Klassik für Anfänger? Was empfiehlt man einem Novizen?

  • Ich hätte präzisieren sollen, dass ich Kommunikation über Musik meinte.

    Und selbst das funktioniert m.E. nicht, denn egal, wie präzise man ist, verfehlt man stets die möglichen Varietäten dessen, wie Menschen sein können; z.B. schreibst Du weiter oben

    Das ist unter anderem ganz einfach eine Sache der Bildung und des Willens dazu.

    Auch hier widerspreche ich sofort und behaupte, dass Du auch in einem Rieu-Konzert genügend Leute finden wirst, die Dir in - durchaus nicht-trivialen - Bereichen bildungstechnisch überlegen sein werden.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Auch hier widerspreche ich sofort und behaupte, dass Du auch in einem Rieu-Konzert genügend Leute finden wirst, die Dir in - durchaus nicht-trivialen - Bereichen bildungstechnisch überlegen sein werden.


    Das glaube ich Dir gerne, aber vermutlich wirst Du in einem solchen Konzert kaum Leute finden, die einem durchschnittlichen Klassikforen-Nutzer im Bereich der Bildung zur klassischen Musik überlegen sind. Diese Behauptung mag auf den ersten Blick etwas elitär wirken, ich halte sie aber durchaus für realistisch. Warum sollte z. B. jemand, der Beethovens Neunte kennt, sich mit Rieus Kitsch-Version der "Ode an die Freude" abspeisen lassen? Das erscheint mir nicht sonderlich plausibel.


    Ich halte es im übrigen nicht für schlimm, wenn man an Sachen Freude hat, die ein Mensch mit stärkerem Spezialinteresse auf dem jeweiligen Gebiet für mäßig bis misslungen hält. Umgekehrt halte ich es aber auch nicht für schlimm, wenn der Mensch mit stärkerem Spezialinteresse das dann als Käsekram bezeichnet. Eine freie Gesellschaft sollte mit solcher Unterschiedlichkeit von Interessen umgehen können.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Das glaube ich Dir gerne, aber vermutlich wirst Du in einem solchen Konzert kaum Leute finden, die einem durchschnittlichen Klassikforen-Nutzer im Bereich der Bildung zur klassischen Musik überlegen sind. Diese Behauptung mag auf den ersten Blick etwas elitär wirken, ich halte sie aber durchaus für realistisch. Warum sollte z. B. jemand, der Beethovens Neunte kennt, sich mit Rieus Kitsch-Version der "Ode an die Freude" abspeisen lassen? Das erscheint mir nicht sonderlich plausibel.


    Ich halte es im übrigen nicht für schlimm, wenn man an Sachen Freude hat, die ein Mensch mit stärkerem Spezialinteresse auf dem jeweiligen Gebiet für mäßig bis misslungen hält. Umgekehrt halte ich es aber auch nicht für schlimm, wenn der Mensch mit stärkerem Spezialinteresse das dann als Käsekram bezeichnet. Eine freie Gesellschaft sollte mit solcher Unterschiedlichkeit von Interessen umgehen können.


    LG :hello:

    Exakt! Es gibt keinen Grund für absolute Gleichmacherei. Spezialinteresse begründet durchaus fundiertere Urteile. Elitär so verstanden ist doch kein Schimpfwort.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Exakt! Es gibt keinen Grund für absolute Gleichmacherei. Spezialinteresse begründet durchaus fundiertere Urteile. Elitär so verstanden ist doch kein Schimpfwort.


    Um das vielleicht mit einem Beispiel aus einem anderen Bereich zu untermauern: ich lese momentan (wenn auch leider mit Unterbrechungen) "Romatik" von Rüdiger Safranski. Ich weiß nicht, ob ein in der Thematik wirklich versierter Mensch (also z. B. ein Kulturhistoriker, Philosoph etc.) mich dafür nicht eher müde belächeln würde, schließlich ist es ja ein Buch mit einer eher populären, auf Breitenwirkung abzielenden Ausrichtung und keine akademisch-wissenschaftliche Arbeit. Mir ist das recht wurscht, da es für mich (angesichts meiner knappen Freizeit) eine anregende und passende Lektüre ist. Ich würde mich aber nicht darüber beschweren, wenn einer der oben genannten versierten Menschen mich darauf hinweisen würde, dass das ein eher leichtgewichtiger Beitrag zum Thema ist. Wieso sollte ich damit ein Problem haben?


    LG :hello:

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  • Als Jemand der erst kürzlich (vor ca. 3 Jahren) zur Klassik gefunden hat und seither ständig auf Missionszug ist würde ich sagen erster Schritt ist festzustellen wonach unser Novize in Musik sucht und welche Fähigkeiten mitgebracht werden. Kann sie oder er aktiv hören? Kann sie oder er sich lange genug auf die Musik konzentrieren dass man direkt eine Symphonie anhören kann? Ich würde auch drauf Hinweisen dass in einer Welt in der die meisten Lieder 3-5 Minuten lang sind kann auch ein einzelner Satz von 10-20 min. Länge als sehr lange wahrgenommen werden. Es gibt eine Reihe von Reaction-Videos auf Youtube von Leuten die „Beethovens 5. Symphonie zum ersten Mal hören“ (Den 1. Satz. Sie hören den 1. Satz der 5. Symphonie.) und viele von ihnen stellen ganz verblüfft fest wie lang das ist. Eine junge Dame bleibt mir besonders in Erinnerung mit dem – von mir etwas frei zitierten – Satz „I mean this is amazing, but this better be it, Beethoven!“ Wenn Gar nichts vorhanden ist wäre meine Empfehlung: Ouvertüren. Möglichst kein Wagner weil zu lang, dahin kann man sich vorarbeitenAber Fledermaus, I Capuleti e i Montecchi, La Gazza Ladra, die Entführung aus dem Serail, le Nozze di Figarro scheinen mir eine sehr niedrige Eingangshürde zu haben. Später Andere Teile von bekannten Stücken: Verschiedene Exzerpte aus Schwanensee mit der Challenge auf die bekannten Motive zu lauschen. Ich fürchte jedoch, dass das nicht allgemeinverbindlich ist und ich wohl kaum ein Regelfall sein dürfte.


    Beste Grüße,


    Niklas

  • Nein, Holger! Weder heute, noch damals, noch irgendwann hat sich jemand, dem Rieu oder ein entsprechendes Äquivalent seiner Zeit gefallen hat, über Kant oder Geschmackskultur irgendeinen Gedanken gemacht. Der Mensch funktioniert ganz schlicht anders. - Bitte, man sollte hier ganz strikt unterscheiden zwischen demjeniegen, der das Rieu-Konzert besucht und demjeniegen, der dies ggf. als schlechten Geschmack beurteilt. Der eine tut, was ihm gefällt und der andere urteilt ... mit welchem Recht er das tut, lasse ich dahingestellt.

    Das kann ich nun absolut nicht gelten lassen, lieber Michael. Als Phänomenologe orientiere ich mich erst einmal am vortheoretischen Alltagsverständnis. Zu dem gehört es, dass man die eigene Urteilsfähigkeit und die Anderer bewertet nach dem Kriterium guter/schlechter Geschmack. Wir bewerten z.B. die politische Urteilskraft als gut oder schlecht, jeder Mensch, der seine Wohnung einrichtet, wird das mit Geschmack tun und bestimmte Möbel oder bestimmte Einrichtungsgegenstände nicht kaufen, weil er sie kitschig findet und er urteilt so, wenn er die Wohnungseinrichtung des Nachbarn kitschig findet und sagt: Solch ein Mobilar würde ich mir nie kaufen. Dasselbe gilt für Musik, die macht da keine Ausnahme, wenn man z.B. einen Schlager als kitschig empfindet und Rieus Unterhaltungsmusik als seicht. Urteilskraft ist natürlich eine Frage der Bildung und Kultur. Wer in politischen Dingen kein gutes Urteilsvermögen hat, der kann daran etwas ändern, indem er sich bildet und seine Fähigkeiten weiter entwickelt. Der normale Mensch tut das auch. Dasselbe gilt von Kunst und Musik. Auch hier kann man durch Bildung seine Urteilskraft und sein Geschmacksurteil schärfen.


    Zur Untiefe unserer Zeit gehört, dass man das alles mit dem Argument der subjektiven Beliebigkeit abtut. Alles ist gleich gut und richtig, nur wenn es gefällt. Dann sagt aber der Philosoph: So sind wir beim Ressentiment. ^^ Wer selber über keine Geschmackskultur verfügt und keine solche Bildung hat, der wertet sie ab, erklärt ihren Wert zum Unwert. So lügt man dann - so funktioniert das Ressentiment - die eigene Schwäche zum Verdient um. Diese Umwertung funktionert etwa so, dass man die Allgemeinheit und Allgemeinverbindlichkeit und damit Weltläufigkeit von Geschmacksurteilen abstreitet und die Geschmacksbildung für "Esoterik", also für weltfremde Exotik, erklärt. Es gibt das Ressentiment im Aufbau der Moralen, das haben Philosophen längst als wertschöpferische Kraft endeckt. Und es gibt offenbar das Ressentiment in der Ästhetik, worüber es sich lohnt, nachzudenken. Das Spannende dabei ist, dass es offenbar so tief sitzt, dass selbst Menschen wie Du, die über ein sehr differenziertes und hoch gebildetes Geschmacksurteil verfügen, diese Argumentation des ästhetischen Ressentiments benutzen. Wir leben halt in der Postmoderne und ihrem anything goes. Das ästhetisch wertschöperische Ressentiment ist letztlich überindividuell, steckt sozusagen im System postmodernen Denkens. ^^ ;) :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich glaube übrigens nicht, dass es nur die leichte und "Schmuse"-Klassik ist, durch die man zur klassischen Musik findet. Besonders dann nicht, wenn man sie schon als Jugendlicher im Elternhaus kennenlernt. In meinem wurde Bach, Mozart, überhaupt viel Barockmusik, in der Weihnachtszeit wunderbare Konzerte von Corelli, Locatelli, aufgelegt. Dazu Beethoven, etwa die Frühlings- und Kreuzersonate, oft gespielt, Chopin und Debussy, die Images und Preludes. Später, wenn man ein Instrument lernt, bei mir war es Klavier, kommt dann die Klaviermusik schwerpunktmäßig dazu. Dann lernt man die Werke über das Repertoire der Lieblingspianisten kennen und lieben, bei mir den Schumann über Horowitz und Debussy über Michelangeli usw. usw. Der Funken muss halt überspringen - und wo das passiert, lässt sich kaum vorher ausrechnen. Deshalb bin ich auch weniger dafür, für "Anfänger" immer nur die abgedroschenen Klassiker wie die kleine Nachtmusik zu empfehlen. :)

  • Das glaube ich Dir gerne, aber vermutlich wirst Du in einem solchen Konzert kaum Leute finden, die einem durchschnittlichen Klassikforen-Nutzer im Bereich der Bildung zur klassischen Musik überlegen sind. Diese Behauptung mag auf den ersten Blick etwas elitär wirken, ich halte sie aber durchaus für realistisch. Warum sollte z. B. jemand, der Beethovens Neunte kennt, sich mit Rieus Kitsch-Version der "Ode an die Freude" abspeisen lassen? Das erscheint mir nicht sonderlich plausibel.

    Und ein weiteres Mal hörst Du von einen Widerspruch: Beschränkt auf die Menge der durchschnittlichen Klassikforen-Nutzer magst Du recht haben. Tatsächlich ist es aber wohl so, dass diese selbst unter den Besuchern klassischer Konzerte nur eine sehr geringe Minderheit darstellen. Andernfalls hätte unser Forum nicht nur deutlich mehr Mitglieder, sondern wir würden uns bei Konzert- oder Opernbesuchen auch ständig über den Weg laufen ... Ich meine, der weitaus größere Teil der Konzertabonnenten, der per Kultur- oder Touristik-Bus anreisenden, der "Ich will auch mal in die Elbphilharmonie"-Besucher - also letztlich das Gros der Konzertbesucher würde auch in ein Rieu-Konzert gehen. Beweisen kann ich es natürlich mangels mir vorliegender empirischer Daten nicht, aber Du vermutlich das Gegenteil auch nicht.


    Das ist aber auch alles nicht schlimm! - Schwierig wird es m.M.n. erst dann, wenn man vermeintlich allgemeiner gültige Geschmackfragen bzw. eine Geschmackskultur anführt, die solchen Menschen abgehe. Und dabei geht es mir nicht einmal darum, ob es sich dabei beispielsweise um eine Form elitärer Diskriminierung handelt, sondern vielmehr ganz schlicht darum, dass es sich bei derartigen Verallgemeinerungen fast immer um eine rein theoretische Chimäre handelt und der Mensch, wie weiter oben schon geschrieben, einfach anders und insbesondere praktisch nie konsistent funktioniert. - Um es mit anderen Worten zu sagen: Schon die Basis unserer Nebendiskussion "Richtiger Konzertbesucher vs. Rieu-Konzert-Besucher" scheint mir höchst instabil ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Auch hier widerspreche ich sofort und behaupte, dass Du auch in einem Rieu-Konzert genügend Leute finden wirst, die Dir in - durchaus nicht-trivialen - Bereichen bildungstechnisch überlegen sein werden.

    Mir geht es hier um musikalische Bildung (womit ich keineswegs nur das Lesen von Büchern über Musik und Musiker meine).


    Das ist aber auch alles nicht schlimm! - Schwierig wird es m.M.n. erst dann, wenn man vermeintlich allgemeiner gültige Geschmackfragen bzw. eine Geschmackskultur anführt, die solchen Menschen abgehe.

    Ich bin für größtmögliche Freiheit. Jeder soll das hören, was er möchte, und in die Konzerte gehen, die ihm gefallen. Wer wäre ich, da Vorschriften machen zu wollen?


    Umgekehrt nehme ich für mich aber in Anspruch, Geschmack bewerten zu dürfen. Obwohl ich guter Unterhaltungsmusik sehr offen gegenüber stehe, finde ich Rieus Vermatschung sehr perfide. Ich meine, eine gewisse Verlogenheit herauszuhören. Es wird eine der berühmtesten Sinfonien der Musikgeschichte genommen und aus ihr mithilfe der markanten Melodie instrumentales Getute und sangliches Getrillere produziert, das dem eigentlich Gewollten hohnspricht. Der Begriff "Schmusemusik" trifft es nicht schlecht. Vielleicht ist "Musik" noch etwas hoch gegriffen ;)


    Ganz nebenbei sind die Bläsersätze von James Last ausgefeilter :)


    Was soll man also sagen? Es wird keiner gezwungen weiter als bis drei zu zählen, aber deswegen wird aus 2+2 noch lange keine drei oder sehr viele :hello:


    Musik ist in meinen Augen (Ohren :)) ein Gespräch zwischen den Stakeholdern (Komponist, Interpret und Rezipient :hello:) .... Was kommt denn nun bei Rieu rüber?


    Ich fand schon in der Schule das Gedicht "Reklame" von Bachmann sehr beeindruckend. Es ist auch ein wenig Musik .... (wie wahrscheinlich jedes Gedicht)


    http://www.planetlyrik.de/lyri…achmanns-gedicht-reklame/

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  • Vielleicht hat das Publikum, das mit Rieu glücklich wird, einfach einen schlechten oder gar keinen Geschmack.

    Man sollte den Konzertbesuchern mal die Frage stellen, warum sie hingehen und ob sie wissen, daß sie einen schlechten oder gar keinen Geschmack haben! Warum sollten Tausende sonst hingehen, wenn sie nicht die Erwartung auf ein schönes Erlebnis teilen würden? Geschmack ist immer Geschmackssache. Gönne doch den Leuten in Maastricht ihre Freude. Sie werden sicher auch nicht alle Deine Vorlieben teilen. Haben diese dann auch einen schlechten oder gar keinen Geschmack?

    Manche kleben sich an Kunstwerken fest oder auf Straßen. Da sind mir Rieu-Anhänger tausendmal angenehmer.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Und ein weiteres Mal hörst Du von einen Widerspruch: Beschränkt auf die Menge der durchschnittlichen Klassikforen-Nutzer magst Du recht haben. Tatsächlich ist es aber wohl so, dass diese selbst unter den Besuchern klassischer Konzerte nur eine sehr geringe Minderheit darstellen. Andernfalls hätte unser Forum nicht nur deutlich mehr Mitglieder, sondern wir würden uns bei Konzert- oder Opernbesuchen auch ständig über den Weg laufen ... Ich meine, der weitaus größere Teil der Konzertabonnenten, der per Kultur- oder Touristik-Bus anreisenden, der "Ich will auch mal in die Elbphilharmonie"-Besucher - also letztlich das Gros der Konzertbesucher würde auch in ein Rieu-Konzert gehen. Beweisen kann ich es natürlich mangels mir vorliegender empirischer Daten nicht, aber Du vermutlich das Gegenteil auch nicht.


    Hier gehen m. E. mehrere Sachen durcheinander.


    Erstens war von mir die Vergleichsgruppe der Klassikforen-Nutzer wahrscheinlich schlecht gewählt, weil es sich letztlich um eine kleine Untergruppe der Klassik-Interessierten mit entsprechenden Kenntnissen handelt. Wenn Du alle Nutzer von Klassikforen im deutschsprachigen Raum zusammenzählst, kommst Du wahrscheinlich auf eine vierstellige Zahl. Allein die Zahl der Berufsmusiker im Bereich der Klassik ist weitaus höher, plus viele interessierte und versierte Laien. Es wollen halt nur wenige von denen in Foren schreiben.


    Nun zur Frage, wieviel kenntnisreiche Klassikfreunde in einem Konzert sitzen. Hier sind wir auf Vermutungen (im Sinne eines "educated guess") angewiesen, da es kaum belastbare Daten zu dieser Frage geben dürfte. Meine Vermutung: in einem herkömmlichen Konzert ohne Event-Charakter und ohne absolute "Gassenhauer" im Programm dürfte ein Großteil des Publikums ziemlich kenntnisreich sein, bei Konzerten mit Event-Charakter verschiebt sich das. Letzteres hast Du z. B. bei der Elphi (wegen des Gebäudes) oder den Berliner Waldbühnen-Konzerten. Bei solchen Veranstaltungen dürfte man einige Rieu-Freunde antreffen, im herkömmlichen Abo-Konzert des örtlichen Sinfonieorchesters eher nicht. Warum sollte jemand mit halbwegs solider Bildung im Bereich der klassischen Musik die Rieuschen Derivate hören, wenn einem die Original-Kompositionen keine Rezeptionsprobleme bereiten?


    Schwierig wird es m.M.n. erst dann, wenn man vermeintlich allgemeiner gültige Geschmackfragen bzw. eine Geschmackskultur anführt, die solchen Menschen abgehe.


    Das finde ich nicht. Geschmack muss in den meisten Fällen gebildet werden. Kaum jemand von uns wird auf Anhieb Kaffee, Bier und Wein gemocht haben, und auch die Vorzüge der gehobenen Küche gegenüber einem Hähnchenschnitzel mit Pommes wird man wohl nicht sofort erkennen, sondern sich als geschmackliche Kenntnis erarbeiten müssen.


    Ich kann Dir auf Anhieb zwei Bereiche nennen, in denen mein Geschmack ungenügend ausgebildet ist: Wein und Jazz. Ich trinke zwar recht gerne Wein, aber meine Kenntnisse in diesem Bereich sind von solider Kennerschaft meilenweit entfernt. Ähnlich geht es mir mit Jazz. Du wirst in Klassikforen bei vielen Forianern auch vermutlich eine eher unterdurchschnittliche Geschmacksbildung im Bereich der Rock- und Popmusik feststellen können. Etc. etc. Niemand kann alles wissen, und ich finde nicht, dass das eine Schande ist.


    Warum soll man also nicht (aus der Position eines hinreichend Klassik-Kundigen) feststellen, dass es von wenig ausgebildeter klassisch-musikalischer Geschmackskultur zeugt, wenn man Rieus Verunstaltung von Beethovens Neunter toll findet? Die Herausforderung besteht wohl darin, diese recht simple Feststellung ohne elitären Dünkel vorzunehmen, also quasi als Gegengewicht gegen eine "postmoderne Beliebigkeit", die man aber nicht im Sinne einer sozial-kulturellen Distinktion kommuniziert. Dies mag unter Umständen schwierig sein, was aber nicht heißt, dass man es nicht (im Interesse der Sache) versuchen sollte.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Geschmack muss in den meisten Fällen gebildet werden.

    Hinzu kommt, dass es nicht nur um Geschmack sondern auch auch um Qualität geht: Die oben genannte Darbietung des Kaiser-Walzers ist einfach schlecht, und zwar nach Kriterien, die von praktisch allen für sinnvoll erachtet werden, die von der Sache etwas verstehen. Es ist keine "Geschmackssache", ob man in der Partitur festgelegte dynamische Differenzierungen hören kann oder nicht, oder ob man Übergänge so gestaltet, dass sie ihre musikalische Funktion erfüllen können. Ein Rubato, das darin besteht, plötzlich einzelne Zählzeiten vollkommen unvorbereitet und ohne jede innere Logik oder Natürlichkeit zu zerdehnen, ist ein schlechtes Rubato, darin ist man sich seit Jahrhunderten in allen diesbezüglichen Abhandlungen einig. Wenn es dann noch absolut unverändert mehrfach wiederholt wird, wird es noch schlechter, denn als Ausdruck einer Empfindung wird es ab dem zweiten Mal schal und unecht. Dabei spielt es auch nicht die geringste Rolle, ob Rieus Publikum das bemerkt oder nicht, oder ob es mit dem Schlechten trotzdem "glücklich" ist. Und warum es "elitär" sein soll, Schlechtes schlecht zu nennen, wissen vielleicht nur diejenigen, die das Schlechte nicht vom Guten unterscheiden können.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Dabei spielt es auch nicht die geringste Rolle, ob Rieus Publikum das bemerkt oder nicht, oder ob es mit dem Schlechten trotzdem "glücklich" ist. Und warum es "elitär" sein soll, Schlechtes schlecht zu nennen, wissen vielleicht nur diejenigen, die das Schlechte nicht vom Guten unterscheiden können.


    Ein guter Punkt, denn auch für seine Version der "Ode an die Freude" muss man feststellen, dass die einfach handwerklich schlecht gemacht ist. Wenn man denn unbedingt eine kurze Sprintversion dieser Komposition (inklusive Chorbeitrag) anfertigen möchte, so kann man das aus Beethovens Material durch entsprechende Montage m. E. durchaus tun. In Rieus Version ist der Spannungsbogen missglückt, der Chorsatz klingt nicht (Gruß an Dr. Pingel :)), und warum die sechs "Solisten" das Thema einstimmig singen, bleibt das Geheimnis des Arrangeurs. Auch Rieus Duktus großer Ernsthaftigkeit beim Dirigieren kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das einfach mies ist.


    LG :hello:

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  • na, die 6 solisten sind einfach so verbrüdert, die können nur dasselbe singen


    Genau, das hat halt eine musiksemantische Dimension. ^^


    LG :hello:

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    Manche kleben sich an Kunstwerken fest oder auf Straßen. Da sind mir Rieu-Anhänger tausendmal angenehmer.

    Du vermischst jetzt zwei verschiedene Dinge. Um es an einem anderen Beispiel zu erläutern: Es ist eine Tatsache, dass Rauchen gesundheitsschädlich ist. Das hält aber die Raucher nicht davon ab, zu rauchen. Sie haben ein Bedürfnis danach und das wird durch die Zigarette erfüllt. Das ändert aber nichts daran, dass Rauchen schlecht ist, nur weil das Rauchen die Raucher glücklich macht. Natürlich kann man untersuchen, warum Kitsch und Unterhaltungsmusik mäßiger Quialität so beliebt ist - z.B. weil es ein Bedürfnis nach Sentimentalität gibt und das vom Schlager erfüllt wird. Genau deshalb ist Helene Fischer populär. Nur ändert das nichts daran, dass das kitschige Musik ist und das zu genießen von schlechtem Geschmack zeugt. Wer sein Geschmacksurteil entwickelt hat, wird Schlagerkitsch nicht ertragen können zu hören. Das Urteil, dass (die meiste) Schlagermusik fürchterlich kitschig ist, ist nicht beliebig, sondern dafür gibt es objektive Kriterien genauso wie dafür, dass Rauchen schädlich für die Gesundheit ist. Aber die Erkenntnis, dass das permanente Hören von Schlagermusik den Geschmack verdirbt, hält die Schlagerfeunde nicht davon ab, Schlagermusik zu lieben genauso wenig wie sich die Raucher davon abschrecken lassen, dass auf jeder Zigarettenpackung steht: "Rauchen ist tödlich!" ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Genau deshalb ist Helene Fischer populär. Nur ändert das nichts daran, dass das kitschige Musik ist und das zu genießen von schlechtem Geschmack zeugt.


    Das würde ich so pauschal nicht sagen. Zwar ist Helene Fischer definitiv nicht mein Fall, aber innerhalb des Genres "Schlager" zeichnen sich ihre Sachen gerade dadurch aus, dass sie weniger kitschig und schmalzig sind als viele andere Beiträge des Genres. Höre Dir zum Vergleich mal ältere Schlager der Güteklasse G. G. Anderson oder Flippers an, dagegen klingt Helene Fischer fast schon wie David Bowie! ^^ So gesehen gibt es durchaus einen Hebel für die Rezeption dieser Musik, der eben gerade nicht unbedingt von schlechtem Geschmack zeugt. Von schlechtem Geschmack würde es allerdings zeugen, wenn man das für bedeutende Popmusik der Kategorie Prince, Bowie, Joy Division oder Radiohead hält, was es definitiv nicht ist.


    LG :hello:

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  • Was (musikalisch) schlechter Geschmack ist, wird auch eine Frage der jeweiligen Zeitumstände sein. Gewiss gab es Ende der 1960er Jahre nicht wenige gutbürgerliche Haushalte, in denen Heintje und Roy Black angehimmelt wurden, die Beatles und die Rolling Stones hingegen als schwer erträglich galten. Über ein halbes Jahrhundert danach wird man die Sache landläufig anders betrachten.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Genau deshalb ist Helene Fischer populär. Nur ändert das nichts daran, dass das kitschige Musik ist und das zu genießen von schlechtem Geschmack zeugt.

    Und gerade da kommen wir wieder nicht zusammen. Ich bin kein Fan von Helene Fischer, höchstens optisch. Aber dieses Lied sing sie prima - finde ich jedenfalls. Sie ist Schlagersängerin, nicht mehr und nicht weniger. Ob die Musik kitschig ist oder nicht, das weiß ich nicht, es ist mir auch egal. Aber ich genieße es sogar voll Erstaunen über ihre Gesangsqualität. Und mir deshalb schlechten Geschmack andichten zu lassen, das zeugt von Deiner nach wie vor nicht bestehenden Toleranz. Genauso wie auch Nana Mouskouri tolle Lieder interpretiert, z.B. kennst Du evtl. Die Darbietung von La Paloma gemeinsam mit Julio Iglesias. Ich finds phantastisch!


    Helene Fischer ~ Merci Cherie (ZDF) - YouTube


    Julio Iglesias & Nana Mouskouri - La Paloma - YouTube


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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  • Wenngleich nicht aus der Antike - so doch schon vor Kant - hat man gewusst - daß es keinen guten und schlechten Geschmack gibt - es ist stets eine Frage des Zeitgeistes


    Wikipedia schreibt hier (überraschend neutral)


    Dē gustibus nōn est disputandum („Über Geschmack lässt sich nicht streiten“) ist eine lateinische Redewendung, die jedoch nicht aus der Antike stammt. Der französische Schriftsteller Jean Anthelme Brillat-Savarin leitete sie vom spanischen Sobre los gustos no hay disputa her. In der scholastischen Philosophie heißt es: De gustibus et coloribus non est disputandum („Über Geschmack und Farben kann man nicht streiten“).

    Die Aussage drückt aus, dass niemand rational beweisen kann, dass ein bestimmtes Geschmacksempfinden das richtige sei.[1] Anders gesagt: In Geschmacksfragen kann es kein „richtig“ oder „falsch“ geben; sie liegen jenseits aller Beweisbarkeit.


    In den dreissiger und frühen vierziger Jahren - brandmarkte man Werke als "entartete Kunst" - und nicht nur die Nazis.

    Und - auch wenn sich das heute niemand mehr offen zu sagen traut - stimmen bis dato viele Leute (schweigend) zu - UNGEACHTEN jeglichen politischen Hintergrunds.

    Im Gegenzug dazu werden die Heiligenbilder der 19. Jahrhunderts und zahlreiche Gedichte als süsslicher Kitsch verdammt, und alles was irgendwie gefällig und lieblich daherkommt als minderwertig abgetan. Egal wie man das beurteilt - Es widerspricht dem "allgemeinen Wunschdenken"

    Beweis gefällig? Mit dem Niedergang der Kitschbildchen (in mehreren Bereichen) war Platz für die Comics geschaffen, die heute teilweise als Form von "Kunst" gesehen werden, bei ihrem Erscheinen indes zum Kitsch gezählt wurden. Interessant auch die Einschätzung der Autoren Hedwig Courts-Mahler und ihrer Kollegin E.Marlitt, wobie letzter heute durchaus zur "Literatur" gezählt werden kann als Zeitzeugin der einstigen Gesellschaft.

    Ich habe versucht die Canterbury tales zu lesen - und ich bin 2 mal in der Mitte steckengeblieben. Auch der Autor selbst hat seinen kühnen Plan einse Mammutwerks nicht zu ende gebracht. Die Bedeutung liegt imo vor allem im Historischen Kontext. Aber wo Beschreibungen fremder Kulturen vorliegen, da flüchtet der Autor oft in Allgemeinplätze - wo man sieht, daß er von dem was er da schreibt keine Ahnung hat. Dazwischen gibt es allerdings einige typisch mittelalterliche Erzählungen.

    In den Kunstkammern der Museen stehen zahlreiche Exponate, die man bei böswilliger Beurteiung durchaus als protzigen Kitsch der Vergangenheit einstufen könnte....


    Kommen wir zu Rieu: Ein hervorragender musikalischer Entertainer (für SEIN Publikum)- Und er macht nichts wirklich schlimmeres, als einst die Plattenkonzerne, die zahlreiche Platten mit Opernarien und Chören, sowie Ouvertüren wild durcheinandergewürfelt auf den Markt gebracht gaben.


    In wieweit führt "populäre" Schmuseklassik zur wirklichen Klassik ?

    Ich kann hier nur für meine Person sprechen. Ich hatte KEIN musikalisches Umfeld von zu Hause.

    Später arbeitete ich dann als Lehrling bei Donauland und es zog mich immer wieder in die Schallplattenabteilung, wo ich weitgehen das als "Hintergrundmusik" aulegen durfte was ich wollte. Und es war dann meistens Klassik - Allerdings nur "angenehme". Eine gewisse Vorauswahl war ja durch das "populäre" Programm bereits gegeben.


    Allerdings ging an mir "Die Ode an die Freude" vorbei - Ich kannte sie icht - weil ich allzulange Sinfonien damals mied.

    Die lernte ich dann durch einen Ahnherrn von Rieu, Waldo The los Rios "The song of Joy" kennen.eine sehr gekürzte Fassung des letzten Satzes von Beethovens Schlusschor aus der Neunten.(1970) Gesungen hat Miguel Rios (nicht mit dem Arrangeur verwandt)



    Ich hab mir am nächsten Tag das Original (unter Karl Böhm )gekauft.



    Zitat von der Seite BR-Klassik:

    Zitat

    Der in München lange Zeit verehrte Dirigent Sergiu Celibidache erkannte im Finale der Neunten einen "scheußlichen Salat". Das deckt sich mit dem Verdikt des Beethoven-Zeitgenossen Louis Spohr: "Monströs", "geschmacklos" und "trivial" sind die Adjektive, die er für die Vertonung von Schillers Ode fand.

    Wäre es nich unmöglich - so hatte ich vermutet, daß die beiden DIESE Aufführung gehört haben. Miguel Rios ist dagegen der Reinste Ohrenschmaus. Ausserdem war die Aufnahme über 15 Wochen an der Spitze der Charts !!!


    Soviel über Geschmack und Kitsch.... (das Thema ist ausbaufähig - ich glaub es gibt sogar einen eigenen Thread


    Ahh -Da ist er ja !!

    Niemand hat sich getraut darüber zu schreiben.....:hahahaha::baeh01:


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Allerdings ging an mir "Die Ode an die Freude" vorbei - Ich kannte sie icht - weil ich allzulange Sinfonien damals mied.

    Die lernte ich dann durch einen Ahnherrn von Rieu, Waldo The los Rios "The song of Joy" kennen.eine sehr gekürzte Fassung des letzten Satzes von Beethovens Schlusschor aus der Neunten.(1970) Gesungen hat Miguel Rios (nicht mit dem Arrangeur verwandt)


    Ich hab mir am nächsten Tag das Original (unter Karl Böhm )gekauft.

    Das war sicher die bessere Entscheidung und nicht etwa das "Original".


    Jetzt habe ich mich wieder an das Ding erinnert :) "Come, sing a Song of Joy for Love and Unterstanding". Hier wird Beethoven zum Follower der Hippie-Bewegung. Musikalisch ähnlich gewichtig (auch ungefähr dieselbe Zeit) ist Scott McKenzie mit San Francisco! "Be shure to Wear Some Flowers in Your Hair".



    Anders als Beethovens Neunte, wie auch immer man zu ihr stehen mag, ist das nur musikalischer Kleister .... (über Geschmack lässt sich vielleicht nicht streiten, aber man kann ihn ja gelegentlich äußern ;))

  • Anders als Beethovens Neunte, wie auch immer man zu ihr stehen mag, ist das nur musikalischer Kleister ....


    Für "Song of Joy" mag das stimmen, für "San Francisco" eher nicht. Das ist m. E. ein sehr gut geschriebener Popsong, der eine potenzielle Aufgabe von Popmusik geradezu vorbildlich erfüllt: er hält ein bestimmtes Lebensgefühl aus einer bestimmten Zeit musikalisch fest. Innerhalb des ästhetischen Koordinatensystems der Popmusik ist das damit m. E. alles andere als "Kleister".


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • André Rieus Aufnahme von BWV 206 ist doch ganz anständig:


    Das ist Andre Rieu senior, der anders als sein Sohn tatsächlich ein achtbarer Geiger war.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Das ist Andre Rieu senior


    Ich zitiere an dieser Stelle mal aus "How I met your mother": There's another one? ^^


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

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  • Was (musikalisch) schlechter Geschmack ist, wird auch eine Frage der jeweiligen Zeitumstände sein.

    Geschmacksurteile unterliegen dem historischen Wandel. Das ist richtig. Aber deshalb sind sie nicht etwa beliebig. Man hat den Barockstil am Maßstab der Renaissance gemessen und folglich abgewertet als überladen, schwülstig usw. Dieses einseitig negative Urteil, dass die Qualitäten des Barockstils verkennt, kann man korrigieren, indem man den Bewertungsmaßstab findet, der dem Barockstil angemessen ist, ihn also als originären eigenständigen Stil betrachtet und entsprechend bewertet nicht nur als eine entartete Renaissance. Bei eindeutigem Kitsch oder einfach nur schlechter Musik ist das nicht möglich. Kein historischer Wandel oder die Bezugnahme auf eine andere ästhetische Idee wird aus einem klischeehaften, kitschigen Schlager jemals originelle, hohe Kunst machen. Da sollte man also schon unterscheiden können.

    Ob die Musik kitschig ist oder nicht, das weiß ich nicht, es ist mir auch egal.

    Das entspricht meinem Beispiels des Rauchers, der sich einfach nicht darum schert, dass Rauchen schlecht für die Gesundheit ist.

    Und mir deshalb schlechten Geschmack andichten zu lassen, das zeugt von Deiner nach wie vor nicht bestehenden Toleranz.

    Erst sagst Du, das Kriterium guter/schlechter Geschmack interessiert Dich nicht. Jetzt änderst Du den Maßstab, indem Du behauptest, dass Du eben für Dich doch einen guten Geschmack beanspruchst und nicht erlauben willst, dass man Deinen guten oder schlechten Geschmack anders als Du selbst es tust bewertet. Das ist etwas ganz Anderes. Ich habe kein Problem damit, dass Du gerne Schlagermusik hörst. Einer meiner besten Freunde hört auch nur Schlagermusik. Man kann damit aber sehr verschieden umgehen, wie unsere damalige Diskussion über Kitsch zeigte, wo auch die Haltung vertreten wurde: Ich habe eine Schwäche für Kitsch und stehe dazu. Das gefällt mir persönlich am besten. :D

    Dē gustibus nōn est disputandum („Über Geschmack lässt sich nicht streiten“) ist eine lateinische Redewendung, die jedoch nicht aus der Antike stammt. Der französische Schriftsteller Jean Anthelme Brillat-Savarin leitete sie vom spanischen Sobre los gustos no hay disputa her. In der scholastischen Philosophie heißt es: De gustibus et coloribus non est disputandum („Über Geschmack und Farben kann man nicht streiten“).

    Die Aussage drückt aus, dass niemand rational beweisen kann, dass ein bestimmtes Geschmacksempfinden das richtige sei.[1] Anders gesagt: In Geschmacksfragen kann es kein „richtig“ oder „falsch“ geben; sie liegen jenseits aller Beweisbarkeit.

    Kant hat genau dieses Prinzip ganz anders ausgelegt. Man kann über Geschmack nicht streiten, weil es normative allgemeinverbindliche Maßstäbe gibt (nämlich die ästhetischen Ideen), durch die sich zeigt, was guter und schlechter Geschmack ist. ^^


    Schöne Grüße

    Holger

  • Für "Song of Joy" mag das stimmen, für "San Francisco" eher nicht. Das ist m. E. ein sehr gut geschriebener Popsong, der eine potenzielle Aufgabe von Popmusik geradezu vorbildlich erfüllt: er hält ein bestimmtes Lebensgefühl aus einer bestimmten Zeit musikalisch fest.

    Auch, wenn es vielleicht etwas vom Thema abweicht, sehe ich das ein wenig anders. Er ist tatsächlich ein wenig besser als "Song of Joy" aber er gibt halt einen rosaroten Blick auf dieses Lebensgefühl ....


    Echte Kunst aus dieser Zeit scheint mir dagegen der Song "White Rabbitt" von Jefferson Airplane zu sein, der in ganz anderer Weise in diese Zeit verwoben ist


    Hier Grace Slick mit Jefferson Airplane vom Woodstock-Festival 69



    Obwohl nun Alfred_Schmidt ja gerade ein Beispiel gegeben hat, wie diese verkitschte Beethoven-Version ihn zum Original hingebracht hat, hege ich Zweifel an der Verallgemeinerbarkeit dieses Ereignisses. Man sollte schon irgendwo die Kunst erkennen können, sonst bleibt es beim Seichten.

  • Das würde ich so pauschal nicht sagen. Zwar ist Helene Fischer definitiv nicht mein Fall, aber innerhalb des Genres "Schlager" zeichnen sich ihre Sachen gerade dadurch aus, dass sie weniger kitschig und schmalzig sind als viele andere Beiträge des Genres. Höre Dir zum Vergleich mal ältere Schlager der Güteklasse G. G. Anderson oder Flippers an, dagegen klingt Helene Fischer fast schon wie David Bowie! ^^

    Das tue ich mir nicht an! ^^ Ich bin auch kein Helene Fischer-Experte. Nur das spezielle Lied, das ich mal von ihr analysieren wollte, triefte nur so von Kitsch! :D

  • Auch, wenn es vielleicht etwas vom Thema abweicht, sehe ich das ein wenig anders. Er ist tatsächlich ein wenig besser als "Song of Joy" aber er gibt halt einen rosaroten Blick auf dieses Lebensgefühl ....


    Echte Kunst aus dieser Zeit scheint mir dagegen der Song "White Rabbitt" von Jefferson Airplane zu sein, der in ganz anderer Weise in diese Zeit verwoben ist


    Klar, Du wirst für jede Epoche, die popmusikalisch reflektiert worden ist, etwas künstlerisch Wertvolleres finden als die ganz populär gewordenen Sachen. Aus den frühen 1980er Jahren z. B. wirst Du anstelle der Hits von OMD oder der Human League auch die späten Joy Division oder ganz frühen New Order ausmachen können. Das ändert aber nichts daran, dass es auch in den populär gewordenen Sachen gelungen ist, die Zeit einzufangen, und zwar häufig mit sehr gut geschriebenen Songs. Eingängigkeit und Einfachheit sind in der Populärmusik nicht unbedingt negativ besetzt. Umgekehrt kann man sich durchaus fragen, ob das Genre nicht durch Artrock-Beiträge mit fünfminütigen Gitarrensoli eigentlich über eine Grenze des Sinnvollen getrieben worden ist, wo die Musik dann gerade nicht mehr populär sein konnte, umgekehrt aber nicht kunstvoll genug war, um in der Avantgarde der Neuen Musik substanziell bestehen zu können. Ich befürchte aber, dass wir mit diesem OT den thematischen Rahmen des Forums sprengen... ;)


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

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