Gestrichen?! – Sehnsüchtig erwartete Neuauflagen bedeutender Aufnahmen

  • Der englische Mailorder-Shop "Presto Classical" bietet anscheinend inzwischen auch einen Service an, bei dem CDs auf Anfrage gebrannt werden, mit originalen Beiheft usw.
    M.E. preislich unattraktiv (oft LP-Länge um 50 min, nahezu Vollpreis und mehr als 50% teurer als der Download), aber vielleicht ist das für manchen ja der bevorzugte Weg zu einer vergriffenen Aufnahme:


    http://www.prestoclassical.co.uk/r/DG%2BArchiv/4156752

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Frank,


    ja, dieser grosse CD-Wunsch, der sich über Jahre hinzog, weil ich die CBS-LP abgegeben hatte, hat sich bereits 2013 erledigt.
    :jubel: SONY-JAPAN hat die Entremont/Ozawa-Aufnahme im Anfang 2013 wieder aufgelegt und dabei auch das alte LP-CBS-COver wiederverwendet:


    71HcNUEYcAL._AC_UL300_.jpg
    SONY, 1991, ADD


    Es ist einmalig wie perfekt Entremont jede Feinheit, jede Phrase interpretiert - und sich mit Ozawa zu ein grossartigen Zusammenspiel vereint. Das dann die Klangqualität dieser ehemaligen Quadro-Aufnahme noch wie aktuelle Digitalaufnahme klingt, ist ein weiterer Bonus.


    *** Da ich ja seit dieser früheren LP-Zeit immer auf der Suche einer vergleichbaren Aufnahme des Khatchaturian-KK-Aufnahmen geworden bin, wurde ich Sammler fast aller Khatchaturian-KK-Aufnahmen und kann als heutiges Fazit sagen:
    Das ist nach wie vor die beste und mitreissenste Interpretation des Khatchaturian-KK.
    Spielzeiten KK: 15:21 - 11.42 - 9:48 = 36:51


    Auch die Ungarische Fantasie von Liszt gehört zu den besten Aufnahmen, die es locker mit Shura Cherkassky aufnehmen können - nur das saftige Orchester unter Ozawa mit prägnanten Pauken - da kommt die alte Cherkassky unter Karajan bei weitem nicht heran !
    :thumbup: Die CD steht bei mir auch bei den >>Unverzichtbaren Klassikaufnahmen<<.




    Die Entremont-Box wäre natürlich alleine schon vom Preis ein Hammer, wenn ich nicht mit allen enthaltenen Werken schon sehr zufriedenstellend eingedeckt wäre - im Falle von Grieg, Bernstein, Saint-Saens, Gershwin und Khatchaturian+Liszt auch genau mit den enthaltenen Aufnahmen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Für mich hat sich die Anschaffung der Entremont-Box jedoch gelohnt und ich kann mittlerweile teletons Urteil gerne bestätigen. Auch bei mir findet sich schon eine ganze Menge Khatchaturian - mit und ohne Flexaton.


    Besonders freue ich mich über das Konzert von André Jolivet, das ich jetzt zum dritten Mal besitze und das mir ebenfalls in dieser Einspielung am meisten zusagt.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hallo,


    ich weiß nicht, ob es sich nach allgemeinen Verständnis um eine bedeutende Aufnahme handelt - aber bedeutend ist sie IMHO durchaus, da es nicht viele Alternativen gibt. Und zwar hätte ich gerne eine Wiederauflage dieser Box des Labels Naive, denn an Gesamtaufnahmen der Streichquartette Milhauds herrscht ein empfindlicher Mangel:



    Leider hält man es bei Naive nicht für nötig, auf meine Anfrage nach einer erneuten Veröffentlichung hin zu reagieren. :cursing:
    Gut, vielleicht auch naiv von mir, damit zu rechnen... :P


    Grüße
    Frank

  • Leider hält man es bei Naive nicht für nötig, auf meine Anfrage nach einer erneuten Veröffentlichung hin zu reagieren.
    Gut, vielleicht auch naiv von mir, damit zu rechnen...


    Falls als Zwischenstop erst einmal eine Kopie reicht, lass es mich wissen, Frank.
    MfG
    lutgra

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  • Danke Dir, Lutz. :)
    Ich hätte darauf gewettet, dass ein quartettophiler Sammler wie Du diese Aufnahme besitzt... :D


    Ich warte gerne noch bis zur nächsten Verfügbarkeit.
    Eventuell erbarmt sich ja CPO (hilfsweise auch Naxos) irgendwann und startet eine neue Serie.


    Grüße
    Frank

  • Ich hätte darauf gewettet, dass ein quartettophiler Sammler wie Du diese Aufnahme besitzt...


    Sie stand schon längere Zeit auf meiner Liste, der Kauf wurde aber immer verschoben; als ich dann realisierte, dass sie bei den üblichen Quellen mehr oder weniger gleichzeitig verschwand, und Mondpreise auftauchten, habe ich mich erinnert, dass sie auch beim lokalen Händler (Einklang in Stuttgart) steht und schnell die letzte Box gekauft. Bei Kammermusikaufnahmen ist das besonders kritisch, wenn die vom Markt verschwinden. Die kommen oft nicht wieder, siehe Ernst Toch bei jpc. Habe ich zum Glück auch alle zusammen.

    Am Wochenende fand ich bei einem schwedischen online Händler zufällig für € 20 diese hier, die beim Werbepartner seit 2 Jahren nur zum Mondpreis (€ 220!!) angeboten wird. Da ich Folge 1 und 3 schon hatte, ärgerte mich das natürlich (Sammlerwahn). Jetzt kann ich ruhig schlafen. :D

  • Die Milhaud-Quartette besitze ich auch (die waren damals sogar runtergesetzt): Sie sind wirklich phantastische Musik in guter Aufnahme.
    Im Konzertsaal sind sie praktisch nie zu hören, selbst in der Musikstadt Berlin ...

  • Ich höre gerade auf einer Doppel-LP zwei große Opern-Querschnitte aus "Rigoletto" und "Der Troubadour" in deutscher Sprache. Die Solisten des "Rigoletto" sind Mimi Coertse, Sonja Draksler, Waldemar Kmentt, Walter Berry und Elisabeth Sobota. Es spielt das Orchester der Wiener Volksoper unter der Ltg. von Argeo Quadri.
    Die Solisten des "Troubadour" sind Gerda Scheyrer, Sonja Draksler, Waldemar Kmentt, Eberhard Wächter und Ludwig Welter. Ferner Chor und Orchester der Wiener Volksoper unter der Ltg. von Franz Bauer-Theussl. Sehr gute Aufnahmen in einer Besetzung, die zu dem Besten gehörte an deutsch-sprachigen Interpreten. Es handelt sich um Aufnahmen der Firma ARIOLA/EURODISC:


    Mein Wunsch wäre hier eine Neuauflage auf CD. (Es könnte ja mal was passieren mit meinen wertvollen Platten.)

    W.S.

  • Die Milhaud-Quartette besäße ich liebend gerne! Aber nicht zu diesem Preis!


    :( Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

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  • Ganz habe ich die Veröffentlichungspolitik der DGG nicht wirklich durchschaut.
    Irgendwann wurden die wichtigsten Aufnahmen in der Sereie "The Originals" zum Midprice vermarktet. Etwas später startete die Serie "Eloquence" mit teilweise überschneidendem Program zum Budgetpreis. Beide Serien sind irgendwann eingeschlafen.
    Dann gab es das Angebot gestrichene Aufnahmen zum VOLLPREIS "on demand" zu liefern - als GEBRANNTE CDs. Und nun finde ich zahlreiche Wiederveröffentlichungen - wieder zum VOLLPREIS - als "Neuerscheinung" angeführt. Interessanterweise habe ich allmählich an den dort beinhalteten Interpreten weitgehend das Interesse verloren. Zum Teil, weil ich deren Aufnahmen schon weitgehend in meiner Sammlung habe, zum Teil weil deren Aura erloschen ist und zudem die Tontechnik zwar gut - aber nicht überragend ist. Tempi passati....


    mfg aus Wien
    Alfred

    POLITIKER wollen stets unser Bestes - ABER WIR GEBEN ES NICHT HER !!!



  • das Beethovenjahr macht möglich, worauf ich schon lange gewartet habe: eine Wiederauflage von Buchbinders sämtlichen Diabelli-Variationen.



    Er hat Jehova gesagt!

  • Australian Eloquence hat sich bekanntlich zahlloser Einspielungen angenommen, die seit langem nicht mehr erhältlich oder gar noch nie (international) auf CD erschienen waren. Ich will hier nur einen Fall nennen, wo es diesem Label zu verdanken ist, dass eine künstlerisch bemerkenswerte Darbietung am Ende doch noch auf Compact Disc gelangte:


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    Der englische Pianist John Lill gewann 1970 mit eben dieser Darbietung des Klavierkonzerts Nr. 2 von Brahms den Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau. Er wird heißblütig begleitet vom Sinfonieorchester des Allunions-Rundfunks der UdSSR unter Gennadi Roshdestwenski. Die Aufnahme war davor als LP 1970 bei Melodia in der Sowjetunion und 1971 bei der Deutschen Grammophon im Westen erschienen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Weiß jemand hier im Forum ob die Aufnahmen der Haydn Sinfonien von Leslie Jones und dem Little Orchestra of London jemals auf CD erschienen sind? Die Schallplatten sahen etwa so aus:


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    In den 70er und 80er Jahren waren diese neben Dorati fast die einzige Möglichkeit an frühe (pre Paris und London) Haydn Sinfonien heranzukommen. Die Aufnahmen waren (so weit ich das in Erinnerung habe) sehr gut musiziert und mit einem (wie der Name schon sagt) eher kleinerem Orchester gespielt.


    LG aus Wien.:hello:

    LG aus Wien.:hello:

  • Der englische Pianist John Lill gewann 1970 mit eben dieser Darbietung des Klavierkonzerts Nr. 2 von Brahms den Internationalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau.

    Ohnehin ein bemerkenswerter Pianist, der sich später stark auf Beethoven fokussiert hat und eine sehr hörenswerte GA der Klaviersonaten vorgelegt hat (die auch einer Wiederveröffentlichung harren würden). Die Diskographie von John Lill krankt daran, daß er zumeist für kleine Label aufgenommen hat, bei denen ich mir gar nicht mal sicher bin, ob es die noch gibt, und wenn nicht, wer denn heute die Rechte an dem Backkatalog hat. Brahms KK 1 entstand im Umfeld der EMI, eine Box mit beiden KKs gabs bei ASV. Hier also die Beethoven GA, deren Einzelaufnahmen bei verschiedenen Labeln gemacht wurden und die in Teilen mal von Brilliant gestreut wurde.

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    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • sehr hörenswerte GA der Klaviersonaten vorgelegt hat (die auch einer Wiederveröffentlichung harren würden).

    Diese GA war sogar komplett in der 40-CD-Box von Brilliant enthalten, die ich in den 90ern als Kind geschenkt bekommen hatte. Deshalb habe ich Beethovens Klaviersonaten mit John Lill kennengelernt! Aber auch die gibt es nicht mehr...

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • John Lill ist ein gutes Stichwort. Australian Eloquence erbarmte sich ja unverhofft seiner stupenden Darbietung des 2. Brahms-Klavierkonzerts unter Roshdestwenski. Beim selben Tschaikowski-Wettbewerb 1970 in Moskau teilte sich Lill den 1. Platz damals mit dem sowjetischen Pianisten Wladimir Krainew, der das 1. Klavierkonzert von Tschaikowski unter demselben Dirigenten darbot. Es handelt sich nebenbei um Roshdestwenskis einzige Sowjetaufnahme dieses Werks (Nr. 2 und 3 spielte er mit Igor Shukow im Studio ein). Diese grandiose Produktion ist nach meinem Kenntnisstand nicht einmal seinerzeit von einem westlichen Label in Lizenz übernommen worden. Eine Neuauflage, ob nun als CD oder bloß digital, wäre dringend geboten.


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    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Etliche der Operngesamtaufnahmen Karajans für EMI (1970er und frühe 80er) sind seit langer Zeit nur schwer erhältlich. Besonders Verdis "Don Carlo" (italienisch, vieraktige Fassung Mailand 1884) von 1978 verdiente eine Neuauflage. Kennengelernt habe ich diese Oper zwar mit Giulini (ebenfalls EMI), aber der Funke sprang erst bei Karajan so richtig über. Stimmenfreunde wird das vielleicht wundern, weil erstere Aufnahme tendenziell höher im Kurs zu stehen scheint. Wie so häufig aber, hat kaum ein anderer Dirigent den Orchesterpart, der bei Verdi eben doch eine eminente Rolle spielt, so prachtvoll umgesetzt.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

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    Ein Label, das in unseren Breiten vermutlich nur den lusophonen Liebhabern etwas sagt, ist das 1978 im Zusammenhang mit der Discoteca Básica Nacional gegründete Portugalsom. 1987 ging es eine Partnerschaft mit dem Label Strauss ein und firmierte danach unter dem Doppelnamen Strauss Portugalsom. Formal besteht das Projekt wohl weiterhin, die Rechte liegen heute offenbar bei Numérica, wobei ich auch von diesem Label schon lange keine Veröffentlichung mehr gesehen habe. Das ist außerordentlich schade, denn in der Diskographie findet man etliche portugiesische Komponisten, die sonst nur schwach oder gar nicht vertreten sind. Stellvertretend habe ich drei CDs mit Musik von Bomtempo, Vianna da Motta und Freitas Branco abgebildet.

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    – Luís de Camões

  • Weiß jemand hier im Forum ob die Aufnahmen der Haydn Sinfonien von Leslie Jones und dem Little Orchestra of London jemals auf CD erschienen sind?

    Jein. Haydn House, ein mittlerweile untergegangenes US-Projekt, hatte sie halboffiziell als LP-Überspielungen im Angebot. Ich habe vor zig Jahren mal etwas von Leslie Jones' Haydn gehört und war zumindest damals sehr angetan vom für diese Zeit (1960er) sehr frischen Interpretationsansatz. Im Internet Archive findet man dies und das, z. B. hier.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Jein. Haydn House, ein mittlerweile untergegangenes US-Projekt, hatte sie halboffiziell als LP-Überspielungen im Angebot. Ich habe vor zig Jahren mal etwas von Leslie Jones' Haydn gehört und war zumindest damals sehr angetan vom für diese Zeit (1960er) sehr frischen Interpretationsansatz. Im Internet Archive findet man dies und das, z. B. hier.

    Lieber Joseph II,


    Vielen Dank! :hail:Habe gerade mit Genuss mir Nr. 73 über den Link angehört.


    Liebe Grüße aus Wien.:hello:

    LG aus Wien.:hello:

  • Besonders Verdis "Don Carlo" (italienisch, vieraktige Fassung Mailand 1884) von 1978 verdiente eine Neuauflage. Kennengelernt habe ich diese Oper zwar mit Giulini (ebenfalls EMI), aber der Funke sprang erst bei Karajan so richtig über.

    Lieber Joseph II.,


    nachträglich möchte ich noch meiner Freude Ausdruck geben, daß Du nach längerer Absenz wieder im Forum vertreten bist. Ich habe Dich schmerzlich vermißt und schon im Herbst 2024 Erkundigungen einziehen wollen, warum Du nicht mehr schreibst. Doch damals konnte mir niemand darüber Auskunft geben. Leider war ich durch längere Krankheit verhindert, mich in den vergangenen Wochen intensiv mit dem Forum zu beschäftigen. Deshalb meine späte Reaktion.


    Unser Musikgeschmack war in der Vergangenheit sehr oft übereinstimmend, doch Dein obiger Eintrag hat mich an einen Beitrag erinnert, den ich vor vielen Jahren für eine längst nicht mehr existierende Plattform geschrieben habe. Daß ich da ganz anderer Meinung war (und nach neuem Wiederhören auch heute noch bin), wirst Du mir nicht verübeln. Denn solche Meinungsunterschiede sind ja eigentlich das "Salz in der Suppe" eines Forums wie TAMINO.


    Hier meine alte Kritik aus dem Jahr 2008:


    "Giuseppe Verdis "Don Carlos" in Herbert von Karajans Aufführung war in den späten 1970er Jahren bei den Salzburger Osterfestspielen eine der Hauptattraktionen.

    Das läßt die im September 1978 in der Berliner Philharmonie entstandene Aufnahme mit der Salzburger Original-Besetzung nur in kleinen Teilen ahnen. Ich gestehe, als eingestandener Karajan-Verehrer zu dieser Aufnahme, von der ich mir sehr viel versprochen hatte, keinen rechten Zugang gefunden zu haben. Im Gegenteil, ich kann meine Enttäuschung nicht verbergen.

    Das beginnt schon damit, daß Karajan den Fontainebleau-Akt, der ja zur Erhellung des anschließenden Dramas von einiger Bedeutung ist, einfach wegläßt. Das mag ein Entgegenkommen für sein Salzburger Stammpublikum gewesen sein, weil es dadurch auf das obligatorische Nachtmahl im "Goldenen Hirschen" nicht so lange zu warten brauchte, für eine repräsentative Gesamtaufnahme halte ich dieses Verfahren aber für wenig geeignet.


    Als nächstes ist die Besetzung ziemlich unausgewogen. Von den Hauptpersonen überzeugt mich eigentlich nur Agnes Baltsa in der Rolle der Eboli, die ohne Abstriche in die Fußstapfen so berühmter Vorgängerinnen wie Elena Nicolai, Grace Bumbry oder Fiorenza Cossotto zu treten vermag. Piero Cappuccilli, der den Marquis de Posa singt, ist an und für sich keine schlechte Wahl, er gestaltet seine Partie insgesamt sauber und mit klanglicher Differenzierung. Trotzdem reicht seine darstellerische Leistung an so berühmte Kollegen wie Tito Gobbi (EMI, 1953), Dietrich Fischer-Dieskau (Decca) oder Ettore Bastianini (DGG) nicht heran.


    Eine herbe Enttäuschung ist José Carreras in der Titelrolle. Sein ständiges Einheits-Forte geht (mir) auf die Dauer ziemlich auf die Nerven, von feinsinniger Rollengestaltung kann kaum die Rede sein, und so vermißt man umso schmerzlicher Plácido Domingo und erst recht Carlo Bergonzi, der seinerzeit in der legendären Solti-Aufnahme (Decca) Wunder an geschmacklicher Differenzierung geboten hat. Auch Nicolai Ghiaurov fällt gegenüber seiner Leistung bei Solti diesmal deutlich ab, seine Stimme zeigt an zu vielen Stellen unüberhörbare Abnutzungserscheinungen, und von einer adäquaten Rollengestaltung kann auch kaum die Rede sein. Da muß man erst gar nicht den legendären Boris Christoff (DGG) zum Vergleich heranziehen. Ruggero Raimondi ist ein Sänger mit einer schönen, sonoren Baßstimme, aber den greisen Großinquisitor kann er mit seinem viel zu jung klingenden Organ nicht glaubwürdig verkörpern. Da waren doch Martti Talvela (bei Solti) und Giulio Neri (EMI, 1953) ganz andere Kapazitäten. Mirella Freni schneidet in der Rolle der Elisabeth eigentlich recht gut ab, obwohl sie gegen ihre prominenten Vorgängerinnen Renata Tebaldi und Montserrat Caballé nicht ganz aufkommt. Nur eine Maria Callas auf der Höhe ihrer Kunst wäre in der Lage gewesen, diese mörderische Partie überzeugend zu singen und zu verkörpern. Leider hat sie nie die Chance zu einer Gesamtaufnahme bekommen. Ein unverzeihliches Versäumnis. Kleinere Rollen sind mit José van Dam (Mönch), Barbara Hendricks (Engelsstimme) und Edita Gruberova (Herold) luxuriös besetzt, können aber die Mängel in den tragenden Rollen damit nicht wettmachen.

    Der von Walter Hagen-Groll trefflich einstudierte Chor der Deutschen Oper Berlin macht seine Sache hervorragend. Besonders sei das wirklich beeindruckende Autodafé hervorgehoben. Die Berliner Philharmoniker spielen mit einer umwerfenden Brillanz, aber auch hier scheint mir, daß "weniger oft mehr" gewesen wäre. Das Orchesterspiel ist wirklich von ganz großer Klasse, aber immer wieder hat man den Eindruck von Oberflächenpolitur, d.h. diese schier überrumpelnde Opulenz wird Verdis Partitur nur sehr partiell gerecht. Viel zu oft werden die Sänger vom Orchester beinahe an die Wand gedrückt, und es entsteht mehr als einmal der Eindruck, es gehe mehr um lautstarken Effekt als um die Handlung des Werkes selbst.


    Daß Herbert von Karajan ein überragender Operndirigent war, wird wohl kaum jemand ernsthaft bestreiten, und er hat es ja auch in vielen glänzenden Aufnahmen unter Beweis gestellt. Ich erinnere an seine AIDA (1959, Decca) und seine Wiener TOSCA mit Leontyne Price (1962), die bis heute zu den Top-Einspielungen dieser Opern zählen. Hier hat er aber m.E. des Guten zuviel getan. Wenn beispielsweise die Bläser das Freundschaftsmotiv aus dem berühmten Duett Carlo/Rodrigo nach dem Dialog zwischen Posa und dem König mit schmetternder Brillanz wiederholen, so löst das bei mir einen gelinden Schock aus. Das kann nicht im Sinne des Komponisten gewesen sein, denn dieses Motiv, welches einen seelischen Vorgang behutsam anklingen lassen möchte, gerät hier zum lärmenden Effekt. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

    Wie gesagt: eine großartig klingende Aufnahme, technisch von hoher Qualität, aber sowohl sängerisch als auch künstlerisch unausgewogen und damit letztlich den Hörer enttäuscht zurücklassend. Kein Ersatz für die großartigen Produktionen von Solti (Decca) und Giulini (EMI), die zudem beide die vollständige fünfaktige Fassung bringen. Schade um die vertane Chance!"


    Lieber Joseph II.,


    ich würde mich freuen, wenn Du mir Deine Sicht der Dinge zu der Aufnahme sagen könntest.


    Ich grüße Dich sehr herzlich!

    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Joseph II.,


    ich würde mich freuen, wenn Du mir Deine Sicht der Dinge zu der Aufnahme sagen könntest.


    Ich grüße Dich sehr herzlich!

    Nemorino

    Lieber nemorino,


    zunächst ganz lieben Dank für Deine zu Herzen gehenden Worte. Verschiedene Umstände können im Leben dazu führen, dass man das Schreiben in einem Forum zurückstellen muss. Ich hoffe, Deine Gesundheit erlaubt Dir hinkünftig eine aktivere Teilnahme.


    Zur Beantwortung Deiner eigentlichen Frage muss ich etwas weiter ausholen. Vor gut 20 Jahren stand Herbert von Karajan bei mir im Mittelpunkt, was die Beschäftigung mit der klassischen Musik anbelangt. Das nahm Tendenzen einer schon beinahe kultischen Verehrung an, was mich aus heutiger, abgeklärterer Sicht selbst amüsiert. Jedenfalls war "Don Carlo" die erste Oper, mit der ich mich eingehend beschäftigte, was auch an dem spannenden historischem Hintergrund lag, auch wenn mir schon damals bekannt war, dass es mit der Faktentreue bei Schiller bzw. Verdi natürlich nicht sonderlich weit her ist. Ich stieß damals auf die DVD-Veröffentlichung der Salzburger Produktion von 1986, die eben Karajan verantwortete, und war hin und weg. Da ich davon eine reine Tonspur wollte, landete ich zwangsläufig bei der acht Jahre älteren EMI-Studioeinspielung, welche mit der Salzburger Besetzung zumindest teilweise identisch war. Ehrlicherweise standen die Stimmen für mich damals gar nicht im Zentrum, die Hauptsache war mir Karajan und sein opulenter Orchester- und Chorklang. Womöglich schwingt also etwas sentimentale Verklärung mit, wenn mir eben diese Klangpracht immer noch nahesteht. Stimmlich wird man, gerade im Vergleich mit noch älteren Produktionen, gewiss einiges ankreiden können, auch wenn es bei Karajan keinen wirklichen Ausfall zu beklagen gibt. In der grundsätzlichen Analyse liegen wir heute gar nicht so weit auseinander, auch wenn Dein Fazit kritischer ausfällt und Du nicht zu Unrecht auf aus gesanglicher Sicht idealere Darbietungen verweist. Völlig d'accord gehen wir übrigens, was die Bewertung der älteren Decca-Operneinspielungen unter Karajan anbelangt. Ganz ohne Frage sind sowohl die "Aida" als auch die "Tosca" den EMI-Neuauflagen vorzuziehen. Stimmlich ohnehin, zu meiner Überraschung aber eigentlich auch klanglich. Insofern wage ich die Vermutung, dass Karajan um 1960 für Decca eine phänomenale Studioproduktion des "Don Carlo" (gerne auch fünfaktig) hingelegt hätte, die wir beide als referenzträchtig ansehen würden. Allein, es hat nicht sein sollen, wie er ja auch die "Turandot" erst mit zwei Jahrzehnten Verspätung im Studio gemacht hat, als es die idealtypischen Stimmen so nicht mehr gab. Letztere ist wohl fast das Paradebeispiel für eine orchestral und choral nie wieder erreichte Glanzleistung, wo aber die Gesangsleistungen insgesamt nicht mehr auf demselben Niveau rangieren (quasi eine "Turandot" ohne Turandot), was dann zu einer Abwertung führt.


    Beste Grüße in Verbindung mit der Hoffnung auf anhaltende Genesung


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Lieber Joseph II.,


    ich danke Dir für Deine prompte Antwort. Und ich möchte nochmals betonen, wie sehr ich Dich unter den Schreibern des Forums vermißt habe. Umso erfreuter bin ich, daß Du wieder regelmäßig präsent bist.


    Mit meiner Gesundheit geht es langsam wieder bergauf, aber das Alter hat seine Tücken, und die machen sich immer wieder bemerkbar. Doch ich tröste mich mit einem Spruch meines früheren Hausarztes, der einmal meinte: Wenn du mal über 60 bist und dir morgens beim Erwachen nichts wehtut, dann bist du tot!

    Vor gut 20 Jahren stand Herbert von Karajan bei mir im Mittelpunkt, was die Beschäftigung mit der klassischen Musik anbelangt.


    Das hatte ja auch gute Gründe. Was hat man diesen Mann angefeindet, mit allen lauteren und unlauteren Vorwürfen, die aber selten etwas mit seiner künstlerischen Leistung zu tun hatten. Natürlich steht Karajan heute, mehr als 35 Jahre nach seinem Tod, nicht mehr im Mittelpunkt des Musikgeschehens, aber es git kaum einen Dirigenten in der Geschichte, dessen Aufnahmen sich so lange an der Spitze der Verkaufszahlen bewegt hat, und auch heute noch sind einige seiner Produktionen, vor allem aus den 1950/60er Jahren, nicht getoppt worden. Ich nenne beispielhaft seine Aufnahme von Beethovens Fünfter von 1962 (aus der DGG-GA), die Missa Solemnis von 1966 (DGG), die Brahms-Sinfonien Nr. 1 & 3, Beethoven Nr. 7 und Haydn Nr. 103 & 104 (Decca, alle aus Wien 1960-63), von den bereits genannten Wiener Opernaufnahmen (AIDA, OTHELLO, TOSCA) ganz abgesehen. Es gibt noch jede Menge Perlen von ihm, sie alle aufzuzählen würde den Rahmen sprengen.

    Auch wenn man im Abstand der Zeit heute vielleicht die eine oder andere Produktion etwas kritischer betrachtet, so bleibt doch zu konstatieren, daß er einer der überragenden Dirigenten des 20. Jahrhunderts war, der seinen Platz in der Musikgeschichte, allen Moden und allen Zeitläuften zum Trotz, behalten wird. Das soll ihm erst einmal einer nachmachen.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).