Umbenennung der Richard-Strauss-Straße in Wiesbaden

  • Ein kleiner Presse-Fund in der Frankfurter Allgemeinen in der Früh:


    https://www.faz.net/aktuell/rh…annt-werden-19300408.html


    Und hier die Begründung:


    "Die Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden beschließt einstimmig, dass eine Aufrechterhaltung einer Namensgeberschaft nach Richard Strauss nicht haltbar ist, da sie das Ansehen der Landeshauptstadt Wiesbaden beschädigen würde. Es wird die Umbenennung der Richard-Strauß-Straße empfohlen."


    In diesem Artikel gibt es dann den Link zur Unstersuchung, wobei mir alle Zitate bekannt waren und nur längst Bekanntes wiedergegeben wird:


    https://www.wiesbaden.de/kultu…r-strassengeschichten.php


    Hoffentlich setzt das Staatstheater Wiesbaden sofort alle Strauss-Opern ab, um sein Ansehen nicht zu beschädigen...


    Nachtrag: Warum auch Liane Synek einer "Untersuchung" unterzogen wurde, erschloss sich mir nicht.

  • "Die Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden beschließt einstimmig, dass eine Aufrechterhaltung einer Namensgeberschaft nach Richard Strauss nicht haltbar ist, da sie das Ansehen der Landeshauptstadt Wiesbaden beschädigen würde.

    Hallo Calatrava,


    man sollte statt der Umwidmung der Richard-Strauss-Straße lieber die Historische Fachkommission in "Hysterische Fachkommission" umbenennen! Welche Vollpfosten sind da tätig und beziehen für solche Vorschläge auch noch hohe Einkünfte auf Kosten der Steuerzahler. Die Sorgen dieser Leute möchte ich haben!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • man sollte statt der Umwidmung der Richard-Strauss-Straße lieber die Historische Fachkommission in "Hysterische Fachkommission" umbenennen! Welche Vollpfosten sind da tätig und beziehen für solche Vorschläge auch noch hohe Einkünfte auf Kosten der Steuerzahler. Die Sorgen dieser Leute möchte ich haben!

    Vielleicht sollte man sich die Mühe machen, die ganze - allerdings recht umfangreiche - Begründung zu lesen, und seinerseits begründeten Widerspruch zu formulieren.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Ich dachte immer, daß in der hessischen Landeshauptstadt intelligente Menschen das Sagen haben. Ein neuer Irrtum.

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Habe ich gelesen und kann es überhaupt nicht nachvollziehen. Man könnte meinen Strauss sei nur Nationalsozialist und nicht etwa bedeutender Komponist. Es ist gradezu lächerlich, dass sein Name "das Ansehen der Landeshauptstadt" schädigen würde. Das einzige was dem Ansehen der Landeshauptstadt schädigt, sind solche undifferenzierten Entscheidungen.

    Es wäre durchaus denkbar, auf Straussens in Teilen ja wirklich unrühmliche Vergangenheit hinzuweisen, mit Tafeln im öffentlichen Raum. Wollten wir alle aus dem öffentlichen Raum, die - auch - antimeitische Sterotype und anderen Blödsinn verzapft haben, wirds duster. Nur dass sich in jeder Biographie dunkle Ecken finden... Der Mann ist kein Kriegsverbrecher, sondern ein - nach allem was wir wissen politisch naiver, uninteressierter und ungeschickter - Komponist. Letzteres allerdings mit einer Meisterschaft, die Deutschland zur Ehre, nicht zur Schande gereicht.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

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  • Wie dem von ChKöhn verlinkten, ausführlichen Abschlussbericht zu entnehmen ist, hat es sich keineswegs um eine "undifferenzierte Entscheidung" gehandelt. Der neunseitige Text über Strauss zeigt mMn gut, wieso man zu dem Ergebnis einer "Umbenennungsepfehlung" kommen kann. Siehe dazu auch 1.7 Entscheidungskriterien der Kommission. Ebenso gab es offensichtlich auch weniger schwere Fälle, in denen eine "Kontextualisierungsempfehlung" abgegeben wurde, Strauss fiel laut Untersuchungskommission nicht in diese Kategorie (einstimmige Entscheidung für eine Umbennenungsempfehlung).


    Liebe Grüße

    Amdir

  • Vielleicht sollte man sich die Mühe machen, die ganze - allerdings recht umfangreiche - Begründung zu lesen

    Nein, diese Mühe ist noch überflüssiger wie die Kommission, die die Begründung entworfen hat.

    Man könnte meinen Strauss sei nur Nationalsozialist und nicht etwa bedeutender Komponist.

    Soweit bekannt ist, hat Richard Strauss nie der NSDAP angehört. Einige seiner engen Familienmitglieder waren "jüdisch versippt" (Nazi-Sprache). Er hat sich allerdings vom NS-System einspannen lassen, war von 1933 bis 1935 Präsident der Reichsmusikkammer, usw.usf. Ulrich Schreiber, der bekannte Musikwissenschaftler, hat es mit diesem Satz vielleicht auf den Punkt gebracht: "Er war kein Täter, aber er war einer, der es geschehen ließ". Doch damit war er nun wirklich nicht allein.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Vielleicht sollte man sich die Mühe machen, die ganze - allerdings recht umfangreiche - Begründung zu lesen, und seinerseits begründeten Widerspruch zu formulieren.

    Ich habe mir einmal erlaubt, an eine ähnliche Kommission in Salzburg zu schreiben und mit historischen Archiv-Dokumenten deren Beurteilung eines Dirigenten widersprochen. Ich bekam natürlich keine Antwort.


    Außerdem finde ich einen neunseitigen Text doch etwas dürftig, um über das Verhalten einer Person im III. Reich zu befinden. Musikwissenschaftler waren in der Kommission auch nicht vertreten.


    Bei Karl Elmendorff wird übrigens die Begründung des vorherigen Artikels von Rudolf Dietz einfach wiederholt. (Darf man das "schlampig" nennen?) Interessant in der Handlungsempfehlung zu Elmendorff: "Er hat durch einen Auftritt beim Reichsparteitag 1933 die NS-Bewegung wirksam unterstützt und ein wahrnehmbares Bekenntnis zum Nationalsozialismus als politischer Bewegung und zum NS-Regime abge-

    legt." Ist damit ein einziger Auftritt schon der Grund, eine Straße umzubennen?

  • Ein weiters Beispiel aus Würzburg, dass mir "Dr. Google" gerade gezeigt hat:


    Für die Richard-Strauss-Straße hatte die Straßennamenskommission nur eine Kontextualisierung vorgeschlagen, der Kulturausschuss stimmte aber unserem aus den Debatten heraus entstandenen Änderungsantrag zu, dass auch auch die Richard-Strauss-Straße umbenannt wird.


    Der Antrag stammt von den Grünen.

  • Unverständlich finde ich die Entscheidungen nicht, da ja alle Kriterien offengelegt werden. Ob man die Kriterien für stichhaltig hält, ist eine andere Sache. Interessant finde ich bei der ganzen Diskussion den Umstand, dass die Straße "Richard-Strauß-Straße" heißt/hieß und damit falsch geschrieben war :/

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  • Wenn ich mir die Fußnoten der neunseitigen "Biographischen Skizze" bei Strauss anschaue, muss ich festellen, dass hier größtenteils aus einer "wissenschaftlichen Untersuchung der Straßennamen der Stadt Oldenburg" von 2013 zitiert wird.


    Hinzu kommt noch ein Buch von 2021 (Dietrich Kröncke: Richard Strauss und die Juden. Jüdische Freunde, Dichter und Musiker. Die Jahre 1933–1948, Bd. I, Wien 2021).


    Mit zwei Quellen wäre ich im Studium bei einem Referat nicht weit gekommen und mein Prof. hätte mir die neun Seiten um die Ohren gehauen...

  • Dieses widerwärtige Pack versucht auch in Wien Straßen umzubenennen. Derzeit haben sie den Dr. Karl LugerPlatz im Visier - benannt nach dem ehemaligen Bürgermeister Dr. Karl Lueger* (1897-1910) von Wien.

    Aber es ist ihnen noch nicht geglückt, den Platz umzubenennen und das Denkmal (Es wird regelmässig beschmiert) demontieren zu lassen.

    Wenn ich mir die Meinungsumfragen zu den kommenden Wahlen ansehe, wirds seeehhr eng werden für die Linken - und auch für die Roten- das Land neigt sich langsam - aber sicher wieder der bürgerlichen Mitte zu - und vielleicht sogar ein wenig nach rechts...

    Nein, diese Mühe ist noch überflüssiger wie die Kommission, die die Begründung entworfen hat.

    Diese "Kommissionen" sind in meinen Augen nichts weiter als Versorgungsposten für willfährige Gutachter der Jeweiligen politischen Auftraggeber aller Couleurs. Sie kommen immer zu Schlussfolgerungen

    die der jeweiligen politschen Richtung entspricht. Siehe die Statments über "entartete Kunst" in den 30er und 40er Jahren.

    Ich halte sie GENERELL für so übderflüssig wie einen Kropf - und man könnte eine Menge steuergeld sparen.


    In Wien - man hat den -Abriss ders Denkmals nicht durchsetzen könne, soll jetz auf die "Schieflage" hingewiesen werden, indem das Denkmal um3,6 Grad geneigt wird WAS DAS KOSTET!!!!

    Und völlig sinnlos ist. Dazu sinnlos. Denn in Wien gibt es zwar keinen "radikalen Antisemitismus" wohl aber einen sanften unterschwelligen Salon-Antisemitismus. Der ist zwar da - aber er schlummert - ist aber nicht tot, was sowieso nicht erreichbar ist. Solche Aktionen erreichen genau das Gegenteil vom Beabsichtigten.

    Weil das Thema "Nationalsozialismus" scheinbar unvermeidlich in diesem Forum ist (An sich est es ja verboten - und überdies interessiert es mich nicht)

    verlinke ich hier einen - weitgehend - neutralen Text:


    https://www.richardstrauss.at/…-nationalsozialismus.html


    mfg aus Wien

    Alfred




    *) Aussprache Luu- eeger

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie dem von ChKöhn verlinkten, ausführlichen Abschlussbericht zu entnehmen ist, hat es sich keineswegs um eine "undifferenzierte Entscheidung" gehandelt. Der neunseitige Text über Strauss zeigt mMn gut, wieso man zu dem Ergebnis einer "Umbenennungsepfehlung" kommen kann.

    Das sehe ich ganz genauso. Was hier gerne vergessen wird, ist der Umstand, dass es bei einer öffentlichen Würdigung eines Künstlers, was die Benennung einer Straße nun mal ist, nicht nur auf künstlerische Leistungen ankommt, sondern auch politisches und sonstiges gesellschaftliches Handeln einbezogen werden muss. Und das Verhalten von Richard Strauss während des Nationalsozialismus lässt durchaus den Schluss zu, dass man diesen Menschen nicht durch Benennung einer Straße auszeichnen sollte.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Nein, diese Mühe ist noch überflüssiger wie die Kommission, die die Begründung entworfen hat.

    Dann stellt sich natürlich die Frage, worauf Dein vehementer Widerspruch eigentlich beruht. Sachargumente können es ja nicht sein, wenn Du die Sache gar nicht zur Kenntnis nimmst.


    Außerdem finde ich einen neunseitigen Text doch etwas dürftig, um über das Verhalten einer Person im III. Reich zu befinden.

    Wenn neun Seiten "etwas dürftig" sind, was sind denn dann die dreieinhalb Zeilen, die Du mit den Worten "Und hier die Begründung" zitiert hast?

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Ulrich Schreiber, der bekannte Musikwissenschaftler, hat es mit diesem Satz vielleicht auf den Punkt gebracht: "Er war kein Täter, aber er war einer, der es geschehen ließ". Doch damit war er nun wirklich nicht allein.

    Ja, das trifft es.


    Schade, dass in heutiger Überkorrektheit nur noch Heilige für Straßenbezeichnungen in Frage kommen.

    Undifferenziert finde ich das Ganze allerdings schon, wenn die Stadt Wiesbaden einstimmig zu dem Ergebnis kommt, dass der Stadt Schaden entsteht und nicht die Würdigung eines musikalischen Genies ebenfalls sichtbar sein soll, als Pflege der Kultur. Da ich die Argumentation in solchen Fällen wie hier nicht stichhaltige finde, ist mir am Ende unverständlich, warum so entschieden wird - auch noch einstimmig. Das finde ich persönlich traurig.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

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  • Wenn ich mir die Fußnoten der neunseitigen "Biographischen Skizze" bei Strauss anschaue, muss ich festellen, dass hier größtenteils aus einer "wissenschaftlichen Untersuchung der Straßennamen der Stadt Oldenburg" von 2013 zitiert wird.


    Hinzu kommt noch ein Buch von 2021 (Dietrich Kröncke: Richard Strauss und die Juden. Jüdische Freunde, Dichter und Musiker. Die Jahre 1933–1948, Bd. I, Wien 2021).


    Mit zwei Quellen wäre ich im Studium bei einem Referat nicht weit gekommen und mein Prof. hätte mir die neun Seiten um die Ohren gehauen...

    Es handelt sich laut Literaturverzeichnis nicht nur um zwei zitierte Quellen. Du hast Recht, die meisten Belege verweisen auf die 2013er Studie, die aber ihrerseits auf einer Reihe an Literatur basiert. Das geben die Autoren in den Fußnoten aber auch offen zu: "Diese biografische Skizze beruht auf einer wissenschaftlichen Untersuchung der Straßennamen der Stadt Oldenburg, welche unter der Leitung von Dietmar von Reeken und Malte Thießen entstand."

    Der Link zu der Studie funktioniert leider nicht mehr, hier gibt es sie aber trotzdem noch frei zugänglich, hier ist die biografische Skizze auch mit diverser Literatur unterfüttert (pdf-Seiten 217-228).


    Dennoch werden auch Briefwechsel und Tagebücher zitiert, insgesamt werden sechs Quellen aufgeführt (Tagebucheintrag Goebbels, 5.7.1935; Tagebucheintrag Goebbels, 5.12.1941; Schreiben Strauss an Tietjen, 17.12.1938; Franz Strauss im Spruchkammerverfahren gegen Heinz Hausböck; Briefwechsel Strauss mit Wagner; Briefwechsel Strauss mit Sommer), dazu noch die genannte Literatur von Kröncke sowie ein weiteres Buch von Eckart Conze.


    Liebe Grüße

    Amdir


    Edit.:

    Bei Karl Elmendorff wird übrigens die Begründung des vorherigen Artikels von Rudolf Dietz einfach wiederholt. (Darf man das "schlampig" nennen?)

    Das ist natürlich ein Fehler, der absolut nicht passieren darf. Auch die Fußnote 407 beinhaltet unter den Anmerkungen den Tippfehler "Briefwechsel Straus-Wagner", ärgerlich!

  • Was hier gerne vergessen wird, ist der Umstand, dass es bei einer öffentlichen Würdigung eines Künstlers, was die Benennung einer Straße nun mal ist, nicht nur auf künstlerische Leistungen ankommt, sondern auch politisches und sonstiges gesellschaftliches Handeln einbezogen werden muss. Und das Verhalten von Richard Strauss während des Nationalsozialismus lässt durchaus den Schluss zu, dass man diesen Menschen nicht durch Benennung einer Straße auszeichnen sollte.

    Eben, und die künstlerische Leistung wird ja auch in Wiesbaden weiter anerkannt: Der "Rosenkavalier" lief in diesem Jahr sieben Mal...


    Schade, dass in heutiger Überkorrektheit nur noch Heilige für Straßenbezeichnungen in Frage kommen.

    Undifferenziert finde ich das Ganze allerdings schon, wenn die Stadt Wiesbaden einstimmig zu dem Ergebnis kommt, dass der Stadt Schaden entsteht und nicht die Würdigung eines musikalischen Genies ebenfalls sichtbar sein soll, als Pflege der Kultur.

    Könnte es sein, dass Dein Satz mit den "Heiligen" auch nicht gerade übermäßig differenziert ist? In Wiesbaden gibt es z.B. eine Abraham-Lincoln-Straße: Frag mal die indianischen Ureinwohner in den USA, ob sie Lincoln für einen "Heiligen" halten.

    Zurück zu Strauss: Die Würdigung und Pflege seiner Werke geschieht im Hessischen Staatstheater. Mir reicht das ;).

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Lieber Amdir,


    ich wollte lediglich aufzeigen, dass nicht selbst geforscht wurde. Die Goebbels-Zitate stammen aus der Studie von Reeken / Thießen, man gibt lediglich eine weitere Onlinequelle dazu an, die man im Januar 2022 im Netz abgerufen hat.


    Der Brief an Tietjen stammt aus dem Buch von 2021, ebenso die Zitate aus dem Spruchkammerverfahren gegen Hausböck oder der Brief mit Sommer. Ich lese als Quellenangabe einfach zu viel "zitiert nach ebd."


    Liebe Grüße


    Calatrava

  • Könnte es sein, dass Dein Satz mit den "Heiligen" auch nicht gerade übermäßig differenziert ist? In Wiesbaden gibt es z.B. eine Abraham-Lincoln-Straße: Frag mal die indianischen Ureinwohner in den USA, ob sie Lincoln für einen "Heiligen" halten.

    Nein mein Satz ist nicht differenziert, sondern sogar überspitzt. Du hast das Stilmittel erkannt - Glückwunsch! Was sagt dir, dass Lincoln nicht irgendwann auch ins Visier der Überkorrekten gerät?



    Zurück zu Strauss: Die Würdigung und Pflege seiner Werke geschieht im Hessischen Staatstheater. Mir reicht das ;) .

    Natürlich ist das wichtiger! Aber wo die Saat der Cancel Culture gestreut wird, da könnte sie irgendwann auch ins Staatstheater übergreifen. Das wäre dann noch ungleich schlimmer.

    Beste Grüße von Tristan2511


    "Glaubt er, dass ich an seine elende Geige denke, wenn der Geist zu mir spricht?"

    (Beethoven zu Schuppanzigh)

  • Dann stellt sich natürlich die Frage, worauf Dein vehementer Widerspruch eigentlich beruht.

    Allein auf der Tatsache, daß man teure Kommissionen einsetzt, um Straßennamen oder U-Bahn-Stationen und ähnliches auf ihre "Political Correctness", wie das neudeutsch heißt, untersuchen zu lassen. In Europa ist Krieg, der Nahe Osten steht in Flammen, aber wir durchforsten unsere Straßenbezeichnungen, und unser Bundeskanzler hat nichts Besseres zu tun, als Märchenbuch-Verlagen zu empfehlen, Neuauflagen ein erklärendes Vorwort mitzugeben, damit die 4- bis 6-Jährigen nur ja nicht auf verkehrte Gedanken kommen. Der Mann hat Sorgen!

    nur noch Heilige für Straßenbezeichnungen

    Auch das könnte gefährlich werden. Sollte z.B. jemand herausfinden, daß Thomas von Aquin im 13. Jhdt. eine Aussage für heutige empfindliche Ohren gemacht haben, so müßte sofort eingeschritten werden.

    Als dieser Rummel hier vor ein paar Jahren losging, habe ich das zuerst nur komisch gefunden, inzwischen ist es aber zumindest tragikomisch. Und das Ende der Fahnenstange ist noch längst nicht erreicht. Wie sagte mein Nachbar im vergangenen Jahr zu mir: Jeden Morgen, wenn ich auf die Straße gehe, meine ich, ich beträte ein Irrenhaus. Recht hat der Mann!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Ich habe beruflich bedingt mit der Benennung eines neu eingeführten wissenschaftlichen Preises zu tun gehabt. In der Regel nimmt man für so etwas verdiente Persönlichkeiten aus der Vergangenheit als Namensgeber.


    Eines der ersten Kriterien bei unseren Überlegungen war, ob die betreffende Person im Dritten Reich unbescholten geblieben ist oder nicht, und ich finde diese Überlegungen auch sehr nachvollziehbar.


    Würde man denselben Gedankengang auf Straßenbenennungen anwenden, so müsste man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass Richard Strauss als Namensgeber für eine Straße nicht infrage kommt (Stichwort: Hymnus auf Hans Frank).


    Das ändert nichts daran, dass Strauss ein hochverdienter Komponist war, der auch heute noch sehr geschätzt wird. Es hat einfach mit der Frage zu tun, ob sein Werdegang zu dieser Art einer Ehrung im öffentlichen Raum passt oder nicht.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Einstimmige Beschlüsse fragwürdig legitimierter Körperschaften könnten einem mit historischem Vorwissen per se suspekt erscheinen.


    Hoffentlich sind die Befürworter der Damnatio memoriae des Richard Strauss hier dann wenigstens so konsequent, nie wieder eine Ton von ihm zu hören.


    Dass solche Anträge von denjenigen politischen Kräften kommen, die nicht merken, dass die Hütte anderweitig lichterloh brennt, ist bezeichnend. Glücklicherweise deuten die Demoskopien eine sich noch verstärkende Marginalisierung derartiger Bewegungen an. Eine künftige Neubewertung fernab radikaler Ideologie wird den Wiesbadener Irrweg also zurechtrücken können.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Richard Strauss wird die Entstrassifizierung - wohl - nicht stören, aber was machen wir mit dem Asteroiden?


    (Am 16. Juni 2021 wurde ein Asteroid nach ihm benannt)

  • Hoffentlich sind die Befürworter der Damnatio memoriae des Richard Strauss hier dann wenigstens so konsequent, nie wieder eine Ton von ihm zu hören.

    Ich befürworte lediglich, die Argumente der Kommission zur Kenntnis zu nehmen und sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen, statt nur rumzuschreien wie dreijährige Kinder. Die Beschäftigung mit der Musik ist natürlich etwas vollkommen anderes: Das habe ich recht intensiv getan und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass die zum größten Teil aus aufgeblasenen, eitlen, hochglanzpolierten Banalitäten besteht, die ich freiwillig nicht hören will.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
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    (Theodor W. Adorno)

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  • Hoffentlich sind die Befürworter der Damnatio memoriae des Richard Strauss hier dann wenigstens so konsequent, nie wieder eine Ton von ihm zu hören.


    Das eine hat mit dem anderen nur begrenzt zu tun.


    Mit Kunstwerken befasst man sich aufgrund ihrer Qualität und nicht auf Basis der moralischen Integrität ihres Erzeugers.


    Bei einer öffentlichen Ehrung in Form einer Straßen- oder Gebäude-Benennung spielt neben den Leistungen der zu ehrenden Person bzw. ihrer Bedeutung im öffentlichen Leben hingegen auch ihre persönliche Integrität eine Rolle. Wie streng man bei der Beurteilung dieser Integrität sein sollte, ist nicht leicht zu sagen und unterliegt sicherlich auch zeitbedingten Fluktuationen.


    Die Frage, ob man Strauss hören oder spielen sollte, ist somit eine vollkommen andere als die, ob im Jahr 2023 eine Straße nach ihm benannt sein sollte.


    LG :hello:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Die Frage, ob man Strauss hören oder spielen sollte, ist somit eine vollkommen andere als die, ob im Jahr 2023 eine Straße nach ihm benannt sein sollte.

    Völlig richtig!

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Ich befürworte lediglich, die Argumente der Kommission zur Kenntnis zu nehmen und sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen, statt nur rumzuschreien wie dreijährige Kinder.

    Ich nehme die Argumente der Kommission zur Kenntnis, störe mich aber weiterhin an der Formulierung, dass der Straßenname das Ansehen der Landeshauptstadt Wiesbaden "beschädigen" würde.


    Das Ergebnis einer Kommission in Freiburg liest sich ähnlich wie in Wiesbaden:


    Ließ sich von den Nationalsozialisten hofieren und bereitwillig vereinnahmen, war bis 1935 Präsident der Reichsmusikkammer, dirigierte öffentlichkeitswirksame Konzert- und Opernaufführungen im Dienste der Partei, schrieb mehrere NS-Auftragskompositionen, stützte durch sein weltweites Renommee die NS-Kulturpolitik und somit das Regime.


    Am Ende hat man sich mit einem erklärenden Zusatz-Schild begnügt:


    Die Straßenbenennung erfolgte 1933 mit der Errichtung des Musikerviertels. Strauss war Schöpfer bedeutender und bis heute weltweit aufgeführter Musikwerke. Allerdings ließ er sich vom NS-Regime bereitwillig vereinnahmen und unterstützte deren Kulturpolitik.

  • Mal sehen, ob die Wiesbadener Gesinnungskommission in ein ähnliches Fettnäpfchen tritt wie dies vor einigen Jahren hinsichtlich einer Straßenumbenennung im Afrikanischen Viertel von Berlin der Fall war, als eine im 17. Jahrhundert regierende Königin aus dem heutigen Angola mit schwer auszusprechendem Namen als neue Namensträgerin vorgeschlagen wurde, wo aufgrund mangelhafter Recherche dann allerdings herauskam, dass diese Herrscherin eifrig in den Sklavenhandel involviert war. :D


    Die Anwohner spielen in solchen Fällen offenbar keine tragende Rolle. Dass diese hernach gezwungen sind, ihre Adressdaten in allen möglichen Zusammenhängen zeitaufwendig und nervenaufreibend ändern zu lassen, interessiert die ihnen vor die Nase gesetzten Kommissare natürlich mitnichten, die dafür ein reines Gewissen haben.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mit diesen Berliner Erfahrungen, lieber Joseph, bin auch ich vertraut. Anwohner lieben derlei Umbennungen gar nicht. Oft wissen sie nicht, um wen und was es da überhaupt geht. Sie haben andere Sorgen. Gerade im Afrikanischen Viertel. Schließlich ist in der Hauptstadt der Anteil von Menschen mit Bildungsferne, Armut und Migrationshintergrund überdurchschnittlich hoch. Andere fühlen sich belehrt und überrumpelt. Von den enormen Kosten, die gern herunhtergespielt werden, ganz zu schweigen. Es wird nicht möglich sein, eine Stadt mit politisch korrekten Staßennamen hinzubekommen. Dazu noch in dieser Zeit der Kriege, Kriesen und Abstiegsängsten, die immer mehr an uns alle herankriechen. Deshalb bleibe ich sehr gelassen bei diesem Thema. Man wird sehen. In Berlin gibt es auch so eine Liste wie in Wiesbaden mit etwa dreihundert Verdächtigen. Wenn es nach den Autoren geht, soll fast nichts bleiben wie es ist. Luther, Wagner, Marx, der selbst Jude war, und wer weiß wer noch, sollen aus dem Stadtbild verschwinden. Sogar der Theologe Bonhoeffer, der im KZ starb, ist darunter - weil antisemistischen Ideen gehabt haben soll.


    Was nun Strauss anbetrifft, um den es hier vor allem geht, finde ich die Begründung für die Umbenennung der nach ihm in Wiesbaden benannten Straße über weite Strecken konstruiert und oberflächlich in der Darstellung. Da bin ich ganz bei Calatrava, dem Threadstarter.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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