Was ist dran an Thielemann? - Annäherung an ein Phänomen

  • Schließlich war Barenbom, der viele Anhänger hat, ja auch wer. Nur hielt er zu lange an seinem Posten fest.

    Barenboim war Chefdirigent "auf Lebenszeit", ist aber von sich aus und freiwillig zurückgetreten, als er den Posten aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verantwortlich ausfüllen konnte. Ich finde das höchst respektabel und Deine Bemerkung dazu unverschämt.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Barenboim war Chefdirigent "auf Lebenszeit"

    "Auf Lebenszeit" - sollte im demokratischen Musikbetrieb als Zustand nie mehr auch nur gedacht werden. Zudem ist dieses feudale Konstrukt arbeitsrechtlich absurd. Niemand kann so gut sein, dass er seinen festen Job bis zum Lebensende ausfüllen kann.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • "Auf Lebenszeit" - sollte im demokratischen Musikbetrieb als Zustand nie mehr auch nur gedacht werden. Zudem ist dieses feudale Konstrukt arbeitsrechtlich absurd. Niemand kann so gut sein, dass er seinen festen Job bis zum Lebensende ausfüllen kann.

    Herbert v. Karajan war auch Dirigent auf Lebenszeit. Die Chefdirigenten und die Art ihrer Anstellung werden von den Berliner Philharmonikern nun aber traditionell durch das Orchester in demokratischer Wahl bestimmt, sie werden also gerade nicht durch eine amtliche Stelle ernannt und dem Orchester dann vorgesetzt. Man kann sich natürlich fragen, ob diese Form eines Vertrages noch zeitgemäß ist (für das Heute würde ich auch sagen: eher nein!), aber per se undemokratisch ist sie deshalb nicht, wie das Beispiel der Berliner Philharmoniker zeigt. Barenboim war anders als Karajan in seiner letzten Zeit musikalisch in Top-Form, vielleicht so gut wie vorher nie. Das bezeugen seine Aufnahmen. Warum sollte er also zurücktreten? Schade, dass seine Krankheit das alles abrupt beendet hat.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Thielemann kenne und beurteile ich anhand der Beethovensinfonien.


    Auffallend ist dabei der homogene fließende Klang, auch feinste Details sind noch heraushörbar.


    Gegenüber seinem Ziehvater Karajan vermeidet er erkennbar dessen fulminantes Orchestrieren, was mir gut gefällt.


    Je länger ich allerdings in die Sinfonien hineingehört habe, wurde es mir immer deutlicher, dass bei Thielemann kaum Spannung und Dramatik entsteht, da er diese der Klangschönheit, dem Fluß und den Feindetails opfert.


    Irgendwann war es dann nur noch langweilig.

  • "Was ist dran an Thielemann?" Eine seiner für mich bis heute besten Einspielungen legte er, damals erst 37-jährig, bereits 1996 vor: Beethovens Fünfte mit dem Philharmonia Orchestra. In Furtwängler'schem Geiste und mit ungemein gut eingefangenem Klangbild, hinsichtlich ihrer "unzeitgemäßen" Agogik noch deutlich konsequenter als die spätere Live-Auflage mit den Wiener Philharmonikern und dieser für meine Begriffe interpretatorisch, tontechnisch und orchestral überlegen, eine wirkliche Studioproduktion mit merklicher Akribie in jeder Hinsicht.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Herbert v. Karajan war auch Dirigent auf Lebenszeit.

    Dises Beispiel wollte ich gazu bewusst nicht einbringen. Zudem ist es fast siebzig Jahre, dass ihm dieser Status, der von vorherein die Frage nach einer wie immer gearteten Nachfolge ausschloss, zugesprochen wurde. Wie quälend und letztlich entwürdigend das ausging, wissen wird.

    Barenboim war anders als Karajan in seiner letzten Zeit musikalisch in Top-Form, vielleicht so gut wie vorher nie. Das bezeugen seine Aufnahmen.

    Darüber ließe sich lange diskutieren. Ich teile diese Auffasung nämlich nicht. Auch aus Ehrfurcht vor der Lebensleitung beider Dirigenen nicht.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich kenne von Thielemann keine einzige Aufnahme, die mich begeistert. Auch im Kernrepertoire hat er für mich keine Maßstäbe gesetzt, weder bei Schumann noch bei Brahms. Gerade von den Schumann-Symphonien war ich enttäuscht. Wer kennt diese Aufnahmen und kann etwas dazu sagen? Die hoch gejubelten Bruckner-Aufnahmen mit den Wienern können mich auch nicht überzeugen, allenfalls vom Klang. Seine gerühmten lang aufgebauten Steigerungen - ich suche sie vergeblich in diesen Bruckner-Aufnahmen. Kein Vergleich mit den sagenhaften Steigerungen Skrowaczewskis und dem Rundfunk Symphonieorchester Saarbrücken (ja, Saarbrücken!). Ich würde gerne begreifen, was das Besondere dieses Dirigenten ist, aber bislang hat es sich mir nicht erschlossen. Allerdings interessiere ich mich nur sehr begrenzt für Opern, insofern spielt das für meine Beurteilung keine Rolle. Die von Joseph II. genannten Beethoven-Aufnahme müsste ich mir mal anhören, aber darauf allein kann sein Ruhm doch nicht gegründet sein, oder?

  • … Eine seiner für mich bis heute besten Einspielungen legte er, damals erst 37-jährig, bereits 1996 vor: Beethovens Fünfte mit dem Philharmonia Orchestra. In Furtwängler'schem Geiste und mit ungemein gut eingefangenem Klangbild, hinsichtlich ihrer "unzeitgemäßen" Agogik noch deutlich konsequenter als die spätere Live-Auflage mit den Wiener Philharmonikern und dieser für meine Begriffe interpretatorisch, tontechnisch und orchestral überlegen, eine wirkliche Studioproduktion mit merklicher Akribie in jeder Hinsicht.


    Rezension aus RONDO 1997:


    Nach den Entschlackungsbädern und stilistischen Korrekturen britischer Historisten vor nur wenigen Jahren (man denke nur an Gardiners und Norringtons Radikalkuren) hätte wohl kaum einer damit gerechnet, dass ausgerechnet ein junger Deutscher den abgerüsteten "Staatsmusikanten" Beethoven so schnell wieder zum selbstherrlich aufgeblasenen, deutschtümelnden Spätromantiker machen würde.

    Aber nicht einmal Furtwängler und Karajan, deren "verwaiste" Tradition nun der scharfgescheitelte Christian Thielemann übernehmen soll, haben jemals Beethovens Fünfte und Siebente moralisch so zu entschärfen und auf den hohlen staatsmännischen Gestus dröhnender Selbstgefälligkeit und bombastischen Wohllauts zu reduzieren versucht wie Thielemann …

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Klassisches Dampfgeplauder (von "Rondo"). Einfach mal selber reinhören. Aber da man jetzt ja weiß, wer dirigiert, steht das Urteil bei vielen sowieso schon fest.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Zitat

    Rezension aus RONDO 1997:


    Nach den Entschlackungsbädern und stilistischen Korrekturen britischer Historisten vor nur wenigen Jahren (man denke nur an Gardiners und Norringtons Radikalkuren) hätte wohl kaum einer damit gerechnet, dass ausgerechnet ein junger Deutscher den abgerüsteten "Staatsmusikanten" Beethoven so schnell wieder zum selbstherrlich aufgeblasenen, deutschtümelnden Spätromantiker machen würde.

    Aber nicht einmal Furtwängler und Karajan, deren "verwaiste" Tradition nun der scharfgescheitelte Christian Thielemann übernehmen soll, haben jemals Beethovens Fünfte und Siebente moralisch so zu entschärfen und auf den hohlen staatsmännischen Gestus dröhnender Selbstgefälligkeit und bombastischen Wohllauts zu reduzieren versucht wie Thielemann …

    Und GENAU DAS war der Beginn einen bedeutenden Karriere, der linke Flügel der Kritiker hatte sich auf ihn eingeschossen

    Ich erinner mich an weitere Kritiken in diesem Stil, insbesondere wurde gehässig kritisiert, daß er Pfizner dirigierte und er wurde implizit ins rechte Eck gestellt, gelegentich auch unverhohlen. Ich erinner mich an das letzte Wort einer dieser tendenziösen Kritiken: "Sehr unsympathisch"


    In jenen Tagen begann dann einerseits das "Thielemann-Bashing" - andrerseits lenkte das das Interesse auf ihn.

    Seither ist er immer wieder aus anderem Anlass - "in aller Munde"

    Der "bombastische Wohllaut" - auch wenn es einigen nicht gefällt - hat nämlich in der Klassikszene eine große - und teilweise sehr mächtige und einflußreiche Anhängerschar - in somit war Thielemann "ihr Mann" Wie Thielemann das empfand weiß ich nicht, vermutlich hat er bald erkannt, daß solche Kritiken ihm mehr nützen als schadeten.....

    "Die siebte moralisch entschärfen ?" - ein Text wie aus einem Witzblatt.:hahahaha::hahahaha::hahahaha::saint:


    mfg aus Wien

    Alfred

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Der Bayerische Rundfunk fasst einige Reaktionen auf die Thielemann-Berufung zusammen:


    https://www.br-klassik.de/aktu…er-staatskapelle-100.html


    Erstaunlich, wie viel bei der Bewertung sich um außermusikalische Themen dreht. Der einzige fachliche Einwand ist das angeblich "schmale" Repertoire Thielemanns. Ich muss gestehen, dass ich das zumindest in Bezug auf Musiktheater nicht wirklich nachvollziehen kann. Zum einen hat Thielemann in der Pressekonferenz angekündigt, neues Repertoire erschließen zu wollen. Zum anderen denke ich, dass er im Laufe seines Lebens mehr Bühnenwerke dirigiert hat als Barenboim, was auch dem Umstand geschuldet ist, dass Thielemann eine "klassische" Kapellmeister-Tour durch Provinz und dann größere Häuser genommen hat. Aber auch im symphonischen Bereich hat Thielemann sein Repertoire in den letzten Jahren erweitert, beispielsweise in Richtung Mahler... (Claudio Abbado, der in seiner Karriere zwei großen Opernhäusern vorstand, hat nicht einmal halb so viele verschiedene Opern dirigiert wie Thielemann.)

    Dass Thielemann keine vorklassischen Stücke dirigiert, kann man ihm in einer Zeit, wo dieses Repertoire vornehmlich Sache von Spezialisten ist, kaum vorwerfen. Im Bereich der klassischen Moderne hat er ja durchaus einiges dirigiert, ich erinnere mich beispielsweise an "Moses und Aron" und warum sollte an der Staatsoper nicht auch mal ein "Wozzeck" dazukommen? Thielemanns Faible für Strauss wird immer ein bisschen naserümpfend erwähnt - komischerweise wurde bei Barenboim nie kritisch angemerkt, dass er außer "Elektra" nie eine Strauss-Oper dirigiert hat.

    Sobotka hat darauf verwiesen, dass die Staatsoper alle 10 bayreuthwürdigen Werke Wagners im Repertoire hat und es hier in naher Zukunft keine Neuproduktionen geben wird - richtig so! Da wird Thielemann andere Premieren dirigieren und anderes Repertoire für das Haus erschließen.

  • Erstaunlich, wie viel bei der Bewertung sich um außermusikalische Themen dreht.

    Das ist überhaupt nicht erstaunlich.

    Schon bei Karajan, Böhm, Furtwängeler, Richard Strauß und besonders exzessiv bei Ellie Ney*, also allem was man unter "konservativ, rechts, bürgerlich, "antisemitisch, etc etc. einordnete, wurde angegriffen.

    Interessanterweise in dem man zu Beginn auf diese Mankos hinwies

    Als sich herausstellte, daß dies entweder niemanden interessierte, oder vielleicht sogar Sympathie (die Mehrheit der Gesellschaft bewegt sich seit einigen Jahren tendenziell nach rechts) hervorrief fing man an, sie als "langweilig, rückwärtsgewand, seicht, inkompetent etc. darzustellen (übrigens auch völlig erfolglos !!)

    So ist es nur logisch, daß bei Thielemann ebenfalls versucht wird - ihm zu schaden.

    Dass das nicht funktioniert, hätte ich a priori vorhersagen können, denn die Klassikszene ist in der Regel eher konservativ bis linksfeindlich


    *)Elly Ney - Sie wurde bei Tamino schon vor exrem langer Zeit Thematisiert - Mir wurde berichtet, da0 (damals wa die PN noch avtiviert) daß ein DAMALIGES Mitglied ein anderes bedroht hatte, weil er positiv über E. Ney geschrieben hatte.

    Mich hat der Fall interessiert und ich habe sowohl in der Brockhaus-Enzaklopädia, als auch im Grove Musiklexikon nachgeschlagen.

    KEINES der beiden (besonders interessant der "Grove", der ja aus England stammt, vo mann Haßtiraden auf Ney erwartet hätte)

    befasst sich mit Neys politischer Gesinnung- nur mit deren Einstufung als Pianistin !!!!

    Eben ein anderes Kaliber als die deutschsprachige WIKIPEDIA, die zwar fachlich immer besser wird - aber auch sehr tendenziös.


    mfg aus Wien

    Alfred

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



  • Das ist überhaupt nicht erstaunlich.

    Schon bei Karajan, Böhm, Furtwängeler, Richard Strauß und besonders exzessiv bei Ellie Ney*, also allem was man unter "konservativ, rechts, bürgerlich, "antisemitisch, etc etc. einordnete, wurde angegriffen.

    Nun sind "bürgerlich" und "antisemitisch" freilich zwei völlig verschiedene paar Schuhe. "Bürgerlich" und zugleich "antisemitisch" zu sein, schließt sich in zivilisierten mitteleuropäischen Gesellschaftsformen übrigens aus. "Antisemitisch" ist darüber hinaus heutzutage keine Gesinnung, die bei der Mehrheit der Gesellschaft "Sympathie hervorruft" - weder in Deutschland noch in Österreich.

  • "Schon bei Karajan, Böhm, Furtwängeler, Richard Strauß und besonders exzessiv bei Ellie Ney*, also allem was man unter "konservativ, rechts, bürgerlich, "antisemitisch, etc etc. einordnete, wurde angegriffen. "


    Das hat er gesagt !

  • aber darauf allein kann sein Ruhm doch nicht gegründet sein, oder?

    Nein, der Ruhm Thielemanns an sich gründet natürlich nicht nur auf einem Beethoven-Zyklus. Viel mehr ist er ja als Wagner-Dirigent berühmt und berüchtigt und hat dabei inzwischen ein Niveau erreicht, das seines gleichen sucht.

    Man muss dabei aber IMO zwischen dem Livedirigenten und den Einspielungen unterscheiden. Ich habe Thielemann einige Male mit verschiedenen Wagneropern live gehört und besser kann ich mir Wagner eigentlich kaum vorstellen. Seine Wagner-Einspielungen hingegen haben keinen legendären Ruf, im Gegenteil: sie standen größtenteils unter keinem guten Stern. Pech mit den verfügbaren Solisten und schlechte Aufnahmetechnik haben seinen Ring (siehe auch hier) oder auch die Meistersinger ziemlich versaut. Auf der Haben-Seite steht zum Beispiel noch eine ziemlich gute Frau ohne Schatten aus Wien. Ich hoffe natürlich, dass er irgendwann noch den großen Thielemann-Ring als Aufnahme vorlegen kann!

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Schon bei Karajan, Böhm, Furtwängeler, Richard Strauß und besonders exzessiv bei Ellie Ney*, also allem was man unter "konservativ, rechts, bürgerlich, "antisemitisch, etc etc. einordnete, wurde angegriffen.

    Elly Ney war nicht "konservativ" oder "bürgerlich" sondern bekennend nationalsozialistisch, antisemitisch und rassistisch. Mir scheint, dass das ein Unterschied ist.


    KEINES der beiden (besonders interessant der "Grove", der ja aus England stammt, vo mann Haßtiraden auf Ney erwartet hätte)

    befasst sich mit Neys politischer Gesinnung- nur mit deren Einstufung als Pianistin !!!!

    Sie selbst hat sich keineswegs nur "als Pianistin" gesehen sondern ihre Kunst freiwillig in den Dienst der Machthaber gestellt. Sie spielte u.a. im besetzten Krakau, erhielt für ihre Truppenkonzerte das Kriegsverdienstkreuz, gab ungezählte Konzerte für Organisationen der NSDAP und hielt dort (so die damalige Presse) "warme und vaterländische Ansprachen". Auch nach dem Krieg pflegte sie Kontakte zu Nazis und rechtsextremen Organisationen. Sie verstand sich und handelte als durch und durch politische Künstlerin und muss deshalb auch so bewertet werden, auch wenn sie selbstredend diesen Teil ihrer Biographie in ihren Memoiren von 1957 verschwieg.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Man muss dabei aber IMO zwischen dem Livedirigenten und den Einspielungen unterscheiden. Ich habe Thielemann einige Male mit verschiedenen Wagneropern live gehört und besser kann ich mir Wagner eigentlich kaum vorstellen. Seine Wagner-Einspielungen hingegen haben keinen legendären Ruf, im Gegenteil: sie standen größtenteils unter keinem guten Stern.

    Vielen Dank für diesen Beitrag. Er hilft mir das Gehörte besser einzuordnen.

    Klassisches Dampfgeplauder (von "Rondo"). Einfach mal selber reinhören. Aber da man jetzt ja weiß, wer dirigiert, steht das Urteil bei vielen sowieso schon fest.



    Gemacht. Unschön finde ich das vorzeitige Aufziehen von Schubladen, die unvoreingenommens Hören zumindest erschwert.


    Ich bin ein seltener Sinfoniehörer. Natürlich kenne ich Beethovens Sinfonien schon, aber es ist lange her, dass sie bei mir regelmäßige Kost waren. Das nur zur Voraussetzung! Nun zum Höreindruck.



    Ich habe mir den ersten Satz angehört. Ich finde diese Einspielung nun nicht berauschend. Es stört mich nicht das Pompöse an sich, sondern eher das Pompöse als Überbrückung einer langsam aufkommendenden Langeweile. So schön das alles klingt, irgendwie sagt es mir nichts. Ich habe noch eine alte Karajan Einspielung der Beethoven Sinfonien, die mich seit Kindheit begleitete. Diese Einspielungen sind auch pompös. Man kann dazu sicher auch kritisch eingestellt sein, aber diese Einspielungen überzeugen mich vom Ausdruck. Das Orchester wird im Initialsatz der Fünften fast wie ein Einzelinstrument behandelt. Dramatik und Dynamik dieses Satzes werden auf fast einzigartige Weise "herausgeschlagen", möchte man fast sagen




    Die Thielemann Version wirkt ein wenig weichgekocht dagegen und bietet dann aber keine überzeugende Alternative.

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  • schließt sich in zivilisierten mitteleuropäischen Gesellschaftsformen übrigens aus. "Antisemitisch" ist darüber hinaus heutzutage keine Gesinnung, die bei der Mehrheit der Gesellschaft "Sympathie hervorruft" - weder in Deutschland noch in Österreich.

    Ich behaupte das zwar nicht - im Prinzip ist es mir egal - aber So wie Du das darstellest ist es eine sehr subjektive Wunschvorstellung, die mit der Realtät vermutlich nur schwer in Einklang zu bringen ist. Aber wir wollen den Thread nicht abschweifen lassen.....

    Elly Ney- Wer da mehr düber schreiben will - gerne -> Elly Ney - - Pathos, Pose oder Innerlichkeit?"

    Daher komme ich hier wieder zum Thema: Christian Thielemann

    (Ich entschuldige mich an dieser Stelle für die selbstverschuldete Abweichung - aber in gewisser weise war sie KURT notwendig (?) )


    Ich habe mir den ersten Satz angehört. Ich finde diese Einspielung nun nicht berauschend. Es stört mich nicht das Pompöse an sich, sondern eher das Pompöse als Überbrückung einer langsam aufkommendenden Langeweile. So schön das alles klingt, irgendwie sagt es mir nichts.

    Das ist natürlich ein legitimer Standpunkt - und man kann ihn auch hier vertreten.

    Aber esgab und gibt immer noch an klassischer Musik interessierte Personen, die sich mit purer Schönheit der Musik begügen - nein nicht BEGNÜGEN, sondern sie sogar GENIESSEN - frei von jeglicher Ideologie und hineinprojizierten ideologischen Weltanschauungen - die sich durch die Jahrhunderte hindurch stets beliebig uminterpretiert wurden. Ich nehme hier als Beispiel Mozarts Zauberflöte. Die Musik, sei er der "volkstümliche" oder der "erhabene" Teil - ist über jeden Zweifel erhaben.

    Das von Schikaneder geschaffene Libretto indes ist eigentlich ein Machwerk übelster Sorte, der Zeitgenosse und Musikfreund Graf Zinzendorf schieb in sein Tagebuch: Die musik und die Dekorationen sind hübsch, der Rest eine unglaubliche Farce"

    Hier muß man sagen, daß das nur bedingt stimmt, Mozart erreichte SEIN Publikum, Schikaneder,hingegen das SEINE. Er schrie quasi einen Schundroman, ein Volsstüch, wo alles was irgendwie publikumswirksam sein konnte (für ein Vorstadttheater und sein Publikum) bunt gemischt wurde: Freimaurergefasel, ägyptische Gottheiten, gemischt mit Christentum, Priesterkult, dubiosen Prüfungen, Frauenfeindlichkeit, Javonischer Jagdkleidung, dem herzigen, aber dummen Papageno - durchaus unterhaltsam -Schunliteratur ist das meistens, drum verkauft sie sich so gut) ABER die Zauberflöte als MORALISCHE Botschaft an die Menschheit deuten zu wollen ?

    Schikaneder würde sich totlachen......


    Das gilt auch für zahlreiche Sinfonisch Werke, desto pathetischer , desto besser...

    Heute nimmt man diesen Werk teilweise den Schönklang - um die "moralische Aussage" zu verstärken - alles muß "zerrissen, zerklüftet und problematisch klingen" - nur ja kein schöner betörender, eleganter, hochpolierter Klang - das ist langweilig - - - allerdings nicht für alle (!!!)


    mfg aus Wien

    Alfred

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  • Das kann und darf man natürlich so sehen. Karajans Aufnahme (es ist jene von 1962) war meine allererste. Diese hat mich über Jahre geprägt. Sie ist denkbar anders, im Tempo konstanter, durchaus "moderner" in ihrer Lesart. Ich tue mich mittlerweile eher damit schwer. Ein gewisser Eindruck von poliertem Oberflächenglanz tut sich mir auf. Thielemann orientiert sich hörbar viel mehr an Furtwängler und der Vor-Karajan-Ära. Ich formuliere es etwas provokant: Würde man diese Thielemann-Aufnahme in Mono konvertieren und als neu entdeckten Furtwängler verkaufen, ich möchte nicht wissen, wie viel positiver mancher Höreindruck hier ausfiele.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Thielemann ist für manche Kritiker eine Reizfigur. Die oben zitierte, für meine Begriffe unsägliche "Rondo"-Kritik von 1997 ist ein Musterbeispiel solch vorurteilsbehafteter Herangehensweise, die im seriösen Journalismus nichts verloren hat. Offenbar gefiel dem Rezensenten der Seitenscheitel des Dirigenten auf dem Cover nicht, so dass er ihn zumindest der Deutschtümelei bezichtigt. Hier wird auf oberflächliche Äußerlichkeiten reduziert. Bei einer Frau spräche man zurecht von Sexismus. Dann wirft er noch dazu ausgerechnet Furtwängler und Karajan, die Unvergleichbaren, in denselben Topf einer angeblich verwaisten Tradition. Anhand der Fünften von Beethoven lassen sich hier frappierende Unterschiede feststellen. Kurzum: Das spricht mehr über den Kritiker als über den Kritisierten.

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    – Luís de Camões

  • Ich kenne von Thielemann keine einzige Aufnahme, die mich begeistert. Auch im Kernrepertoire hat er für mich keine Maßstäbe gesetzt, weder bei Schumann noch bei Brahms. Gerade von den Schumann-Symphonien war ich enttäuscht. Wer kennt diese Aufnahmen und kann etwas dazu sagen? Die hoch gejubelten Bruckner-Aufnahmen mit den Wienern können mich auch nicht überzeugen, allenfalls vom Klang. Seine gerühmten lang aufgebauten Steigerungen - ich suche sie vergeblich in diesen Bruckner-Aufnahmen. Kein Vergleich mit den sagenhaften Steigerungen Skrowaczewskis und dem Rundfunk Symphonieorchester Saarbrücken (ja, Saarbrücken!). Ich würde gerne begreifen, was das Besondere dieses Dirigenten ist, aber bislang hat es sich mir nicht erschlossen. Allerdings interessiere ich mich nur sehr begrenzt für Opern, insofern spielt das für meine Beurteilung keine Rolle. Die von Joseph II. genannten Beethoven-Aufnahme müsste ich mir mal anhören, aber darauf allein kann sein Ruhm doch nicht gegründet sein, oder?

    Lieber Christian,


    meine Prägung was Dirigenten angeht geschah zu allererst durch Claudio Abbado und Pierre Boulez, später dann Vaclav Neumann, Yevgeny Mrawinsky, Celibidache und noch einige andere. Deshalb sprang bei mir bislang der Funke in Bezug auf Thielemann nicht über. Die hier verlinkte 5. Beethoven kann ich mir kaum unhören - diese "unpräzise" Art die Konturen zu verwaschen widerspricht meinen Hörgewohnheiten und Maßstäben. Da fehlt mir die Klarheit und "Deutlichkeit". Bei Furtwängler ist das anders - er verkörpert für mich die Wagner-Tradition perfekt und hat schon seine eigene Genauigkeit. Da vermisse ich gar nichts - im Gegenteil, Furtwängler fasziniert mich immer wieder. Ich suche bislang auch nach einer Aufnahme von Orchestermusik, wo Thielemann mir gefallen könnte. Am ehesten ist das (nach dem Reinhören) der Fall beim Brahms-Violinkonzert mit der großartigen Lisa Batiashvili. Da gefällt er mir spontan sehr gut. Bei den Klavierkonzerten mit Pollini dagegen ziehe ich Abbado eindeutig vor. Schwerpunktmäßig ist er wohl vor allem Opern-Dirigent. Da hat er offenbar seine großen Meriten. Ich bin aber nicht der Mensch, der Opern auf CD hört. Oper gehört für mich in die Oper. Deshalb habe ich auch bislang keine einzige Thielemann-CD in meiner Sammlung. Vielleicht wird das Brahms-Violinkonzert mit meiner Lieblingsgeigerin die erste. ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Lieber Holger,


    bei den Brahms Klavierkonzerten mit Pollini finde ich auch die Aufnahmen mit Abbado stimmiger, aber vielleicht liegt das ein bisschen an Pollini. Ich lasse mich gerne begeistern, deswegen höre ich Musik. Aber bei Thielemann will mir das nicht gelingen. Ich werde seinen Bruckner-Zyklus weiter verfolgen, die SIEBTE steht ja noch aus. Der geschätze Bernd Stremmel hat in seiner Diskographie über Thielemanns ACHTE (aus Dresden und Wien) treffend geschrieben:


    "Insgesamt handelt es sich bei beiden Mitschnitten um ziemlich überzeugende Interpretationen nach traditioneller Art in der Haas-Fassung."


    Das bringt es ganz gut auf den Punkt - herausragende Höhepunkte sind diese Aufnahmen eher nicht. Und da frage ich mich dann doch: Woher kommt der Kult um diese Person? Weil er seine Haltung so bewusst ausstellt?


    Viele Grüße

    Christian

  • Man muss dabei aber IMO zwischen dem Livedirigenten und den Einspielungen unterscheiden. Ich habe Thielemann einige Male mit verschiedenen Wagneropern live gehört und besser kann ich mir Wagner eigentlich kaum vorstellen. Seine Wagner-Einspielungen hingegen haben keinen legendären Ruf, im Gegenteil: sie standen größtenteils unter keinem guten Stern.

    Absolute Zustimmung. Beispielsweise "Meistersinger". Es war in Dresden die letzte Aufführung, die ich vor der Corona-Pause sehen konnte. Und wie begeistert ich war. Dann kam die Einspielung heraus - und sie ist so schlecht aufgenommen, dass ich sie kaum hören mag.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Die Problematik der seit Jahren suboptimalen Aufnahmequalität ist nicht zu leugnen. Das ist selbstverständlich nicht die Schuld des Dirigenten. Die Labels, ob nun Sony oder DG, sparen heutzutage durch die Bank, indem auf Live-Mitschnitte gesetzt wird, die klanglich meist nicht optimal sind und wo zudem Störgeräusche und Patzer nicht restlos beseitigt werden können. Es passt zur Mediokrität unserer Zeit, dass die Sorgfalt einer klassischen Studioproduktion nur mehr in den seltensten Fällen stattfindet, besonders bei kostenintensiven Opernaufnahmen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Absolute Zustimmung. Beispielsweise "Meistersinger". Es war in Dresden die letzte Aufführung, die ich vor der Corona-Pause sehen konnte. Und wie begeistert ich war. Dann kam die Einspielung heraus - und sie ist so schlecht aufgenommen, dass ich sie kaum hören mag.

    Lieber lohengrins,


    diese Aufnahme ist eine meiner größten Fehlkäufe überhaupt.



    Wirkliche Details sind im Orchester kaum zu hören, die Sänger klingen "weit weg" und so, als ob die durch einen Vorhang sängen.


    Trotz der sehr interessanten Besetzung, u.a. und ibs. Georg Zeppenfeld als Sachs, habe ich es bis heute nicht schaffen wollen, diese Aufnahme zu Ende zu hören.


    Auf ähnlich tontechnisch lausigem Niveau befindet sich übrigens


    ,


    der zweite Reinfall, dem ich mit der Kombination Hänssler/Thielemann unterlegen bin.


    Dem Beiheft ist zu entnehmen, dass diese Aufnahme ursprünglich nicht zur Veröffentlichung gedacht war, aber es Covid-bedingt zu keinen weiteren Aufführungen kam.


    Mir geht's wie Christian B. Ich kenne viele Einspielungen des Herrn Thielemann, habe aber noch keine gefunden, der ich "Referenzstatus" attestieren würde.


    Zugegeben, seine Aufnahme von Bruckners 9. mit den Wiener Philharmonikern gefällt mir sehr gut



    aber viel zu vielen Aufnahmen würde ich "Effekte um des Effekts Willen" attestieren, aber so gut wie nichts, was mir einen neuen Blickwinkel auf ein bestimmtes Werk eröffnet. Ich habe nichts gegen Rubati oder andere musikalische Freiheiten, aber wenn ich Christian Thielemann und den, warum auch immer, so häufig zum Vergleich herangezogenen Wilhelm Furtwängler miteinander vergleiche, dann muss ich aufgrund meiner bisherigen Hörerfahrungen feststellen, dass beide Dirigenten mehr als eine qualitative Welt trennt.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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