerful stage presence, and excelled in the noble, the tragic and the contemplative [sic]. An artist of penetrating intelligence, he considerably influenced succeeding generations of singers.”
    (Literaturverweis auf Turings Hotter-Buch, 1984.)


    Eine Stimme aus den „succeeding generations“ kann man auf Monika Wolfs Fischer-Dieskau-Seite nachlesen, wo ein statement des einen Meisters zum anderen zu finden ist.


    Ein spätes br-alpha-Interview ist ferner auf der deutschen Wikip.-Seite gelinkt.


    Hotters „Winterreise“ mit Raucheisen ist mir lieb und teuer, seine beiden Sätze im „Deutschen Requiem“ würde ich gerne einmal kennenlernen. Gleichwohl muß eine zweifelhafte oder doch durchwachsene Leistung, wie es die im Solti-Ring wohl ist, auch benannt und angemerkt werden dürfen, denn schließlich ist so eine Plattenaufnahme in einem gewissen Sinne „sub specie aeternitatis“ angelegt worden, wenn man unter „Ewigkeit“ mal eine verhältnismäßige verstehen mag. Es ist in jedem Fall recht schwierig, sich stets auf alternative und frühere Eindrücke zurückziehen zu müssen, wann immer man die beiden Werke, "Siegfried" und "Walküre", auflegt. Und mir sind leider, wie anderen hier, eigene Erlebnisse mit Hotter versagt geblieben.


    Von den hier genannten Anregungen haben mich Hotters starke Charakterzeichnung, die durchaus späteren vokalen Mängeln etwas entgegenzusetzen weiß (Bernd), seine gleichwohl großdimensionierten stimmlichen Mittel (Sascha) sowie seine genuin bühnendarstellerischen Fähigkeiten (Florian) am meisten beschäftigt. Ich werde dem weiter nachgehen und habe Lust auf den „mittleren“ Hans Hotter bekommen.



    Der heute nicht mehr so abstrakte Graf


    (der sich allerdings verbittet, es in seinem erlauchten Namen mit Schindludern zu treiben…)


    Ergänzung: Lieber thebanischer Seher, es gibt Dinge, denen kann man, ohne hier und da ein Hauptwort einzusetzen, nicht so recht zu Leibe rücken. Sei gnädig, ein "Auftritt" war hier nicht geplant, der sähe anders aus. Und bitte unterlasse die kampfeslustigen Anstachelungen (Mist, schon wieder ein Nomen!), Du wirst mich jederzeit per e-mail erreichen können und Dich mit mir verständigen, wenn Dir danach sein sollte, hm?

  • Lieber Graf Wetter von Strahl,


    Ergänzend zu Deinen Ausführungen weise auf Hotters Autobiographie:
    Hans Hotter – „Der Mai war mir gewogen…“ Erinnerungen
    Kindler Verlag 1996


    hin.
    Dieses Buch ist seinem Lehrer Römer gewidmet.


    PS: Natürlich war mein erster Einstieg zum Thread polemisch.


    Gerwald

    Otto Rehhagel: "Mal verliert man und mal gewinnen die anderen".
    (aus "Sprechen Sie Fußball?")

  • Ich muss gestehen, dass ich die Kritik am Singen Hans Hotters überhaupt nicht teilen kann. Für mich war der Klang seiner Stimme purer Wohlklang, wobei ich das Tremolo nicht überhöre. Ich finde seine Diktion auch absolut nicht undeutlich oder gar vernuschelt, sondern eher musikalisch.


    Hans Hotter war m.E. einer der musikalischsten und dramatischsten Sänger, der dem ideal des Wagner-Gesangs nahe kam wie außer ihm vielleicht nur Lauritz Melchior und Friedrich Schorr. Ohne zu Bellen, ohne zu Chargieren erreichte er nur aus der "Gesangslinie" heraus eine Ausdruckskraft, die anderen, vielleicht eleganteren Stimmführern versagt blieb. Selbst sein vielgescholtener Walküre-Wotan unter Solti gehört für mich zu den besten Wagner-Aufnahmen. Sicher, im Feuerzauber wabert die Stimme, aber: welch ein Ausdruck und welch ein Timbre! Einzigartig und selbst von Schorr oder Adam nicht annähernd erreicht war er im 2. Akt: wie er die Triolen als Ausdruck der Walküren (nur rhythmisch!) bei "mit acht Schwestern zog ich dich auf ...) rüberbringt oder diese Introspektion in der Phrase "der Welt weisestes Weib gebar mir Brünnhilde dich", das zählt zu den schönsten Momenten des Wagnergesangs. Dann: die tiefste Erschütterung im Dialog mit Fricka und - natürlich, wie schon erwähnt, am Schluss, wie er Hunding mit einem verachtend dahingeraunten "geh!" vernichtet. Hotter selbst gab zu, dass er nicht die stimmliche Sicherheit seines Schülers James Morris hatte, der hatte jedoch nicht einmal in Ansätzen Hotters Ausdruckskraft und darstellerische Größe (auch musikalisch!) erreicht.


    Ähnlich beeindruckt könnte ich mich über Hotters Gurnenmanz auslassen, den ich weit, weit über Kurt Moll oder Gottlob Frick oder Ludwig Weber stelle.


    Meine erste Begegnung mit Hotter war die Zauberflöte unter Böhm,. die Sprecherszene. Damals schon hat mich die Stimme geradezu infiziert und mich vielleicht auf den Geschmack der Oper gebracht. Seitdem sammle ich Aufnahmen mit ihm.


    Auch als Liedinterpret muss ich ihn zu den großartigsten seines Stimmfaches zählen, nicht nur in den frühen Aufnahmen. Auch die spätere Winterreise mit Erik Werba ist eine überaus klangschöne und sehr ergreifende Aufnahme. Und die vier ernsten Gesänge von Brahms mit Gerald Moore ... da hört man die Stimme des Propheten!


    Ich finde, dass Kritik an Hotters Tremolo etwa so überzeugend ist wie an Louis Armstrongs Heiserkeit.


    Gruß aus Frankfurt
    Dieter

  • Die Ausführungen von Herrn Henn kann ich nur unterstreichen. Wer den wirklich überragenden Hans Hotter erleben will muss auf die ganz frühen Aufnahmen zurückgreifen. Bei den Liedaufnahmen gibt es auch in späteren Jahren akzeptable Leistungen. Bei fast allen Opernaufnahmen der Reifezeit stört der starke "Wobble" ungmein. Das hat ja auch dazu geführt, dass Georg Solti für seine künstlerisch wertvolle Parsifal Gesamtaufnahme als Gurnemanz Hotter den noch älteren Frick vorgezogen hat. Der damals fast 70jährige Bassist rechtfertigte das Vertrauen und gestaltete einen bewegenden, stimmlich präsenten Gurnemanz, der zu den größten Interpretationen dieser Partie gehört. Man sollte bei allen Urteilen allerdings berücksichtigen, dass Hotter während seines ganzen Sängerlebens immer mit starkem Asthma zu kämpfen hatte.
    Trotz den nicht zu leugnenden Defiziten ist Hotter ein unvergesslicher Weltstar der Oper, weil er mit bedeutendsten Manifestationen dieser Kunstform untrennbar verbunden ist. Dazu kommt seine Vielseitigkeit als Regisseur und Gesangslehrer.
    Es ist auch tröstlich, dass ein überragender Künstler Einschränkungen durch Perönlichkeit, Charisma und Darstellungskunst überwinden kann.

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  • Mir berichtete mal jemand so schön von den Aufführungen mit Frick als Philipp. Wenn der relativ kleine Frick auf den Hünen Hotter zuging und mit der Hand eine drohende Geste vollführte, hatte dies schon etwas unfreiwillig Komisches...[/quote]
    Lieber Armin,
    ich habe Hotter und Frick mehrmals in "Don Carlos" als Großinquisitor und Philipp erlebt. Ihre Szene war immer ein Höhepunkt der Oper. Da war nichts Komisches zu spüren, im Gegenteil es war Dramatik pur. Die übermächtige Macht der Kriche - genial unterstrichen durch die Größe von Hotter - traf auf den leidenden, dagegen letztlich machtlosen Herrscher, auch in der Darstellung vollendet von Frick gestaltet. Dann begeisterten die beiden großen Sänger durch ein Bassduell, das ich nie wieder in dieser Intensität hörte. Sowohl Ingrid Bjoner als auch Caterina Ligendzsa erzählten mir, dass gerade diese Szene mit Hotter und Frick zu ihren unvergessslichen Bühnenerlebnissen zählte.
    Herzlichst
    Operus


    Übrigens wirkte Gottlob Frick auf der Bühne besonders als Hunding und Hagen weit grösser als er in Wirklichkeit war. Ein Phänomen, dass auch bei Josef Greindl gegeben war.

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