Anna Bolena - Wiener Staatsoper, 2. und 5. 4. 2011


  • Technische Ausdrücke und die Berufung auf Technik kann ja eigentlich ganz mißleitend wirken, denn letztendlich was versteht man unter Gesangstechnik?
    Das ist doch keine esoterische, geheime Lehre, die irgendwo im Himmel steht und vom Sänger angeeignet werden muss. Gesangstechnik meint natürlich allgemeine Regeln und Hinweise für ein gutes körperliches Gelingen der Sache Gesang, aber in erster Linie ist Technik für mich das intime Wissen des Sängers um seine eigenen körperlichen Bedingungen, wie sie auszuarbeiten und wie sie einzusetzen. Man lese "Meine Gesangsmethode" von dem großen Tenor Hipolito Lazaro. Die "Einweihung" in die Gesangskunst beginnt mit einer Aufforderung an den Anfänger, sich selber kennenzulernen, nicht mit einer Aufzwingung allgemeingültiger Regel. Die allgemeinste Regel ist nichts anderes, als diese Forderung, seine eigenen Fähigkeiten adäquat messen zu können.
    Die Gioconda hatte früher an einem anderen Ort das Problem angesprochen, dass heutzutage die jungen Sänger zu schnell in die Opernindustrie hineingezogen werden und dass sie gar keine Zeit haben, ihre eigenen Fähigkeiten zu befragen und sich mit ihrem eigenen Körper zu familiarisieren. Das ist ein Grundstück der Technik. Auch wenn ich von Atemtechnik spreche. Es gibt natürlich allgemeingültige Regeln, wie man darauf hinarbeitet, aber in erster Linie ist es eine innere Komplizität des Sängers mit sich selbst, ein festes Bewusstsein und Vertrauen in seinen eigenen Fähigkeiten. Gerade das machte die Solidität der früheren Sänger aus, die ich so schätze, oder auch die einer Gruberova, die ich wegen ihres Stils und der nun altersbedingten Detonierung schwer erträglich finde, aber sie für ihre Ausdauerkraft und... Technik (!) bewundere. Die Schwäche der meisten der jungen Sänger liegt für mich nicht im Faktum, dass sie irgendwelchen orthodoxen und absolut wahren Regeln der Gesangstechnik entsprechen, sondern dass es ihnen gerade an diesem Vertrauen und dem intim-individuellen Wissen ihrer eigenen körperlichen und psychischen Bestimmungen und Ressourcen fehlt. Deshalb auch der Mangel an Persönlichkeit, Individualität und Willen. Deshalb so viel Abhängigkeit von Agenturen und Dritten.
    Das ist für mich das ganz allgemeine Problem mit dem Technikmangel.
    Im konkreten Fall der Wiener Bolena finde ich aber auch noch den Mangel an Komptenz und Verständnis für die Stilistik des Werkes problematisch.

    Dessen bin ich mir durchaus bewusst, lieber Luca, aber mir ging es diesmal nicht um die Technik der Sänger sondern um das Urteilsvermögen und die Urteilsart von uns "Kritkern" hier im Forum.

  • Lieber Wotan,
    diesen Exkurs hab ich noch deswegen gemacht, weil ich das Gefühl habe, dass man hier einige das Wort Technik einfach missverstehen und davor sogar Angst bekommen.


    Liebe Fides,
    ich habe keine Absicht, eine pseudo-demokratische Einstellung vorzutäuschen, wo ich doch ganz fest überzeugt bin, dass es, erstens, zwischen dir und mir einen riesengroßen Kompetenzunterschied gibt und dass es, zweitens, überhaupt nicht möglich ist, mit dir über irgendetwas konstruktiv zu diskutieren.
    Damit mag unser "Dialog" ausgeschöpft sein.


    Ich habe im TV nur den Schluss gesehen und war sehr überrascht von den Beifallsstürmen. Da können doch nicht nur Laien Zuschauer gewesen sein. Das Wiener Publikum ist doch sonst immer so kritisch.


    Das Publikum ist auch von Curas Pagliacci hingerissen. Das Publikum als solches kann man ja nicht dafür anklagen, es sei "unkompetent". Das Publikum nimmt mir mehr oder weniger Lust das hin, was ihm vorgetragen wird. Das war leider bestimmt auch so, als die allgemeine Gesangsqualität noch höher stand. Das große Problem heute ist die Abwesenheit an Kritik, an offizieller komptenter Kritik, die sich vom Enthusiasmus des Publikums, das qualitative Unterschiede wenig beachtet, distanziert und den Sänger eine andere Stimme hören läßt, als die des klatschenden Publikums.

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • Liebe Fides,
    ich habe keine Absicht, eine pseudo-demokratische Einstellung vorzutäuschen, wo ich doch ganz fest überzeugt bin, dass es, erstens, zwischen dir und mir einen riesengroßen Kompetenzunterschied gibt und dass es, zweitens, überhaupt nicht möglich ist, mit dir über irgendetwas konstruktiv zu diskutieren.
    Damit mag unser "Dialog" ausgeschöpft sein.

    Ich denke, was Fides mit "über andere stellen" meint sind solche Formuleirungen wie diese:

    Zitat von »Luca«




    Jeder hat eine verschiedene fachliche Bagage und spricht eine gewisse musikalische Sprache. Dass es aber in dieser Unterschiedlichkeit auch Kompetenzgrade gibt, muss man, denk ich, schon akzeptieren

    Da muss ich schon direkt hinterfragen, ob du dir eine größere Kompetenz zumist als beispielsweise Caruso, Fides oder mir, denn das umgekehrte würde ich nie wagen.

    Damit wäre meine bislang unbeantwortete Frage zum Teil beantwortet....

  • Lieber Wotan,


    anders kann es, meiner Meinung nach, auch nicht sein. Schwarz auf Weiß steht wer was und wie schreibt und Unterschiede gibt es. Noch einmal: pseudo-demokratische Einstellungen und "Seid umschlungen, Millionen!" werde ich nicht vortäuschen. Das wird sehr unehrlich von mir sein.

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • Hallo Luca,
    na endlich....DEMASKIERUNG!.........



    Schluss jetzt!!!


    Argumentation nur in der Sache und nicht gegen andere Beitragsschreiber, sonst muss ich mehr als nur meinen großen Radiergummi auspacken!


    Das Thema mag noch so viel Leidenschaft und Zündstoff in sich bergen, allein - wir brauchen morgen noch Diskutanten, die ausreichend unverletzt aus dem Scharmützel herauskommen, um die Wortgefechte bei anderen Themen fortzusetzen...

    ;)

    La vita è bella!

  • Solche Beschimpfungen gehören auf den Schulhof und nicht in dieses Forum. Und man sollte doch hier sachlich diskutieren und die Meinung des anderen akzeptieren auch wenn sie nicht der eigenen entspricht.

  • anders kann es, meiner Meinung nach, auch nicht sein. Schwarz auf Weiß steht wer was und wie schreibt und Unterschiede gibt es. Noch einmal: pseudo-demokratische Einstellungen und "Seid umschlungen, Millionen!" werde ich nicht vortäuschen. Das wird sehr unehrlich von mir sein.

    Unterschiede gibt es, was die Welt auch lebendig hält. Und gerade deine Ansicht kann wegen deines Wissens dieses Forum enorm bereichern. Aber meiner Meinung nach wird man zur Kompetenz von anderen berufen nicht durch sich selber.


    !....!

  • Unterschiede gibt es, was die Welt auch lebendig hält. Und gerade deine Ansicht kann wegen deines Wissens dieses Forum enorm bereichern. Aber meiner Meinung nach wird man zur Kompetenz von anderen berufen nicht durch sich selber.


    Natürlich. Ein Anzeichen davon ist, wenn ein Dialog funktioniert. Und das funktioniert hier, glaub ich. Wenigstens mit gewissen Personen, seien sie von derselben oder von einer unterschiedlichen Meinung.



    Um wieder am Thema des Threads weiterzuarbeiten, würde ich noch einmal rekapitulieren, warum ich, außer der Abwesenheit von Respekt für die Partitur, die Mängel in der Koloratur und anderen technischen musiklaischen Ausdrucksmitteln so problematisch fand. Wie in jeder anderen Belcanto-Rolle führt eine technische Begrenzung, die Abwesenheit dieser oder jener vokalen Fähligkeit notwendigerweise zur Begrenzung der Ausdrucksstärke der Rolle. Ich fand es äußerst symptomatisch, dass hier jemand gesagt hat, vielleicht liege es auch an der Musik von Donizetti, dass die Vorstellung nicht packend gewirkt habe.
    Anna Bolena von Donizetti ist bestimmt eines seiner größten Meisterwerke (zwischen den wirklich komplett großen Opern wie Lucia, Maria Stuarda, Roberto Devereux, der Liebestrank, Don Pasquale oder La favorita). Besonders was die Partie der Protagonistin betrifft, besitzt die Rolle eine unendliche Möglichkeit an Facettierung - Melancholie, Zweifel, Liebe, Würde, Angst, Wahnsinn, Ambition. Dafür stehen die Noten von Donizetti da. Die Musik, diese ganzen Verzierungen, Legati, Deklamati, Koloraturen, Triller usw. sind ein unendliches Material, zum Leben erweckt zu werden - durch eine volle Realisierung dieser technischen Vorschriften und den Einsatz einer großen musikalisch-artistischen Sensibilität. Bei Anna Netrebko musste techniksbedingt Vieles aufs Minimale reduziert werden, die da capi, bzw. die Variationen in vielen Fällen (im 21. Jahrhundert, wo man wegen der philologischen Strenge in der Aufführung so stolz ist!) weggelassen werden. Die Sängerin war gezwungen, um die Bolena glaubwürdig zu gestalten, nach ziemlich vulgär veristischen und äußerlichen Ausdrucksmitteln zu greifen. Königliches und majestätisches gab es wenig bei ihr. Die Gruberova, Devia, Sills und andere leichteren Soprane hatten vielleicht auch nicht den "Teig" in der Stimme, wie die Callas oder in den letzten Jahren die allzu früh von den Szenen verschwundere bemerkenswerte Darina Takova, aber majestätisch waren sie immer und haben nie das stilistsche Feld des Belcanto verlassen müssen, um ene Belcanto-Rolle glaubwürdig zu machen.
    Das wäre noch ein Einwand von mir.
    Ich würde mich auf eine weitere Diskussion sehr freuen, falls sie ohne Beschimpfungen verlaufen kann.

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • ...
    Das liegt wohl daran, daß es vor allem die sog. "Elite" gewesen sein dürfte, die wegen der Fernsehübertragung in die Oper ging, um "dabei zu sein", aber von Oper selbst wenig bis nichts versteht.


    Geh bitte! Geht's noch banaler?


    Zur Information: alle Vorstellungen waren kurz nach der Bekanntgabe (vor ca. einem Jahr!) ausverkauft! Da konnte niemand wissen, ob und welche Vorstellung im Fernsehen übertragen wird. Und Leute, "die dabei sein wollen", schaffen es in der Regel in die Premiere.


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Also, ich halte mal fest: Luca hat eindeutig seine Kenntnis des Belcanto unter Beweis gestellt und er konnte, das kann man seinem Beitrag entnehmen, anhand der Partitur feststellen, daß die Anna (Netrebko) die Anna (Bolena) nicht exemplarisch geboten hat. Soweit so gut. Was mir dabei in den Sinn kommt, ist folgendes: Wer eine Opernaufnahme hört, muß sich immer gewärtigen, daß die makellos vorgespielte Reinheit der Interpretation oftmals das Ergebnis einer „technischen Nachbearbeitung“ ist; wir wissen alle, wie sehr der Manipulation hier Tür und Tor geöffnet sind. Maßstab wäre, so gesehen, dann die selbst erlebte Aufführung in einem Theater. Und da stellt sich mir die Frage, ob „Anna Bolena“ (oder auch jedes andere musikalisch schwierige Werk) in den Theatern, sei es das Stadttheater XYZ oder auch die Staatsoper von XYZ, immer und absolut jene Perfektion bieten...?

    .


    MUSIKWANDERER

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Nur bei dieser Aufführungsserie steht doch nicht die Musik im Vordergrund, sondern Frau Nebtreko und Frau Garanca. Die Aufführungen waren nur wegen der beiden Damen restlos ausverkauft und nicht, weil die Besucher der Aufführungen wegen der herrlichen Musik von Donizetti in die Oper gehen. Lasst nur mal Frau Nebtreko plötzlich krank werden , wie viele Leute werden nicht in die Oper gehen, obwohl sie die Karte schon gekauft haben.

  • Gerade im ersten Punkte waren wir uns auf jeden Fall einig. Die Kriterien gibt es. Aber stehen sie auch über den Geschmackskriterium? Ich glaube, dass sich diese beiden Argumente gegenüber stehen können wenn....
    1. der "Geschmacksfan" es hinnimmt, dass es technisch durchaus bessere Sänger gibt (was bei der Netrebko eindeutig der Fall ist)
    2. der "Technikfan" nicht durch seine Argumente versucht, den Geschmack des anderen zu korrigieren oder diesen madig zu machen

    Da dieser Dissenz uns wieder und wieder beschäftigt (Ich erinnere an die Auseinandersetzungen über Max Lorenz, Josep Calleja, Jonas Kaufmann usw.), habe ich mal einen eigenen Thread aufgemacht, in dem wir das abgelöst von konkreten Namen dieses oder jenen Sängers grundsätzlicher beleuchten können.


    Beurteilung von Sängern – Eine Frage das Geschmacks oder objektiver Kriterien?


    Beste Grüße an alle!


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Also, ich halte mal fest: Luca hat eindeutig seine Kenntnis des Belcanto unter Beweis gestellt und er konnte, das kann man seinem Beitrag entnehmen, anhand der Partitur feststellen, daß die Anna (Netrebko) die Anna (Bolena) nicht exemplarisch geboten hat. Soweit so gut. Was mir dabei in den Sinn kommt, ist folgendes: Wer eine Opernaufnahme hört, muß sich immer gewärtigen, daß die makellos vorgespielte Reinheit der Interpretation oftmals das Ergebnis einer „technischen Nachbearbeitung“ ist; wir wissen alle, wie sehr der Manipulation hier Tür und Tor geöffnet sind. Maßstab wäre, so gesehen, dann die selbst erlebte Aufführung in einem Theater. Und da stellt sich mir die Frage, ob „Anna Bolena“ (oder auch jedes andere musikalisch schwierige Werk) in den Theatern, sei es das Stadttheater XYZ oder auch die Staatsoper von XYZ, immer und absolut jene Perfektion bieten...?


    Ein wichtiger Punkt und es kommt noch etwas hinzu. Das technische Ergebnis eines Sängers sind daneben an die emotionalen und körperlichen Zustände des Menschen gebunden. Der berühmte schlechte Tag kann also sehr viel Einfluss nehmen auf das Ergebnis. Allerdings würde ich zumindest bei Anna Netrebko mal sagen, dass sie zumindest gesundheitlich fit gewesen ist, da sie in meinen Ohren die normale Qualität ihres Singens erreicht hat.
    Aber zum Glück sind wir Menschen nun mal keine Maschinen, daher klingt auch jede Live-Aufnahme anders, und wenn sie nur einen Tag später aufgenommen wurde.

  • Nur bei dieser Aufführungsserie steht doch nicht die Musik im Vordergrund, sonder Frau Nebtreko und Frau Garanca. Die Aufführungen waren nur wegen der beiden Damen restlos ausverkauft und nicht, weil die Besucher der Aufführungen wegen der herrlichen Musik von Donizetti in die Oper gehen. Lasst nur mal Frau Nebtreko plötzlich krank werden , wie viele Leute werden nicht in die Oper gehen, obwohl sie die Karte schon gekauft haben.


    DAs wird bei einigen Besuchern so sein, aber längst nicht bei allen. Ich schätze eine Symbiose aus beiden dürfte bei vielen vorherrschend gewesen sein, auch bei mir. Einerseits war ich neugierig auf das Werk, andererseits läd eine attraktive (vokale wie köperliche) Besetzung natürlich noch mehr ein, sich diesem Werk "auszuliefern". Ich glaube schon, dass viele Leute die Oper wegen der beiden Damen besucht haben, ich glaube aber nciht, dass so viele ihre Karte abgegeben hätten, wenn eine von beiden nicht gesungen hätte. Die Enttäuschung wäre sicher riesig gewesen.
    Eine Bekannte von mir hörte mal Rusalkas Lied an den Mond mit Netrebko und war hin und weg. Eines Tages bekam sie die Gelegenheit die gleiche Arie mit Renee Fleming zu hören, was sie auch gerne warhrnahm - und siehe da, es gefiel ihr sogar noch besser.
    Von der anderen Seite betrachtet: Es gibt viele weibliche attraktive Menschen im Show-Bisuness, aber trotzdem sehe ich mir ja längst nicht jeden Schwachsinn mit denen an, nur weil ich die Damen schön finde. Das, was sie vertreten, muss mich auch überzeugen bzw interessieren. So wird es einigen Opernbesuchern in Wien auch ergangen sein.

  • Auf eines würde ich gerne hinweisen: Wenn ich von früheren Bolena-Aufnahmen spreche, dann sind es meistens Live-Aufnahmen (Callas, die nicht mehr junge Gencer, mehrere Live-Mittschnitte der Gruberova und Devia, die Bolena der alten Sutherland aus Toronto und New York etc.) mit ihren vielen Defekten, aber viel, viel Professionalismus und Einheitlichkeit der Ausführung. Im Falle der Netrebko geht nicht nur um elementare generelle technisch-stilistische Probleme, sondern auch überhaupt darum, dass sie eine für sich völlig fremde Musik zu singen scheint. Ich weiß nicht, was sie von der Poetik des Werkes "Anna Bolena" versteht.
    Was dann eine Studio-Aufnahme einer Beverly Sills betrifft, dann ist das Argument einer nachbearbeiteten Leistung immer noch nicht gültig, weil die Sills eine der wenigen Sängerinnen war, die direkt auf der Bühne Abende lang Wunder wirken konnte. Man höre nur die Live-Aufnahme des "Assedio di Corinto" von Rossini aus Mailand.
    Man kann doch alle Sänger nicht immer wieder dadurch entschuldigen, dass auch sie Menschen, unvollkommen und verletzlich seien, wo doch völliig andere Probleme relevant sind.

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • Ich entschuldige gar nichts, ich führe Kriterien an, die für mich wichtig sind, um eine qualitative Rezension zu schreiben. Und für mich als Sänger gehört nun mal auch dazu, ob ich als "Kriitker" herausfinden kann, ob das gebotene durch eine schlechte Tagesform schlecht ist. Wenn ein Sänger ständig einen "schwarzen Tag" hat, dann sollte er überlegen, ob es am Tag liegt....

  • Ich entschuldige gar nichts, ich führe Kriterien an, die für mich wichtig sind, um eine qualitative Rezension zu schreiben. Und für mich als Sänger gehört nun mal auch dazu, ob ich als "Kriitker" herausfinden kann, ob das gebotene durch eine schlechte Tagesform schlecht ist. Wenn ein Sänger ständig einen "schwarzen Tag" hat, dann sollte er überlegen, ob es am Tag liegt....


    Hatte die Netrebko sowohl am 2. als auch am 5. April schwarze Tage? Hat sie, wenn sie Belcanto singt, ständig schwarze Tage?


    Lyrische Abweichung:
    Ich mag dir als Sänger wieder mal zu radikal erscheinen, aber ich als leidenschaftlicher Hörer finde es ziemlich unschön, dass heute so oft, allzu oft, unverschämt oft erst der Intendant die Szene betreten muss und die Starsänger für ihre angebliche Krankheit entschuldigen muss, damit ihre unzureichenden Leistungen nicht zu stark kritisiert werden und dass sie dann doch Beifall bekommen, weil sie krank so gut gesungen haben. Das ist heute schon die Regel. Was ist das für ein Gefühl an professioneller Realisierung, wenn man eine Diva des erbettelten Beifalls ist? Ich kann einfach nicht glauben dass heutzutage die Mehrheit der Sänger von einem Virus betroffen ist, das nur in ihrem Beruf verbreitet ist und dass sie so oft krank werden. Ich finde es ziemlich unwürdig. Als leidenschaftlicher Hörer fühle ich den riesengroßen Mangel an musikalischen Persönlcichkeiten, denen ich mich voll anvertrauen kann, von ihrer Aufführung mich ganz hinreißen lassen kann und deren Größe nich von diesen ständigen kleinlichen Entschudigungen kompromittiert wird. Persönlichkeiten, denen man dann auch die Grippe an einem Abend verzeiht, nicht aber weil sie krank sind, sondern weil sie große Sänger sind und mit vollem Selbstvertrauen und voller Beherrschung seines Berufs die Bühne betreten. Das heutige Star-System hat aber keine festen Persönlichkeiten nötig. Nur Einwegsänger. Ich würde gerne Sänger sehen, die nicht permanent außermusikalische Entschuldigungen vorschieben, bevor sie zu singen anfangen und die sich nicht ständig jammernd unter dem Schirm Auch-wir-sind-ja-Menschen halten.

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • Und für mich als Sänger gehört nun mal auch dazu, ob ich als "Kriitker" herausfinden kann, ob das gebotene durch eine schlechte Tagesform schlecht ist. Wenn ein Sänger ständig einen "schwarzen Tag" hat, dann sollte er überlegen, ob es am Tag liegt....


    Sänger sind in jeder Beziehung empfindliche Pflänzchen, und die allermeisten werden im Laufe ihrer Karriere viellecht mehr schlechte als großartige Vorstellungen gesungen haben (wie Leyla Gencer das einmal über sich gesagt hat), oder wie es Thomas Hampson einmal formuliert hat: eine fehlerlose Vorstellung wird es viellecht nie geben, aber es geht darum, im Laufe der Karriere immer weniger Fehler zu machen.


    Womit wir weder bei der Technik und dem Wissen um die eigenen Fähigkeiten wären. Warum haben ein Kraus, ein Gedda, eine Gruberova, eine Sutherland relativ selten abgesagt oder warum hat man ihnen eine kleine Indisposition nicht sofort angehört, warum waren ihre Leistungen immer relativ beständig? Weil sie SINGEN KONNTEN und wußten, was sie sich zumuten wollten und können.


    Ich mag nicht immer jemanden mit irgendwas entschuldigen müssen, daß er stimmlich gerade am Zahnfleisch geht. Darf man nicht ein gewisses Niveau an gesanglicher und nervlicher Beständigkeit voraussetzen, mit kleinen Schwankungen was Tagesverfassung betrifft? Und die Unterschiede zwischen einem schwarzen Abend und grundsätzlichen stimmlichen Mankos hört man recht deutlich.

  • Es ist schon richtig. Wenn jemand 100000 € für den Auftritt bekommt, kann man auch eine entsprechende Leistung verlangen.
    Wenn einer von den Spitzensängern indisponiert ist, muß er absagen; Aber bei der Übertragung von Anna Bolena war ja niemand indisponiert, deswegen braucht man ja über diesen Punkt hier nicht zu diskutieren.


    :hello: Herbert aus Troisdorf

    Tutto nel mondo è burla.

  • Aber bei der Übertragung von Anna Bolena war ja niemand
    indisponiert, deswegen braucht man ja über diesen Punkt hier nicht zu diskutieren.


    D´Arcangelo war angeblich vor der Premiere krank. Ich hoffe für ihn, daß er noch nicht vollständig fit ist, hat gar nicht gut geklungen. :(

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  • Womit wir weder bei der Technik und dem Wissen um die eigenen Fähigkeiten wären. Warum haben ein Kraus, ein Gedda, eine Gruberova, eine Sutherland relativ selten abgesagt oder warum hat man ihnen eine kleine Indisposition nicht sofort angehört, warum waren ihre Leistungen immer relativ beständig?

    Das kann aber auf Gedda bezogen nicht ganz stimmen. In einem Fernseh-Interview auf Gedda angesprochen meinte Anneliese Rothenberger, der war ja selten da, hat wegen Krankheit sehr oft abgesagt. Ob sie nun Vorstellungen oder Plattenaufnahmen meinte, weiß ich nicht mehr.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Also, ich halte mal fest: Luca hat eindeutig seine Kenntnis des Belcanto unter Beweis gestellt und er konnte, das kann man seinem Beitrag entnehmen, anhand der Partitur feststellen, daß die Anna (Netrebko) die Anna (Bolena) nicht exemplarisch geboten hat. Soweit so gut. Was mir dabei in den Sinn kommt, ist folgendes: Wer eine Opernaufnahme hört, muß sich immer gewärtigen, daß die makellos vorgespielte Reinheit der Interpretation oftmals das Ergebnis einer „technischen Nachbearbeitung“ ist; wir wissen alle, wie sehr der Manipulation hier Tür und Tor geöffnet sind. Maßstab wäre, so gesehen, dann die selbst erlebte Aufführung in einem Theater. Und da stellt sich mir die Frage, ob „Anna Bolena“ (oder auch jedes andere musikalisch schwierige Werk) in den Theatern, sei es das Stadttheater XYZ oder auch die Staatsoper von XYZ, immer und absolut jene Perfektion bieten...?


    Hallo MusikwandererI


    Wie Luca schon weiter unten mitteilt, bezieht er seine Vergleiche überwiegend aus Livemitschnitten. Nun war eine Livemitschnitt bis Ende der 60er Jahre genau das und nicht wie heute üblich aus mehreren Aufführungen zusammengekleistert. Während ich dies schreibe, höre ich gerade die Schlussszene der Bolena mit Maria Callas, und zwar nicht den Mitschnitt der Scalaaufführung oder der Platteneinspielung, sondern einen Probenmitschnitt aus dem Jahr 1957 in Dallas, der ja kaum manipuliert sein dürfte. Callas singt hier in der Probe ausdrucksstärker als Netrebko während der gesamten Aufführung, weil sie die Partie technisch sicher drauf hatte. Natürlich kann nicht jede Sängerin die Ausdrucksstärke einer Callas haben - bei Editha Gruberova vermisse ich sie bei aller technischen Perfektion immer - aber wenn man mit den technischen Anforderungen einer Partie zu kämpfen hat, bleibt der Ausdruck zwangsläufig auf der Strecke, es sei denn, man verwechselt, wie heute vielfach üblich, gequältes Geschrei mit Ausdruck.


    Bei der erwähnten Probe wird eine Stelle mehrfach wiederholt, und zwar die aufsteigende Trillerkette am Ende der Cabaletta "Coppia iniqua", und zwar nicht, weil Callas damit technische Probleme hätte, sondern wegen des Timings zwischen Sängerin und Orchester. Auf diese Trillerkette habe ich am Ende der Übertragung aus Wien vergebens gewartet. Insofern muss ich Luca und Caruso recht geben - wer die technischen Anforderungen einer Partie nicht beherrscht, sollte die Finger davon lassen - das Ergebnis ist allenfalls unbefriedigend und...langweilig.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Ich bin erfreut und geschockt zugleich wie "UNERBITTLICH" hier diskutiert - nein - GESTRITTEN - wird.
    Erfreut - weil es zeigt, daß dieses Forum noch Saft und Kraft hat - geschockt - weil bei solchen Threads immer wieder der Verlust von Mitgliedern nicht auszuschliessen ist.


    Kommen wir zur Beurteilung von Stimmen. Es ist ein großes Glück, daß derzeit bei Tamino offensichtlich mehr Spezialisten auf diesem Gebiet zusammentreffen als in großen Teilen der einschlägigen Musikpresse.
    Ich selbst zähle mich nicht zu den "Stimmenkennern", habe aber schon vor Jahren festgehalten, daß es in der Vergangenheit bessere Sängerinnen gab als jene, die uns heute als das Maß aller Dinge verkauft werden......


    Dennoch - in Bezug auf Stimmen haben auch Experten der Vergangenheit des öfteren Fehlurteile gefällt.
    Dazu kommt noch das Phänomen, daß - nicht nur derzeit - sondern auch einst - immer wieder "große Namen" auftauchten, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinrissen, während echte Kenner - auch solche nachfolgender Generationen zum Urteil kamen, daß das Gebotene bestenfalls durchschnittlich gewesen sei - und in keiner Relation zur Popularität des Sängers gestanden habe. Derlei erbost natürlich den echten Kenner - und es ist - wenn vielleicht auch nicht verzeihlich - so doch verständlich - wenn er übers Ziel hinausschiesst und die Objektivität seines Urteils beweisen will.


    Zwangsläufig muß er dabei scheitern, denn das Opernpublikum (und auch die Kritik) ist eine äusserst komplexe Größe.



    Zitat

    Nur bei dieser Aufführungsserie steht doch nicht die Musik im Vordergrund, sonder Frau Nebtreko und Frau Garanca. Die Aufführungen waren nur wegen der beiden Damen restlos ausverkauft und nicht, weil die Besucher der Aufführungen wegen der herrlichen Musik von Donizetti in die Oper gehen.


    Das ist sicher ein Aspekt, dem man sich nicht wirklich entziehen kann
    Speziell dem Winer Publikum sagt man nach, daß es seine Lieblinge mitunter nach nicht nachvollziehbaren Kriterien auswählt - und - wenn es einmal einen Sänger "erkoren" hat in unerschütterliche Nibelungentreue zu ihm steht - egal wie seine aktuelle Leistung ist...



    Zitat

    Das liegt wohl daran, daß es vor allem die sog. "Elite" gewesen sein dürfte, die wegen der Fernsehübertragung in die Oper ging, um "dabei zu sein", aber von Oper selbst wenig bis nichts versteht.


    Das würde ich eher nicht so sehen, in diesem Falle gab es andere Gründe hinzugehen:


    1) Wegen der Künstler, die man mag -
    ES ist nun mal im Leben so, daß im Falle großer Zuneigung, das Kritikvermögen sinkt - und wahrscheinlich ist das auch gut so....


    2)Weil "Anna Bolena" in Wien NOCH NIE auf dem Spielplan stand



    3)Weil es eine Inszenierung gegen das Regietheater war.


    ---------------------------


    Ein Wort noch zu angeblich fehlenden Personenführung.
    Der Kreis jener, die aufgeatmet haben , weil derlein NICHT stattfand, dürfte gar nicht so klein sein.
    Donizetti ist eben kein Verismo - es geht hier mehr um die Finessen des Belcanto, als um ausdrucksvolle Darstellung der Charaktäre.



    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ein Wort noch zu angeblich fehlenden Personenführung.
    Der Kreis jener, die aufgeatmet haben , weil derlein NICHT stattfand, dürfte gar nicht so klein sein.
    Donizetti ist eben kein Verismo - es geht hier mehr um die Finessen des Belcanto, als um ausdrucksvolle Darstellung der Charaktäre.


    Was ist das denn für eine merkwürdige Vorstellung von Oper: "weil derlei NICHT stattfand" ??? - - - derlei


    Natürlich kann man eine Oper auch konzertant aufführen. Aber wenn man sie szenisch aufführt, MÜSSEN die Personen doch GEFÜHRT werden!
    Es tut mir leid, aber die Opernbühne ist nicht der rechte Ort für Stehgreifspiele. Und Sänger, die auf sich selbst gestellt sind, können ja vielleicht - so sie starke Persönlichkeiten und erfahrene Darsteller sind - durchaus ein stimmiges Portrait ihrer Figur alleine entwickeln. Aber sie werden es in der Regel einfach nicht schaffen, die die Beziehungen zwischen den Personen des Stückes zu enfalten und in stimmger dramatischer Zuspitzung zu entwickeln. Da braucht es Regisseure! Carl Ebert, Günther Rennert, Rudolf Hartmann, ja noch davor auch ein so viel geschmähter Mann wie Heinz Tietjen waren Regisseure, die es verstanden, Personen zu führen und ich habe immer die Erfahrung gemacht, dass erst eine kluge Personenführung zusammen mit einer guten musdikalischen Interpretation einen großen Opernabend macht.


    Wer die Hilflosigkeit von Netrebko, Meli und d'Arcangelo auf der Bühne gesehen hat, kann doch nicht allen Ernstes Personenführung als überflüssiges DERLEI abtun!



    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Das Einzige, was in dieser Inszenierung "geführt" wurde, waren die Busen der Netrebko. Ich weiß nicht ob sie das auf Geheiß des Regisseurs, des Kameramanns oder durch ihre eigene Initiative tat, aber jedesmal, wo sie heftige Bewegungen machen oder sich in eine horizontale oder quasi-horizontale Pose stellen konnte, hat sie die aus dem Dekolletee durch heftiges Atem großzügig schwellenden Busen demonstriert. Diese ganzen "Regieeinfälle", die dazu da waren, die Netrebko auf jeden Preis irgendwo - auf dem Bett, auf den Treppen - mit dem Kopf gegen die Bühne (d.h. mit dem Dekolletee direkt aufs Publikum) liegen zu lassen, waren so gewollt und sie hat das Alles auf eine so künstliche und pornographisch plumpe Weise getan, dass es mir, ehrlich gesagt, für mich, für sie und für Alle peinlich wurde.

    Ecouter, c'est écouter la différence.

  • Hallo Caruso und Luca,
    Es tut mir leid, Euch zu widersprechen.
    Vielleicht liegt es daran, dass mich diese "Königinnendramen" durch die übermässig grossen Frauenrollen und die mangelnden Tenorpartien (beim Sänger in dieser Produktion war man aber wohl eher froh darüber) schon immer ziemlich gelangweilt haben.
    Demzufolge war ich ehrlich gesagt nicht traurig oder gar enttäuscht über diese Produktion.
    Wenn man als Gegenentwurf über solche Scheusslichkeiten wie den Mannheimer-Lohengrin von Til Knabe (nicht von Richard Wagner!!!) lesen muss, war es für mich ganz wohltuend eine Anna Bolena zu sehen, in welcher schöne Menschen in schönen Kostümen und aestehtischen Bühnenbildern grösstenteils schöne Töne ablieferten. (Ich gebe zu bei einer "Favorita" wäre ich damit nicht zufrieden gewesen, aber wie schon gesagt stehen für mich die "Königinnen-Opern" Donizettis durch die mir mangelnde Dramatik auf einem anderen Blatt.)
    MfG

  • Zitat

    Was ist das denn für eine merkwürdige Vorstellung von Oper: "weil derlei NICHT stattfand" ??? - - -


    Ich werde zum Thema "Vorstellung von Oper" noch heute einen eigenen Thread eröffnen, wobei ich mir erlauben werde - diese von dir hypothetisch gestellte Frage - die ja wohl eher ein Vorwurf sein sollte (?) - Als Titel zu nehmen.


    Hier nur in aller Kürze. Es handelt sich hier um keine Oper des Verismo - und von historischer Wahgrheit ist das Werk weit entfernt. Belcanto-Opern waren meines Erachtens nach - im Gegensatz du den Opern des Verismo - nie dazu gedacht, historische Begebenheiten oder menschliche Konflikte wirklichkeitssnah auf die Bühne zu bringen - die Handlung diente zumeist nur als Rahmen, schöne Kostüme und schöne Stimmen in Szene zu setzen.
    Dies nur als kurzes Statement. Ich bitte hierauf an dieser STELLE NICHT zu antworten, um das eigentliche Thema des Threads nicht zu gefährden, sondern dies in wenigen Stunden im neu eröffneten Spezialthread zu diesem Thema zu tun.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich habe in meiner Beurteilung der ARTE-Übertragung vom 5.4. ja schon geschrieben, dass ich kein besonderer Liebhaber dieser Art von Musik bin und daher auch keine große Vergleichsmöglichkeit habe - außer der Callas von 1957 und einer konzertanten Aufführung mit Gruberova. Ich bin auch nicht der große Verehrer von Anna Netrebko, allerdings bin ich froh, dass es heutzutage überhaupt noch einige (wenige) Sänger gibt, die solche Emotionen hervorrufen, wie man sie hier lesen kann ! Frau Netrebko ist sicherlich zur Zeit bemüht, ihre Möglichkeiten auszuloten, da kam ihr das Angebot von der Staatsoper Wien wohl sehr gelegen. Es hat doch in der Vergangenheit immer große Sänger gegeben, die einen Fachwechsel versucht haben und dabei am Anfang gescheitert sind. Auch Callas war nicht sofort in allen Rollen akzeptiert und es gibt genügend Livemittschnitte von ihr, wo man ihr ebensoviele Fehler vorwerfen kann, wie z.B. "Luca" hier Netrebko . Ich bin zwar auch einer derjenigen, der die "alten" den meisten "heutigen" vorzieht, aber man muss auch objektiv bleiben und nicht aus Verklärung heraus, alles loben, was da früher gesungen hat. Z.B. hatte mich das Konzert mit Gruberova trotz herrlicher Töne letztendlich sehr gelangweilt, die Musik berührt mich halt nicht sonderlich. Und ob ich mir Gruberova heute auf der Bühne in dieser Rolle vorstellen könnte, wage ich zu bezweifeln. Große schauspielerische Begabung hatte sie nie und heute kommt dann einfach noch das Alter dazu, das sie m.E. für eine solche Rolle nicht mehr geeignet erscheinen lässt.


    Was die vielen Hinweise darauf , wie man Belcanto zu singen hat oder wie man speziell Donizetti zu singen hat, betrifft kann ich nur auf meine Ausführungen von weiter oben zurückkommen. Donizetti hatte seine Partien gesanglich gar nicht so angelegt, wie sie viele Jahre lang später gesungen wurden. Es waren eben keine ausgesprochenen Koloratursängerinnen , an die er gedacht hatte. Das haben die Damen selber "erfunden", erst Callas hat ja daran etwas geändert , spätere wie Sutherland oder Caballe und Sills haben wieder einen Rückwärtsschritt eingelegt.


    Ich bin natürlich auch der Meinung, dass ein "Star" wie Netrebko schon richtig singen muss und keine laufenden Fehler begehen darf oder ständig intonieren könnte. Aber das habe ich in der Aufführung vom 5.4. auch nicht gehört und ich fand auch , dass sie schauspielerisch nicht schlecht war - im Rahmen dessen, was der Regisseur von ihr verlangt haben wird - . Da in meinem Freundes- und Bekanntenkreis sehr viele die Aufführung verfolgt haben und fast alle sehr positiv über die Sängerleistung der drei Damen /(Netrebko, Garanca und Kulmann) geurteilt haben, denke ich, dass es für normale Opernfreunde, die nicht über grosse Kenntniss von Gesangstechnik verfügen und auch kein absolutes Gehör haben, eine Aufführung war, die insgesamt erfreulich war .


    Manchmal kann auch zu grosses Wissen um Genuss bringen !

  • Ich werde zum Thema "Vorstellung von Oper" noch heute einen eigenen Thread eröffnen, wobei ich mir erlauben werde - diese von dir hypothetisch gestellte Frage - die ja wohl eher ein Vorwurf sein sollte (?) - Als Titel zu nehmen.


    Ja das ist in Ordnung.


    Nur dummerweise war ich der Meinung, das sei die Anwort auf mich und kam überhaupt nicht klar damit. Und deshalb habe ich nun in dem neuen Thread was zu Deiner Bemerkung über Personenführung bei Belcanto-Opern geschrieben! Da passst es allerdings überhaupt nicht hin! Es würde hier in den Anna-Bolena-Thread gehören.


    Zu dem Thema des neuen Thread werde ich im übrigen nichts sagen. Früher habe ich mal darüber geforscht, aber das ist für mich abgeschlossen und ich finde schon die Eröffnung des Threads nicht sehr sachdienlich. Da geht zu viel durcheinander, was sorgsam getrennt werden müsste, wenn man denn zu einer vernünftigen Auseinaandersetzung kommen will: "Realitätsnähe" , "Logische Handlung", "Historische Treue", Psychologische Durchdringung" und so fort! Und dann noch verschiedene Zeiten und Stile...


    Wie soll da eine vernünftige Diskussion geführt werden? Schon die Bemerkungen zu der Frage, ob eine Oper wie Anna Bolena Personenführung braucht, haben mich deprimiert!!!

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Liebe Mme. Cortese,


    Du hast mein Zitat an den Anfang einer Beschreibung über Probenmitschnitte der Callas gestellt und dabei geschrieben,


    Zitat

    Callas singt hier in der Probe ausdrucksstärker als Netrebko während der gesamten Aufführung, weil sie die Partie technisch sicher drauf hatte. (...) Bei der erwähnten Probe wird eine Stelle mehrfach wiederholt, und zwar die aufsteigende Trillerkette am Ende der Cabaletta "Coppia iniqua", und zwar nicht, weil Callas damit technische Probleme hätte, sondern wegen des Timings zwischen Sängerin und Orchester. Auf diese Trillerkette habe ich am Ende der Übertragung aus Wien vergebens gewartet. Insofern muss ich Luca und Caruso recht geben - wer die technischen Anforderungen einer Partie nicht beherrscht, sollte die Finger davon lassen - das Ergebnis ist allenfalls unbefriedigend und...langweilig.


    Das unterstreicht eigentlich meinen Gedankengang, vielleicht nicht so deutlich ausgedrückt, wie es gemeint war, daß nämlich die schwierigen Opern-Partien im Theateralltag nicht mehr besetzt werden können (Stichwort: Krise des Gesangs) und deshalb Aufführungen nicht mehr zustande kommen - es sei denn, man geht über die Noten des Komponisten hinweg. So hat es ja Luca bei Anna Netrebko durch Mitlesen der Partitur (oder des Klavierauszugs) festgestellt. Bezüglich der Callas bleibt bei die Frage unbeantwortet, ob das Wollen und Können ständig war oder nicht auf eine bestimmte Zeit, nämlich ihre jungen Jahre, beschränkt blieb.


    Wie dem auch sei: Wenn man seine Hör- und Aha-Erlebnisse aus Tonträgern bezieht, können Theater nicht mithalten, denn die Konserve wird wegen der Manipulationsmöglichkeiten immer obsiegen.


    Freundliche Grüße

    .


    MUSIKWANDERER

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