Bösewichte in der Oper

  • Für mich sind die Schlimmsten der hier genannten Bösewichte Scarpia, Jago und der Grande Inquisitore (nein nicht UNSERER, der ist ein dichtendes Goldstück und allenfalls das notwendige klitzekleine Bisschen böse,sondern der Echte!)


    Ein Bösewicht im engeren Sinne muss wenigstens mit bösartigem Vorsatz und vollem Bewusstsein seiner Taten handeln und eine sadistische Komponente mitbringen .
    Die sehe ich weder bei Filippo noch bei Don Giovanni, denen ich gewisse mildernde Umstände, wenn auch nciht Absolution zubilligen würde.
    Filippo ist eher ein Opfer des Grande Inquisitore und seiner eigenen Position im Staat. Dazu kommt die nciht unbegründete Eifersucht auf den eigenen Sohn, was einen alternden Mann sicher besonders schwer trifft. Keine Entschuldigung, aber mildernder Umstand.


    Don Giovanni ist ein Getriebener und eine Art ewiger Jude der Liebe .(Ich beziehe mich hier auf den Mythos des ewigen Juden Ahasverus, der durch die Welt irren muss ,ohne je Erlösung zu finden)
    Er findet trotz seiner milletre keine Erlösung oder Befriedigung, sondern wird zwanghaft von einer Frau zur Nächsten getrieben. Er fällt für mich in die Katagorie Siuchtkranker.
    Auch da gelten mildernde Umstände.
    Abgesehen davon wird er bis zum Ende geliebt (zumindest von Donna Elvira!!!), was man von den echten Bösewichten kaum sagen kann.


    F.Q.

  • Lieber Rideamus,
    wenn man nur das berücksichtigt, was in der Oper"Don Giovanni" passiert, kann man meiner Meinung nach nicht von einem echten "Bösewicht"sprechen. Zu dem Duell wird er vom Komtur gezwungen und für die anderen Vergehen, könnte Don Giovanni höchstens als Verführer bezeichnet werden. Ob auch Minderjährige bei den Verführten waren, geht aus der Opernhandlung nicht hervor.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Liebe Fairy,


    jetzt kommen wir aber in erhebliche Untiefen. Bei Scarpia und Jago sind wir uns vollkommen einig. Wenn es den Bösewicht definiert, dass er etwas aus reiner Bosheit tut um ohne Not anderen so nachhaltig wie möglich zu schaden, dann ist aber auch der Großinquisitor vom Haken, denn auch er glaubt nur, dass der Zweck die Mittel heiligt. Schließlich gibt es keinen heiligeren Zweck als den, für den er - mindestens subjektiv - steht.


    Es mag ja sein, dass Getriebenheit und Sucht für mildernde Umstände gut sind. Aber zu den dümmeren Sprichworten gehörte für mich schon immer "alles verstehen heißt alles verzeih'n." Was haben die Opfer davon, dass man die Verstricktheit der Täter nachvollziehen, vielleicht sogar mit Verständnis betrachten kann? Sind dann nicht auch Neid und krankhafter Ehrgeiz Triebkräfte, die den Täter stark genug beherrschen können, dass er nicht Herr seiner Entscheidungen ist?


    Damit wären mit einem Schlag praktisch alle negativ besetzten Figuren Verdis exculpiert oder mindestens für sehr mildernde Umstände gut. Bei manchen tragischen Figuren, die Gutes wollen, aber Schlimmes tun, mag das angehen, zum Beispiel bei Fiesco aus SIMON BOCCANEGRA oder Don Carlos aus DIE MACHT DES SCHICKSALS, vielleicht sogar, obwohl auch ich mich da schon sehr schwer tue, der Calaf der TURANDOT. Anders verhält es sich mit Paolo aus der gleichen Oper, der für mich in dieselbe Kategorie gehört wir Jago. Wie auch Wurm in der LUISA MILLER. Beide sind für mich ganz finstere, weil rücksichtslos egoistische Bösewichte, die noch unter Mephisto stehen, weil der ja eigentlich nur seinem Beruf bzw. seiner Berufung nachgeht. Kriegt der auch mildere Umstände?


    Der Herzog des RIGOLETTO oder DON GIOVANNI gehören für mich zwar in eine andere Liga, denn sie wollen nichts Böses an sich, nur zu gerne Gutes für sich. Für mich sind sie aber trotzdem Bösewichte, denn sie machen sich - sogar serienmäßig - der Missachtung des Wertes eines anderen Lebens schuldig. Mag das nicht immer justiziabel sein, für mich steckt darin des Pudels Kern.


    In diesem Sinne: über welche Sorte von Bösewichten reden wir jetzt in diesem Thread?


    :hello: Rideamus

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Lieber Rideamus,
    wenn man nur das berücksichtigt, was in der Oper"Don Giovanni" passiert, kann man meiner Meinung nach nicht von einem echten "Bösewicht" sprechen. Zu dem Duell wird er vom Komtur gezwungen und für die anderen Vergehen, könnte Don Giovanni höchstens als Verführer bezeichnet werden. Ob auch Minderjährige bei den Verführten waren, geht aus der Opernhandlung nicht hervor. :hello:Herbert.


    Lieber Herbert,


    meine Beobachtungen zu den verschiedenen Kategorien von Bösewichten haben sich mit Deiner Post gekreuzt. Natürlich ist der Don Giovanni nicht mit einem Scarpia, Paolo oder Wurm auf eine Stufe zu stellen.


    Dennoch: für mich bleibt der Tot des Komturs ein Totschlag, denn was sich da abspielt, ist kein von den damaligen Sitten sanktioniertes Duell - dazu fehlen ihm u. a. die mit gutem Grund vorgeschriebenen Formvorschriften -, sondern die Tötung eines Menschen, damit er nicht als Missetäter erkannt wird. Wäre Giovanni seine Tat so harmlos vorgekommen, wie Du sie darstellst, warum hat er sich nicht einfach zu erkennen gegeben? Klar: er will den Alten eigentlich nicht töten, aber er könnte es auch vermeiden, wenn er zu seiner Tat stünde. Ich bleibe dabei: Unfallflucht in Verbindung mit Totschlag. Was, anders als bei den ganz schlimmen Bösewichten, für ihn spricht, ist, dass er keine schlimmen Folgen plant, wohl aber bleibt es ein Argument, dass er sie leichtfertig in Kauf nimmt, und das auch noch serienmäßig.


    Was die serienweise Verführung betrifft: nicht von ungefähr haben Casanova und Don Giovanni zwar die gleiche Krankheit, aber einen sehr unterschiedlichen Ruf. Und ob 1003 spanische plus Xhundert ausländische Frauen einfach nur "verführt" wurden? Sowohl Donna Anna als auch Zerline schreien ja wohl nicht nur "hinterher" - um den Text des hier kürzlich umstrittenen Beethoven-Liedes aufzugreifen.


    In einem aber stimme ich Euch zu: unter echten Bösewichten verstehe ich auch etwas anderes. Ich leugne ja nicht, dass Giovanni attraktiv ist und seine gewinnenden Seiten hat. Nur dachte ich, dass wir über die Pauschalsanktionierung rücksichtsloser Befriedigung männlicher Bedürfnisse heute schon etwas weiter hinaus seien. Kann es wirklich noch angehen, dass eine Salome, für die zudem noch jugendliche Verblendung sprechen mag, schlimmer angesehen wird als Don Giovanni? Schließlich will sie doch auch nur um jeden Preis ihren Mann haben. :pfeif:


    :hello: Rideamus

  • Lieber Advocatus mali Rideamus, bei mir wird weder Don Giovanni noch Felipe exculpiert, sie stehen nur nciht auf derselben Stufe wie der Grande Inquisitore oder Jago oder Scarpia. Hab ich doch geschrieben! :yes:
    Mildernde Umstände sind nicht dasselbe wie Absolution. :no:
    Sagen wir es mal so: Scarpia landet im untersten Kreis der Dante- Hölle. Keine Diskussion. Das ist ein Sadist der übelsten Sorte und hat nicht Besseres verdient.
    Der Grande Inquisitore darf den im Inferno ansässigen diversen Päpsten Gesellschaft leisten und die gleichen Torturen erdulden wie seine einstigen Opfer, nur eben auf immer und ewig und ohne Aussicht auf Erlösung durch den Tod.
    Jago kommt in den Kreis der Neidischen und Eifersüchtigen; ich glaube, die stecken kopfüber in irgendwelchen Fässern und werden an den Füssen angesengt oder so ähnlich. Ich schaue nachher mal nach.


    Don Giovanni bekommt bei mir verschärftes Fegefeuer und nciht die Hölle.
    Ich bin leider vom Donna Elvira-Virus angefallen, seit ich Ruggero Raimondi im Film von Losey erlebt habe. :faint:
    Was er da im Fegefeuer so alles erlebt, darüber kann man eine neue Divina Commedia schreiben. Ich würde ihm als Seelenführer Augustinus zur Seite stellen, der kennt sich mit der Umkehr und Busse in solchen Fällen aus.
    Filippo bekommt als Seelenführerin statt Beatrice dann die inzwischen heilig gesprochene Elisabetta und gelangt nach mehreren hundert Jahren Busse schliesslcih doch noch geläutert in paradisum an Posas Seite .


    Was die anderen Bösewichte angeht: jeder bekommt das was er verdient und das was der jeweilige Richter ihm zusprciht.
    Salome fällt unter Jugendschutz und gehört in ein Heim für gefährdete junge Mädchen und nicht in die Hölle.
    Notfalls kann man auf seelische Misshandlung durch die Eltern und Missbrauch jeder Art plädieren.
    Für Lulu muss man da leider etwas härtere Bandagen anlegen: sie kann Don Giovanni Gesellschaft leisten und das verschärfte Fegefeuer besteht dann auch darin, dass die Beiden einen hochgeladenen Elektrozaun um sich herum haben mit Schild :"Ne pas toucher , danger de mort"


    Ich habe oben gelesen, dass auch Sarastro unter die Bösewichte zu rechnen sei, finde ich serh bedenkens- und diskussionswert......
    Aber erstmal hier zu Ende kommen.


  • Ich muß gestehen, daß mich in der Oper diese psychologischen Aspekte eigentlich wenig interessieren. In der Oper, die sowieso fern jeglicher Realität ist, interessiert mich viel mehr, wie die Sängerinnen und Sänger die guten oder bösen Charaktere interpretieren.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Vollste Zustimmung, lieber Herbert!


    Du sprichst mir aus der Seele,


    genau das Gleiche empfinde ich auch!


    :hello: Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Ich muß gestehen, daß mich in der Oper diese psychologischen Aspekte eigentlich wenig interessieren. In der Oper, die sowieso fern jeglicher Realität ist, interessiert mich viel mehr, wie die Sängerinnen und Sänger die guten oder bösen Charaktere interpretieren.


    :hello:Herbert.


    Da treffen wir uns ganz leicht. Es ist ja bekannt, dass die Schurkenrollen für jeden Schauspieler und Bariton die attraktivsten sind (Tenöre haben die Chance ja viel seltener), und das mit gutem Grund.


    Aber der Thread geht halt um Bösewichte in der Oper und nicht um Sänger von Bösewichten. Wie anders als über eine Beurteilung ihrer Taten, und nicht ihrer Darstellung, soll man dem näher kommen?


    @ Fairy:
    mit diesen Ausführungen und Strafregistern kann ich mich problemlos identifizieren. Der Sadismus, den Du dem armen Filippo angedeihen lässt, nämlich das Leben neben einer Heiligen weiterführen zu müssen, ist allerdings beeindruckend.


    :hello: Rideamus

  • Mein Lieblingsbösewicht ist Gregor Mittenhofer aus Henzes Elegie für junge Liebende.


    Trotz des sehr granteligen und exzentrischen Humors, den zumindest ich in dieser Oper finde, ist Mittenhofer, "ein Dichter", nicht die Karikatur eines Bösewichts - also weder eine beabsichtigte, noch eine unbeabsichtige Karikatur. Wie jeder echte "Bösewicht" ist er stattdessen komplexer, obwohl seine Handlungen eindeutig "böse" sind. (Vorausgesetzt natürlich, dass man an diesem moralischen Dualismus festhalten möchte.)


    Falls jemand mit der Handlung dieser Oper nicht vertraut seien sollte, hier eine kurze Zusammenfassung:
    Verkauzter und egozentrischer Poet (Mittenhofer) lebt in einem Berghotel in den Alpen, umgeben von ihm hörigen Bekannten, die seinen scheinbaren Genius demütig bewundern.
    Zu diesem Kreis gehört auch Hilda (Mittenhofer: "die Irre"), die seit vierzig Jahren darauf wartet, das ihr Bräutigam, der einst in den Alpen verschollen ist, zurückkehrt. Seitdem hat sie Halluzinationen und Visionen, die Mittenhofer literarisch verwertet.
    Als die Leiche ihres Mannes gefunden wird und Hilda wie aus einer Trance erwacht, sind "des Meisters fremde Visionen versiegt", und er hat kein Interesse mehr an ihr.


    Die hauptsächliche Bösartigkeit seines Handelns liegt nun allerdings darin, dass sich seine Geliebte in den Sohn seines Arztes verliebt und sie schließlich von ihm gebeten werden, ihm in den Bergen ein Edelweiß zu pflücken, obgleich sich das Wetter verschlechtert - und als ein Schneesturm hereinbricht verschweigt Mittenhofer dem nachfragenden Bergführer, dass noch jemand in den Bergen sei, und so kommen die "jungen Liebenden" in den Bergen ums Leben. Diesen Tod wiederum nutzt er für sein neuestes Gedicht, nämlich der "Elegie für junge Liebende", die Toni und seiner Geliebten gewidmet ist.


    Die Oper endet noch vor dem Vortrag dieses Gedichtes. Wir sehen Mittenhofer, der sich im Spiegel betrachtet ("Wen bewundern wir? Gregor! Gregor! Gregor!"), schließlich zu seinem Lesepult tritt und die Anwesenden begrüßt:
    "Euere Durchlaucht, euere Exzellenz, Herr Kultusminister, meine Damen und Herren. Ich eröffne meine Lesung mit dem letzten Gedicht, das ich geschrieben habe, "Elegie für junge Liebende". Es ist dem Gedächtnis von Toni Reischmann und Elisabeth Zimmer gewidmet, einem schönen und tapferen jungen Liebespaar, das, wie einige von Ihnen wissen, kürzlich auf dem Hammerhorn den Bergtod fand.


    Auf dass der Tod sie nicht scheide!


    Er öffnet das Manuskriptbuch und beginnt zu lesen, feierlich und fast ohne Gesten. Wir hören keine wirklichen Worte, doch aus dem Hintergrund ertönen, eine nach dem anderen, die Stimmen all derer, die zum Entstehen des Gedichts beitrugen:


    Hilda mit ihren Visionen, Carolina mit ihrem Vermögen und ihrer Fürsorge, Doktor Reischmann mit seinen Arzneien. Toni und Elisabeth mit ihrer illusorischen aber dichterisch verwendbaren Liebe. Die Lichter verlöschen, bis nur noch ein Scheinwerfer auf Mittenhofer verbleibt. Sein Gedicht ist beendet, die Oper ist aus.


    Vorhang fällt langsam."



    (Mich erinnert das Ganze immer an Thomas Bernhard, weil auch in vielen seiner Stücke ein egozentrischer Dichter / Professor / Philosph steht, der seine Umgebung mehr oder minder tyrannisiert und für seine Zwecke ausbeutet et cetera et cetera.)


    Hm. ?(
    Allerdings: wenn ichs jetzt Recht bedenke, dann würde ich ihn gar nicht als Bösewicht bezeichnen. Bezogen auf eine Oper wäre wohl die Frage, ob eine böse Tat ausreichend ist, um auch als Bösewicht charakterisiert zu werden. ?(

    Wenn ich mir vorstelle, was es für Deutschland bedeuten würde, wenn die heilige Kuh zu uns käme, welches Glück und welcher Segen ginge von allgegenwärtigen heiligen Kühen aus!

  • Zitat

    (Tenöre haben die Chance ja viel seltener)


    Ja das ist richtig, trotzdem finden wir gerade bei Rossini einige herrlich böse Tenor-Rollen.


    BIANCA E FALLIERO-CONTARENO-VENEDIG UM 1600
    Contareno will seine Tochter Bianca mit dem Senator Capellio verheiraten, die aber liebt Falliero, einen Admiral der Flotte. Als Falliero einer Intrige, bei der Contareno nicht ganz unbeteiligt ist, zum Opfer fällt und dessen guter Ruf beschädigt ist, ist er es, der die Anklage gegen Contareno verfasst und ihn mit abstrusen Vorwürfen anschwärzt. Er treibt den Prozess gegen Falliero voran und schafft es tatsächlich, dass Falliero zum Tode verurteilt wird.
    Die Hinrichtung aber wird von Capellio [Bass] verhindert.


    Inhaltsangabe findet ihr auch im Opernführer.


    RICCIARDO E ZORAIDA-AGORANTE-NUBIEN
    Agorante ist der König von Nubien, er hat die Geliebte des Kreuzfahrerfürsten Ricciardo, Zoraide gefangengenommen und will sie heiraten, sie aber weigert sich. Daher lässt er sie zum Tode verurteilen, um Ricciardo "anzulocken" um ihn gefangen zu nehmen und ihn statt ihr zu töten. Der raffinierte Plan geht auf und Agorante bietet Ricciardo einen Tausch an. Zoraides Todesstrafe kann abgewendet werden. Es muss sich ein Ritter finden, der bereit ist für sie einen Kampf gegen einen Ritter von ihm, dem König zu streiten und zu gewinnen.
    Zoraide stimmt zu, allerdings muss darf sie sich den Ritter nicht aussuchen, der für sie streiten soll.
    Agorante stellt seinen Ritter schon auf: RICCIARDO muss für Agorante streiten.
    Er stimmt zu, als hätte er eine andere Wahl. Agorante lässt Zoraide ins Gefängnis werfen, sie soll dort solange bleiben, bis jemand für sie streiten will.



    Agorante hat alles richtig gemacht:
    Ricciardo will Zoraide heiraten. Sie wird umgebracht, wenn er gewinnt. Wenn er verliert, lebt Zoraide, aber er ist tot. Agorante spekuliert darauf, dass Ricciardo freiwillig verliert und dass er, Agorante, die vom Schmerz über den Tod des Geliebten betäubte, Zoraide heiraten kann. Ricciardo und Zoraide können nur verlieren und Agorante nur gewinnen. Ein bösartiger Geniestreich!


    Aber alles wendet sich zum Guten, wie lest ihr am besten im Opernführerbeitrag zur Oper nach! :baeh01:


    Bei dieser Oper ist der Zuhörer in der fantastischen Lage ein "Duell" Guter Tenor vs. Böser Tenor zu erleben. Einfach herrliche Duette, hier trafen einst die besten Tenöre der Welt aufeinander und singen sich ihre Verachtung ins Gesicht. Pure Magie!


    LG joschi

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  • Ein zweifelsfrei "echter" Bösewicht, der es an Garstigkeit wohl auch mit Scarpia aufnehmen kann, ist Cim-Fen aus Franco Leonis veristischer Oper L'oracolo. Dieser Bösewicht ist allerdings mal wieder Bariton. Was ihn vielleicht von den meisten seiner bösen Kollegen unterscheidet, ist, dass er trotz seiner Verschlagenheit nicht besonders geschickt ist, in dem was er tut.


    L'oracolo spielt Anfang des 20.Jahrhunderts im chinesischen Viertel von San Francisco. Cim-Fen ist Besitzer einer Opiumhöhle. Er möchte Ah-Joe, die Tochter eines reichen Kaufmanns heiraten, blitzt aber bei diesem ab, als er um ihre Hand anhält. Er entführt den kleinen Bruder Ah-Joes und bietet sich gleich scheinheilig als Helfer bei der Suche an, wenn er dafür die Schwester heiraten darf. Ah-Joe hat allerdings bereits einen anderen Geliebten. Dieser kommt Cim-Fen auf die Schliche und wird von Cim-Fen hinterrücks mit einem Axthieb in den Schädel ermordet, als er das entführte Kind befreien will. Cim-Fen stopft daraufhin den kleinen Jungen in eine Kloake. Schließlich wird er vom Vater des ermordeten Geliebten überführt und versucht auch noch diesen zu töten. Er zieht allerdings diesmal den Kürzeren und wird mit seinem eigenen Zopf erwürgt.


    Ich denke, das reicht für einen Einakter, der in der einzigen erhältlichen Einspielung gerade mal 65 Minuten dauert. Tito Gobbi, der Bösewicht vom Dienst, singt in dieser Aufnahme den Cim-Fen.

  • Woher käme denn die Dramatik in er Oper, wenn diese Kunstform nicht nur so von Bösewichten strotzen würde. Wenn ich alles hinterfrage und nach Motiven und Beweggründen suche, dann kann ich jedes Verhalten erklären. Sogar der Inbegriff des Bösen der Hagen in Götterdämmerung ist so gesehen ein vom Schicksal gefangener Erfüllungsgehilfe von Alberich. In der Mannenszene mahnt er die Mannen:
    " Hold seid der Herrin,
    helfet ihr treu;
    traf sie ein Leid,
    rasch seid zur Rache"!
    Ist das ein Anflug von Rechtschaffenheit oder Mitleid mit dem betrogenen Weib?
    Genau diesen Zwiespalt konnte Gottlob Frick in seinem Rollenporträt bei aller schwarzen Dämonie und dramatischen Wucht erlebbar machen.
    Ist das die Dimension, die seinen Hagen so unvergesslich macht?
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!


  • Nicht zu vergessen, dass in Rossinis "Otello" auch der Jago ein Tenor ist!!
    lg Severina :hello:


  • Lieber Operus,


    ich gebe Dir da vollkommen Recht, was den Hagen anbelangt! Obwohl er erst mal als die Inkarnation des Bösen daherkommt, so ist er doch letztendlich keine so eindimensionale Figur, wie man vielleicht zunächst annimmt und wie es an der Oberfläche erscheint. Auch er ist innerlich zerrissen und führt seinen Mord-Auftrag nicht ohne Selbstzweifel aus. Im Libretto mache ich das besonders an einer Stelle fest, nämlich dem Gespräch mit Alberich:


    Gab mir die Mutter Muth,
    nicht mag ich ihr doch danken,
    dass deiner List sie erlag:
    frühalt, fahl und bleich,
    hass' ich die Frohen,
    freue mich nie!


    An Wagners "Ring" finde ich gerade so faszinierend, dass es meiner Meinung nach KEINE Figur gibt, die nicht ein bisschen Licht oder Schatten hat.


    Best, F. :beatnik:

  • Hallo,


    obwohl eine unglückliche Gestalt,
    Hofnarr und liebender Vater,
    so ist er doch auch Auftraggeber für einen Mord.
    Rigolletto X(
    zumindest nach unserer Rechtsprechung ist dies zu verurteilen.


    Aber bei allem. Es ist meine Lieblingsoper.


    Gruß
    Siegfried

    ASA-Lautsprecherboxen
    für die anspruchsvollsten Hörer.

  • Ja, Rigoletto ist kein Held in meinen Augen.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Rigoletto ist ein tragischer Held.
    Der Zuschauer wird ihn am Ende nciht verdammen, sondern tiefes Mitleid mit ihm empfinden, wenn er seine Rolle gut gemacht hat.
    So wie er am Ende gestraft wird, das kommt den Helden der griechischen Tragödien gleich!!!!!
    Ein Missgestalteter, der seine engelgleiche Frau zu früh verloren hat, nun seine Tochter als Ersatz über alles in der Welt liebt, dem seine Rolle als Hofnarr verhässt und sein Leben am Hofe eines Libertins eine Qual ist. Der in seinem Leid verblendete Fehlentscheidungen trifft und draussen in der Welt zum kalten Zyniker wird.
    Aber seine verschüttete Zärtlchkeit nciht zuletzt in wunderbarsten Duetten zeigen darf.
    Und am Ende zum Auftraggeber des Miordes an der eigenen Tochter wird. Das ist in meinen Augen kein echter Bösewicht sondern ein vom Schicksal Verhöhnter und Gebeutelter.
    Ich habe den Rigoletto vor wenigen tagen auf der Bühne gesehen und finde auch , dass es eine der stärksten Opern Verdis ist.
    Wenn der Sänger seine Sache nur halbwegs gut macht, rührt er das Publikum zu Tränen und wird zum Helden des Abends!


    F.Q.

  • Hallo,


    man könnte das Schicksal des Rigoletto als Beispiel für Theodor W. Adornos Diktum aus den "Minima Moralia" nehmen, dass es kein richtiges Leben im falschen geben kann. Und dadurch dass er seine Tochter total vor der Außenwelt abschirmt, hält er sie in einem fast kindlich-naiven Zustand, der die Katastrophe ja gerade erst möglich macht. Rigoletto führt ein Doppelleben, an dessen moralischen Widersprüchen er letztlich zugrunde gehen muss.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Mein Lieblings - Bösewicht ist der


    Jago,


    aus Otello, von Verdi.


    Er macht Böses, und meint dann nur: Ich sei Böse, wieso denn?


    Aldo Protti hat an der Wiener Staatsoper diese Rolle, und den Rigoletto, sehr oft gesungen, und ich kannte ihn persönlich sehr gut, er wohnt im selben Haus, wie meine Tante, wenn er in Wien war.


    Liebe Grüße sendet Euch Peter aus Wien, am schwülem Sommerabend.

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