Die LP wird 75

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    Eine "Weltsensation" hat Edward Wallerstein, Chef der Firma Columbia Records, für den 21. Juni 1948 im Hotel Waldorf-Astoria in New York angekündigt. Vor den versammelten Journalisten legt er eine Schallplatte auf. Schallplatten gibt es seit Jahrzehnten. Doch diese ist anders. Der Klang haut alle vom Hocker: Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert in e-Moll, Opus 64, erklingt klar und deutlich wie nie. Columbia nennt die Platte aus dem noch relativ jungen Kunststoff Polyvinylchlorid "Long-playing microgroove record" - kurz: LP. Bereits kurze Zeit später ist sie Branchenstandard.


    Mit diesen Worten beginnt ein Beitrag der ARD-Tagesschau, der an die Geburtsstunde der Langspielplatte vor 75 Jahren erinnert. Auch andere Medien gehen auf das Thema ein.


    Wahrscheinlich steht jeder oder fast jeder von uns in einer eigenen und individuellen Beziehungen zur LP. Ich bin noch damit aufgewachsen. Das prägte. Mein eigener Zugang zur Musik vollzog sich über dieses Medium, an das ich schon deshalb eine sehr starke Dankbarkeit bewahre. Ich war allerdings nie davon überzeugt, dass der LP trotz aller Wiederbelebungsversuche eine Zukunft beschieden sein wird. Etwas Nostalgie darf aber schon sein - wenn man nur an die Coverkultur denkt. Die meisten Plattenproduktionen dürften inzwischen den Weg auf CD oder zu Streamingdiensten gefundene haben. Dennoch entdeckt man immer wieder Aufnahmen, die es nur im Original gibt. In solchen Fällen kaufe ich immer noch Platten, die dann gerippt der Sammlung einverleibt werden. Jüngste einschlägige Erwerbung ist eine Recital mit Liedern von Johannes Brahms, gesungen von Sena Jurinac. Und das nun waren meine ersten LP-Anschaffungen:


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    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich habe nun gar keine nostalgischen Gefühle für die Schallplatte. 1948 war sie zweifellos ein enormer technischer Fortschritt, aber ich habe sie nie gemocht. Zu groß, zu empfindlich, zu störungsbehaftet - "Kratzware" eben, wie ein Mit-Forist sie so treffend nennt. Zum Glück hatte ich noch nicht viele LPs, als 1981 die CD auf den Markt kam, so dass ich schnell alles ersetzen konnte. Seitdem habe ich keinen Gedanken mehr daran verschwendet. Mein Fazit: Die Schallplatte gehört als unbestrittener Meilenstein der Phono-Technik in jedes Museum, das sich mit Technik und Kulturgeschichte der Musik befasst, aber heute spielt sie keine Rolle mehr.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Die Schallplatte gehört als unbestrittener Meilenstein der Phono-Technik in jedes Museum, das sich mit Technik und Kulturgeschichte der Musik befasst, aber heute spielt sie keine Rolle mehr.

    Das stimmt doch einfach nicht! Der Verkauf von Schallplatten boomt! 2006 wurden in Deutschland gerade einmal 300000 verkauft, das war der Tiefststand. Danach ging es steil bergauf. Heute haben sich die Verkaufszahlen mehr als verzehnfacht: 4.3 Mio. 2022 ^^ :


    https://de.statista.com/statis…in-deutschland-zeitreihe/


    Das gilt mittlerweile auch für Plattenspieler, die ein Verkaufsrenner sind. Selbst Hersteller wie AVM, die nie Plattenspieler gebaut haben, bieten sie heute an.


    https://www.ndr.de/kultur/musi…derbelebung,vinyl144.html


    Daraus:


    "Wenn wir früher was gefunden haben im Schallplattenladen, dann hat man seinen Freunden Bescheid gesagt und gemeinsam diese Schallplatte gehört. Nicht vorspulen, nicht zurückspulen, sondern das Ding einmal durchhören", erzählt ein Museumsbesucher. Auch für seinen 20-Jährigen Sohn ist das Plattenhören "wie ein Ritual". In seinem Freundeskreis ist er schon der Dritte mit einem Plattenspieler."


    Es spricht viel dafür, dass die Wiederbelebung der Schallplatte etwas damit zu tun hat, das man einen Kontrapunkt setzen will zu den Hörgewohnheiten, die sich durch Download und vor allem Streaming etablieren: die Hör-Stipvisite. Man sammelt keine Aufnahmen mehr, wenn die Musik anonym auf einen Server für Jedermann in unüberschaubarer Masse gespeichert ist, sondern hört überall nur kurz mal rein und dann die speziellen Aufnahmen nie wieder. In meiner Jugend war das anders. Man hörte viel Radio, dadurch lernte man die Musik kennen. Das war der erste Schritt. Dann kam der zweite. Wenn einem etwas gefiel, hat man sich sehr bewusst und gezielt die Platte gekauft und sie hunderte Male gehört. Das prägte die Hörgewohnheiten. Genau das geht zunehmend verloren. Man hörte in die Breite, die Einzelaufnahme wird zunehmend bedeutungslos - es wird viel konsumiert, weil es ein riesiges Angebot gibt, das nichts kostet. Man hat ja ein Abo. Wenn man sich eine teure Platte kaufen muss, überlegt man es sich dagegen genau.


    Ich habe selbst seit 1986 keinen Plattenspieler mehr und bedaure das heute ein wenig. ;(


    Schöne Grüße

    Holger

  • Der Verkauf von Schallplatten boomt!

    So ist es. Und nicht nur das, auch meine alten Schallplatten können dank der Tonübernahme auf einem entsprechenden Gerät (bei mir Bose) in prima Qualität gehört werden. Gelegentliches Knacken ist nicht störend, höchstens nostaglisch.

    Meine Platten behalte ich, auch die CD und DVD werden erst nach meinem Abgang entsorgt, von wem auch immer!

    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zu groß, zu empfindlich, zu störungsbehaftet -

    Sicher nicht zu groß.

    Man hatte etwas Wertiges in der Hand - und nur "Eingeweihte" konnten mit ihr umgehen, das "gemeine Volk" verkratzte sie, spiele sie auf rillenzerstörerischen Billipplattenspielern etc etc. Eine Langspielplatte muß - soll ihr Potential genutzt werden auf einer entsprechenden Anlage gespielt werden mit hochwertigem Magnetsystem, richtigem Auflagedruck und korrekter Antiskating-Einrichtung - idealer - aber kaum verwendet war natürlich ein Tangentialtonarm, weil es da keinen Spurfehlwinkel gibt.


    Indes - die mickrig aussehende und zu Beginn steril klingende CD ist immerhin (fast) rauschfrei - was ein nicht zu unterschätzender Bonus ist.

    Und auch die - bei richtiger Behandlung und Aufbewahrung - geringere Abnützung

    Ich hatte - im Gegensatz zu Bertarido - beim Erschienen der CD - bereits eine erkleckliche Anzahl an Langspielplatten habe dann aber doch - sehr früh (1983)- das System gewechselt. Einfach weil ich erkannt hatte - daß hier die Zukunft liegt.

    Die Tamino Moderation arbeitet 24 Stunden am Tag - und wenn das nicht reicht - dann fügen wir Nachtstunden hinzu.....



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  • Der Verkauf von Schallplatten boomt! 2006 wurden in Deutschland gerade einmal 300000 verkauft, das war der Tiefststand. Danach ging es steil bergauf. Heute haben sich die Verkaufszahlen mehr als verzehnfacht: 4.3 Mio. 2022

    Das war gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 200000, der Boom hat seinen Höhepunkt also möglicherweise schon wieder überschritten. Wenn es ihn überhaupt jemals gegeben hat. So lautete z.B. eine sensationsheischende Schlagzeile im Rolling Stone Magazin 2019: "Zum ersten mal seit mehr als 30 Jahren: Mehr Vinyl- als CD-Verkäufe". Wenn man genauer hinsah, konnte man allerdings sehen, dass das erstens nicht stimmt (der Umsatz mit LPs war beinahe so hoch wie der mit CDs, die verkauften Stückzahlen aber deutlich darunter), und dass zweitens der LP-Verkauf gerade mal 4 Prozent am Gesamtumsatz ausmachte. Dazu passt dieses Buch:


    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Dieses Gefühl des "Nostalgischen", wie viele Liebhaber das Knacken und die mit unter mindere Tonqualität bezeichnen, fehlt mir (logischerweise). Ich bin bereits mit der CD aufgewachsen, auch wenn meine Eltern noch LP samt Spieler hatten. Ich besitze aber keine einzige. Da ich mit der LP keine Erinnerungen verbinde und ohnehin zimperlich beim Klang bin, stört mich der typische Sound einer LP eher. In diesem Fall womöglich wirklich eine Generationenfrage?

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Die Zahlen für Deutschland aus dem Jahr 2022 findet man hier: https://www.musikindustrie.de/…kindustrie-in-zahlen-2022


    Sehr schön ist die Grafik unter "Ein Blick zurück". Da sieht man, dass die Vinyl-LP trotz eines leichten Wachstums in den letzten Jahren, das inzwischen aber auch zum Stillstand gekommenen ist, nur einen sehr kleinen Anteil am Gesamtumsatz hat. Und man sieht auch, dass es mit der CD in eine ähnliche Richtung geht, was ich genauso wenig bedaure.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ein Abwärtstrend bei der Statistik ist nun wirklich nicht erkennbar - eher eine Seitwärtsbewegung. Gegenüber 2021 gibt es zwar einen Rückgang um 200000. Allerdings liegen die Umsätze von 2022 immer noch 100000 über den Zahlen von 2020. Daraus kann man keinen Trend ableiten. Zwischen 2016 und 2018 gab es schon mal eine solche Seitwärtsbewegung mit einer Schwankung von 200000 - und dann ging es weiter bergauf: 3,1 Mio., 3,3 Mio, 3.1 Mio. Die Gründe dafür sind zudem unmittelbar nicht ersichtlich. Es kann z.B. sein, dass der starke Anstieg von 2019 auf 2020 um 800000 (3,4 Mio. auf 4,2 Mio.) zum nicht unwesentlichen Teil auf Corona zurückzuführen ist. Die Menschen konnten ihr Geld nicht für Urlaubsreisen ausgeben und haben in der Zeit sehr viel u.a. in Unterhaltungselektronik, darunter Hifi, investiert. Dass sich nach dem Lockdown das hohe Umsatzniveau von 2020 gehalten hat, auch das spricht gegen einen Abwärtstrend.

  • https://www.gearnews.de/vinyl-…-endgueltig-zurueck-tech/


    Damit hätte vor wenigen Jahren wohl kaum jemand gerechnet: Erstmals seit über 35 Jahren setzte man 2021 in den USA wieder mehr mit Vinyl um als mit CDs – 2022 sogar noch mehr! Und zwar liegen sowohl die Umsatz- als auch die reinen Stückzahlen von verkauften Schallplatten vor denen von CDs. In Deutschland sah das 2022 noch anders aus.


    Absolut gesehen sieht es natürlich ganz anders aus, wenn man sich die Umsätze aus Streaming von Spotify, Apple Music und anderen Musik-Streaming-Diensten anschaut. Bei einem Gesamtumsatz von gut 13,3 Milliarden Dollar auf dem US-Markt liegt Streaming mit einem Anteil von 84 Prozent weit vor physischen Medien wie CDs oder Schallplatten mit 11 Prozent. Was die absoluten Stückzahlen betrifft, vermeldete die RIAA den Verlauf von 41 Millionen Vinyl-Tonträgern gegenüber 33 Millionen verkauften CDs.


    In Deutschland sieht es in dieser Hinsicht (noch) anders aus. Bei einem Gesamtumsatz von gut 2 Milliarden Euro 2022 lag laut dem Dachverband Bundesverband Musikindustrie e.V. der Anteil physischer Medien wie CD und Vinyl bei insgesamt 20 Prozent. Hier liegt der Umsatzanteil von CDs mit 12,9 Prozent gegenüber Vinyl mit gut 6% mehr als doppelt so hoch. Die CD hat also immer noch viele Fans!

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  • Wie man es auch dreht und wendet, der Trend geht eindeutig Richtung Streaming, wie aus den von Bertarido verlinkten, seriös erscheinenden Statistiken hervorgeht. Das dürfte sich nach menschlichem Ermessen auch nicht mehr umdrehen lassen. Die LP ist bereits seit Anfang der 1990er Jahre Nische und der marginale Wiederanstieg in den letzten Jahren wird daran nichts Wesentliches ändern. Technisch ist sie ja auch lange überholt, auch wenn manche Gurus felsenfest am Gegenteil festhalten. Es sei ihnen vergönnt. Nostalgie wird da eine gewisse Rolle spielen, vielleicht aber auch Verklärung. Faktisch ist man selbst von den Absatzzahlen des Jahres 1991 weit entfernt, und die waren seinerzeit schon nur noch halb so stark wie noch 1990. Ich habe hier auch noch einiges an LPs stehen. Alles Aufnahmen, die sich anderweitig nicht auftreiben ließen. Wertigkeit vermitteln sie für meine Begriffe zwar viel eher als CDs, die mich ästhetisch nie sonderlich ansprachen. Allerdings sind besagte LPs sämtlich längst digitalisiert und müssen sich insofern nicht mehr wirklich drehen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Interessant:


    https://musikwirtschaftsforsch…ie-renaissance-von-vinyl/


    Jedenfalls fällt auf, dass in Ländern, die die Transformation zu einem reinen vom Musikstreaming getriebenen Markt abgeschlossen haben, die Umsatzzuwächse im Vinyl-Segment in den letzten Jahren besonders stark ausgefallen sind. In Schweden, wo Musikstreaming laut nationaler IFPI einen Marktanteil von 84,3% hat, ist der Vinyl-Markt 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 38,7% gewachsen und stellt bereits das drittgrößte Marktsegment hinter der CD (Marktanteil: 9,4%) aber noch vor dem Musikdownload (Marktanteil: 1,6%) dar. Auch in Norwegen erreichte Musikstreaming im ersten Halbjahr 2016 einen Marktanteil von 83% bei einem gleichzeitigen Umsatzanstieg der Vinyl-Verkäufe von 43%, die nunmehr im Tonträgermarkt einen Anteil von einem Drittel ausmachen. Es fällt bei der Analyse der internationalen Marktdaten insgesamt auf, dass es eine hohe Korrelation zwischen steigenden Streamingumsätzen und Zuwächsen im Vinyl-Segment bei gleichzeitigen Verkaufsrückgängen bei CDs gibt. Die digitale Revolution hat also nicht nur zum Siegeszug des zugangsbasierten Musikvertriebsmodells geführt, sondern gleichzeitig auch ihre Antithese in Form des Vinyl-Booms hervorgebracht.

  • Einen ähnlichen "Trend" gibt es auch bei analogen Sofortbildkameras: Wurden 2013 in Deutschland davon noch 62.000 verkauft, waren es sechs Jahre später "bereits" 500.000. Dieses "bereits" signalisiert allerdings fälschlicherweise die Erwartung oder wenigstens die reelle Möglichkeit, dass sich diese Verachtfachung in Zukunft so fortsetzt und 2025 dann 4 Millionen Stück verkauft werden. Es liegt auf der Hand, dass das vollkommen unrealistisch ist. Es gibt eine kleine Zielgruppe von Technik-Nostalgikern, die LPs, Polaroid-Kameras oder Fahrräder mit Dreigangschaltung als Gegen-Statussymbol wählen oder auch einfach Spaß daran haben, mal auszuprobieren, was Opa so benutzt hat. Aber aus der Nische wird nichts davon mehr rauskommen. Ich kann diesen Spaß übrigens verstehen: Ich hatte früher selbst noch LPs, habe Kleinbildfilme entwickelt und die Negative in der Dunkelkammer vergrößert, hatte ein zwanzigbändiges gedrucktes Lexikon, eine mechanische Schreibmaschine, einen Taschenrechner von Texas Instruments und natürlich ein Telefon mit Wählscheibe. Manches davon (vor allem die wie von Geisterhand erscheinenden Bilder in der Entwicklerschale) würde ich ganz gern noch einmal erleben, und bei allen genannten Dingen wäre das ja auch noch möglich, wenn man einen entsprechenden Aufwand in Kauf nimmt. Aber man kann doch nicht ernsthaft erwarten, dass irgendetwas davon noch einmal jenseits der Nostalgie-Nische eine Rolle spielen wird.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Nun, ich freue mich immer noch sehr und von Herzen über jede LP in meiner Sammlung, die ich mir (wieder) zusammengekauft habe, überwiegend second hand.
    Ob oder wie groß oder klein der Umsatz dabei ist, spielt für mich persönlich dabei keine Rolle. Ich freue mich zwar, dass es wieder eine zunehmende Zahl von Menschen gibt, die das Vinyl für sich entdeckt haben, aus welchem Grund auch immer, aber mir macht es auch nichts aus, in der "Nische" zu sein, solange es noch funktionierende Schallplattenspieler und entsprechende Ersatzteile gibt - und das wird wohl noch eine gute Weile der Fall sein, schätze ich.
    Ich möchte dabei gar nicht die Schallplatte gegen andere Formate ausspielen: ich nutze auch CD, DVDs, Blurays, Downloads, Streaming - das hat alles seine Berechtigung, und ich behaupte auch nicht, Schallplatten klängen "besser" - allerdings bin ich immer wieder erstaunt, WIE gut eine Schallplatte klingen kann, wenn sie vernünftig verwendet und reinigt; dann hat man viele Jahre Hörspaß auch ohne übermäßiges Knistern und Krachen.
    Ich mag die Nostalgie, das bewusste, entschleunigende Hören, das Holger zutreffend beschrieben hat. Das ist natürlich genauso umständlich wie das Stopfen einer Pfeife oder das zeremonielle Anrühren von grünem Matcha-Tee - aber gerade das macht es so beruhigend; Schallplatten sind nicht unbedingt die erste Wahl, wenn es schnell gehen soll, aber sie sind herrlich unpraktisch, arbeitsaufwendig und anfällig - wie das Leben selbst.

    Von daher, Happy birthday Vinyl! Möge es sich noch lange auf dem Plattenteller drehen!

  • Nun, ich freue mich immer noch sehr und von Herzen über jede LP in meiner Sammlung, die ich mir (wieder) zusammengekauft habe, überwiegend second hand.
    Ob oder wie groß oder klein der Umsatz dabei ist, spielt für mich persönlich dabei keine Rolle. Ich freue mich zwar, dass es wieder eine zunehmende Zahl von Menschen gibt, die das Vinyl für sich entdeckt haben, aus welchem Grund auch immer, aber mir macht es auch nichts aus, in der "Nische" zu sein, solange es noch funktionierende Schallplattenspieler und entsprechende Ersatzteile gibt - und das wird wohl noch eine gute Weile der Fall sein, schätze ich.

    Lieber Boris,


    da brauchst Du Dir keine Gedanken machen glaube ich, was Plattenspieler angeht. Längst verblichene Marken wie Dual werden wiederbelebt und auf der HighEnd-Messe in München dieses Jahr waren einmal mehr Plattenspieler die Attraktion. Es gibt alle Zubehörteile mit viel Auswahl. Wer solche Geräte kauft, will auch Platten dafür erwerben. Streaming ist für die Musikindustrie ein Vorteil. Sie hatten, als die CD ihre Blütezeit hatte, hauptsächlich Probleme mit legalen und illegalen Kopien. Das hat zu erheblichen Umsatzeinbußen geführt. Diese Problematik ist entfallen und sie verdienen wieder richtig gut. Insofern weinen sie der CD keine Träne nach. "Nische" ist natürlich ein dehnbarer und wenig klarer Begriff. Ist Klassik oder Jazz mit 10% oder 8,6 % Anteil an den Musik-Konsumenten eine Nische?

    Ich möchte dabei gar nicht die Schallplatte gegen andere Formate ausspielen: ich nutze auch CD, DVDs, Blurays, Downloads, Streaming - das hat alles seine Berechtigung, und ich behaupte auch nicht, Schallplatten klängen "besser" - allerdings bin ich immer wieder erstaunt, WIE gut eine Schallplatte klingen kann, wenn sie vernünftig verwendet und reinigt; dann hat man viele Jahre Hörspaß auch ohne übermäßiges Knistern und Krachen.

    Das habe ich auch erlebt bei einer Vorführung sämtlicher Formate - LP, CD, SACD, HiRes und diverse MP3. Ich war doch angenehm überrascht, wie gut die Schallplatte klingt.

    Ich mag die Nostalgie, das bewusste, entschleunigende Hören, das Holger zutreffend beschrieben hat. Das ist natürlich genauso umständlich wie das Stopfen einer Pfeife oder das zeremonielle Anrühren von grünem Matcha-Tee - aber gerade das macht es so beruhigend; Schallplatten sind nicht unbedingt die erste Wahl, wenn es schnell gehen soll, aber sie sind herrlich unpraktisch, arbeitsaufwendig und anfällig - wie das Leben selbst.


    Nostalgie trifft eigentlich auf meine Generation der "Opas" 60+ zu. :D Aber die Plattenspieler und Platten werden heute interessanter Weise von deutlich jüngeren Leuten gekauft, welche diese "gute alte Zeit" gar nicht mehr erlebt haben. Da reicht das Motiv "Nostalgie" offensichtlich nicht, um das Phänomen zu erklären. Bemerkenswert ist auch, dass der Durchschnittspreis für die neu gekauften Plattenspieler bei nur ca. 230 Euro liegt. D.h. es ist nicht nur der Hifi-Freak mit der super teuren Anlage nahe am Rentenalter, der sich einen 4000 Euro Plattenspieler kauft, der für den Boom verantwortlich ist. Du triffst glaube ich die Sache. Es geht um das Drumherum und die Kultur. Durch Handys, Ohrstöpsel, die Allverfügbarkeit von Internet-Streaming ist Musik immer und überall verfügbar. Man muss sich für die Musik nicht mehr extra Zeit nehmen - sie ist auch kein Identifikationsmerkmal mehr. Früher hat man, wenn man irgendwo zu Besuch war, auf die Plattensammlung geschaut und man wusste, wer der Betreffende ist. Man hat sich über seine Plattenerwerbungen ausgetauscht. Das wird offenbar bewusst wieder gesucht - der Musik und dem Musikhören Zeit und Raum geben, gegen ihre inflationäre Verbreitung überall und nirgends. :) Es wird durch die neuen Medien eine weiter fortschreitende Spezialisierung geben - weder die CD noch die LPs werden also verschwinden. Sie werden nur kein Massenmedium sein, dass Jedermann benutzt. Aber das ist bei Fotoapparaten ähnlich. Die allermeisten Leute fotographieren heute nur noch mit dem Handy. Eine extra Kamera ist nicht mehr nötig. Die werden nur noch Menschen kaufen, die sich wirklich für Fotographie interessieren, auch wenn Kameras nicht mehr wie früher in Massen verkauft werden. Und deshalb wird der Fotoapparat auch nicht verschwinden sowenig wie die CD oder LP. :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Ich habe noch ca. 800 LPs und einen Project-Plattenspieler mit MC-System. Der Klang ist sehr gut, bei einigen sorgfältig produzierten (neueren) Platten sogar besser als von CD. Ich lege allerdings eher selten eine Platte auf, da die meisten Stücke, die ich selbst habe, gerippt sind und ich sie mühelos auf dem Computer wiederfinde. Dennoch möchte ich die Schallplatten nicht missen, es ist schön zu wissen, daß man KÖNNTE. Aber ich bin ja auch 60+.

  • Aber das ist bei Fotoapparaten ähnlich. Die allermeisten Leute fotographieren heute nur noch mit dem Handy. Eine extra Kamera ist nicht mehr nötig. Die werden nur noch Menschen kaufen, die sich wirklich für Fotographie interessieren, auch wenn Kameras nicht mehr wie früher in Massen verkauft werden. Und deshalb wird der Fotoapparat auch nicht verschwinden sowenig wie die CD oder LP.

    Das ist nicht ganz zu vergleichen: Gute moderne Kameras sind auch den besten Handykameras weit überlegen und werden genau deshalb nicht verschwinden. Eine Nikon Z8 kann ganz einfach viel mehr als die modernste iPhone- oder Galaxy-Kamera. Eine LP "kann" aber nicht mehr als ihre Nachfolger CD bzw. Streaming. Sie ist deshalb eher mit alten Analogkameras zu vergleichen, die ebenfalls noch ihre Liebhaber haben (bei Leica werden sie sogar noch gebaut). Die billigen Digitalknipse hingegen werden mit ziemlicher Sicherheit verschwinden.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Billig sind die Digitalknipsen nun nicht gerade, die wohl zur Zeit beste, die Samsung Galaxy 23 Ultra, kostet so um die 1500 €, wofür man schon eine ziemlich fähige Vollformatkamera bekommt. Meine Digitalknipse war nicht annähernd so teuer (Google Pixel 6 pro, 700 €), aber es ist tatsächlich ein ähnliches Phänomen wie bei den Musikträgern: ich bin faul. Ich habe auch eine alte Canon-Vollformat (EOS 5D Mark II), die ich hin und wieder mitnehme, wenn ich auf Fotopirsch bin, aber häufig sehe ich ein schönes Motiv, wenn diese nun gerade nicht dabei ist - schon, weil ich keine Lust habe, ständig den schweren Knochen mit dem unhandlichen Zoomobjektiv mitzuschleppen.


    Dann muß das Handy ran, ganz einfach, weil es dabei ist. Und abgesehen von starkem Tele sind die Bilder, die die Knipse macht, durchaus brauchbar. Zur Zeit habe ich eine Ausstellung, wo NUR Handyfotos an den Wänden hängen, auf 45*30 Papier gedruckt. Bisher hat sich niemand über mangelnde Fotoqualität beschwert.


    Und die Digitalknipsen werden ganz und gar nicht verschwinden - sie werden besser.

  • Billig sind die Digitalknipsen nun nicht gerade, die wohl zur Zeit beste, die Samsung Galaxy 23 Ultra, kostet so um die 1500 €, wofür man schon eine ziemlich fähige Vollformatkamera bekommt. Meine Digitalknipse war nicht annähernd so teuer (Google Pixel 6 pro, 700 €), aber es ist tatsächlich ein ähnliches Phänomen wie bei den Musikträgern: ich bin faul. Ich habe auch eine alte Canon-Vollformat (EOS 5D Mark II), die ich hin und wieder mitnehme, wenn ich auf Fotopirsch bin, aber häufig sehe ich ein schönes Motiv, wenn diese nun gerade nicht dabei ist - schon, weil ich keine Lust habe, ständig den schweren Knochen mit dem unhandlichen Zoomobjektiv mitzuschleppen.


    Dann muß das Handy ran, ganz einfach, weil es dabei ist. Und abgesehen von starkem Tele sind die Bilder, die die Knipse macht, durchaus brauchbar. Zur Zeit habe ich eine Ausstellung, wo NUR Handyfotos an den Wänden hängen, auf 45*30 Papier gedruckt. Bisher hat sich niemand über mangelnde Fotoqualität beschwert.


    Und die Digitalknipsen werden ganz und gar nicht verschwinden - sie werden besser.

    Ganz genau! ^^ Der Vorteil bei der Handy-Kamera ist, dass man das Handy immer dabei hat und bei jeder Gelegenheit ein Foto in meist sehr guter Qualität machen kann, ohne einen Fotoapparat mitschleppen zu müssen. Es gibt allerdings einen gravierenden Nachteil. Man hat nur ein Display und keinen Sucher. Besonders wenn man dann im Urlaub in der Mittagsssone mal ein Landschaftsfoto machen will, ist das Display nicht zu gebrauchen und man fotographiert praktisch blind nach dem Zufallsprinzip. Das ist der Vorteil eben einer Spiegelreflexkamera, dass man durch die Linse schaut und das Motiv praktisch bei allen Lichtverhältnissen auswählen kann.


    Das ist noch ein bemerkenswerter Artikel:


    https://www.ndr.de/kultur/musi…o-besonders,vinyl146.html


    Da kommt heraus, woher der Umsatzrückgang im letzten Jahr wohl überwiegend kommt. Wegen Lieferschwierigkeiten von Materialien und Erhöhung der Produktionskosten ist der Preis für eine LP erheblich gestiegen. Ich habe mal geschaut. Die Preisspanne geht von 17,99 Euro über 30, 40 Euro bis hin zu 109,99 Euro bei Pollini ^^ :



    Wenn man bedenkt, dass man einen schon sehr guten Thorens-Plattenspieler für 600 Euro bekommt, ist das eine ziemlich verrückte Preisrelation. Viele Schallplattenfreunde, gerade auch die jungen und jüngeren, bedienen sich allerdings auf dem Gebrauchtmarkt. Da sind die Platten dann erschwinglich. Es kann natürlich sein, dass die momentan so hohen Produktionskosten, die sich auf den Preis niederschlagen, so wie in anderen wirtschaftlichen Bereichen auch wieder fallen werden. Dann steigen die Verkaufszahlen wieder. Bleiben sie dagegen so hoch, wird die Platte auf Dauer dann tatsächlich wohll allein deswegen zum Nischenprodukt. Da ist die CD deutlich günstiger. Das Angebot ist erheblich größer und man bekommt viele preiswerte Angebote.


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Billig sind die Digitalknipsen nun nicht gerade, die wohl zur Zeit beste, die Samsung Galaxy 23 Ultra, kostet so um die 1500 €, wofür man schon eine ziemlich fähige Vollformatkamera bekommt.

    Ja eben: Einen Markt gibt es nur für die, die den Handykameras technisch überlegen sind, und weil letztere immer besser geworden sind, sind erstere dann eben auch nicht mehr billig. Es ist noch nicht lange her, dass man für unter 200 Euro noch kompakte Digitalkameras kaufen konnte. Die sind inzwischen fast vollständig vom Markt verschwunden. Die einzige Ausnahme sind ein paar bunt gestylte Kameras für Kinder, bei denen man wohl davon ausgeht, dass nicht alle von ihnen schon ein eigenes Handy haben. Bei Nikon hat man sogar die Entwicklung der kompletten und traditionsreichen Spiegelreflex-Sparte beendet, weil sie gegenüber den spiegellosen Systemkameras inzwischen nur noch Nachteile haben.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Wenn man bedenkt, dass man einen schon sehr guten Thorens-Plattenspieler für 600 Euro bekommt,

    Den Ton macht allerdings das Abtastsystem, das üblicherweise in den Kosten für einen Dreher nicht inkludiert ist. Als Klassikliebhaber würde ich mindestens eine Prestige Blue von Grado oder den Allround-Klassiker DL110 von Denon nehmen, und da sind wir dann zwischen 180,00 und 250,00 Euro. Da fängt's dann an. Aber mit den beiden kann man schon glücklich werden. Thorens heute ist allerdings etwas Anderes als Thorens bis in die späten 1980er, ebenso DUAL, die schon 191 insolvent wurden und erst von Thomson , später Schneider übernommen wurden. In der Phase kam immerhin noch der CS 5000 aufden Markt, von DUAL-Freaks abschätzig belächelt, dennoch ein Riemengetriebener High-Ender der -für DUAL ausgesprochen ungewöhnlich- sogar wohnzimmertauglich war. Klingt fabelaft mit einem OM20S, das zudem diverse Nadeleinschübe bietet (Schellack und für mono-Platten bis in die 1960er).


    Man darf indes getrost davon ausgehen, dass der Klang der Masterbänder auf die Typik der Plattenspieler abgestimmt wurde, weswegen die alten LPs immer noch das Maß der Dinge sind, da das Neuabmischen letztlich ein anderes Musikprodukt erzeugt.


    Eine kleine Anekdote: nach den Aufnahmen eines Albums waen die Beatles mit der Abmischung der stereo-Variante immer schnell durch. Stereo war denen nicht wichtig, ähnlich die frühen Rolling Stones, auch wenn die Beatles spätestens ab "Revolver" das technisch Mögliche immer ausreizten. Für die mono-Abmischungen habe die Beatles hingegen richtig viel Zeit investiert, weil mono in den frühen 1960ern immer noch der Massenstandard war. John Lennon dazu: "stereo ist für Lackel, mono für alle".


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Man darf indes getrost davon ausgehen, dass der Klang der Masterbänder auf die Typik der Plattenspieler abgestimmt wurde, weswegen die alten LPs immer noch das Maß der Dinge sind, da das Neuabmischen letztlich ein anderes Musikprodukt erzeugt.

    Ich glaube nicht, dass man davon ausgehen kann: Die "Typik der Plattenspieler" war bzw. ist doch je nach verwendetem Abtastsystem stark unterschiedlich, und gleichzeitig waren die Möglichkeiten, den Klang im Studio zu beeinflussen, deutlich geringer als heutzutage. Ich habe während meines Studiums noch Analog-Produktionen gemacht, und da wurden die Mikrophone so aufgestellt und reguliert, dass der Klang vor den Abhörmonitoren möglichst naturgetreu und transparent war, um dann auf Zweikanal-Spulenbändern aufgezeichnet zu werden. Weitere Überlegungen, wie er sich beim Übertragen auf andere Medien verändern würde, spielten nie eine Rolle. Wie auch, wenn doch jedes Abspielsystem anders klingt?

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Den Ton macht allerdings das Abtastsystem, das üblicherweise in den Kosten für einen Dreher nicht inkludiert ist. Als Klassikliebhaber würde ich mindestens eine Prestige Blue von Grado oder den Allround-Klassiker DL110 von Denon nehmen, und da sind wir dann zwischen 180,00 und 250,00 Euro. Da fängt's dann an. Aber mit den beiden kann man schon glücklich werden. Thorens heute ist allerdings etwas Anderes als Thorens bis in die späten 1980er, ebenso DUAL, die schon 191 insolvent wurden und erst von Thomson , später Schneider übernommen wurden.

    Ich hatte damals (bis 1986) einen Thorens TD 126 mit SME 3009 III-Tonarm (mit den Dämpfungspaddeln) und anfangs ein MC-System Dynavector Karat (mit Rubinstift). Das war schon eine feine Sache. Dann ging das empfindliche Dynavecor-System kaputt und ich habe mir auch ein sehr gutes MM-System gekauft - im Moment fällt mir nicht mehr ein, welches es war. (Meiner sah so aus wie auf dem ersten Bild.) :)


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    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich glaube nicht, dass man davon ausgehen kann: Die "Typik der Plattenspieler" war bzw. ist doch je nach verwendetem Abtastsystem stark unterschiedlich, und gleichzeitig waren die Möglichkeiten, den Klang im Studio zu beeinflussen, deutlich geringer als heutzutage.

    Ich stimme Dir durchaus zu, wenn da allerdings nicht ein Interview mit Klaus Schulze wäre, der auf genau diesen Aspekt hinwies, nämlich dass der Studio-Sound in den 1970ern schon eine größere Hausnummer war als das, was mit durchschnittlichen Mitteln daheim erzeugt werden konnte. Ich denke da an meine HS 140 von Dual, die eigentlich dazu gedacht war, in einem Schrank zu stehen und somit wenig Platz zu beanspruchen. Für die knapp 1.000 DM, die das Gerät damals gekostet hatte, gab's da schon sehr Ordentliches, nehmen wir dann die späteren Kompaktanlagen dazu, dann ergibt sich schon ein gutes Bild dessen, was an Klangqualität durchschnittlich in den Haushalten spielte. DUAL war ein angesagter Hersteller, der zusammen mit PE in immens vielen Kompaktanlagen verbau war. Die kamen üblicherweise mit einem Shure M 95, das auch bei Braun Plattenspielern verbaut war. Die Asiaten hatten ihre Eigenbauten bei der Auslieferung drunter (mein Akai AP 306 kam mit einem Akai Eigenbau, nicht übel, aber das Gerät blühte erst richtig auf, als ich im 1985 ein DL110 spendiert hatte, und mit dem System spielt er auch heute noch ohne zu murren). Da Braun und DUAL ihre eigenen Montageleeren resp. Headshells hatten, stellte sich die Frage nach der Vielfalt unterschiedlicher Tonabnehmersysteme eher nicht. Aus meiner Erinnerung wurde das relevant zu einer Zeit, als es schon CDs gab. Dies alles berücksichtigt würde ich schon Klaus Schulze zustimmen und von einer bestimmten Typik von Plattenspielern und Klang sprechen, zumindest bis spät in den 80ern.


    Das ist nun keine Magerkost, ganz im Gegenteil, und die klanglichen Unterschiede lagen auch sowohl bei CD-Spielern selbst als auch bei den einzelnen Kettengliedern. Keinesfalls kan man das zugrunde legen, was hier in der HiFi-Ecke diskutiert wird.


    da wurden die Mikrophone so aufgestellt und reguliert, dass der Klang vor den Abhörmonitoren möglichst naturgetreu und transparent war, um dann auf Zweikanal-Spulenbändern aufgezeichnet zu werden. Weitere Überlegungen, wie er sich beim Übertragen auf andere Medien verändern würde, spielten nie eine Rolle.

    Heute scheint das anders zu sein, wie ich jüngst in einem Gespräch auf Deutschlandfunk mitbekam. Man nutzt wieder alte Mikrophone aus den 1950ern, nimmt auf Band auf, übersüielt digital, mischt auch digital ab, um das Ganze wiederauf Band zu überspielen, um den lebendigen Sound alter Aufnahmen (in dem Falle ging's um Pop und Rock'n Roll) hinzubekommen.


    Hört man sich die Original ABM-LPs an (Soloaufnahmen, versteht sich), so scheint es auch da eine Klangästhetik zu geben, die die Boxen als Instrument ansieht, d.h., es klingt plastisch, ohne dass die Illusion von Raum erzeugt wird. Ich kann das jetzt nicht mit CD-Umschnitten vergleichen, da ich mir die DGG-Aufnahmen nicht als CD zugelegt habe (wozu auch, wenn die Platten perfekt klingen).


    Alles in allem hat die gute alte Schallplatte ihre Daseinsberechtigung ebenso wie die nachfolgenden Tonträger. Im Übrigen glaube ich auch nicht an ein Ende der CD. Letztlich hat die Erfindung der CD und die enorme Reduzierung der Produktionskosten für ein enormes Volumen an Musikveröffentlichungen gesorgt, das in Vinyl dann doch so nicht denkbar gewesen wäre. Aber diesbezüglich war bereits die LP ein Qunatensprung zur Schellackplatte. Mit Fug und Recht kann man sagen, dass die LP dazu beigetragen hat, klassische Musik einer breiteren Bevölkerung zugänglich zu machen, dies in Verbund mit Rundfunk, Spulentonband und Cassette.


    Daher auch von mir: Herzlichen Glückwunsch zum runden Geburtstag, liebes schwarzes Rund, das mein Leben so unendlich bereichert es, immer noch tut und immer tun wird. Ad multos annos.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

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  • Ich hatte damals (bis 1986) einen Thorens TD 126 mit SME 3009 III-Tonarm (mit den Dämpfungspaddeln) und anfangs ein MC-System Dynavector Karat (mit Rubinstift).

    Der Klassiker, lieber Holger, ein -wie man so schön sagt- verbastelter 126er, denn die SMEs hat Thorens seinen Geräten nicht spendiert, Dynavektor auch nicht. Und die 1200 DM (ich nehme jetzt Deine 600 Euro für einen heutigen Thorens) wirst in der Zusammenstellung damals locker gerissen haben. Ich hatte selber eine zeitlang einen Thorens 2001, Original Tonarm bestückt mit Denon DL103. Aus ganz praktischen Gründen musste der dann später dem DUAL CS 5000 weichen, da jener die 78er-Möglichkeit hatte, TD 2001 hingegen nicht. Via ebay hatte ich ihn nach Norwegen verkauft (ohne DL103). Der Verkauf des Gebrauchten brachte eakt den Neupreis des Gerätes. Unstreitig ein Vorteil der Thorens Geräte dieser Generation und früher.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

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  • Der Klassiker, lieber Holger, ein -wie man so schön sagt- verbastelter 126er, denn die SMEs hat Thorens seinen Geräten nicht spendiert, Dynavektor auch nicht.

    Lieber Thomas,


    schau mal hier:


    http://thorens-info.de/html/thorens_td_126.html


    "Neben dem serienmäßig montierten Tonarm TP 16 Mk III wurde der TD 126 Mk III später auch ab Werk mit Tonarmen von Dynavector, Koshin und SME bestückt."


    :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • Ich stimme Dir durchaus zu, wenn da allerdings nicht ein Interview mit Klaus Schulze wäre, der auf genau diesen Aspekt hinwies, nämlich dass der Studio-Sound in den 1970ern schon eine größere Hausnummer war als das, was mit durchschnittlichen Mitteln daheim erzeugt werden konnte.

    Das bezweilfe ich gar nicht, aber die Frage ist doch, ob diese Diskrepanz zwischen dem Klang im Abhörraum und dem im heimischen Wohnzimmer zu einer anderen Klangeinstellung bei der Aufnahme führt. Das kann allenfalls beim Dynamikumfang der Fall sein, den man allerdings bei der alten Analogtechnik natürlich ohnehin nicht so einfach einstellen konnte wie heute. Aber ansonsten wählt man im Abhörraum schon ganz andere Lautsprecher (Nahfeldmonitore), die vor allem auf Transparenz und räumliche Präzision optimiert sind und dabei die Raumakustik so weit wie möglich ausschalten, die aber dafür oft sehr kühl klingen. Einfach gesagt: Studiolautsprecher sollen nicht schön sondern neutral klingen, denn nur so ist es möglich, einen Klang einzustellen, der dann auf allen möglichen Abspielgeräten gut klingt. Ich habe schon hunderte Stunden in diversen Abhörräumen verbracht und natürlich auch mit Tonmeistern über den Klang ausgiebig diskutiert, aber keiner hat jemals erwähnt, dass er bei der Einstellung an ein konkretes Setup zu Hause gedacht hätte.


    Heute scheint das anders zu sein, wie ich jüngst in einem Gespräch auf Deutschlandfunk mitbekam. Man nutzt wieder alte Mikrophone aus den 1950ern, nimmt auf Band auf, übersüielt digital, mischt auch digital ab, um das Ganze wiederauf Band zu überspielen, um den lebendigen Sound alter Aufnahmen (in dem Falle ging's um Pop und Rock'n Roll) hinzubekommen.

    Aber das ist doch nicht die normale Vorgehensweise heute! Wahrscheinlich werden 99 % aller Aufnahmen auf Festplatte oder anderen Datenspeichern gemacht und natürlich in aller Regel auch mit modernen Mikrophonen. Meine letzten Aufnahmen auf (digitalem) Band waren ungefähr vor knapp 30 Jahren, auf Analogband vor fast 40. Und neue Mikrophone sind schon deshalb oft unumgänglich, weil sie auch altern. Es gibt gleichwohl solche Versuche mit alter Technik, und die können auch zu guten Ergebnissen führen, aber man kann doch nicht ernsthaft behaupten, dass man heute im Allgemeinen auf Analogband aufnimmt, dann digitalisiert und wieder rück-analogisiert. Wir haben ja hier in Detmold das berühmte Tonmeisterinstitut (und damit einen von deutschlandweit nur zwei Studiengängen für Tonmeister). Da stehen irgendwo noch die alten Revox-Maschinen in der Ecke, und gelegentlich wird bzw. wurde den Studenten auch die alte analoge Aufnahme- und Schnitttechnik noch einmal vorgeführt, aber nur aus historischen Gründen.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Seufz, den hatte ich in der Tat erst zu spät entdeckt, also zu einer Zeit, in der er ohnehin nur gebraucht zu bekommen war, und auch für TD126 werden ordentliche Kurse aufgerufen, z.Zt. zw. 1.000 und 1.800 Euro. Dass man auf Wunch SME-Arme bekommen konnte war mir neu, danke für den Hinweis.


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  • Da hast Du ja was angerichtet: bei sehr vertrauenswürdiger Quelle in Köln steht einer mit SME-Arm für günstig Geld. Mit dem Gerät könnte ich CS 5000 und PS 500 gleichzeitig ersetzen. Ich grüble......

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